Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. C***** L*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner, Priv.-Doz. Dr. Max Leitner und Dr. Mara-Sophie Häusler, LL.M., Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH, Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei C***** GmbH in Liquidation, *****, vertreten durch die Wess Kux Kispert & Eckert Rechtsanwalts GmbH, Wien, wegen 14.478,73 EUR sA und Feststellung (Streitwert 3.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2017, GZ 3 R 50/16v-70, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 20. Juni 2016, GZ 41 Cg 146/13y-56, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die neuerliche Entscheidung über die Berufungen der klagenden und der beklagten Partei sowie der Nebenintervenientin aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger verfügte im Jahr 2003 aus einem Wohnungsverkauf über einen Geldbetrag von rund 500.000 EUR, den er veranlagen wollte. Er wandte sich an die beklagte Bank, deren Mitarbeiter gegenüber er erklärte, einen gewissen Ertrag, aber auch eine gewisse Sicherheit haben zu wollen. Er war nicht bereit, das Totalverlustrisiko für sein gesamtes Investment zu übernehmen, sondern nur für kleine Teile seiner Veranlagung, ungefähr mit einem Prozentsatz von 5 %. Dieser Umstand wurde aber zwischen dem Kläger und dem Mitarbeiter der Beklagten nicht konkret besprochen. Im Rahmen seines Anlegerprofils gab er bekannt, dass er über Vermögensanlagen im Wert von 700.000 EUR, über liquide Mittel von ca 500.000 EUR und Verbindlichkeiten in Höhe von ca 200.000 EUR verfüge. Regelmäßig kam der Kläger mit konkreten Vorstellungen und Wünschen zu bestimmten Veranlagungen (Aktien oder Fonds) zum Mitarbeiter der Beklagten. Der Vorschlag zum nun verfahrensgegenständlichen Investment kam allerdings vom Mitarbeiter der Beklagten. Der Kläger investierte schließlich im Februar 2004 einen Betrag von 20.000 EUR in eine (risikoreiche) Anlage („geschlossener Immobilienfonds“), wobei er rechtlich die Stellung eines Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft erlangte, dessen Kommandit-
beteiligung über einen Treuhänder gehalten wurde. In einer vom Kläger unterfertigten Urkunde zu seinem Investment wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass die Haftung eines Kommanditisten grundsätzlich auf die Höhe der Einlage beschränkt sei. Sei der volle Zeichnungsbetrag eingezahlt, unterliege der Anleger keiner weiteren Nachschusspflicht oder Haftung. Seien allerdings Ausschüttungen erfolgt, die das Kapitalkonto negativ werden lassen, könnte die auf das gezeichnete Kapital beschränkte Kommanditistenhaftung wieder aufleben. Neben seiner Kommanditeinlage in Höhe von 20.000 EUR leistete der Kläger einen Agiobetrag von 1.000 EUR. Er erhielt im Zeitraum August 2004 bis Februar 2010 Ausschüttungen in Höhe von 6.620,04 EUR.
Im Rahmen des Beratungsgesprächs war der Kläger nicht darüber aufgeklärt worden, dass die Beklagte über das offen gelegte Agio von 5 % des veranlagten Kapitals hinaus eine weitere Provision bezieht. Die Verkaufsbroschüre war mit dem Kläger nicht im Detail durchgegangen worden; er selbst hatte sie lediglich überflogen. Er vertraute den mündlichen Ausführungen des Mitarbeiters der Beklagten. Das „Risikoprofil“ zur Kommanditanlage war weder Gegenstand der Gespräche zwischen dem Kläger und dem Mitarbeiter noch wurde es dem Kläger ausgefolgt. Ihm war bewusst, dass die Rendite/Ausschüttung von zumindest 7 %
– allenfalls mehr – „prognostiziert“ war. Er wusste zwar allgemein, dass ein „mitunternehmerisches Risiko“ bis zu 100 % betragen kann, hatte aber bis zum gegenständlichen Investment noch keine Kommanditbeteiligung gezeichnet. Auch die weiteren vom Kläger unterfertigten Urkunden (Anlegerprofil für die Zeichnung von „mitunternehmerschaftlichen Beteiligungen“, Beitrittserklärung) waren mit ihm nicht im Detail durchgegangen und von ihm nicht aufmerksam durchgelesen worden. Auch hier vertraute der Kläger auf die mündlichen Ausführungen des Mitarbeiters der Beklagten.
