TE Bvwg Erkenntnis 2017/12/5 I407 2167375-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.12.2017
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Entscheidungsdatum

05.12.2017

Norm

AVG §68 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I407 2167375-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Stefan MUMELTER als Einzelrichter über die Beschwerden des XXXX, geb. XXXX, StA. Marokko, vertreten durch den Verein Menschenrechte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.07.2017, Zl. 790659604/170537575 – EAST-WEST, vom 25.09.2017 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Marokkos, reiste spätestens am 02.06.2009 illegal in Österreich ein. Am 04.06.2009 brachte er seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Innsbruck, vom 22.03.2010, Zahl: 09 06.596 - BAI, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz vom 04.06.2009 gemäß § 3 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm wurde gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Marokko ausgewiesen (Spruchpunkt III).

3. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.05.2010, Zahl: A1 412.832-1/2010/3E, wurde die Beschwerde gem. § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 AsylG 2005 idgF abgewiesen. Das Erkenntnis des Asylgerichtshofes erwuchs am 10.05.2010 in Rechtskraft.

4. Am 29.01.2014 stellte der Beschwerdeführer seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, vom 25.02.2016, Zahl: 13-790659604/14062375, wurde dieser Antrag auf internationalen Schutz gem. § 3 Absatz 1 iVm 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen, wurde gem. § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG sein Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko abgewiesen und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt, wurde gem. § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 10072005 (FPG) idgF, erlassen und wurde gem. § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Marokko zulässig ist. Es bestand gem. § 55 Absatz 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise. Der Beschwerdeführer hat somit gem. § 13 Absatz 2 Ziffer 1 Asylgesetz sein Recht zum Aufenthalte im Bundesgebiet ab dem 28.04.2015 verloren. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gem. § 18 Absatz 1 Ziffer 1 und 6 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012 (BFA-VG), idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gem. § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, erwuchs am 16.03.2016 in Rechtskraft.

5. Am 05.05.2017 (richtig: am 30.03.2017) stellte der Beschwerdeführer aus dem Stand der Strafhaft den verfahrensgegenständlichen dritten Asylantrag im Wege eines Schreibens an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in dem er im wesentlichen schildert, Marokko verlassen zu haben, weil er homosexuell sei. Die Leute hätten zu ihm gesagt, er könne nicht da bleiben. Er wolle in Österreich bleiben, weil Homosexualität in Marokko strafbar sei und er deswegen auch nicht dahin gehen wolle. Er bitte um einen neuen Asylantrag, um politisches Asyl. Er habe viele Probleme in Marokko gehabt, weil er schwul sei, sei angespuckt und geschlagen worden und das auch von der Polizei. Einmal sei er deswegen geschlagen worden und habe dann Anzeige erhoben. Die Polizei habe nichts weiter gemacht.

Bei der niederschriftlichen "Erstbefragung zum Folgeantrag Asyl" im gegenständlichen Asylverfahren bei der Fachinspektion, Polizeianhaltezentrum Wels, am 05.05.2017, gab der Beschwerdeführer vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes Folgendes an: Er habe keine Krankheiten oder Beschwerden, welche ihn an der Einvernahme hindern oder beeinträchtigen. Erforderliche Medikamente wurden keine angeführt. Er habe Österreich seit der letzten Entscheidung im Asylverfahren nicht verlassen. Er wolle nun anführen, dass er nach Marokko nicht zurückkehren möchte. Er hätte viele Probleme in Marokko, möchte jetzt jedoch nicht darüber sprechen. Er habe die Behörde schon über seine Fluchtgründe informiert. Es gäbe keine neuen Fluchtgründe.

