TE Vfgh Erkenntnis 1998/2/24 B1511/96

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Veröffentlicht am 24.02.1998
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
VfGG §88

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung der Wortfolge "eines Dienst- oder" in §9 Abs4 EStG 1988 idF BGBl 818/1993 (Jubiläumsgeldrückstellung) mit E v 09.12.97, G403/97. Die von der Beschwerdeführerin für die Erstattung der Replik begehrten Kosten waren nicht zuzusprechen, da es sich um keinen abverlangten Schriftsatz handelt und die Erstattung der Gegenäußerung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht geboten war (VfSlg. 11491/1987, 13308/1992).

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführende Aktiengesellschaft, ein Elektro- und Elektroindustrieunternehmen, ist gemäß §19c des Rahmenkollektivvertrages für Angestellte der Industrie bzw. gemäß ArtXVIIIa des Arbeiterkollektivvertrages für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie verpflichtet, nach einer ununterbrochenen Dauer des Dienstverhältnisses vom 25, 35 und 45 Jahren ein bzw. zwei bzw. drei Monatsgehälter als Jubiläumsgeld auszuzahlen. Gemäß §198 HGB iVm ArtX Abs1 Rechnungslegungsgesetz (RLG) hat die Beschwerdeführerin hiefür eine Jubiläumsgeldrückstellung zu bilden. In ihrer Körperschaftsteuererklärung 1994 machte sie die Zuweisung zur Jubiläumsgeldrückstellung in näher bestimmter Höhe als Betriebsausgabe geltend.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 25. März 1996 wies die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den - die Bildung der Jubiläumsgeldrückstellung steuerlich nicht anerkennenden - Körperschaftsteuerbescheid 1994 ab.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

3. Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden sei.

II. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 9. Dezember 1997, G403/97, die Wortfolge "eines Dienst- oder" in §9 Abs4 EStG 1988, BGBl. 400/1988, idF des ArtI Z6 des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. 818/1993, als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits im Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte (VfSlg. 12676/1991).

Dem in Art140 Abs1 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (zB VfSlg. 13067/1992, 13225/1992, 13313/1992, 13566/1993).

3. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren fand am 9. Dezember 1997 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 8. Mai 1996 eingelangt, war also im Zeitpunkt der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig. Der Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wandte bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sich diese Gesetzesanwendung für die Beschwerdeführerin als nachteilig erweist.

Es ist daher auszusprechen, daß die Beschwerdeführerin durch den bekämpften Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt wurde (vgl. etwa VfSlg. 10736/1985, VfGH 29.9.1994, B792/92).

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

III. 1. Die Kostenentscheidung

beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,- enthalten.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B1511.1996

Dokumentnummer

JFT_10019776_96B01511_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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