Nachdem der Kläger im Februar 2010 die letzte Ausschüttung erhalten hatte, wurde er im Juli 2010 von der Treuhänderin darüber informiert, dass die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Fonds maßgeblich von den weiteren Vermittlungserfolgen abhänge. Zur Unterstützung der Vermittlungsaktivitäten sei die Verfügbarkeit entsprechender Liquidität für den Fonds ein entscheidender Faktor. Deshalb sei im Februar 2010 erneut nur eine reduzierte Auszahlung an die Kommanditisten geleistet worden. Die für August 2010 vorgesehene Auszahlung müsse entfallen. Wann wieder eine Auszahlung vorgenommen werden könne, bleibe zur Zeit noch ungewiss und hänge maßgeblich vom Erfolg bei der Gewinnung neuer Mieter ab. Auch nach einem Schreiben vom 17. 11. 2010 könne zur Stärkung der Liquidität und aufgrund des anhaltenden Leerstands im Jahr 2011 nicht mit Auszahlungen gerechnet werden. Dennoch habe die im letzten Geschäfts- und Treuhandbericht getroffene Aussage, dass die Erfüllung der finanziellen Verpflichtungen zur Bedienung der Darlehen und der übrigen prospektierten Kosten nicht gefährdet sei, unverändert Bestand. Seit März 2015 befindet sich die Kommanditgesellschaft in Konkurs.
Der Kläger begehrte von der Beklagten an Schadenersatz 14.379,96 EUR, was der Differenz zwischen den investierten 21.000 EUR und den Ausschüttungen von 6.620,04 EUR entspricht, sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Schäden aus der Kommanditbeteiligung. Im Rahmen seines ausführlichen und detaillierten, hier aber zusammengefassten, Vorbringens warf er der Beklagten im Wesentlichen vor, er sei von ihrem Mitarbeiter unrichtig beraten worden. Sein Anlageziel sei es gewesen, zu Zwecken der Altersvorsorge in eine sichere und ertragreiche Anlage zu investieren. Über das ganz erhebliche Risiko der Anlage sowie darüber, dass die Ausschüttungen nicht notwendigerweise Gewinnausschüttungen darstellten und er zur Rückerstattung verpflichtet sein könne, sei er nicht aufgeklärt worden; ebensowenig über den Bezug einer „Kickback-Provision“ von der Emittentin bzw von deren Vertriebsorganisation sowie über die Belastung des Anlageprodukts mit rund 25 % Vertriebsspesen. Die Beklagte habe auch verschwiegen, dass es sich bei den angekündigten „Ausschüttungen“ auch um Rückzahlungen der Einlage handeln könne, die der Anleger nicht behalten dürfe. Wäre er ordnungsgemäß aufgeklärt worden, hätte er die Kommanditbeteiligung nicht gezeichnet, sondern das Geld in „Wohnbauanleihen der Republik Österreich“ mit einer Verzinsung von 4 % investiert.
Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, der mit Wertpapierveranlagungen erfahrene Kläger habe seine Kommanditbeteiligung auf Basis des KMG-Prospekts erworben. Er habe sich daher selbst über das Wesen seiner Beteiligung informieren können, womit eine weitergehende Informationspflicht der Beklagten nicht bestanden habe. Im Übrigen sei er über das Wesen der Veranlagung und über die mit ihr verbundenen Risiken vollständig und richtig informiert worden. Er habe die Beteiligungen in Übereinstimmung mit seinem Anlageziel, seiner spekulativen Risikobereitschaft und seinen finanziellen Verhältnissen erworben. Er habe gewusst, dass die Beklagte für die Vermittlung der Beteiligung Provisionen erhalte. Soweit die Beklagte über das offengelegte Agio hinaus eine Provision erhalten habe, habe sie ihn darüber nicht aufklären müssen. Er hätte die Beteiligung auch dann erworben, wenn die von ihm nunmehr eingeforderte zusätzliche Aufklärung erfolgt wäre. Mit einer seinen Anlagezielen entsprechenden Alternativveranlagung hätte er denselben Verlust erlitten. Zumindest treffe ihn aufgrund seines grob sorgfaltswidrigen Verhaltens ein weit überwiegendes Mitverschulden. Schließlich seien die Ansprüche des Klägers verjährt. Die Verjährungsfrist habe bereits mit Einstellung der Ausschüttungen zu laufen begonnen. Er habe aufgrund der ihm übermittelten Geschäfts-
und Treuhandberichte jedenfalls früher als drei Jahre vor Klagseinbringung Kenntnis von allen in der Klage relevierten Umständen gehabt.
Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger 9.586,64 EUR samt 4 % Zinsen seit 15. 3. 2004 zu zahlen, stellte fest, dass die Beklagte dem Kläger im Ausmaß von 2/3 für alle Schäden aus der eingegangenen Kommanditbeteiligung ersatzpflichtig sei, und wies ein Mehrbegehren von weiteren 4.793,32 EUR samt Zinsen ab. Dabei ging es unter anderem von folgenden weiteren Feststellungen aus:
„Der Vorschlag zum verfahrensgegenständlichen Investment kam von M***** S***** als Mitarbeiter der beklagten Partei. Dieser stellte dem Kläger das verfahrensgegenständliche Investment mit einer Ausschüttungsprognose von 7 bis 9 % pro Jahr und einer langfristigen Veranlagung mit einer Laufzeit von 10 Jahren vor. M***** S***** bezeichnete dabei das gegenständliche Investment auch als „Immobilienfonds“. Dem Kläger wurde durch den Mitarbeiter der beklagten Partei auch mitgeteilt, dass es sich um einen „geschlossenen Fonds“ handle und es dafür „keine Kurse gebe“. In dem Beratungsgespräch zwischen dem Kläger und dem Mitarbeiter der beklagten Partei waren aber weder ein etwaiger Fremdkapitalanteil noch die konkrete Konstruktion der prognostizierten Ausschüttungen Thema. Der Kläger ging im Rahmen seiner Investitionsentscheidung davon aus, dass es sich dabei um Erträge – allenfalls vergleichbar mit Dividendenausschüttungen bei Aktien – handelt. Über die mit der Errichtung und dem Vertrieb des verfahrensgegenständlichen Immobilienfonds verbundenen Weichkosten wurde im Beratungsgespräch ebenfalls nicht gesprochen. Die Risiken der verfahrensgegenständlichen Veranlagung wurden von M***** S***** ebenfalls mündlich nicht konkret dargestellt. Die Veranlagung wurde dem Kläger als „sicher“ präsentiert, und das insbesondere damit begründet, dass es sich „um ein Investment in Immobilien handelt“. Wenn der Kläger damals darüber aufgeklärt worden wäre, dass 20 % des Eigenkapitals Weichkosten darstellen, so hätte er sich gegen das gegenständliche Investment entschieden. Er ist zum damaligen Zeitpunkt davon ausgegangen, dass 100 % des von ihm eingesetzten Kapitals in das Immobilieninvestment fließen. Der Kläger wurde im Rahmen des Beratungsgesprächs vor dem Investment auch nicht darüber aufgeklärt, dass die beklagte Partei über das offen gelegte Agio von 5 % des veranlagten Kapitals hinausgehend eine weitere Provision (Innenprovision, Kickback) bezieht. Dem Kläger war aufgrund der mündlichen Ausführungen des Mitarbeiters der beklagten Partei bei seiner Entscheidung für das gegenständliche Investment bewusst, dass es sich um einen geschlossenen Fonds in Form einer Kommanditgesellschaft handelt. Es war ihm damals auch bewusst, dass er mit diesem Investment Gesellschafter dieser Kommanditgesellschaft wird. Die daraus entspringenden (rechtlichen) Konsequenzen waren ihm nicht bewusst. Über diese wurde er von M***** S***** nicht aufgeklärt. Der Kläger hat aber im Rahmen des Beratungsgesprächs dazu auch nicht nachgefragt.
Der Kläger hat die mündlichen Ausführungen des Mitarbeiters der Beklagten im Zuge des Gesprächs über das Investment dahin verstanden, dass es sich dabei um ein ihm durch die Beklagte zur Streuung seiner Veranlagungen vorgeschlagenes Investment und insbesondere um einen Teil aus dem „fest verzinslichen bzw sicheren Segment“ handelt; dies im Verhältnis zu seinem hohen Aktienanteil in seinen Veranlagungen. Er hatte damals auch keine Kenntnis davon, dass die (rechtliche) Möglichkeit besteht, dass es im Hinblick auf die „Ausschüttungen“ zu einer Rückzahlungsverpflichtung kommen kann. Für den Kläger war damals eine „Ausschüttung“ gleich bedeutend mit „Ertrag“. Im Hinblick auf ein mögliches Totalverlustrisiko war dem Kläger damit nicht bewusst, dass er allenfalls über den Verlust des von ihm eingesetzten Kapitals hinausgehend auch bereits geleistete Ausschüttungen zurückzahlen müsste. Es kann nicht festgestellt werden, welche Alternativveranlagung der Kläger bei ordnungsgemäßer Aufklärung getätigt hätte.
