TE OGH 2017/10/30 9ObA124/17a

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Veröffentlicht am 30.10.2017
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Mag. Thomas Dürrer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** S*****, vertreten durch Dr. Markus Orgler und Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Herausgabe und Duldung (Streitwert: 21.800 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Juni 2017, GZ 15 Ra 31/17x-24, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 24. Februar 2017, GZ 76 Cga 9/16v-19, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 858,06 EUR (darin 143,01 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Dienstnehmer der Beklagten und Organmitglied des gemäß § 19 Abs 1 des Post-Betriebsverfassungsgesetzes – PBVG errichteten Personalausschusses für *****. Am 21. 3. 2016 wurde der Kläger von der Beklagten gegen nachträgliche gerichtliche Zustimmung gemäß § 122 Abs 3 ArbVG entlassen. Die Klage auf gerichtliche Zustimmung zur Entlassung wurde von der Beklagten am Tag nach der Entlassung bei Gericht eingebracht.

Gleichzeitig mit der Entlassung wurde der Kläger vom Dienst suspendiert. Die Beklagte nahm dem Kläger
– soweit im Revisionsverfahren noch relevant – an Sachmitteln, die die Beklagte dem Personalausschuss zur Verfügung gestellt hatte, das Dienstfahrzeug sowie das Mobiltelefon ab.

Mit Klage und dem inhaltsgleichen Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung vom 1. 4. 2016 begehrte der Kläger von der Beklagten, gestützt auf das Beschränkungsverbot des § 65 Abs 3 PBVG, die Ausfolgung dieser Sachmittel. Nach Erlassung einer Einstweiligen Verfügung händigte die Beklagte dem Kläger am 28. 4. 2016 diese Sachmittel wieder aus.

Am 2. 5. 2016 zog der Personalausschuss im Rahmen einer am 25. 4. 2016 beschlossenen Neuordnung der Sachmittelzuweisung die dem Kläger bislang beigestellten Sachmittel (ua Dienstfahrzeug und Mobiltelefon) ein und teilte ihm anstelle dessen als Sachmittel ein Poolauto des Personalausschusses auf Antrag je nach Verfügbarkeit und einen Festnetztelefonanschluss zur Nutzung zu.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht hat das vom Kläger gegen die beklagte Arbeitgeberin auf Ausfolgung dieser genannten Sachmittel gerichtete (Teilklage-)Begehren abgewiesen. Die Revision ließ es mit der Begründung zu, dass zur Frage der Verletzung des Beschränkungsverbots nach dem PBVG durch Sachmittelentziehung der Betriebsinhaberin bei nachfolgender Sachmittelneuverteilung durch das Belegschaftsorgan keine Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Selbst bei Fehlen einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn ein Streitfall trotz neuer Sachverhaltselemente bereits mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden kann (RIS-Justiz RS0042656 [T48]). Dies trifft hier zu. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

1. Der Anspruch auf Sachmittelbeistellung gemäß § 47 zweiter Satz PBVG steht dem Personalausschuss als Organ der Arbeitnehmerschaft im Ganzen zu (9 ObA 95/16k mwN). Die interne Aufteilung der vom Arbeitgeber beigestellten Sachmittel ist Sache des Personalausschusses, der Betriebsinhaber hat darauf keinen Einfluss (vgl zu § 72 ArbVG: DrdA 2017/33, 310 ff [Trost]). Insofern ist das Eigentumsrecht des Betriebsinhabers durch die betriebsverfassungsrechtlich begründete Verfügungsbefugnis des Betriebsrats über die zur Verfügung gestellten Gegenstände eingeschränkt (vgl zu § 72 ArbVG: Radner/Preiss in Gahleitner/Mosler, ArbVG II5 § 72 Rz 28 mwN).

2. Der Arbeitgeber ist auch weder berechtigt noch verpflichtet, Untersuchungen über die interne Willensbildung des Betriebsrats (hier des Personalausschusses) anzustellen, wenn ihm die dabei allenfalls unterlaufene Verletzung der Vorschriften über die interne Willensbildung des Betriebsratskollegiums nicht bekannt war und auch nicht auffallen musste (RIS-Justiz RS0051485; RS0051490). Dieser grundlegende Gedanke ist verallgemeinerungsfähig und reicht über die Fälle der Zustimmung nach § 105 ArbVG hinaus (RIS-Justiz RS0051485 [T3]; RS0051490 [T4]; zuletzt 9 ObA 35/16m).

Der Kläger behauptete im erstinstanzlichen Verfahren nicht, dass die Beklagte gewusst habe oder wissen hätte müssen, dass die Beschlussfassung über die Neuzuteilung der Sachmittel durch den Personalausschuss unwirksam wäre.

3. Gemäß § 406 ZPO ist Entscheidungs-
gegenstand der Bestand oder Nichtbestand des Anspruchs im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz und die Sachlage, wie sie in diesem Zeitpunkt feststeht (RIS-Justiz RS0041116; RS0036969 [T11]).

Zu diesem für die Entscheidung über das revisionsgegenständliche Ausfolgungsbegehren des Klägers maßgeblichen Zeitpunkt (24. 2. 2017) hatte der Kläger als Organmitglied des Personalausschusses aber keinen individuellen Anspruch mehr gegen die Beklagte auf Ausfolgung dieser Sachmittel. Der Kläger hatte die ihm von der Beklagten nach Erlassung der Einstweiligen Verfügung wieder ausgefolgten Sachmittel aufgrund der Neuzuteilung der Sachmittel durch den Personalausschuss diesem rückgestellt. Die Beklagte war und ist also gar nicht mehr im Besitz dieser Sachmittel. Die Beklagte ist aber auch an die interne Neuzuteilung des Personalausschusses gebunden. Ein Verstoß der Beklagten gegen das Beschränkungsverbot des § 65 Abs 3 PBVG liegt daher nicht (mehr) vor. Damit sind auch die in der Revision angestellten Überlegungen zum petitorischen Rechtsschutz nach § 372 ABGB nicht zielführend.

Da die Revision des Klägers insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufweist, ist sie zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Da im Revisionsverfahren nur mehr etwa die Hälfte des Klagebegehrens streitverfangen war (vgl RIS-Justiz RS0035831), war als Bemessungsgrundlage für die Revisionsbeantwortung die Hälfte des Streitwerts von 21.800 EUR, daher 10.900 EUR heranzuziehen. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979 [T16]).

Textnummer

E119993

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00124.17A.1030.000

Im RIS seit

07.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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