TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/21 L506 2102867-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.11.2017
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Entscheidungsdatum

21.11.2017

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L506 2102867-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch den Migrantinnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.01.2015, Zl. XXXX , Regionaldirektion Niederösterreich, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.10.2017 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz von Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt."

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin (nachfolgend BF), eine bengalische Staatsangehörige sunnitischen Glaubens, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 22.10.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Anlässlich der Erstbefragung am 24.10.2013 brachte die Beschwerdeführerin als Ausreisegrund vor, dass sie ihren Mann im Jahr 2009 in Griechenland kennengelernt habe; nachdem sie dort keine Arbeit mehr erhalten hätten, seien sie nach Bangladesch zurückgekehrt und hätten dort heiraten wollen. Die Familien seien gegen eine Heirat gewesen und sei die BF von ihrem Vater und ihrem Bruder geschlagen worden, als sie schwanger gewesen sei. Zusammen mit den Mullahs im Dorf hätten die Eltern der BF die Entscheidung der Todesstrafe für die BF und ihren Mann getroffen, woraufhin sie nach XXXX zu einem Freund ihres Mannes geflüchtet seien und am 05.01.2012 geheiratet hätten; Ende Jänner 2012 habe sie ihr Kind verloren; nachdem die Angehörigen ihre Adresse herausgefunden hätten, hätten sie den Ausreiseentschluss gefasst.

Im Rückkehrfall habe die BF Angst vor einer Steinigung.

3. Am 21.05.2014 langte beim BFA eine Bestätigung des Landesklinikums XXXX vom 10.03.2014 ein, worin der BF Diabetes Mellitus Typ I diagnostiziert wurde.

4. Am 16.01.2014 erfolgte eine Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem BFA und erklärte diese, sie habe ihren späteren Mann XXXX in Griechenland kennengelernt und seien sie ein Paar geworden; im Jahr 2011 hätten die Eltern des Mannes gewollt, dass er heirate und habe dieser entgegnet, dass er nur die BF heiraten wolle; auch die BF habe ihren Eltern gegenüber den Wunsch geäußert, ihren späteren Mann zu heiraten. Sowohl die BF als auch ihr späterer Mann hätten die Namen des gewünschten Partners ihren Eltern gegenüber angegeben; auch der Vater der BF sei wütend gewesen und habe der BF eine Eheschließung verboten. Sie habe dann ihren Mann heimlich getroffen und sei Ende November 2011 schwanger geworden; ihre Mutter habe sie ins Spital gebracht, wo die Schwangerschaft festgestellt worden sei. Ihre Eltern seien sehr wütend gewesen und habe sie ihre Mutter bereits im Spital erschlagen wollen. Sie sei geschlagen worden und habe man eine Abtreibung von ihr verlangt. Am 15.12.2011 sei die BF nachts gegen 23:00 oder 24:00 Uhr derart von ihren Eltern misshandelt worden, dass sie Narben auf Stirn, Ellenbogen und am rechten Knie davongetragen habe. Auch die Nachbarschaft habe davon erfahren und habe ihr der Vater den Schmuck abgenommen und die BF hinausgeworfen. Von einer Nachbarin aus habe sie ihren Mann angerufen, der sie 15-20 Minuten später mit dem Moped abgeholt und zu einer Cousine gebracht habe. Er habe einen Arzt geholt, der der BF eine Injektion verabreicht und diese verbunden habe.

Von anderen Leuten habe sie erfahren, dass am 30. eine "Salish" einberufen worden sei, der zufolge der Mann der BF von hundert Leuten ausgepeitscht und gesteinigt werden würde; die BF habe dies von anderen Leuten, nicht von XXXX erfahren.

Sie sei täglich von XXXX besucht und angerufen worden. Am 01.01.2012 habe er ihr telefonisch mitgeteilt, am nächsten Tag zur Bushaltestelle zu kommen; sie seien nach XXXX gefahren und habe die BF eine Burka getragen; die BF und ihr Mann hätten sich zu einer Wohngemeinschaft von Freunden ( XXXX ) des Mannes in XXXX begeben.