Im Jahr 2012 war der Kläger zum ersten Mal beunruhigt, da die Veranlagung nicht mehr in seiner Vermögensübersicht der Beklagten aufschien und weil negative Medienberichte aufgetreten waren. Vom damals aufgesuchten Klagevertreter wurde ihm bewusst bzw bekannt, dass die Beklagte aus der Beratung und Vermittlung der Veranlagung über das offengelegte Agio hinausgehend eine Innenprovision bzw Kickback-Zahlung lukrieren konnte. Die konkrete Höhe war dem Kläger damals noch nicht bekannt. Weiters legte ihm der Klagevertreter erstmals die konkreten „Weichkosten“ des betreffenden geschlossenen Fonds dar; ebenso die Konstruktion der Veranlagung, insbesondere im Hinblick auf die „Liquiditätsausschüttungen“ und den Umstand, dass diese nicht durch einen bilanziellen Gewinn gedeckt waren und in diesem Umfang allenfalls zu einer Rückforderbarkeit führen konnten. Auch wurde der Kläger erstmals über die Rechtsfolgen seiner Kommanditistenstellung umfassend aufgeklärt. Bei Kenntnis all dieser Umstände hätte er das Investment nicht getätigt.
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass der Beklagten insoweit ein (schadenskausaler) Beratungsfehler vorzuwerfen sei, als die Veranlagung dem Kläger als Gegenpol bzw Alternative zu dem schon sehr hohen Aktienanteil in seinem Portfolio angeboten worden sei, sozusagen als „sicheres Investment“. Er sei auch nicht darüber aufgeklärt worden, dass bei Errichtung der Gesellschaft bzw beim Auflegen des Immobilienfonds ein erheblicher Weichkostenanteil gegeben sei und die Beklagte über das offengelegte Agio hinaus eine Innenprovision im Hinblick auf die Vermittlung der Veranlagung lukriert habe. Damit habe der Kläger ein Investment getätigt, das er bei gesetzeskonformer Aufklärung nicht getätigt hätte. Er habe allerdings nur Anspruch auf anteiligen Schadenersatz, weil es ihm als grobe Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten vorzuwerfen sei, vor dem Investment weder bei seinem Bankbetreuer (weiter) nachgefragt noch die ihm von der Beklagten zur Verfügung gestellten Urkunden aufmerksam durchgelesen zu haben. Hingegen sei eine Verjährung seiner Schadenersatzansprüche nicht eingetreten. Die Verjährungsfrist beginne zu jenem Zeitpunkt, zu dem der Geschädigte erkenne, dass ein Gesamtkonzept nicht den Zusagen entspreche. Hier habe die Verringerung und später die Einstellung der Ausschüttungen beim Kläger noch keine Nachforschungspflicht ausgelöst, weil er nicht erkennen habe können, dass aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung allenfalls auch das von ihm eingesetzte Kapital gefährdet sein könnte. Aus dem Inhalt der Mitteilungen des Treuhänders sei kein Handlungsbedarf für Anleger/Gesellschafter erkennbar gewesen. Bis in das Jahr 2012 sei für den Kläger nicht erkennbar geworden, dass auch das von ihm eingesetzte Kapital einem von ihm nicht gewollten Risiko ausgesetzt sei. Darüber hinaus habe er bis 2012 keinerlei Kenntnis von den tatsächlichen Weichkosten der Beteiligung, dem Fremdfinanzierungsanteil sowie dem Umstand, dass die Beklagte über das offengelegte Agio hinausgehend Innenprovisionen für das vom Kläger getätigte Investment lukrieren konnte, gehabt; ebensowenig darüber, dass es sich bei den „Liquiditätsausschüttungen“ um die Rückzahlung des von ihm eingesetzten Kapitals gehandelt habe. Da nach den Feststellungen jeder dieser Beratungsfehler für die Investitionsentscheidung des Klägers kausal gewesen sei bzw jeder Beratungsfehler für sich den Kläger von dem vorgeschlagenen Investment abgehalten hätte, sei die am 28. 6. 2013 erhobene Klage nicht verjährt. Da der Schaden des Anlegers bereits im Erwerb des ungewollten Finanzprodukts liege, sei der Ersatzanspruch grundsätzlich nicht von der späteren Wertentwicklung abhängig. Hier stehe fest, dass sich die Kommanditgesellschaft bereits in Insolvenz befinde, weshalb dem Kläger ein Zuwarten mit der Erhebung einer Leistungsklage bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht zumutbar sei. Vielmehr sei die Uneinbringlichkeit der Forderung deren Wertlosigkeit gleichzuhalten. Darauf, ob eine Verringerung der Schadenshöhe durch Zahlung einer Konkursquote zu erwarten sei, komme es nicht an, weil der dem Kläger aus der mangelhaften Beratung bereits entstandene rechnerische Schaden nicht in Frage stehe. Zum Feststellungsbegehren bleibe auszuführen, dass der Kläger noch Gesellschafter der Kommanditgesellschaft sei und im Zusammenhang mit seinem Investment Steuerbeträge für ihn verauslagt worden seien bzw würden, sodass nicht auszuschließen sei, dass es dadurch zu (weiteren) Schäden des Klägers kommen könne.
