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65/02 Besonderes PensionsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Eingriffe in Pensionen bzw Pensionsansprüche von Dienstnehmern der Oesterreichischen Nationalbank; bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung zu derartigen, die Grundrechte beschränkenden Eingriffen eng auszulegen; keine Generalermächtigung zu verfassungsgesetzlich unüberprüfbaren Regelungen; Unionsrecht kein Prüfungsmaßstab; kein Widerspruch der einfachgesetzliche Regelungen betreffend die Einhebung von Pensionsbeiträgen, Anhebung des Pensionsantrittsalters, Änderung der Pensionsbemessung, Abschläge bei vorzeitiger Pensionierung, Einhebung von Pensionssicherungsbeiträgen und Entfall des Sterbequartals zum Vertrauensschutz; Eingriffe teils nicht intensiv bzw durch Übergangsregelungen gemildertRechtssatz
Abweisung der (Partei-)Anträge des Zentralbetriebsrates der Oesterreichischen Nationalbank sowie von Dienstnehmern bzw Pensionsbeziehern der OeNB auf Aufhebung von Wortfolgen in §10 Abs4, Abs5 und Abs7 des BVG über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre (BezBegrBVG), BGBl I 64/1997 idF des SonderpensionenbegrenzungsG (SpBegrG), BGBl I 46/2014, sowie von Wortfolgen in §1 des die Pensionsordnungen der Oesterreichischen Nationalbank betreffenden Art81 des 2. StabilitätsG 2012 (2. StabG 2012), BGBl I 35/2012 idF BGBl I 46/2014.
Keine Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen des BezBegrBVG wegen eines gesamtändernden Eingriffs in das rechtsstaatliche Prinzip.
Der VfGH hat in seiner bisherigen Rechtsprechung bundesverfassungsgesetzlichen Ermächtigungen, die Eingriffe des einfachen Gesetzgebers in bestehende Ansprüche, insbesondere auch in Bezüge und Ruhegenussansprüche, verfassungsrechtlich für zulässig erklären sollten, im Zweifel und in baugesetzkonformer Interpretation nicht die Bedeutung zugemessen, dass damit der einfache Gesetzgeber von allen bundesverfassungsgesetzlichen Schranken, insbesondere auch von Grundrechten und im Besonderen vom Gleichheitssatz, entbunden wird und Kürzungen "in jedweder Art und Intensität" erlaubt sein könnten. Der VfGH hält an dieser Rechtsprechung fest: Derartige - wie hier - die Grundrechte beschränkende und insoweit die verfassungsgerichtliche Kontrolle ausschließende bundesverfassungsgesetzliche Regelungen sind eng auszulegen.
Art10 Abs4, Abs5 und Abs7 BezBegrBVG lassen bestimmte einfachgesetzliche Eingriffe in bestehende Leistungen von Bediensteten und Pensionisten rechnungshofkontrollierter Institutionen zu, legen aber weder den Zeitpunkt noch das Ausmaß dieses Eingriffes selbst fest.
Der einfache Gesetzgeber hat daher einen rechtspolitischen Spielraum, zu welchen Zeitpunkten und in welcher jeweiligen Intensität der Eingriff erfolgt. Insoweit das Verfassungsgesetz den Gesetzgeber also nicht bindet, unterliegt dieser bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung der bundesverfassungsrechtlichen Ermächtigung den durch die Grundrechte gezogenen Grenzen.
Gesetzliche Regelungen in dienst- und pensionsrechtlichen Angelegenheiten, die bisher nur Gegenstand privatrechtlicher Verträge gewesen sind, stellen einen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums beider Vertragspartner dar.
Die bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung für den Eingriff kennzeichnet das öffentliche Interesse an der Regelung hinsichtlich aller der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegenden Unternehmen sowie den Eingriff in die bestehenden Verträge und Pensionsansprüche als zulässiges gesetzgeberisches Ziel und sie legt die Gruppe der Normunterworfenen fest, die von derartigen Eingriffen des Gesetzgebers betroffen sein darf.
Keine Generalermächtigung zu verfassungsrechtlich unüberprüfbaren Regelungen.
Weder Art130 noch eine andere Bestimmungen des AEUV sind Prüfungsmaßstab im Gesetzesprüfungsverfahren. Diesbezügliche Fragen sind - gegebenenfalls - ebenso von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden wie die Frage der Erforderlichkeit eines Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art267 AEUV.
Die angefochtenen Bestimmungen des BezBegrBVG sind auch nicht an der GRC zu messen.
Die Grundrechte der GRC finden in allen unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen, aber nicht außerhalb derselben Anwendung.
Art130 AEUV sichert die Unabhängigkeit der nationalen Notenbanken und ihrer Organe und bildet für Eingriffe in die Unabhängigkeit dieser Organe eine Schranke; die Bestimmung führt aber nicht zu einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu einer bestimmten Ausgestaltung von Pensionsregelungen für die Mitarbeiter und Organe nationaler Notenbanken.
Die angefochtenen Bestimmungen bezwecken weder die Durchführung des Rechts der Union noch verfolgen sie Ziele, die unter das Unionsrecht fallen.
