Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Mag. Thomas Dürrer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** R*****, vertreten durch Dr. Richard Benda und andere, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch Dr. Thomas Kerle und andere, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 14.040,72 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Juli 2017, GZ 7 Ra 7/17d-106, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Berufungsgericht gab – soweit für die Beurteilung der von der Beklagten in ihrer außerordentlichen Revision als erheblich bezeichnete Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO relevant – dem Schadenersatzbegehren der klagenden Dienstnehmerin (Behandlungskosten und Schmerzengeld) statt. Die beklagte Dienstgeberin habe schuldhaft gegen ihre allgemeine (§ 1157 ABGB) und gegenüber der Klägerin als begünstigte Behinderte zudem bestehende erhöhte Fürsorgepflicht (§ 6 Abs 1 BEinstG) und Förderungspflicht (§ 6 Abs 1a BEinstG) verstoßen. Auch wenn die Beklagte durch ihr Verhalten nicht wider das Antidiskriminierungsrecht der §§ 7a ff BEinstG gehandelt habe, so habe die Klägerin dennoch Anspruch auf Schadenersatz nach den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Voraussetzungen.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte begründet die Zulässigkeit ihrer Revision (§ 506 Abs 5 ZPO) damit, dass das Berufungsgericht von der Entscheidung 9 ObA 98/15z abgewichen sei. Dies ist jedoch nicht der Fall:
Nach § 6 Abs 1 BEinstG besteht ergänzend zum allgemeinen Arbeitnehmerschutz eine besondere Fürsorgepflicht des Dienstgebers, die ihn insbesondere dazu verhält, dem behinderten Dienstnehmer einen Arbeitsplatz zuzuweisen, an dem er seine Kenntnisse und Fähigkeiten möglichst voll verwerten und weiter entwickeln kann (RIS-Justiz RS0097388; Mayr in ZellKomm² § 6 BEinstG Rz 1). Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft seine Fürsorgepflicht und entsteht dem Arbeitnehmer ein Schaden, so kann der Arbeitnehmer Schadenersatzansprüche geltend machen (9 ObA 131/11x mwN; 9 ObA 16/13p mwN = RIS-Justiz RS0119353 [T4]; 9 ObA 64/16a ua).
In Umsetzung von Art 5 der Gleichbehandlungsrahmen-Richtlinie 2000/78/EG wurde mit dem BGBl I 2005/82 gleichzeitig mit den – dem Schutz vor Diskriminierung in der Arbeitswelt gewidmeten – Bestimmungen der §§ 7a ff BEinstG die besondere Förderungspflicht der Beklagten nach § 6 Abs 1a BEinstG eingeführt (s 836 BlgNR 22. GP 13). Welche Sanktionen das Unterlassen gebotener Fördermaßnahmen iSd § 6 Abs 1a BEinstG nach sich zieht, ist im BEinstG nicht ausdrücklich geregelt (vgl Schrank/Tomandl, Ausgewähltes zum neuen Behindertenschutz – Das Zusammenspiel von Förderpflicht und Diskriminierungsverbot, ZAS 2006/31, 200 ff [206]), hier aber auch nicht von Relevanz. Die Beklagte bestreitet in ihrer Revision nicht, dass sie schuldhaft (auch) gegen ihre besondere Fürsorgepflicht iSd § 6 Abs 1 BEinstG verstoßen und der Klägerin dadurch einen Schaden verursacht hat. Diesen Schaden hat sie der Klägerin aber schon nach den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Vorschriften (§ 1325 ABGB) zu ersetzen.
Die Entscheidung 9 ObA 98/15z steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Darin wurde lediglich gesagt, dass die Zielsetzung des § 6 Abs 1a BEinstG keinesfalls so weit gehe, dass sie – über die Diskriminierungstatbestände des § 7b Abs 1 Z 5 und 6 BEinstG hinaus – ein eigenständiges Beförderungsgebot enthielte, dessen Verletzung den Dienstgeber in der vom Kläger begehrten Weise schadenersatzpflichtig machen würde. Schadenersatzpflichten des Dienstgebers für die diskriminierende Versagung des Zugangs zu einer Anstellung oder Beförderung seien vielmehr in § 7e BEinstG festgelegt. Eine Diskriminierung iSd § 7e BEinstG ist hier aber nicht Gegenstand des Verfahrens. Es stellt sich auch kein Problem der Derogation.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
Textnummer
E120012European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00114.17F.1030.000Im RIS seit
11.12.2017Zuletzt aktualisiert am
21.11.2018