TE Vfgh Beschluss 2017/11/24 V92/2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.11.2017
beobachten
merken

Index

L8500 Straßen

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z3
Stmk LStVG 1964 §8 Abs3, Abs5
V des Gemeinderates der Gemeinde Gniebing-Weißenbach vom 26.06.2013 betr Auflassung eines öffentlichen Gutes

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrages auf Aufhebung einer Verordnung betreffend die Auflassung eines Weggrundstückes als öffentliches Gut mangels Eingriffs in die Rechtssphäre der Antragsteller; keine Darlegung einer Unmöglichmachung des Zugangs zu den Grundstücken der Antragsteller

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I.       Antrag

Die Antragsteller sind je zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaft EZ 600, GB 62111 Feldbach, Katastralgemeinde 62163 Weißenbach, bestehend aus den Grundstücken 282/1, 282/2 und 289. Die Antragsteller begehren die Aufhebung der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Gniebing-Weißenbach vom 26. Juni 2013 betreffend die Abtrennung und Auflassung des Trennstückes 1 des Weggrundstückes Nr 1579/1, KG Weißenbach, als öffentliches Gut und Übernahme in das freie Gemeindevermögen der Gemeinde Gniebing-Weißenbach im Ausmaß von 219 m2.

II.      Rechtslage

1.       Am 26. Juni 2013 beschloss der Gemeinderat der Gemeinde Gniebing-Weißenbach folgende Verordnung, die durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit von 2. bis 17. Juli 2013 kundgemacht wurde:

"Verordnung

gemäß §94 Abs1 Z3 des Allgemeinen Grundbuchsgesetzes, in

Verbindung mit §8 Abs3 Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964 idgF.

Der Gemeinderat der Gemeinde Gniebing – Weißenbach hat gemäß §94 Abs1 Z3 des Allgemeinen Grundbuchsgesetzes, in Verbindung mit §8 Abs3 Landesstraßenverwaltungsgesetz 1964 idgF. in seiner Sitzung am 26. Juni 2013 die Abtrennung und Auflassung des Trennstückes 1 des Weggrundstück Nr 1579/1, KG Weißenbach, als öffentliches Gut, laut Trennstücktabelle des Teilungsplanes von F&F-Vermessung, Dieter Fachbach und Nadja Fachbach, staatlich befugter und beeideter Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen, in 8200 Gleisdorf, GZ.: 1021/13 beschlossen.

Weiters hat der Gemeinderat beschlossen, dass das Trennstück 1 des Grundstückes 1579/1, KG. Weißenbach, bisher einkommend in EZ 50.000, als öffentliches Gut, im Ausmaß von 219 m2, in das freie Gemeindevermögen der Gemeinde Gniebing-Weißenbach übernommen wird.

Der dieser Verordnung zugrunde liegende Plan liegt im Gemeindeamt auf und kann während der Amtsstunden eingesehen werden.

Diese Verordnung wird hiermit gemäß Steiermärkischer Gemeindeordnung kundgemacht."

