TE Vwgh Erkenntnis 2000/7/7 2000/19/0025

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Veröffentlicht am 07.07.2000
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §6 Abs1 impl;
AVG §63 Abs1;
AVG §8;
FrG 1997 §8 Abs1;
MRK Art8;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde 1.) der 1984 geborenen D C und 2.) des 1958 geborenen D C, beide in Wien, beide vertreten durch Mag. L und Dr. V-K, Rechtsanwältinnen in Wien, gegen den Bundesminister für Inneres wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung,

Spruch

1. beschlossen:

Das Verfahren hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin wird eingestellt.

Der Bund hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 7.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. Zu Recht erkannt:

Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG wird die Berufung des Zweitbeschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. Jänner 1999, Zl. MA 20-9/2153224/2, zurückgewiesen.

Der Bund hat dem Zweitbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 7.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Zweitbeschwerdeführer ist Vater der Erstbeschwerdeführerin. Diese stellte bei der österreichischen Botschaft in Skopje einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, der am 5. Jänner 1999 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Mit Bescheid vom 29. Jänner 1999 wies der Landeshauptmann von Wien diesen Antrag gemäß § 21 Abs. 3 in Verbindung mit § 113 Abs. 10 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) ab. Dieser Bescheid wurde an die Erstbeschwerdeführerin zu Handen des Zweitbeschwerdeführers adressiert und mit Wirkung vom 17. März 1999 durch Hinterlegung zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 26. März 1999, eingelangt beim Magistrat der Stadt Wien am 31. März 1999, erhoben sowohl die Erstbeschwerdeführerin als auch der Zweitbeschwerdeführer, erstmals anwaltlich vertreten, Berufung. Beide erachteten sich durch den Bescheid der Behörde erster Instanz in ihrem Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 MRK sowie in ihrem Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.

Am 24. Jänner 2000 gaben die Beschwerdeführer die vorliegende Säumnisbeschwerde gemäß Art. 132 B-VG wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Bundesminister für Inneres zur Post.

Nach Einleitung des Vorverfahrens legte die belangte Behörde die Abschrift eines an die Erstbeschwerdeführerin gerichteten Bescheides vom 29. März 2000, mit dem der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 7 Abs. 3 FrG 1997 stattgegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz dahingehend abgeändert wird, dass der Erstbeschwerdeführerin eine Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "privat" bis zum 28. März 2001 erteilt wird, vor. Dem ebenfalls vorgelegten Telefaxbeiblatt zufolge wurde der Bescheid den Vertretern der Erstbeschwerdeführerin am 29. März 2000 zugestellt. Die Beschwerdeführer gaben mit Schriftsatz vom 4. April 2000 dem Verwaltungsgerichtshof bekannt, dass ihnen am 29. März 2000 der versäumte Bescheid zugestellt worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin:

Im Hinblick auf die Erlassung des Bescheides der belangten Behörde vom 29. März 2000, Zl. 309.827/3-III/11/99, mit dem der Erstbeschwerdeführerin eine Niederlassungsbewilligung erteilt wurde, war das Verfahren über die Säumnisbeschwerde hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 36 Abs. 2 VwGG einzustellen.

2. Zur Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers:

Auszugehen ist zunächst davon, dass die Sechsmonatsfrist des § 27 VwGG verstrichen ist, ohne dass die belangte Behörde an der Bescheiderlassung gehindert gewesen wäre. Die Säumnisbeschwerde des Zweitbeschwerdeführers ist daher zulässig.

§ 8 Abs. 1 FrG 1997 lautet (auszugsweise):

"§ 8. (1) Einreise- und Aufenthaltstitel können Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern diese ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12). ..."

Der Zweitbeschwerdeführer hat, wie sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt eindeutig ergibt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. Jänner 1999 nicht nur als gesetzlicher Vertreter seiner Tochter, sondern auch in eigenem Namen Berufung erhoben. Über diese Berufung ist bisher nicht entschieden worden. Aus dem oben erwähnten nachgeholten Bescheid der belangten Behörde ergibt sich nämlich, dass diese nur die Berufung der Erstbeschwerdeführerin erledigt hat. In seiner Berufung sah sich freilich auch der Zweitbeschwerdeführer durch den erstinstanzlichen Bescheid in seinem Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 MRK sowie in seinem Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 1997, Zl. 96/19/1331, dargelegt hat, ging das Aufenthaltsgesetz davon aus, dass der in § 6 Abs. 1 leg. cit. erwähnte Antrag von jenem Fremden zu stellen ist, der die Begründung eines Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet anstrebt. Bei einem derartig als antragsbedürftig konstruierten Rechtsakt kommt nach der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes eine Parteistellung und Beschwerdelegitimation einer Person mit Interessen, die mit den Interessen der vom Gesetz zur Antragstellung legitimierten Person gleichgerichtet sind, nicht in Betracht. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 11. Oktober 1988, B 1591/88-3, zum Ausdruck gebracht, dass ein Bescheid, mit dem die Erteilung eines Sichtvermerkes an den Ehegatten versagt wird, ausschließlich die Rechte desjenigen Fremden betrifft, dessen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes abgewiesen wurde, wogegen in der Rechtssphäre Dritter "nur Reflexwirkungen" auftreten können. Damit bringt der Verfassungsgerichtshof zum Ausdruck, dass aus Art. 8 MRK für die Parteistellung anderer Personen als des im Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes antragslegitimierten Fremden nichts zu gewinnen ist. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat im oben erwähnten hg. Erkenntnis die Auffassung, dass diese Überlegung auch für die Auswirkungen der Verweigerung der erstmaligen Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gelte.

Zieht man in Betracht, dass auch nach § 8 Abs. 1 FrG 1997 die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ein antragsbedürftiger Rechtsakt ist und - vor dem Hintergrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - auch aus den Materialien zum FrG 1997 kein Hinweis zu entnehmen ist, dass nunmehr eine Person mit Interessen, die mit den Interessen der vom Gesetz zur Antragstellung legitimierten Person gleichgerichtet sind, im Rahmen des § 8 AVG in Betracht kommen solle, hat die vom Verfassungsgerichtshof bereits zur Erteilung von Sichtvermerken angestellte Überlegung auch für die Rechtslage nach dem FrG 1997 zu gelten.

Dem Zweitbeschwerdeführer kam demnach im Verfahren zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung an seine Tochter keine Parteistellung zu. Seine dennoch erhobene Berufung war demnach gemäß § 66 Abs. 4 erster Satz AVG als unzulässig zurückzuweisen.

3. Zur Entscheidung über den Aufwandersatz:

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich - jeweils im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG (im Falle der Erstbeschwerdeführerin) bzw. auf § 55 Abs. 1 erster Satz VwGG (im Falle des Zweitbeschwerdeführers).

Wien, am 7. Juli 2000

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION Voraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungslegitimation Person des Berufungswerbers

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000190025.X00

Im RIS seit

02.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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