Am 05.01. Hätten sie geheiratet und seien bis 15.01. dort wohnhaft gewesen; sie hätten dann die Wohnung gewechselt. Am 15.02. sei ihr Bruder in Begleitung von zwei Mullahs dort erschienen; inzwischen habe man auf XXXX ein Kopfgeld in der Höhe von 50.000,- Taka ausgesetzt. Auch zwei Freunde seien anwesend gewesen und habe ihr Bruder nach XXXX gefragt. Ihr Bruder und ein Mullah habe ihr eine Ohrfeige verpasst und ein Mullah habe sie geschlagen. Als ihr Bruder sie in den Bauch geschlagen habe, habe sie geschrien, woraufhin die Nachbarn und die Frau des Vermieters gekommen sei, welche mit dem Informieren der Polizei gedroht habe. Der Vermieter habe ihnen dann mitgeteilt, dass sie zwei Tage Zeit hätten, die Wohnung zu verlassen, woraufhin sie zu einem Freund von XXXX in ein Stadtviertel namens XXXX in XXXX gegangen seien. Der Vater von XXXX habe ihnen dann Geld gebracht und ihnen geraten, das Land zu verlassen.

Am 10.03.2012 hätten sie das Land verlassen; zuvor hätte die BF am 25.02. starke Schmerzen bekommen und habe ihr Kind verloren; sie habe sich 2, 3 Tage in einem Spital namens XXXX aufgehalten.

Über Befragen erklärte die BF, dass XXXX bei der Polizei gewesen sei, doch sei dessen Ansuchen abgelehnt worden. Ihr Mann sei auch bei der Partei Jamaat-Shibir gewesen und habe auch deshalb Probleme gehabt.

Die Eheschließung habe ihr Mann auch anderen Mullahs bekanntgegeben.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.01.2015 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt stellte fest, dass die Identität der BF, die Staatsangehörige von Bangladesch sei, nicht feststehe, die BF mit XXXX XXXX , der sich ebenfalls im Asylverfahren befinde, verheiratet sei und die Angaben der BF zu ihren Ausreisegründen, unglaubwürdig seien und könne nicht festgestellt werden, dass diese einer Gefährdung oder Verfolgung im Herkunftsland ausgesetzt gewesen sei.

Beweiswürdigend wurde seitens des BFA ausgeführt, dass die Identität der BF aufgrund fehlender unbedenklicher Urkunden nicht habe festgestellt werden können.

Zu den Ausreisegründen wurde festgehalten, dass das diesbezügliche Vorbringen der BF unglaubwürdig sei, da sich darin einige Widersprüche befinden, das Vorbringen allgemein vage und unplausibel sei, weshalb nicht von der Glaubhaftmachung einer asylrelevanten Gefährdung auszugehen sei.

Widersprüchlich sei das Vorbringen der BF vor allem deshalb, da diese in der Erstbefragung angegeben habe, dass auch über sie die Todesstrafe verhängt worden sei, wohingegen sie bei der Einvernahme diesbezüglich nur ihren Mann genannt habe. Auch der Mann der BF habe den Sachverhalt widersprüchlich dargestellt, indem er in seinem Verfahren in der Einvernahme angegeben habe, dass lediglich gegen ihn die Todesstrafe verhängt worden sei, wohingegen er in der Erstbefragung von diesem angegeben worden sei, dass auch gegen die BF die Todesstrafe verhängt worden sei.

Widersprüchlich sei das Vorbringen der BF auch, wenn sie einerseits in der Erstbefragung angegeben habe, dass sie nicht in der Wohnung anwesend gewesen sei, als die Mullahs und ihr Bruder gekommen seien, während sie andererseits in der Einvernahme angegeben habe, dass sie die Mullahs und den Bruder in die Wohnung gelassen habe und in der Folge von diesen geschlagen worden sei.