III.    Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.       Gegen diese Verordnung wenden sich die Einschreiter mit dem vorliegenden, auf Art139 B-VG gestützten Antrag. Zur Begründung ihrer Antragslegitimation führen sie im Wesentlichen aus, dass die Auflassung des Trennstückes 1 des Weggrundstückes Nr 1579/1 als Gemeindestraße einen unmittelbaren und aktuellen Eingriff in ihre Rechtssphäre in Form ihrer Berechtigung, diesen Weg zu ihren Grundstücken unbeschränkt und mit Fahrzeugen aller Art zu befahren, darstelle. Das Grundstück 1579/1, an dem – kein die Ersitzung zugänglicher – Gemeingebrauch bestanden habe, hätte seit jeher – ohne Einschränkung auf bestimmte Zwecke – als Zufahrt zu ihren Grundstücken gedient. Auf Grund der nunmehrigen Auflassung des Trennstückes 1 des Weggrundstückes Nr 1579/1 als Gemeindestraße würden sich die Antragsteller deshalb unmittelbar in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt erachten, weil ein Teil der Grundstücke im aktuellen Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Feldbach als Dorfgebiet ausgewiesen und bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Freilandbebauung bei den im Freiland gelegenen Teilen der Grundstücke nicht ausgeschlossen wäre. Die Antragsteller bringen weiters vor, die Gemeinde Gniebing-Weißenbach hätte kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gemäß §8 Abs5 Stmk. Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964, LGBl 154, durchgeführt, wonach durch die Auflassung von Gemeindestraßen das Recht der Anlieger auf Wahrung des Zuganges nicht beeinträchtigt werden dürfe. Dies bewirke nach Ansicht der Antragsteller auch eine Verletzung von Art6 EMRK. Die Gemeinde hätte in diesem Zusammenhang lediglich darauf hingewirkt, dass der nunmehrige Eigentümer der Wegfläche mit angrenzenden – und bisher an Trennstück 1 des Weggrundstückes Nr 1579/1 Gemeingebrauch übenden – Anliegern eine (die Dienstbarkeit in Aussicht stellende) Vereinbarung über die künftige Nutzung des Weges mit landwirtschaftlichen Geräten zu Stande bringe. In der Folge sei tatsächlich eine von vier Parteien unterfertigte Vereinbarung getroffen worden, wonach u.a. der künftige Eigentümer der Wegfläche (ca. 55 Meter) den umliegenden Grundeigentümern das Weiterbenützen mit landwirtschaftlichen Geräten gestatte. Die Antragsteller bestreiten jedoch die Unterfertigung dieses Schriftstückes. Diese Vereinbarung sei – zwar lediglich in Bezug auf die Unterschrift der antragstellenden Partei – strafgesetzwidrig zustande gekommen und dies wäre kausal für die Verordnungserlassung bzw. Auflassung des Trennstückes 1 des Weggrundstückes Nr 1579/1 durch den Gemeinderat der Gemeinde Gniebing-Weißenbach gewesen. Die Fälschung der Paraphe würde das in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren einzuräumende Anhörungsrecht willkürlich und damit die oben angeführten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte verletzen. Die Antragsteller bringen überdies vor, dass auf Grund der Auflassung des Gemeingebrauchs die Nutzungsmöglichkeit der Wegfläche im wesentlichen Umfang eingeschränkt sei, weil bisher das unbeschränkte Befahren mit Fahrzeugen aller Art und unabhängig von der Nutzung der Grundstücke 282/1, 282/2 und 289 (je KG 62163 Weißenbach) möglich gewesen wäre. Die Antragsteller konstatieren abschließend, dass im Falle keiner gefälschten Paraphe und bei einer allenfalls gültig zustande gekommenen Vereinbarung das Befahren mit landwirtschaftlichen Geräten – insbesondere mit Blick auf die Bebauungsmöglichkeit der im Freiland gelegenen Grundstücke unter den Voraussetzungen des StROG – dennoch nicht zumutbar sei und dies eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts bewirke. Es stehe den Antragstellern auch kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, um sich gegen die rechtswidrige Verordnung zur Wehr setzen zu können. Die Antragslegitimation sei daher gegeben.

2.       Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Feldbach (infolge der Stmk. Gemeindestrukturreform 2015 "Nachfolgegemeinde") legte die Unterlagen betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vor.

2.1.    Die Stadtgemeinde Feldbach erstatte eine Äußerung, in der bekräftigt wird, dass die ehemalige Gemeinde Gniebing-Weißenbach das Verordnungserlassungsverfahren erst nach Vorlage der Vereinbarung über die künftige Nutzung des Weges durch die betroffenen Grundeigentümer bzw. Nutzungsberechtigten eingeleitet und sodann kein weiteres Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Die Stadtgemeinde Feldbach trifft weiters Ausführungen zu den Geländegegebenheiten der Grundstücke 282/1, 282/2 und 289 und bringt u.a. vor, dass eine Zufahrt zum gewidmeten Grundstück der Antragsteller über die nördlich vorbeiführende Gemeindestraße möglich sei. Überdies verweist die Stadtgemeinde Feldbach darauf, dass die Zufahrtsmöglichkeit für land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten über das Trennstück 1 des Weggrundstückes Nr 1579/1 weiterhin gegeben sei.

2.2.    Die Steiermärkische Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der dargelegt wird, dass die Gemeinde Gniebing-Weißenbach aus nicht bekannten Gründen entgegen §100 Stmk. Gemeindeordnung die Verordnung nicht zur Prüfung vorgelegt habe. Daher könne die Steiermärkische Landesregierung auch keinen bezughabenden Akt vorlegen und keine inhaltliche Äußerung zum Gegenstand abgeben.

IV.      Erwägungen

1.       Der Antrag ist unzulässig.

2.       Gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).

3.       Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass niemandem ein subjektives Recht auf Aufrechterhaltung des Gemeingebrauches an einer öffentlichen Straße zukommt (VfSlg 10.423/1985, 14.275/1995, 15.871/2000, 16.976/2003, 17.134/2004); er hat auch in jenen Fällen die unmittelbare Betroffenheit in Rechten und mit ihr die Antragslegitimation verneint, in denen sich die behaupteten Wirkungen einer Verordnung ausschließlich als wirtschaftliche Reflexwirkungen darstellten (zB VfSlg 15.871/2000 mwN).