Das Berufungsgericht, das von beiden Parteien sowie der Nebenintervenientin angerufen worden war, änderte die erstgerichtliche Entscheidung (teilweise) dahin ab, dass es das gesamte Klagebegehren abwies; es sprach weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision letztlich für zulässig. Es bedürfe keiner Auseinandersetzung mit den von der Beklagten und der Nebenintervenientin erhobenen – durchaus substantiierten – Beweisrügen, weil das Klagebegehren ausgehend von der vom Erstgericht getroffenen Negativfeststellung über die hypothetische Alternativveranlagung jedenfalls abzuweisen sei. Der Kläger habe die in erster Instanz ausschließlich erhobene Behauptung, er hätte bei pflichtgemäßer Aufklärung Immobilienanleihen mit einer mindestens 4%igen Verzinsung erworben, nicht unter Beweis stellen können. Die nunmehr begehrte Ersatzfeststellung, er hätte sein Geld in ein Produkt veranlagt, das ihm der Mitarbeiter der Beklagten empfohlen hätte, wobei dieser bei pflichtgemäßer Beratung eine kapitalerhaltende Investition empfohlen hätte, wie etwa eine Immobilienanleihe, sei von seinem Vorbringen in erster Instanz nicht gedeckt. Schon deshalb bestehe keine Veranlassung, von der vom Erstgericht getroffenen Negativfeststellung über eine Alternativveranlagung abzugehen. Diese (bekämpfte) Negativfeststellung habe das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung nachvollziehbar begründet. Es sei sogar unwahrscheinlich, dass der Kläger das Geld alternativ in eine Immobilienanleihe mit der von ihm angegebenen Verzinsung angelegt hätte. Vielmehr liege nahe, dass er eine der Zeichnung der gegenständlichen Beteiligung ähnlich risikoträchtige Veranlagung getätigt hätte. Jedenfalls habe er – trotz der ihm zuzubilligenden Beweiserleichterung – nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine bestimmte alternative Anlageart nachgewiesen. Damit habe er aber die Kausalität einer allfälligen Fehlberatung für den behaupteten Schaden nicht unter Beweis gestellt, treffe ihn doch die Behauptungs- und Beweislast nicht nur dafür, dass er bei korrekter Information die Anlageprodukte nicht erworben hätte, sondern auch dafür, wie er sich bei korrekter Information hypothetisch alternativ verhalten und wie sich so sein Vermögen entwickelt hätte. Anderes gelte nur in Fällen, in denen offenkundig sei, dass der Kläger den strittigen Betrag in einer zumindest das Kapital erhaltenden Weise angelegt hätte. Ein solcher Fall liege hier aber schon angesichts der festgestellten sonstigen Veranlagungen des Klägers gerade nicht vor. Damit gehe die Negativfeststellung des Erstgerichts zu seinen Lasten, womit ihm der Kausalitätsbeweis für den behaupteten Vermögensschaden nicht gelungen sei. Das Erstgericht habe daher einen Schadenersatzanspruch unter Missachtung der getroffenen Feststellungen zur hypothetischen Alternativveranlagung unzutreffenderweise bejaht, weshalb das angefochtene Urteil im zur Gänze klagsabweisenden Sinn abzuändern sei.
Dem Kläger sei zuzugestehen, dass der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung eine festgestellte höhere Risikobereitschaft zugrunde gelegen sei, während das Erstgericht im vorliegenden Fall festgestellt habe, er sei im Zeitpunkt seiner Veranlagung tatsächlich nicht bereit gewesen, das Totalverlustrisiko für sein gesamtes geplantes Investment zu übernehmen, sondern nur für kleine Teile (ungefähr 5 %) seiner Veranlagung und habe die Ausführungen seines Beraters dahin verstanden, dass es sich beim gegenständlichen Investment um einen Teil des sicheren Segments seiner Veranlagungen handle. Das Berufungsgericht habe bei der Beurteilung der Behauptungs- und Beweislast des Klägers weiters auch auf dessen festgestellte sonstige Veranlagungen abgestellt. Höchstgerichtliche Judikatur zu einem vergleichbaren Sachverhalt liege, soweit überblickbar, nicht vor. Den in der Zulassungsbeschwerde genannten Rechtsfragen komme daher erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit zu (§ 502 Abs 1 ZPO), sodass die Revision für zulässig zu erklären sei.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene – (nur) von der Beklagten beantwortete – Revision des Klägers ist zulässig und mit ihrem Aufhebungsantrag berechtigt.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt der von ihm angenommene Abweisungsgrund nicht vor. Das Berufungsgericht hat die umfangreichen Beweisrügen der Beklagten und der Nebenintervenienten – die es selbst als durchaus substantiiert bezeichnete – nicht erledigt und die Ansicht vertreten, auch unter Zugrundelegung des vom Erstgericht festgestellten (in wesentlichen Punkten bekämpften) Sachverhalts sei das Klagebegehren schon deshalb abschließend als nicht berechtigt zu beurteilen, weil der Kläger den Schadenseintritt nicht unter Beweis gestellt habe. Dem ist nicht zu folgen.
Das Erstgericht hat unter anderem festgestellt, der Mitarbeiter der Beklagten habe dem Kläger das Investment, das er als „Immobilienfonds“ bezeichnet habe, als „sicher“ präsentiert und das insbesondere damit begründet, dass es sich „um ein Investment in Immobilien handle“. Der Kläger habe diesen Auskünften vertraut. Er habe die Ausführungen des Mitarbeiters dahin verstanden, dass es sich bei diesem Investment um einen Teil aus dem „fest verzinslichen bzw sicheren Segment“ seiner Gesamtveranlagungen handle. Bei tatsachengemäßer Aufklärung über das Veranlagungsrisiko hätte er vom Erwerb Abstand genommen.
Wenn nun das Erstgericht vor dem Hintergrund dieser Feststellungen weiters die Negativfeststellung getroffen hat, es könne nicht festgestellt werden, welche Alternativveranlagung der Kläger bei ordnungsgemäßer Aufklärung getätigt hätte, weil er selbst keine konkreten Angaben dazu machen konnte, kann daraus – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht der Schluss gezogen werden, der Kläger hätte einen Schaden nicht nachweisen können. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Anleger, dem von seinem Berater eine Vermögensanlage als sicher und renditeträchtig angepriesen wurde und der auf diese Angaben vertraut hat, im Nachhinein häufig nicht ganz konkret angeben kann, welche andere Vermögensanlage er gewählt hätte, wenn er sich nicht für das ihm vorgeschlagene Anlageprodukt entschieden hätte. Im Nachhinein wird er regelmäßig nur in der Lage sein, eine gewisse „Gruppe“ von möglichen Anlageprodukten, etwa im Sinn einer bestimmten „Risikoklasse“, zu nennen, die seinen Anlagezielen entsprochen hätte und aus der er letztlich – häufig nach den Empfehlungen des Beraters – ein konkretes ausgewählt hätte. In diesem Sinn wurde etwa zu 4 Ob 67/12z (JBl 2012, 788) ausgesprochen, dass es in Fällen, in denen konkrete Angaben des Anlegers und (daher) Feststellungen zur alternativen Veranlagung nur schwer möglich sind, ausreicht, festzustellen, für welche „Anlageart“ sich der Geschädigte bei ordnungsgemäßer Beratung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entschieden hätte. Maßgebend für den Schadenersatzanspruch [in Geld] sei dann die typische Entwicklung solcher Anlagen, wobei Ausreißer nach oben oder unten unbeachtlich wären; gegebenenfalls könnte auf § 273 ZPO zurückgegriffen werden.