Aufgrund der genannten gravierenden Widersprüche sei dem Vorbringen die Glaubwürdigkeit abzusprechen.

Ferner scheine es nicht plausibel, dass der Bruder der BF deren Aufenthaltsort in XXXX ausfindig habe machen können; die BF habe angegeben, die Personen seien mit dem Auto herumgefahren und hätten so Kenntnis von ihrem Aufenthaltsort erlangt; aufgrund dessen, dass XXXX eine Stadt mit über 6 Millionen Einwohnern sei, könne jedoch ausgeschlossen werden, dass durch bloßes Herumfahren Aufenthaltsorte von Personen ausfindig gemacht werden können.

Auch habe die BF in der Erstbefragung angegeben, sich mit ihrem Mann in der Wohnung eines Freundes aufgehalten zu haben, der sie dann nach dem behaupteten Ereignis ersucht habe, diese zu verlassen; bei der Einvernahme habe die BF hingegen davon gesprochen, dass sie sich zuerst in einer Wohnung aufgehalten hätten und erst danach zu jenem Freund übersiedelt seien.

Auch sei auffällig gewesen, dass die BF anlässlich der Schilderung der Schläge durch ihre Eltern und ihren Bruder auf keinerlei eigene Empfindungen, Reaktionen bzw. auf ihr Verhalten eingegangen sei und könne aufgrund der schlimmen Misshandlungen nicht nachvollzogen werden, dass die BF keinerlei Gefühlsbeschreibungen dargetan habe.

Die BF habe auch keinen konkreten Grund dafür angeben können, warum ihre Eltern die Eheschließung verweigert hätten.

Auch sei aufgefallen, dass die BF und ihr Ehemann anlässlich der Erstbefragung beinahe den gleichen Wortlaut hinsichtlich der Schilderung ihrer Ausreisegründe verwendet hätten, was einmal mehr indiziere, dass die BF und ihr Mann keine wahre Begebenheit geschildert hätten; vielmehr spreche die Verwendung von beinahe identen Wortlauten einmal mehr für ein konstruiertes Vorbringen.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei.

Zu Spruchpunkt III. hielt das BFA fest, dass die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für die BF keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle.

6. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes vom 06.02.2015 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

7. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Vertreter mit Schriftsatz vom 25.02.2015 innerhalb offener Frist vollumfängliche Beschwerde. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

Es wurden die Anträge gestellt, die Rechtsmittelbehörde möge

-) den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde gänzlich zu beheben und der BF den Status der Asylberechtigten zuzuerkennen;

-) in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und zur inhaltlichen Entscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverweisen

-) in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Beschwerdeführerin gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch zuerkannt werde;

-) feststellen, dass die gem. § 52 FPG erlassene Rückkehrentscheidung gem. § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist und feststellen, dass die Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gem. § 55 AsylG vorliegen und der BF gem. § 58 Abs. 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung (plus) von amts wegen erteilen

-) in eventu möge die Rechtsmittelbehörde feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG vorliegen und ihr eine solche von amts wegen erteilen

-) eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumen.

Vorerst wurde die mangelhafte Ermittlung des Sachverhaltes moniert; die belangte Behörde habe sich nicht mit dem Vorbringen und den im behördlichen Verfahren vorgelegten Beweismitteln auseinandergesetzt und werde auf S 14 des Bescheides angeführt, dass keine Beweismittel in Vorlage gebracht worden seien.

Der BF1 (Anmerkung: Partner der BF) habe jedoch Unterlagen in Vorlage gebracht (beglaubigte Geburtsurkunde, griechische Identitätskarte, Brief des Gemeindeamtes an den Vater des BF1, in dem er aufgefordert wird, seinen Sohn zu enterben, öffentliche Kopfgeldbelohnung über 50.000 Dhakar ausgesetzt auf den BF1, öffentliche Kundmachung des Gemeindeamtes, dass der Vater des BF1 von gesellschaftlichen Ereignissen auszuschließen sei.

Die Behörde habe sich nicht mit dem konkreten Vorbringen des BF1 auseinandergesetzt und die Frage eines tatsächlichen und effizienten Schutzes im Heimatstaat nicht geprüft, obwohl der BF1 erklärt habe, Anzeige erstatten haben zu wollen, jedoch von der Polizei wieder weggeschickt worden zu sein.

Auch habe die Behörde den Grundsatz des Parteiengehörs verletzt, da sie weder das Beweisergebnis noch die Beweisquelle bekanntgegeben habe; hinsichtlich des Parteiengehörs sei auch eine angemessene Frist einzuräumen; ebensowenig seien der BF die länderkundlichen Feststellungen zur Kenntnis gebracht und eine diesbezügliche Stellungnahmemöglichkeit eingeräumt worden. Auch hätte die Behörde Informationen hinsichtlich arrangierter Ehen, vorehelichem Geschlechtsverkehr, Schwangerschaft und den Folgen für eine junge Frau sowie zum diesbezüglichen gesellschaftlichen und strafrechtlichen Aspekt einholen müssen.

Ferner wäre eine Ermittlung der Behörde vor Ort zweckmäßig gewesen und hätten die Kundmachungen im Gemeindeamt, die die Verfolgung des BF1 beweisen, eingeholt werden können.

Weiters wäre der Gynäkologe der BF zu befragen gewesen, der eine Schwangerschaft aus dem Jahr 2011 festgestellt habe; auch der Apotheker, der dem Vater des BF1 trotz eines Verbotes Medikamente verkauft habe und deswegen Strafe habe zahlen müssen, hätte die Fluchtgeschichte bestätigen können. Auch hätte in XXXX der Vermieter der den Angriff auf die BF Mitte Februar 2012 durch ihren Bruder und die Mullahs bestätigen hätte können, ausfindig gemacht werden können.

In die Krankenakte aus dem Spital XXXX , in dem die BF stationär aufgenommen worden sei, hätte ein Vertrauensanwalt Einsicht nehmen können und hätte das Standesamt, wo die BF ihren Mann geheiratet hätte, besucht werden können.

Der Verweis der Behörde auf Widersprüche und Ungereimtheiten vermöge eine Beweiswürdigung nicht zu ersetzen; die Behörde vertausche oft die Personen der BF und ihres Gatten im Bescheid, was zu Verwirrungen führe.

In weiterer Folge wurde die Beweiswürdigung des BFA moniert. Es habe jedenfalls sowohl der BF als auch ihrem Gatten der Tod gedroht und sei die BF von ihrem Bruder und zwei Mullahs in aufgesucht worden und sei dem Bruder erlaubt worden, die BF zu töten; diese habe Familienschande über die Familie gebracht und sei daher auch verurteilt worden. Auch könne nicht nachvollzogen werden, dass die Behörde nicht glaube, dass die BF und ihr Mann in einer großen Stadt wie Dahka gefunden werden können, obwohl diese angegeben hätten, dass wahrscheinlich die drei Freunde, bei denen sie gewohnt hätten, ihre Adresse an den Bruder der BF weitergegeben haben.

Die BF habe die Gründe, warum die Eltern gegen die Eheschließung gewesen seien, nicht erfahren, doch bestehe die Vermutung, dass die BF, welche aus ärmlichen Verhältnissen stamme, nicht als Schwiegertochter erwünscht gewesen sei und hätten die Eltern der BF die Tätigkeit des Gatten für die Partei Charta Shibir nicht akzeptiert.

Unter Hinweis auf ein Erkenntnis des VfGH, 13.09.2013, U1685/2012 hinsichtlich eines im Kern gleichlautenden Vorbringens wurde festgehalten, dass auch bei den Beschwerdeführern der Kern des Fluchtvorbringens gleichbleibend sei und es lediglich Abweichungen in Details gebe.

Durch die Vorgehensweise der Behörde sei das Ermittlungsverfahren mit schweren Mängeln belastet worden und habe es die Behörde verabsäumt, den Sachverhalt zu ermitteln; es bestehe für die BF auch keine innerstaatliche Fluchtalternative, weil diese sowohl von staatlichen Behörden als auch von der Familie der BF gesucht werde und habe die Asylbehörde nicht ermittelt, ob die BF tatsächlich in einem anderen Gebiet in Bangladesch sicher vor Verfolgung sei und sei ohne Begründung von einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgegangen. Hätte das BFA ein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt, hätte es eine GFK-relevante Verfolgungsgefahr feststellen müssen und sei hinsichtlich der Verfolgungsgefahr auch eine Zukunftsprognose zu erstellen.

8. Gegenständliche Beschwerde langte samt dem Bezug habendem Verwaltungsakt am 05.04.2016 aufgrund einer Unzuständigkeitseinrede in der hg. Gerichtsabteilung ein.

9. Am 13.10.2016 wurden ärztliche Bestätigungen zur Erkrankung der BF an Diabetes Mellitus Typ1 in Vorlage gebracht.

10. Am 25.04.2017 langte hg. eine Teilnahmebestätigung der BF an einem Deutschkurs für Anfänger ein.

11. Am 21.09.2017 langte hg. eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BFA zur Behandelbarkeit von Diabetes Mellitus Typ1 in Bangladesch ein.

12. Am 16.10.2017 fand vor dem erkennenden Gericht eine mündliche Verhandlung statt und wurde der BF die Gelegenheit eingeräumt, ihre ausreisekausalen Gründe nochmals darzulegen.

13. Am 24.10.2017 legte die BF persönlich beim Bundesverwaltungsgericht eine beglaubigte Geburtsurkunde und aktuelle medizinische Unterlagen, ihre Person betreffend, vor.

14. Am 13.11.2017 langten hg. die in der mündlichen Verhandlung in Auftrag gegebenen Übersetzungen der seitens der BF vorgelegten bzw. in die Verhandlung mitgebrachten Schriftstücke ein.

15. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

16. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.10.2017 sowie durch Einsichtnahme in die hg. in das Verfahren integrierten länderkundlichen Feststellungen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

1.1.1. Die gegenständliche Beschwerde wurde am 07.05.2014 beim BFA eingebracht und ist nach Vorlage durch das BFA am 13.05.2014 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

1.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

1.3. Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß § 21 Absatz 3 2. Satz BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

2. Feststellungen (Sachverhalt):

2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin wird festgestellt:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Republik Bangladesch und sunnitische Muslimin. Die Identität der Beschwerdeführerin steht nicht fest.

Die Beschwerdeführerin reiste mit einem Mann, von dem sie behauptet, mit diesem verheiratet zu sein, in Österreich ein und stellte gemeinsam mit diesem am 24.10.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei sie sich auf dieselben Ausreisegründe, nämlich die von ihren Familien nicht tolerierte Beziehung, Schwangerschaft und Eheschließung sowie eine daraus resultierende Fatwa und die damit zusammenhängende Gefahr, getötet zu werden, stützten.

Die Beschwerdeführerin stammt aus dem Dorf XXXX , Polizeiverwaltungsbezirk XXXX , Distrikt XXXX .

In Bangladesch hat die Beschwerdeführerin acht Jahre die Grundschule besucht und ihren Lebensunterhalt zum Teil als Näherin und zum Teil aus finanziellen Zuwendungen durch ihren Vater bestritten. Die Beschwerdeführerin lebte vor ihrer ersten Ausreise nach Griechenland in Bangladesch vier bis fünf Jahre alleine in einer Mietwohnung und hat ihren Lebensunterhalt als Näherin bestritten.

Dass die Beschwerdeführerin verheiratet ist, kann nicht festgestellt werden. Sie hat keine Kinder. In Bangladesch leben nach wie vor ihre Mutter, eine Schwester und ein Bruder sowie zumindest zwei Cousins.

Das Asylverfahren des Mannes, von dem die Beschwerdeführerin behauptet, es handle sich um ihren Ehegatten, wurde mit hg. Beschluss vom 18.10.2017 eingestellt. Dieser befindet sich aktuell den Angaben der Beschwerdeführerin zufolge in Ungarn; am 15.08.2017 stellte die Flughafenpolizei Budapest eine Anfrage an die LPD Burgenland, da dieser ohne Dokumente in Ungarn aufgegriffen worden war. Dieser war ferner zuvor auch in Deutschland aufgegriffen und am 06.06.2017 nach Österreich rücküberstellt worden.

Die Ausführungen der Beschwerdeführerin, wonach sie aufgrund der Beziehung zu ihrem Mann Probleme mit ihren Familien gehabt und sie durch diese und aufgrund einer Fatwa mit dem Tode bedroht worden sei, sind als unglaubwürdig zu qualifizieren.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Heimatstaat Bangladesch asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war oder pro futuro asylrelevanter Verfolgung in Bangladesch ausgesetzt sein wird.

Die Beschwerdeführerin leidet an Diabetes Mellitus Typ 1 und ist diese Erkrankung in Bangladesch behandelbar und für die Beschwerdeführerin auch leistbar. Die Beschwerdeführerin war bereits vor ihrer Ausreise aufgrund dieser Erkrankung in Bangladesch in ärztlicher Behandlung. Die Beschwerdeführerin leidet ferner unter einer Anpassungsstörung mit depressiver Episode sowie an Migräne.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin Gefahr liefe, in Bangladesch einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr nach Bangladesch in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung der Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat festgestellt werden.

In Österreich hat die Beschwerdeführerin keine Verwandten oder sonstigen nahen Bezugspersonen. Die Beschwerdeführerin lebt von der staatlichen Grundversorgung und hat von Oktober 2016 bis Februar 2017 einen Deutschkurs für Anfänger besucht.

Im Strafregisterauszug scheinen keine Verurteilungen der Beschwerdeführerin auf. Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten.

Die Beschwerdeführerin verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich.

Weitere maßgebliche Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration der Beschwerdeführerin in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht konnten nicht festgestellt werden.

Des Weiteren liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", noch für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Bangladesch festzustellen ist.

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

1. Politische Lage

Bangladesch ist eine Volksrepublik (People' s Republic of Bangladesh) mit einer seit 1991 wieder geltenden parlamentarischen Demokratie als Regierungsform (GIZ 5.2017).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird, eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt Großteils zeremonielle Funktionen aus, die Macht liegt in den Händen des Premierministers als Regierungschef, der von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt wird. Der Premierminister, ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der 5-jährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige "Caretaker"-Regierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB New Delhi 12.2016; vgl. GIZ 5.2017). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 5.2017). Aktuell hat Sheikh Hasina von der Awami League (AL) das Amt der Premierministerin inne (ÖB New Delhi 12.2016)

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten Abgeordneten (ÖB New Delhi 12.2016) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 14.1.2016). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der "Caretaker"-Regierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB New Delhi 12.2016).

Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die "Awami League" (AL) und "Bangladesh Nationalist Party" (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind stark politisiert und parteipolitisch durchdrungen (AA 3.2017a). AL und BNP werden quasi-dynastisch von Sheikh Hasina und Begum Khaleda Zia geführt, die das politische Vermächtnis ihrer ermordeten Männer fortführen und eine unangefochtene Machtstellung in ihrer jeweiligen Partei genießen. Sie beeinflussen den Kandidatenauswahlprozess für Partei- und Staatsämter und geben den Takt für die politischen Auseinandersetzungen vor. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks (Hartals) großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 5.2017). Nennenswerte parlamentarische Stärke haben in der Vergangenheit sonst nur die Jatiya Party (JP) und die JI erzielt (GIZ 5.2017).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto jedoch die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten ist. Wie schon die Vorgängerregierungen, so baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in der Verwaltung, im Rechtswesen und im Militär aus. Auch im Regierungskabinett folgen Ernennungen und Umbesetzungen meist dem Prinzip der Patronage (GIZ 5.2017).

Bereits am 30.7.2011 hat das Parlament bei nur einer Gegenstimme, die BNP und ihre Verbündeten haben der Parlamentssitzung nicht beigewohnt, in der 15. Verfassungsänderung den Islam als Staatsreligion bestätigt, jedoch den Zusatz "Absolutes Vertrauen und der Glauben an den Allmächtigen Allah soll die Basis allen Handelns sein" aus der Verfassung gestrichen. Ungeachtet der ausgeprägten Leistungsdefizite staatlicher Institutionen, der undemokratischen innerparteilichen? Entscheidungsstrukturen und der in der letzten Dekade verstärkt gewalttätig ausgetragenen Parteienrivalität ist der Glauben an die Demokratie innerhalb der Bevölkerung ungebrochen (GIZ 5.2017; vgl. AA 3.2017a).

Am 5.1.2014 boykottierte die BNP die 10. Parlamentswahlen wodurch die AL eine verfassungsändernde Mehrheit erreichen konnte. Weitere Sitze gingen an Koalitionspartner der AL. Die sehr geringe Wahlbeteiligung von nur ca. 30% bei den Parlamentswahlen 2014 ist auf den Wahlboykott der Opposition zurückzuführen. Es gab Berichte über massive Einschüchterungsversuche wahlbereiter Bürger seitens oppositioneller Gruppen (GIZ 5.2017; vgl. AA 3.2017a). Am Wahltag wurden mindestens 21 Menschen getötet und über 130 Wahllokale in Brand gesetzt. Die Opposition reagierte bereits einen Tag nach den Wahlen mit Generalstreiks und in vielen Distrikten wurde über Attacken gegen ethnische und religiöse Minderheiten, v.a. Hindus, berichtet. Die AL versuchte mit gezielten Verhaftungen von Oppositionspolitikern den Druck auf das Regime zu schwächen (GIZ 5.2017).

Die verfassungsändernde Mehrheit im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration in den Händen der AL respektive der Regierung. Mit neuen Gesetzen zu Medien, Äußerungen im Internet, Absetzung von obersten Richtern und Förderung von NGOs aus dem Ausland wird diese Konzentration noch weiter verstärkt. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren (AA 3.2017a). Auch die BNP ist dadurch in der Defensive (GIZ 5.2017). Die Prozesse und (häufig Todes-) Urteile öffnen alte Wunden und führen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen säkularen und islamistischen Kräften (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden acht Todesurteile und mehrere lebenslange Haftstrafen ausgesprochen, sechs Hinrichtungen wurden vollstreckt. Dabei hat sich innerhalb der säkularen Zivilgesellschaft mit Blick auf das Kriegsverbrechertribunal ein grundlegender Dissens entwickelt: Während die einen auf rechtstaatliche Standards pochen und die Todesstrafe ablehnen, ist für andere, v.a. aus der urbanen Protestbewegung Shabagh, jedes Urteil unterhalb der Todesstrafe inakzeptabel (GIZ 5.2017).