4.       Der Verfassungsgerichtshof hat in ähnlichen Zusammenhängen nur bei Vorliegen besonderer Konstellationen wiederholt eine unmittelbare Betroffenheit in Rechten angenommen: So etwa dann, wenn durch eine Verordnung dem Antragsteller die einzige rechtliche Möglichkeit genommen wird, seinen zulässigerweise verfolgten Interessen nachzugehen, weil in einem solchen Fall über eine bloß wirtschaftliche Reflexwirkung hinaus die rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers unmittelbar durch die Verordnung berührt werden (vgl. VfSlg 15.871/2000 mwN). In seiner Judikatur zur Anfechtung von Verordnungen betreffend die Auflassung von öffentlichen Straßen hat es der Verfassungsgerichtshof nicht ausgeschlossen, dass bei Vorliegen solcher besonderer Umstände der jeweilige Antrag zulässig gewesen wäre (vgl. insbesondere VfSlg 10.423/1985, 14.275/1995, 17.114/2004, 17.267/2004, 18.371/2008, 18.875/2009 und 18.960/2009).

5.       Das Stmk. Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964 sieht in §8 Abs5 für die Auflassung von Gemeindestraßen vor, dass das Recht der Anlieger auf Wahrung des Zuganges nicht beeinträchtigt werden darf. In seinem Erkenntnis VfSlg 17.267/2004 hat der Verfassungsgerichtshof hervorgehoben, dass durch die genannte Bestimmung den Antragstellern kein subjektives (öffentliches) Recht auf Beibehaltung des Gemeingebrauchs einsteht. Zwar räumt §8 Abs5 leg.cit. den Anliegern das Recht auf Zugang zu ihrem Grundstück ein (indem es die Auflassung nur bei oder unter Wahrung des Zugangs vorsieht), doch müssen die Antragsteller behaupten, dass ihnen mit der Auflassung einer Straße der Zugang (die Zufahrt) zu ihrem Grundstück verschlossen wäre.

6.       Im vorliegenden Fall bringen die Antragsteller nicht im Sinne der genannten Voraussetzungen vor, dass ihnen mit der Auflassung des Trennstückes 1 des Weggrundstückes Nr 1579/1 als öffentliche Straße der Zugang (die Zufahrt) zu ihren Grundstücken 282/1, 282/2 und 289 verschlossen wäre:

6.1.    Die Antragsteller führen aus, dass auf Grund der Auflassung des Gemeingebrauchs ihre Nutzungsmöglichkeit im wesentlichen Umfang eingeschränkt werde, da sie im Rahmen des bisherigen Gemeingebrauchs das Trennstück 1 des Weggrundstückes Nr 1579/1 unbeschränkt mit Fahrzeugen aller Art und unabhängig von der Nutzung ihrer Grundstücke befahren hätten können (vgl. zB VfSlg 17.114/2004 mwH). Sie bringen aber nicht vor, in welcher Weise sie in der land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung ihrer Liegenschaften durch die Beschränkung auf die Benützung mit landwirtschaftlichen Geräten beeinträchtigt würden.

6.2.    Die Antragslegitimation begründen die Antragsteller damit, dass sie "durch die Auflassung des Grundstückes Nr 1579/1 KG Weißenbach als öffentliches Gut, sowie dessen Übernahme in das freie Gemeindevermögen der Gemeinde Gniebing-Weißenbach, nunmehr: Stadtgemeinde Feldbach" dadurch in näher genannten verfassungsgesetzlich gewähreisteten Rechten unmittelbar verletzt seien, weil ein "Teil der Grundstücke im aktuellen Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Feldbach als Dorfgebiet ausgewiesen ist und darüberhinaus bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß StmkROG auch eine Freilandbebauung bei den im Freiland gelegenen Teilen der Grundstücke nicht ausgeschlossen werden kann." Die Stadtgemeinde Feldbach hat im Rahmen der Aktenvorlage vor dem Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass auf Grund der vorhandenen Geländesituation eine Zufahrt über das Gemeindeweggrundstück 1579/1 zum gewidmeten Bereich Dorfgebiet nicht möglich sei, sondern nur über die nördlich vorbeiführende Gemeindestraße. Die Antragsteller vermögen somit nicht darzutun, inwiefern ihnen durch die angefochtene Verordnung der Zugang zum gewidmeten Teil "Dorfgebiet" unmöglich gemacht werde.

7.        Ausgehend vom Vorbringen der Antragsteller greift die angefochtene Verordnung daher nicht in deren Rechtssphäre ein. Der Antrag erweist sich somit mangels Betroffenheit der Einschreiter als unzulässig.

V.       Ergebnis

1.       Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.

2.       Die begehrten Kosten sind nicht zuzusprechen, da Prozesskostenersatzansprüche in Verfahren gemäß Art139 B-VG nur für obsiegende Individualantragsteller vorgesehen sind (§61a VfGG).

3.       Dies konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Legitimation, Straßenverwaltung, Gemeingebrauch (einer Straße), Widmung (einer Straße), Auflassung (einer Straße), Rechte subjektive öffentliche

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:V92.2017

Zuletzt aktualisiert am

11.12.2017
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten