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10/07 Verfassungsgerichtshof;Norm
ABGB §1332;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Zens und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über 1. den Antrag des Dipl.-Ing. N Z in W, vertreten durch Mag. Jürgen Payer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Neuer Markt 1, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Mai 2017, W129 2123342-2/3E, betreffend Zurückweisung eines Antrags in einer Angelegenheit auf besoldungsrechtliche Bewertung von Dienstleistungen, Feststellung von Bezügen, Abgeltungen und Zulagen (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde:
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), sowie 2. die außerordentliche Revision gegen das genannte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das im Säumnisweg zuständig gewordene Bundesverwaltungsgericht den an die belangte Behörde gerichteten Antrag des Revisionswerbers vom 14. September 2015 (auf "konkrete besoldungsrechtliche Bewertung der Dienstleistungen (des Revisionswerbers) zur Feststellung seiner konkreten Bezüge, Abgeltungen und Zulagen während dessen Aktivzeit im gesetzlichen Umfang für den gesamten Zeitraum seiner aktiven Tätigkeit im Rahmen der Hoheitsverwaltung") als unzulässig zurück. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.
2 Dieses Erkenntnis wurde dem Vertreter des Revisionswerbers im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs übermittelt und gelangte so am 15. Mai 2017 in seinen elektronischen Verfügungsbereich.
3 Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2017 erhob der Revisionswerber gegen das Erkenntnis außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof, die von ihm im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs unter Verwendung der Übermittlungsstelle "ADV" am 27. Juni 2017 um 15:39:15 Uhr, beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht wurde.
4 Unter Hinweis darauf, dass die Revision nach der Aktenlage außerhalb der in § 20 Abs. 1 Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichts (GO-BVwG) festgesetzten Amtsstunden eingebracht worden sei und somit verspätet erscheine, wurde dem Revisionswerber vom Verwaltungsgerichtshof mit der am 3. August 2017 zugestellten Verfügung die Möglichkeit eingeräumt, zu diesem Umstand Stellung zu nehmen.
5 Mit Schriftsatz vom 17. August 2017 nahm der Revisionswerber zum Verspätungsvorhalt in der gesetzten Frist Stellung und räumte ein, dass die Revision verspätet eingebracht worden sei. Unter einem stellte er einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der außerordentlichen Revision, die er im Anschluss abermals ausführte.
6 Zum Wiedereinsetzungsantrag brachte der Revisionswerber vor, ihm sei erstmalig mit der verfahrensleitenden Anordnung des Verwaltungsgerichtshofs bekannt geworden, dass seine Revision nach den Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichts und daher verspätet eingebracht worden sei. Die Revision sei grundsätzlich bereits am 26. Juni 2017 fertiggestellt und ein letztes Mal korrekturgelesen worden. Die Letztversion sei inhaltlich zwischen dem zuständigen Rechtsanwaltsanwärter und dem Parteienvertreter be- und abgesprochen und vom Parteienvertreter zum Versand per elektronischem Rechtsverkehr freigegeben gewesen. Lediglich eine Korrekturlesung sei ausstehend gewesen. Im Hinblick auf die Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichts sei zwischen dem Parteienvertreter und seinem Rechtsanwaltsanwärter abgesprochen worden, die Revision am 27. Juni 2017 bis spätestens Mittag zu verschicken.
7 Vor diesem Hintergrund habe der Rechtsanwaltsanwärter, bevor er sich auf den Weg zu einer Verhandlung am Bezirksgericht Mödling gemacht habe, nach seinem Korrekturlesen die Letztversion der Revision an den Kanzleiangestellten übergeben. Diesen habe er angewiesen, die Revision auf Tippfehler und Ähnliches Korrektur zu lesen und sie sodann bis spätestens Mittag abzuschicken. Die Kanzleikraft sei seit Oktober 2011 und der Rechtsanwaltsanwärter seit Mai 2014 für den Parteienvertreter tätig. Zu einer verspäteten Einbringung sei es bei der Zusammenarbeit der beiden unter Aufsicht und regelmäßiger Kontrolle des Parteienvertreters noch nicht gekommen. Beidseitig sei Besprochenes stets auf die kommunizierte Weise erledigt worden.
8 In dieser Woche sei die studentische Hilfskraft auf Urlaub und die Kanzleikraft im Sekretariat auf sich gestellt gewesen. Aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens sei die Revision, trotz entsprechender Anweisung, nicht vor Mittag versendet worden. Der Kanzleimitarbeiter sei davon ausgegangen, dass - wie bei sämtlichen anderen Verfahrensarten, insbesondere im zivilgerichtlichen Verfahren - Eingaben per ERV unabhängig von der Tageszeit als an diesem Tag eingebracht gelten würden. Der Rechtsanwaltsanwärter habe im Hinblick auf die klare Kommunikation keine Notwendigkeit gesehen, extra auf die Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichts hinzuweisen. Im Glauben der rechtzeitigen Einbringung habe der Kanzleimitarbeiter die Revision zum aktenkundigen Zeitpunkt über den elektronischen Rechtsverkehr versandt. Am Abend des 27. Juni 2017 habe sich der Rechtsanwaltsanwärter hinsichtlich der Versendung versichert und habe gesehen, dass die Revision versendet worden sei. Den Zeitpunkt der Versendung habe er sich nicht gezielt angesehen. Er sei davon ausgegangen, dass die Revision fristgerecht versendet worden sei. Zur Annahme von Gegenteiligem habe kein Grund bestanden. Dies habe er dem Parteienvertreter berichtet. Erst mit Zustellung der verfahrensleitenden Anordnung am 3. August 2017 seien dem Parteienvertreter und seinen Mitarbeitern bekannt geworden, dass die Revision nicht fristgerecht versandt worden sei.
9 Dem Parteienvertreter sei an der Säumnis lediglich ein minderer Grad des Versehens anzulasten. Die Zusammenarbeit zwischen dem Kanzleimitarbeiter und dem Rechtsanwaltsanwärter habe stets funktioniert. Der Parteienvertreter habe den Rechtsanwaltsanwärter zum rechtzeitigen Versand angewiesen und habe nicht damit rechnen müssen, dass der sonst zuverlässige Rechtsanwaltsanwärter nicht für einen fristgerechten Versand sorge. Auch dieser, dessen Verschulden dem Parteienvertreter zuzurechnen sei, habe allenfalls leicht fahrlässig gehandelt. So habe er an den Kanzleimitarbeiter weitergegeben, dass die Eingabe bis Mittag versendet werden solle. Lediglich dass ein Versand nach 15:00 Uhr nicht rechtzeitig sein würde, habe er verabsäumt an den Kanzleimitarbeiter explizit weiterzugeben. Jener wiederum habe zwar die Eingabe nicht vor Mittag versandt, jedoch sei er - allenfalls leicht fahrlässig - davon ausgegangen, der Versand sei nicht von der Tageszeit abhängig, weil dies in den sonstigen Fällen der Nutzung des ERV stets gelte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur Rechtzeitigkeit der Revision:
10 Das angefochtene Erkenntnis wurde dem Vertreter des Revisionswerbers im elektronischen Rechtsverkehr übermittelt und ist - unbestritten - am 15. Mai 2017 in dessen elektronischen Verfügungsbereich gelangt. Es gilt daher nach § 21 Abs. 8 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz als am 16. Mai 2017 zugestellt. Die dagegen erhobene Revision wurde im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs - ebenfalls unbestritten - am 27. Juni 2017 um 15:39:15 Uhr, und damit nach Ende der Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichts um 15:00 Uhr eingebracht.
11 Eine am letzten Tag der Revisionsfrist im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs beim Bundesverwaltungsgericht nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO-BVwG für die Zeit von 8:00 bis 15:00 Uhr festgesetzten Amtsstunden eingebrachte Revision gilt gemäß § 20 Abs. 6 GO-BVwG erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages - im vorliegenden Fall am 28. Juni 2017 - als eingebracht (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung VwGH 14.10.2016, Ra 2016/09/0001, mwN ). Die vorliegende Revision ist somit verspätet.
Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
12 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Wiedereinsetzung nicht.
13 Die vorliegende Rechtssache gleicht nun im Hinblick auf den Sachverhalt und die zu lösende Rechtsfrage in den entscheidungswesentlichen Aspekten jener, die dem Beschluss vom 30. Juni 2016, Ra 2015/19/0155, zu Grunde lag, sodass gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz und Abs. 9 VwGG auf dessen Begründung verwiesen wird. Gerade unter Beachtung auch der gegenteiligen Rechtslage und Praxis in Zivil- und Strafverfahren vor den ordentlichen Gerichten musste der Rechtsvertreter davon ausgehen, dass sein Auftrag vom Kanzleimitarbeiter so verstanden werden würde, dass auch eine Einbringung im Laufe des Kalendertages ausreichend wäre. Die Frage, binnen welcher Frist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof einzubringen ist, bedarf aber jedenfalls einer Beurteilung durch den einschreitenden Rechtsanwalt selbst. Das Unterbleiben einer allgemeinen oder einzelfallbezogenen, die diesbezügliche Rechtslage klarstellenden Anweisung an das Kanzleipersonal ist dem Rechtsvertreter als eine einen minderen Grad des Versehens übersteigende Sorglosigkeit anzulasten. Bereits ausgehend vom Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag war somit von einem nicht mehr bloß minderen Grad des Versehens des Rechtsvertreters des Revisionswerbers auszugehen.
14 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 und Abs. 4 VwGG abzuweisen. Die Revision war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist zurückzuweisen.
Wien, am 25. Oktober 2017
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017120074.L00Im RIS seit
07.12.2017Zuletzt aktualisiert am
07.12.2017