Die OeNB ist weder ein Organ der Europäischen Union noch ist sie eine Einrichtung der Europäischen Union iSd Art51 Abs1 erster Satz GRC.
Kein Widerspruch der angefochtenen Bestimmungen des §1 des Art81 "Pensionsordnungen der Oesterreichischen Nationalbank" des 2. StabG 2012 idF des SpBegrG zu dem aus dem Gleichheitssatz abgeleiteten Vertrauensschutzprinzip; keine Verletzung des Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums.
Angesichts des Wortlauts der angefochtenen Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen des SpBegrG kann weder von der Abschaffung des privatrechtlichen Pensionssystems der OeNB die Rede sein noch wird durch die im Verfassungsrang stehenden Bestimmungen eine solche Abschaffung oder auch nur ein derart substanzieller Eingriff in die Pensionsverträge in Zukunft zugelassen, durch welche die mit der privatrechtlichen Pensionszusage der OeNB verbundene, am Erwerbseinkommen der Aktivzeit orientierte "Lebensstandard-Garantie" der Bediensteten und Funktionäre der OeNB ernsthaft in Frage gestellt würde.
Um einen Eingriff in bestehende Leistungen (oder effektuierte Anwartschaften) sachlich rechtfertigen zu können, ist dem Gewicht des öffentlichen Interesses, das hier durch Verfassungsbestimmungen zum Ausdruck kommt, die Intensität des Eingriffes (zB der Grad der Unvermeidbarkeit des Eingriffes zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Systems) gegenüberzustellen. Ein an sich gravierender Eingriff kann im Hinblick darauf verfassungsrechtlich unbedenklich sein, dass er über einen gewissen Zeitraum bzw für bestimmte Altersgruppen durch Einschleifregelungen in seiner Wirkung gemildert und abgefedert wird.
Der Gesetzgeber hat durch die bekämpften Maßnahmen betr Einhebung von Pensionsbeiträgen, Anhebung des Pensionsantrittsalters, Änderung der Pensionsbemessung und Abschläge bei vorzeitiger Pensionierung insgesamt einen nicht unerheblichen Eingriff in das Pensionsrecht der OeNB-Bediensteten vorgenommen. Zugleich hat er aber unter Anwendung eines differenzierten Systems von begleitenden Regelungen das Gewicht des Eingriffes so weit verringert, dass er die verfassungsrechtlichen Grenzen nicht überschritten hat.
Weiters keine Verfassungswidrigkeit durch den Eingriff in bestehende und künftige Pensionsleistungen durch Pensionssicherungsbeiträge.
Die durch das SpBegrG verursachte Kürzung der Pensionen erreicht bei der Durchschnittspension der obersten Gruppe von 4,3% aller Pensionsbezieher in der Höhe von € 17.507,33 brutto erstmals die "kritische" 10%-Grenze (bemessen an den netto sich ergebenden Auswirkungen) und erreicht bei der höchsten Pension von rd € 34.500,- den höchsten Wert von 16,11% netto. Bei der gesamten Gruppe von Pensionsbeziehern mit mehr als € 13.950,- monatlich handelt es sich um Pensionisten der OeNB, die eine weit über dem Durchschnitt liegende Altersversorgung genießen. Die 10% übersteigende Kürzung, die (in Abhängigkeit von der jeweiligen Pensionshöhe) höchstens 16,11% beträgt, erreicht nicht ein Ausmaß, von dem gesagt werden könnte, dass es die Lebensführung der Betroffenen nennenswert beeinträchtigt oder in nicht vertretbarer Weise in die privatrechtliche Pensionszusage eingreifen würde.
Die Einführung der Pensionssicherungsbeiträge für die Pensionsbezieher der DB I und II (Dienstbestimmungen I und II) ab 01.01.2015 im Ausmaß der zulässigen Höchstgrenze stehen daher mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes nicht in Widerspruch.
Dies gilt daher umso mehr auch für jene aktiven Bediensteten der OeNB, die nicht "plötzlich" betroffen sind, sondern erst von ihren in der Zukunft anfallenden Pensionen derartige Beiträge zu entrichten haben werden.
Mit der Abschaffung des Sterbequartals hat der Gesetzgeber seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten.
Der Entfall einer solchen Einmalleistung, die es in keinem gesetzlichen Pensionssystem mehr gibt, führt zu keiner vergleichbaren Beeinträchtigung der künftigen Lebensführung, wie dies bei Einschränkungen der durch Rentenzahlungen bewirkten Hinterbliebenenversorgung der Fall wäre. Hinsichtlich der Abschaffung des Sterbequartals kann daher schon aus diesen Gründen nicht mit Erfolg eine Verletzung des Vertrauensschutzes geltend gemacht werden.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Nationalbank, Bezüge, Pensionsrecht, Pensionshöhe, Pensionssicherungsbeitrag, Auslegung Verfassungs-, Bundesverfassung Gesamtänderung, Grundprinzipien der Verfassung, Rechtsstaatsprinzip, EU-Recht, Vertrauensschutz, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2016:G478.2015Zuletzt aktualisiert am
01.03.2018