TE Vwgh Erkenntnis 2000/7/7 98/19/0183

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Veröffentlicht am 07.07.2000
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §6 Abs4;
AVG §1;
B-VG Art103 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Schick, Dr. Bayjones und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des 1995 geborenen OP in Möggers, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. Juni 1998, Zl. 121.526/4-III/11/97, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen jenen Teil des angefochtenen Bescheides richtet, mit dem der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung abgewiesen wurde, als unbegründet abgewiesen.

Die Kostenentscheidung wird vorbehalten.

Begründung

Der am 15. August 1995 in Österreich geborene Beschwerdeführer beantragte am 10. Oktober 1995 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seinen Eltern.

Am 17. Mai 1996 beantragte (u.a.) der Beschwerdeführer, nunmehr rechtsfreundlich vertreten, unter Hinweis darauf, dass sein Vater nach Art. 6 des Abkommens des Assoziationsrates EWG-Türkei 1/80 (ARB) "assoziationsintegriert" sei, die Feststellung, "dass der Antragsteller in Österreich aufenthaltsberechtigt ist".

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 26. Juni 1997 wurde sowohl über den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz vom "11. Oktober 1995" als auch über den Antrag auf Feststellung der Aufenthaltsberechtigung vom 17. Mai 1996 entschieden. Der Feststellungsantrag wurde unter Spruchpunkt 1 gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) mangels Feststellungsinteresses zurückgewiesen. Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG wurde unter Spruchpunkt 2 gemäß den §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 3 AufG abgewiesen. Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz entschied über diese Anträge namens des Landeshauptmannes von Vorarlberg unter Berufung auf die diesbezügliche Ermächtigung nach der Verordnung dieses Landeshauptmannes, LGBl. Nr. 32/1993.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg, in eventu an das Bundesministerium für Inneres, und beantragte die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahin, "dass ihm das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht zugestanden werde, auf welchem Wege und mit welcher Rechtskonstruktion immer." Der Berufung ist u.a. zu entnehmen, dass die Erstbehörde unzulässigerweise den Feststellungsantrag in einen solchen auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung umgedeutet und abgewiesen habe.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg leitete die gegenständliche Berufung mit Schriftsatz vom 8. August 1997 gemäß § 6 AVG zuständigkeitshalber an die belangte Behörde zur Entscheidung weiter und setzte den Berufungswerber von der Weiterleitung in Kenntnis.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 14 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 und § 28 Abs. 2 leg. cit. abgewiesen. Es stehe fest, dass dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen Nr. 1/80 zukomme; der Beschwerdeführer sei in Österreich geboren und halte sich seit seiner Geburt in Österreich auf. Seine Mutter sei lediglich mit einem Touristensichtvermerk in das österreichische Bundesgebiet eingereist und sei nach Ablauf dieses Touristensichtvermerkes nicht mehr in den Besitz eines Aufenthaltstitels gekommen. Sie habe daher niemals über einen Aufenthaltstitel für die Republik Österreich verfügt und der Beschwerdeführer habe deshalb keinen Rechtsanspruch im Sinne des § 28 Abs. 2 FrG 1997. Der Beschwerdeführer habe das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vom Ausland aus nicht erfüllt und auf Grund dieser Tatsache sei sein Antrag negativ zu "finalisieren". Ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers sei auch im Hinblick auf die Art. 8 MRK entbehrlich. Dies gelte trotz des bis 28. Jänner 2000 gültigen Sichtvermerkes des Vaters des Beschwerdeführers.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem

* Recht auf Beachtung der Zuständigkeitsordnung * Recht auf Beachtung des Verfahrensgegenstandes des Berufungsverfahrens

* Recht auf Entscheidung über den Feststellungsantrag * Recht auf Feststellung des assoziationsrechtlichen

Aufenthaltsrechtes

* Recht auf ordnungsgemäße Tatsachenfeststellung

verletzt und macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die erstinstanzliche Behörde wurde, wie sich aus der Zitierung der entsprechenden Bestimmung der Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg über die Ermächtigung der Bezirkshauptmannschaften zur Entscheidung nach dem Aufenthaltsgesetz, LGBl. Nr. 32/1993, ergibt, als Aufenthaltsbehörde (§ 6 Abs. 4 AufG) tätig. Daraus folgt, dass eine derartige, der Bezirkshauptmannschaft zuzurechnende Entscheidung hinsichtlich des Instanzenzuges als erstinstanzliche Entscheidung des Landeshauptmannes im Sinne des Art. 103 Abs. 4 B-VG anzusehen ist, weshalb in diesen Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung der Instanzenzug mangels anderer bundesgesetzlicher Regelung an den zuständigen Bundesminister, im vorliegenden Fall an den Bundesminister für Inneres, geht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1997, Zl. 96/19/3389).

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg, an die der Beschwerdeführer seine Berufung richtete, war im Zeitpunkt der Berufungseinbringung unzuständige Behörde. Sie hat daher die Berufung des Beschwerdeführers zu Recht in Anwendung des § 6 AVG mit Verfügung an die zu ihrer Behandlung zuständige belangte Behörde übermittelt und den Beschwerdeführer davon in Kenntnis gesetzt.

Der belangten Behörde kam daher als der im Instanzenzug zuständigen Berufungsbehörde jedenfalls die funktionelle Zuständigkeit zur Überprüfung der Berufung auf ihre Zulässigkeit zu.

"Sache" des Berufungsverfahrens war vorliegendenfalls der Abspruch der erstinstanzlichen Behörde einerseits über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom 10. Oktober 1995 (von ihr als Antrag vom 11. Oktober 1995 bezeichnet) und andererseits über den Feststellungsantrag betreffend das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht vom 17. Mai 1996. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung bewegte sich der Berufungsantrag des Beschwerdeführers, wie er oben wiedergegeben ist, innerhalb der "Sache" des Verfahrens erster Instanz, begehrte er doch ausdrücklich, es möge ihm das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht "auf welchem Wege und mit welcher Rechtskonstruktion immer zugestanden werden". Dies schließt die Zuerkennung dieses Rechtes in Form der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht aus und bewegt sich im Rahmen der Sache des Verfahrens erster Instanz. Die Berufung des Beschwerdeführers war daher auch zulässig (vgl. dazu auch die hg. Erkenntnisse vom 14. Jänner 2000, Zl. 98/19/0182, sowie vom 4. Februar 2000, Zl. 98/19/0033, u.a.).

Der erstinstanzlichen Behörde lag zum einen ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom 10. Oktober 1995 vor, zum anderen ein Feststellungsantrag vom 17. Mai 1996, wobei - nach dem Inhalt dieses Antrages, wo auf den Antrag vom 10. Oktober 1995 mit keinem Wort Bezug genommen wird - nicht davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer mit dem Feststellungsantrag den Antrag vom 10. Oktober 1995 zurückziehen wollte. Der erstinstanzlichen Behörde lag daher - neben dem Feststellungsantrag - ein unbedingter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (nunmehr: Niederlassungsbewilligung) vor.

Die erstinstanzliche Behörde und durch Abweisung der Berufung im Instanzenzug auch die belangte Behörde hat über die beiden genannten Anträge unter einem entschieden. Entgegen den diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde hat die belangte Behörde - obwohl sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich nur den Antrag des Beschwerdeführers vom 11. Oktober 1995 (richtig: vom 10. Oktober 1995) erwähnte - durch die undifferenzierte Abweisung der Berufung im Spruch des angefochtenen Bescheides über beide Anträge, also auch über den Feststellungsantrag, entschieden (vgl. zu ähnlichen Fallkonstellationen die hg. Erkenntnisse vom 4. Februar 2000, Zlen. 98/19/0033, sowie Zl. 98/19/0039).

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach der Anordnung des § 41 Abs.1 VwGG den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes nur im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG) zu überprüfen. Er hat - so die ständige hg. Rechtsprechung - nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Beschwerdeführers, sondern nur, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet. Die als Beschwerdepunkt bezeichneten Rechte des Beschwerdeführers (auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung, auf Beachtung des Verfahrensgegenstandes des Berufungsverfahrens, auf Entscheidung über den Feststellungsantrag und auf Feststellung des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechtes) wurden aber durch den hier in Prüfung gezogenen Teil des angefochtenen Bescheides, mit dem der Antrag auf Niederlassungsbewilligung abgewiesen wurde, nicht verletzt. Das ebenfalls als Beschwerdepunkt geltend gemachte Recht auf "ordnungsgemäße Tatsachenfeststellung" bezieht sich offensichtlich nur auf einen Grund, auf den sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 5 VwGG stützt (behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften).

Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen den Teil des angefochtenen Bescheides richtete, mit dem der Antrag auf Niederlassungsbewilligung abgewiesen wurde, als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung war aus dem Grund des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abzusehen; Art. 6 Abs. 1 MRK steht dem nicht entgegen.

Bemerkt wird, dass über die hier nicht erledigten Teile der Beschwerde (soweit sich diese gegen die Zurückweisung des Feststellungsantrages richtet) eine gesonderte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, einschließlich der Kostenentscheidung, ergehen wird.

Wien, am 7. Juli 2000

Schlagworte

Verhältnis zu anderen Materien und Normen B-VG sachliche Zuständigkeit in einzelnen Angelegenheiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998190183.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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