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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1332;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des T N in B, vertreten durch MMag. Dr. Stefan Hornung, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 17. April 2000, Zlen. UVS-2000/5/032-1, 2000/18/054-1, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einem Verfahren betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes sowie Zurückweisung der Berufung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nach dem Beschwerdevorbringen und den Feststellungen im angefochtenen Bescheid wurde das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 31. Jänner 2000, mit welchem über den Beschwerdeführer wegen Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 8 GüterbefG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 lit. a und b und Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde, am 2. Feber 2000 zu Handen seines Rechtsvertreters RA Dr. Stefan Hornung zugestellt. Mit Schriftsatz vom 17. Feber 2000, bei der Behörde eingelangt am 18. Feber 2000, erhob der Beschwerdeführer Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung, verbunden mit der Berufung gegen das Straferkenntnis.
Mit dem nun angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. April 2000 wurde (zu Spruchpunkt I) die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet abgewiesen und (zu Spruchpunkt II) die Berufung als verspätet zurückgewiesen.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen dessen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber erwogen:
Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, dass die Kanzleileiterin seines Rechtsvertreters, die versiert sei und bisher fehlerfrei gearbeitet habe, "irrtümlicherweise" als letzten Tag für die Erhebung der Berufung den 17. Feber 2000 eingetragen habe. Das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 31. Jänner 2000 sei der Kanzlei des Beschwerdevertreters am 2. Feber 2000 zugestellt worden. Zum Zustellzeitpunkt am 2. Feber 2000 habe Frau K. die Post nicht selbst übernommen bzw. mit dem Posteingangsstempel versehen, sondern erst nachfolgend, basierend auf einem fehlerhaften Eingangsvermerk, weil die Post an diesem Tag von einer Hilfskraft übernommen worden sei, die aushilfsweise in der Kanzlei tätig gewesen sei und offensichtlich irrtümlich den Stempel bereits auf den 3. Feber 2000 eingestellt hatte. Die Kanzlei des Beschwerdevertreters verfüge über ein effizientes System der Posteingangskontrolle, durch die eine lückenlose Erfassung aller Schriftstücke gewährleistet sei. Das jeweilige Ende einer Frist werde sowohl in das Fristenbuch als auch "in der EDV" eingetragen, um eine doppelte Kontrolle zu ermöglichen. Schließlich würden auch die Eintragungen von Frau K. durch den Beschwerdevertreter selbst stichprobenweise überprüft. Neben dem effizienten System der Posteingangskontrolle, das entgegen der Auffassung der belangten Behörde beim Beschwerdevertreter gegeben sei, geschehe somit auch die erforderliche stichprobenweise Kontrolle in der Kanzlei des Beschwerdevertreters regelmäßig. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde treffe daher den Beschwerdevertreter diesbezüglich weder ein grobes Auswahl- noch ein Überwachungsverschulden.
Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer jedoch nicht durchzudringen:
Nach § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG in Verbindung mit § 24 VStG ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, nicht jedoch ein Verschulden anderer Personen.
Der Begriff des minderen Grades des Versehens nach § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, das heißt die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. März 1998, Zlen. 97/08/0405, 0406, mit weiteren Nachweisen).
Welche Anforderungen an die organisatorischen Vorkehrungen in einer Anwaltskanzlei und an die Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleipersonal zu stellen sind, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Insbesondere hat der Rechtsanwalt die Vormerkung der Fristen anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen, und zwar auch dann, wenn die Kanzleiangestellte ansonsten erprobt und erfahren und deshalb mit der selbstständigen Besorgung bestimmter Kanzleiarbeiten, so auch mit der Kalendierung von Fristen, betraut worden ist und es bisher nicht zu Beanstandungen gekommen sein sollte. Insbesondere hat der Rechtsanwalt auch die ihm nach der Sachlage gebotene und zumutbare Pflicht zur Überwachung einer für ihn tätig gewordenen Hilfskraft hinsichtlich der Wahrung einer Frist zu erfüllen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 96/01/1204).
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass im vorliegenden Fall nicht ein Fehler der Kanzleileiterin K. des Beschwerdevertreters vorlag, weil sie, ausgehend vom Eingangsvermerk "03.02.2000" richtig als letzten Tag für die Erhebung der Berufung den 17. Feber 2000 eingetragen hatte, sondern ein Fehler der beim Beschwerdevertreter damals aushilfsweise in der Kanzlei tätigen Hilfskraft gegeben war, die nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers "offensichtlich irrtümlich den Stempel bereits" auf den 3. Feber 2000 eingestellt hatte. Der Beschwerdeführer stützt sich zwar darauf, dass ein Kontrollsystem in der Kanzlei des Beschwerdevertreters insoweit vorliege, als Fristen sowohl im Fristenbuch als auch in der EDV erfasst würden und Eintragungen der Kanzleileiterin K. durch den Beschwerdevertreter selbst stichprobenweise überprüft würden. In keiner Weise wird jedoch dargetan, ob und bejahendenfalls durch welche konkrete Maßnahmen eine Überwachung und Kontrolle der Tätigkeit von Hilfskräften stattfindet bzw. wie die damals tätige Hilfskraft durch den Beschwerdevertreter kontrolliert wurde, um auch Fehler wie den vorliegenden zu vermeiden. Dies wäre insbesondere in Anbetracht der Behauptung, dass die Post "an diesem Tag" von einer Hilfskraft übernommen worden sei, die nur "aushilfsweise in der Kanzlei tätig" gewesen sei, geboten gewesen. Die bloße stichprobenweise Überprüfung der Kanzleileiterin, ohne das Hinzutreten weiterer effizienter Maßnahmen - die der Beschwerdeführer nicht behauptet - reichten hiezu jedenfalls nicht aus. Es kann daher nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die belangte Behörde das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens verneinte.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde
gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 5. Juli 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000030191.X00Im RIS seit
20.11.2000