Am 17.05.2017 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor der belangten Behörde statt. Der Beschwerdeführer gab im Zuge der Einvernahme auf die Frage, warum er nunmehr einen weiteren Asylantrag stelle, wie folgt an: "Was meine neuen Probleme betrifft, diese habe ich schriftlich, postalisch, mit der Post an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl geschickt. Diese Probleme habe ich schon früher gehabt, ich habe aber nicht die Wahrheit gesagt. Denn ich hatte Angst um mich. Ich konnte nicht die Wahrheit sagen, weil, das was ich bin, mit einer Gefängnisstrafe geahndet wird. Es ist gesellschaftlich und religiös verpönt. Deshalb habe ich die Wahrheit nicht gesagt. Ich war damals noch in der Schule. Ich war 13 bis 14 Jahre alt. Ich wurde auf Grund von diesen Problemen, die ich habe, aus der Schule ausgestoßen. Das ist der Grund, weshalb ich damals nach Österreich gekommen bin." Befragt, wann der letzte Vorfall im Heimatstaat gewesen sei, gab er, dies sei zwei Wochen vor seiner Ausreise gewesen. Er werde wegen seiner Homosexualität auch vom Gericht gesucht.

Am 29.05.2017 fand abermals eine niederschriftliche Einvernahme vor der belangten Behörde statt. Der Beschwerdeführer bestätigte seine bisher gemachten Angaben.

6. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl EAST-West (i.f. belangte Behörde) Zl. 790659604/170537575 – EAST-WEST, vom 25.09.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 11.04.2017 gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

7. Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 09.08.2017 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

8. Die Beschwerde wurde von der belangten Behörde am 11.08.2017 dem BVwG vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Marokkos, und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b Asylgesetz. Die Identität des Beschwerdeführers steht in Ermangelung entsprechender Dokumente nicht fest. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Araber an und ist moslemischen Glaubens. Er ist ledig und befindet sich in einem arbeitsfähigen Alter. Er leidet an keinen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich, auch von einer außergewöhnlichen Integration kann nicht gesprochen werden.

Der Beschwerdeführer weist folgende strafrechtliche Verurteilungen auf:

01) LG XXXX vom XXXX RK XXXX

§ 27 ABS 1/1 (1.2. FALL) 27/3 27ABS 1/1 (1.8. FALL) SMG

Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Jugendstraftat

02) LG XXXX vom XXXX RK XXXX

PAR 15 269/1 StGB

PAR 27 ABS 1/1 (1.2. FALL) SMG

PAR 88/1 StGB

PAR 27/3 27 ABS 1/1 (8. FALL) U ABS 5 SMG

Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

03) LG XXXX vom XXXX RK XXXX

PAR 269/1 (1. FALL) 125 127 129/1 StGB

Geldstrafe von 180 Tags zu je 4,00 EUR (720,00 EUR) im NEF 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

Jugendstraftat

04) LG XXXX vom XXXX RK XXXX

PAR 241 E/3 (3. FALL) 229/1 PAR 15 127 StGB

Datum der (letzten) Tat 25.11.2009

Geldstrafe von 100 Tags zu je 4,00 EUR (400,00 EUR) im NEF 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Jugendstraftat

05) LG XXXX vom XXXXRK XXXX

PAR 27/2 27 ABS 1/1 (1.2. FALL) 27/3 27 ABS 1/1 (8. FALL) SMG

Freiheitsstrafe 2 Monate

Jugendstraftat

06) LG XXXX vom XXXX RK XXXX

PAR 27 ABS 1/1 (1. FALL) 27 ABS 1/1 (2. FALL) 27 ABS 1/1 (8. FALL) U ABS 3 SMG

Freiheitsstrafe 10 Monate

Jugendstraftat

07) LG XXXXXXXX vom XXXX RK XXXX

§ 15 StGB § 105 (1) StGB

Freiheitsstrafe 3 Monate

Junge(r) Erwachsene(r)

08) LG XXXX vom XXXX RK XXXX

§ 241e (3) StGB

§ 229 (1) StGB

§§ 127, 129 Z 1 StGB § 15 StGB

§ 28a (1) 5. Fall iVm Abs 3 SMG

§ 135 (1) StGB

Freiheitsstrafe 18 Monate

Junge(r) Erwachsene(r)

09) BG XXXX vom XXXX RK XXXX

§ 15 StGB § 127 StGB

Freiheitsstrafe 1 Monat

10) LG XXXX vom XXXX RK XXXX

§§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall SMG

§§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG

§§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG

§ 127 StGB

Freiheitsstrafe 18 Monate

11) LG XXXX vom XXXX RK XXXX

§ 15 StGB §§ 127, 129 Z 1 StGB

Freiheitsstrafe 12 Monate

Der Beschwerdeführer stellte am 29.01.2014 seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. In diesem Verfahren hatte der Beschwerdeführer geltend gemacht, in Österreich einen Asylantrag gestellt zu haben, weil er seinen Herkunftsstaat aufgrund seiner persönlich schlechten, wirtschaftlichen Situation verlassen hat.

Im gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz bringt der Beschwerdeführer keine neuen Fluchtgründe vor, sondern stützt seinen Antrag auf seine Homosexualität, die bereits in seinem Heimatstaat bestand, zu der er jedoch bis zum verfahrensgegenständlichen Asylantrag nichts ausführen wollte. Der Beschwerdeführer behauptet auch nicht, dass es nach dem rechtskräftigen Abschluss des Erstverfahrens zu weiteren Vorfällen im Herkunftsstaat gekommen ist, die im Zusammenhang mit seinem Fluchtvorbringen stehen.

Der Beschwerdeführer hat Österreich seit dem rechtskräftigen Abschluss seines zweiten Asylverfahrens nicht verlassen.

Zusammengefasst ist daher festzustellen, dass das Vorliegen eines neuen Sachverhaltes im Vergleich zum Abschluss des Verfahrens betreffend den Antrag auf internationalen Schutz vom 25.02.2016 vom Beschwerdeführer nicht behauptet wird.

Weiters konnte auch im Vergleich zum oben angeführten Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl keine maßgebliche Änderung der den Beschwerdeführer betreffenden asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers und in sonstigen in der Person des Beschwerdeführers gelegenen Umständen festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie des Aktes zum vorangegangenen Asylverfahrens. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person und zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich – vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus seinen in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Soweit dieser namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet.

Grundsätzlich ist im gegenständlichen Fall anzuführen, dass das BFA ein mängelfreies und ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt hat.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Die in der Beschwerde vorgebrachte Darstellung der Fluchtgründe des Beschwerdeführers ist nicht dazu geeignet, eine wesentliche Änderung des Sachverhalts aufzuzeigen. Die in der Beschwerde genannten Umstände wurden vielmehr bereits im Vorverfahren vorgebracht und waren zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung des zweiten Asylverfahrens durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 25.02.2016 jedenfalls bereits eingetreten und ihm bekannt.

Vom Bundesverwaltungsgericht ist gerade nicht die Rechtmäßigkeit der Vorentscheidung zu prüfen, sondern nur, ob eine entschiedene Sache vorgelegen hat oder ob zwischen der Rechtskraft des ersten abweisenden Bescheides und der Zurückweisung des gegenständlichen Antrages wegen entschiedener Sache mit Bescheid vom 15.07.2017 eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist. Eine solche ist nicht erkennbar; es wurden keine neuen Fluchtgründe vorgebracht.

Im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren des Jahres 2016 hatte der Beschwerdeführer wirtschaftliche Gründe als Anlass seiner Flucht aus Marokko vorgebracht; in der Erstbefragung am 29.01.2014 hatte er gegenüber Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf die Frage, ob er seit seinem ersten Asylverfahren neue Fluchtgründe habe, erklärt: "Ja, meine Mutter sei verstorben und die Schwester von zuhause ausgezogen. Ich habe in meiner Heimat niemand mehr, zu dem ich zurückkehren könnte." Befragt nach seinen Rückkehrbefürchtungen vermeinte der Beschwerdeführer: "Ich habe keinen Platz zum Wohnen und keinen Platz zum Essen. Ich habe dort nichts.". In einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 02.06.2015 führte der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund befragt im Wesentlichen aus, dass sein Leben in Marokko sehr schwer gewesen sei. Er habe neben der Schule und zuletzt als Autowäscher gearbeitet und zuletzt € 20,- in der Woche verdient. Schon seit dem Jahr 2006 habe er über eine Ausreise nachgedacht, im vierten Versuch sei es gelungen. Befragt, was er im Falle einer eventuellen Rückkehr konkret zu befürchten hätte, vermeinte der Beschwerdeführer: "Nichts. Sollte ich abgeschoben werden, dann komme ich in einem Monat wieder."

Im gegenständlichen Asylverfahren in der Erstbefragung am 05.05.2017 verwies der Beschwerdeführer gegenüber Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf einen Brief an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in dem er schilderte, dass er homosexuell sei und deswegen in Algerien Probleme, u.a. auch mit der Polizei gehabt habe.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 17.05.2017 meinte er, dass er bereits in der Schule, im Alter von 13 oder 14 Jahren wegen seiner Homosexualität Probleme gehabt habe. Deswegen sei er von der Schule verstoßen worden. Seine Homosexualität sei in Marokko gesellschaftlich und religiös verpönt. Deswegen sei er nach Österreich gekommen. Der letzte Vorfall sei zwei Wochen vor seiner Ausreise gewesen.

Aus einem Vergleich dieser Aussagen ergeben sich keine neuen Fluchtgründe. Der Beschwerdeführer hat Marokko aus nicht GFK-relevanten Gründen verlassen. Diese Gründe waren bereits Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens. Wenn der Beschwerdeführer nunmehr vorbringt, dass er wegen seiner Homosexualität Probleme in seinem Heimatstaat habe, so ist diesbezüglich festzuhalten, dass selbst bei Wahrunterstellung diese Fluchtgründe zum Zeitpunkt der Antragstellung im zweiten Asylverfahren, d.h. zum Zeitpunkt des Vorverfahrens jedenfalls bekannt gewesen wären. Das Vorbringen entbehrt aber auch eines glaubhaften Kernes, hätte doch der Beschwerdeführer jedenfalls seine vorgeblichen Probleme mit seiner Homosexualität in Marokko den österreichischen Sicherheits- und Asylbehörden in den beiden vorhergehenden Asylverfahren ohne weiteres darlegen können, so wie man es von einem den Schutz des österreichischen Asylsystems suchenden Beschwerdeführer erwarten kann. Entspricht es doch den Pflichten des Asylwerbers, alles was der glaubhaften Darlegung seines Asylvorbringens dient, von sich aus initiativ darzulegen. Dies hat er in den beiden vorigen Asylverfahren nicht getan. Das Vorbringen entbehrt daher eines glaubhaften Kerns.

Bei Folgeanträgen sind die Asylbehörden auch dafür zuständig, mögliche Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus des Antragstellers einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 15.05.2012, 2012/18/0041). Doch aus den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides ergibt sich in Gegenüberstellung mit den Länderfeststellungen des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol vom 25.02.2016, Zahl:

13-790659604/14062375, dass keine wesentliche Änderung der Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers eingetreten ist. Eine solche ist dem Bundesverwaltungsgericht auch nicht bekannt bzw. wurde in der Beschwerde auch nicht behauptet. Es sind auch keine Umstände amtsbekannt, dass in ganz Marokko gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefahr im Sinn der Art. 2 oder 3 EMRK ausgesetzt ist, und es besteht auch nicht auf dem gesamten Staatsgebiet von Marokko ein innerstaatlicher oder internationaler Konflikt, durch den mit einem Aufenthalt in Marokko für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt verbunden wäre. An dieser Einschätzung hat sich nach wie vor nichts geändert, wie auch aus der jüngsten Rechtsprechung des BVwG ersichtlich.

Es sind auch keine wesentlichen in der Person des Beschwerdeführers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, etwa eine schwere Erkrankung oder ein sonstiger auf seine Person bezogener außergewöhnlicher Umstand, welcher eine neuerliche umfassende Refoulementprüfung notwendig erscheinen ließe.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3. Zurückweisung des Antrages wegen entschiedener Sache:

Da das Bundesamt mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst.

Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (VwGH 21. 3. 1985, 83/06/0023, u.a.). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes – nicht bloß von Nebenumständen – kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH 27. 9. 2000, 98/12/0057; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 80 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 8. 9. 1977, 2609/76).

Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG dann vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. VwGH 24. 2. 2005, 2004/20/0010 bis 0013; VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 20. 3. 2003, 99/20/0480; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben (nochmals) zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH 25. 4. 2002, 2000/07/0235; VwGH 15. 10. 1999, 96/21/0097). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 9. 9. 1999, 97/21/0913; und die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 90 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

Ist davon auszugehen, dass ein/eine Asylwerber/Asylwerberin einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz auf behauptete Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die dieser/diese jedoch nicht bereits im ersten Verfahren vorgebracht hat, liegt schon aus diesem Grund keine Sachverhaltsänderung vor und ist der weitere Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl. VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 24. 8. 2004; 2003/01/0431; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315; VwGH 24. 2. 2000, 99/20/0173; VwGH 21. 10. 1999, 98/20/0467).

Ist Sache der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend – bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache – entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) das Rechtsmittel abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. VwGH 30. 5. 1995, 93/08/0207).

Für das Bundesverwaltungsgericht ist daher Sache des gegenständlichen Verfahrens die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

Die Anwendbarkeit des § 68 AVG setzt gemäß Abs. 1 das Vorliegen eines der "Berufung" nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides, dh eines Bescheides, der mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht (mehr) bekämpft werden kann, voraus. Diese Voraussetzung ist hier gegeben, der Bescheid zum vorangegangenen Asylverfahren ist am 16.03.2016 in formelle Rechtskraft erwachsen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) hat - wie in der Beweiswürdigung zusammengefasst - völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass entschiedene Sache vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Auffassung des Bundesamtes an, dass die Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren nicht geeignet sind, eine neue inhaltliche Entscheidung zu bewirken und dass darin kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden kann.

Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer homosexuell ist, stellt kein "real risk" einer Verletzung des Art. 2, 3 EMRK dar, da die von ihm vorgebrachte gesellschaftliche und religiöse Verpönung der Homosexualität nicht die hohe Eingriffsschwelle im Rahmen der Refoulementprüfung in seinen Heimatstaat Marokko verletzt und eine gezielte staatliche Verfolgung von Homosexuellen in Marokko weder in der Gegenwart noch zum Zeitpunkt der Erlassung des zweitinstanzlichen Bescheids festgestellt werden konnte (vgl. VfGH U1268/2013-14 vom 16.09.2013).

Da weder in der maßgeblichen Sachlage, und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen scheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden kann. Der angefochtene Bescheid war sohin vollinhaltlich zu bestätigen.

Der VwGH stellt in seinem Erkenntnis zu GZ Ro 2015/21/0037 vom 16.12.2015 dar, dass der Wortlaut des § 59 Abs. 5 FrPolG 2005 idF des FNG 2014 missglückt ist. Vor allem die Bezugnahme auf alle "nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück oder dem AsylG 2005", bei denen es bei Existenz einer aufrechten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung "bedarf", sei sprachlich offenkundig verfehlt. Gleichzeitig stellte er in diesem Erkenntnis klar, dass, wenn bereits eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot vorliegt, es der neuerlichen Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht bedarf. Es verbleibt die Frage, warum der Gesetzgeber die zutreffende Kritik des VwGH an § 59 Abs. 5 FrPolG 2005 bei der Erlassung des FRÄG 2017 nicht aufgegriffen hat.

Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für eine freiwillige Ausreise in Fällen einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68

AVG.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Eine mündliche Verhandlung kann gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2).

Da der verfahrenseinleitende Antrag durch die belangte Behörde zurückzuweisen war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben. Der für die Zurückweisung maßgebliche Sachverhalt war zudem auf Grund der Aktenlage klar.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, Folgeantrag, Glaubwürdigkeit,
Homosexualität, Prozesshindernis der entschiedenen Sache,
Rechtsanschauung des VwGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:I407.2167375.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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