Diese Erwägungen treffen nach Auffassung des erkennenden Senats auch auf den vorliegenden Fall zu, in dem – jedenfalls im derzeitigen Verfahrensstadium – von den erstgerichtlichen Feststellungen auszugehen ist, nach denen die Anlage dem Kläger als „sicher“ beschrieben wurde und er auf diese Angabe vertraut hat und davon ausgegangen ist, es handle sich um einen Teil des sicheren Segments seiner Veranlagung. Auch wenn nun – angesichts der lebensnahen Aussage des Klägers – nicht festgestellt werden konnte, welche konkrete Alternativanlage er bei richtiger Beratung gewählt hätte, ist doch der Schluss zwingend, dass er sich für ein Anlageprodukt aus der Gruppe der „sicheren“ Anlagearten entschieden hätte. Welche Vermögensanlagen dazu gehören und wie sich diese (im Durchschnitt) entwickelt hätten, wird gegebenenfalls im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien zu erörtern sein. Die Annahme, der Kläger habe trotz des eingetretenen Verlusts von (zumindest) mehr als einem Viertel seines eingesetzten Kapitals möglicherweise gar keinen Schaden erlitten, ist auf der Basis der erstgerichtlichen Feststellungen unrichtig. Im Rahmen der schadenersatzrechtlichen Naturalrestitution könnte – ohne Rücksicht auf die hypothetische Entwicklung der angestrebten „Anlageart“ – jedenfalls die „Rückabwicklung“ begehrt werden, weil insoweit ein realer Schaden feststünde.
Wie bereits dargelegt wurde, steht ein Sachverhalt, der zu einer abschließenden rechtlichen Beurteilung geeignet wäre, nicht fest, wurden doch die erstgerichtlichen Feststellungen in zahlreichen Punkten angefochten und hat das Berufungsgericht angedeutet, dass die Beweisrügen seiner Ansicht nach durchaus Substanz haben. Unter diesen Umständen kommt auch eine Auseinandersetzung mit allen denkbaren Sachverhaltskonstellationen und deren Rechtsfolgen nicht in Betracht, ist es doch nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, Rechtsfragen zu beantworten, die sich nach endgültiger und vollständiger Klärung der Tatfrage möglicherweise gar nicht stellen. Ausführlicher ist auf jene Argumente der Revisionsgegnerin einzugehen, mit denen sie darlegen will, dass die Rechtssache auch unter Zugrundelegung des vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts bereits im Sinne einer Klageabweisung entscheidungsreif sei.
Zur Frage der Kausalität der der Beklagten vorgeworfenen Aufklärungsfehler für die Investitionsentscheidung des Klägers scheint es den erstgerichtlichen Feststellungen auch an der erforderlichen Klarheit zu mangeln. So wird einerseits formuliert, er hätte sich gegen das Investment entschieden, wenn er darüber aufgeklärt worden wäre, dass 20 % des Eigenkapitals „Weichkosten“ darstellen; ob dies der Fall war, wurde aber nicht geprüft. Andererseits findet sich die Feststellung, er hätte das Investment bei Kenntnis „all dieser Umstände“ (Innenprovision bzw Kickback-Zahlung, Weichkosten und „Liquiditätsausschüttungen“) nicht getätigt. Schließlich wird – im Rahmen der rechtlichen Beurteilung – ausgeführt, jeder Beratungsfehler für sich hätte den Kläger von diesem Investment abgehalten.
Soweit die Revisionsgegnerin die Auffassung vertritt, es habe gar keine Aufklärungspflicht gegenüber dem Kläger als erfahrenen sowie spekulativen Anleger bestanden, eine ausreichende Aufklärung sei durch die Übergabe der Beitrittsunterlagen erfolgt und die vom Kläger unterfertigten Beitrittsunterlagen würden Schadenersatzansprüche ausschließen, übergeht sie die Details des hier konkret zu beurteilenden Falls. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen wurde nicht etwa bloß eine (ausreichende) Aufklärung des Klägers unterlassen. Vielmehr fand eine (aktive) unrichtige Aufklärung statt, präsentierte doch der Mitarbeiter der Beklagten dem Kläger das Investment unrichtig als „sichere“ Anlage. Da der Kläger diesen Angaben Glauben schenkte, bestand für ihn kein Anlass dazu, schon vor seiner bindenden Entscheidung für das Investment die ihm übergebenen Unterlagen nach Anhaltspunkten dafür zu durchsuchen, dass die Angaben des Beraters allenfalls unrichtig sein könnten. Auch der Hinweis der Revisionswerberin darauf, dass sich eine Vertragspartei regelmäßig nicht darauf berufen kann, die ihm vorliegenden und von ihm unterfertigten Unterlagen nicht gelesen zu haben, kann Schadenersatzpflichten einer Partei nicht verhindern, die unrichtige Angaben über den Inhalt dieser Unterlagen macht, auf die ihr Vertragspartner vertraut.
Unverständlich sind die Ausführungen zur Verwirklichung eines allgemeinen Marktrisikos, durch das die erhobenen Ansprüche ausgeschlossen seien. Wurde dem Kläger die Anlage als „sicher“ präsentiert, konnte er sich nur auf jenes Marktrisiko einlassen, von dem solche sicheren Anlagen betroffen sind. Daran, dass die tatsächlich erworbene Vermögensanlage aber einem erheblich höheren Verlustrisiko unterlag, kann im vorliegenden Fall kein Zweifel bestehen.
Was die weiters von der Revisionsgegnerin angesprochene Verjährungsfrage betrifft, ist zu betonen, dass sich der Oberste Gerichtshof der sogenannten „Trennungsthese“ angeschlossen hat. Da es für den Verjährungsbeginn auf die Kenntnis von Schaden und Schädiger bzw vom schadensverursachenden Verhalten des Schädigers ankommt, stellt sich bei mehreren Beratungsfehlern die Frage, ob die Verjährungsfrist für den gesamten Schaden bereits mit der Kenntnis von einem einzigen Beratungsfehler beginnt, oder ob die spätere Kenntniserlangung von einem weiteren, ebenfalls schadensverursachenden Fehler für die aus diesem abgeleiteten Ansprüche eine neue Verjährungsfrist in Lauf setzt. Nach der nunmehr gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Verjährung für jeden Beratungsfehler getrennt zu beurteilen, wenn bei mehreren spezifischen Risiken jeweils eine gesonderte Verletzung von Aufklärungspflichten in Betracht kommt (3 Ob 112/15i, 5 Ob 133/15t, 10 Ob 70/15i, 2 Ob 99/16x). Dies wird im fortgesetzten Verfahren zu beachten sein, wenn gesichert feststeht, welche Aufklärungs- bzw Beratungsfehler der Beklagten vorzuwerfen sind. Zu beachten ist dabei auch, dass die Verjährung nur über einen ausreichend konkretisierten Einwand aufgegriffen werden kann, in dem insbesondere dargelegt wird, zu welchem Zeitpunkt dem Kläger der betreffende Beratungsfehler zur Kenntnis gelangt ist oder in Erfüllung einer (nur ausnahmsweise bestehenden) Nachforschungsobliegenheit zur Kenntnis gelangt wäre.
Auch die Frage eines allfälligen Mitverschuldens des Klägers wird erst beantwortet werden können, wenn feststeht, unter welchen konkreten Umständen und nach welchen Informationen durch den Mitarbeiter der Beklagten er seine Kommanditbeteiligung gezeichnet hat. Danach ist insbesondere zu beurteilen, ob es ihm als vorwerfbare Nachlässigkeit in eigenen Angelegenheiten anzulasten ist, sich vor dem Vertragsabschluss über die mit der in Aussicht genommenen Vermögensanlage verbundenen Risiken nicht näher informiert zu haben. Gerade bei mehreren Beratungsfehlern ist aber zu beachten, dass eine Minderung des Schadenersatzes nur in Betracht kommt, wenn das sorglose Verhalten des Geschädigten auch in Korrelation zum jeweiligen Aufklärungsfehler steht (vgl etwa 8 Ob 93/14f, 2 Ob 99/16x). Wäre bei einem bestimmten Beratungsfehler das Investment unterblieben, kommt die Annahme eines relevanten Mitverschuldens schon grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn dem Kläger vorzuwerfen wäre, dass ihm die Fehlerhaftigkeit (oder Unvollständigkeit) gerade dieser Aufklärung bereits vor/bei Vertragsabschluss auffallen hätte müssen.
Das Berufungsgericht wird sich daher im fortgesetzten Verfahren unter Beachtung dieser Erwägungen neuerlich mit den Berufungen zu befassen und über diese zu entscheiden haben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Textnummer
E120003European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00112.17B.1129.000Im RIS seit
11.12.2017Zuletzt aktualisiert am
12.08.2020