Bei den am 30.12.2015 in 234 Stadtbezirken durchgeführten Kommunalwahlen in Bangladesch ist die regierende AL als Siegerin hervorgegangen (NETZ 2.1.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2017): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/#c14332, Zugriff 9.6.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/334685/476437_de.html, Zugriff 9.6.2017

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NETZ - Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (2.1.2016): Bangladesch Aktuell, http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/kommunalwahlen/cHash/781fa29261a9302cfb84107680f22794.html, Zugriff 9.6.2017

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

2. Sicherheitslage

Es gibt in Bangladesch keine Bürgerkriegsgebiete (AA 3.2017a).

Die Opposition organisierte Proteste und Straßenblockaden, unter denen die Wirtschaft leidet. Die Regierung reagiert mit Verhaftungen und mit Einschränkungen von Grundrechten. Sie will die öffentliche Ruhe mit allen Mitteln wiederherstellen. Die internationale Gemeinschaft verurteilte die Gewalt scharf und hat die Beteiligten zum Dialog aufgerufen (GIZ 5.2017).

Extremistische Gruppen, wie Jamaat-ul-Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansar al-Islam, die ihre Zugehörigkeit zu Daesh und Al Qaida auf dem indischen Subkontinent (AQIS) erklärten, haben Angriffe auf Angehörige religiöser Minderheiten, Akademiker, Ausländer, Menschenrechtsaktivisten und LGBTI-Personen, sowie weitere Gruppen durchgeführt (USDOS 3.3.2017; vgl. AI 22.2.2017). Medienberichten zufolge hat die Terrororganisation IS 2016 für 39 Morde die Verantwortung übernommen, der bengalische Al-Kaida-Ableger soll sich zu acht Taten bekannt haben (GIZ 5.2017). Die Sicherheitsbehörden waren zunächst nicht bereit, angemessene Schutzmaßnahmen zu veranlassen, gewährt aber in vielen Fällen inzwischen Personenschutz (AA 14.1.2016). Darüber hinaus kommt es regelmäßig zu intra- und interreligiöser Gewalt (AA 3.2017a; vgl. AI 22.2.2017). die Polizei tötete laut eigenen Angaben mindestens 45 mutmaßliche Terroristen in Schießereien (AI 22.2.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights – Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/336450/479091_de.html, Zugriff 28.6.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2017): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/#c14332, Zugriff 9.6.2017

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USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

3. Rechtsschutz/Justizwesen

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof. Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen Common Law. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem High Court, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem Appellate Court, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB New Delhi 12.2016).

Die Gerichtsbarkeit ist überlastet und sieht sich von vielen Seiten Versuchen der Einflussnahme ausgesetzt. (AA 3.2017a). Zusätzlich behindern Korruption und ein erheblicher Verfahrensrückstand das Gerichtssystem. Gerichtsverfahren sind durch eine überlange Verfahrensdauer geprägt, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommt es zu Zeugenbeeinflussung und Einschüchterung von Opfern (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 1.2017). Straffälle gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 1.2017). Richter des Obersten Gerichtshofs haben des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB New Delhi 12.2016). Durch eine kürzlich erfolgte Verfassungsänderung hat nunmehr das Parlament das Recht, oberste Richter abzusetzen (AA 3.2017a).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze ("Public Safety Act", "Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, "Women and Children Repression Prevention Act”, "Special Powers Act") wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese "Speedy Trial" Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren ca. 200 Personen zum Tode verurteilt (ÖB New Delhi 12.2016).

Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB New Delhi 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

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FH – Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/341770/485095_de.html, Zugriff 28.6.2017

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

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USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

4. Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit und Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen. Diese Mechanismen werden aber nicht immer angewandt (USDOS 3.3.2017). Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 14.1.2016). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. Die Polizei hat Regeln für angemessene Gewaltausübung in ihre Grundausbildung einbezogen, um bürgernahe Polizeiarbeit umsetzen zu können (USDOS 3.3.2017).

Bangladeschs Sicherheitskräfte haben eine lange Geschichte von willkürlichen Verhaftungen, erzwungenem Verschwinden Lassen und außergerichtlichen Tötungen (HRW 12.1.2017). Obwohl gesetzlich verboten, gibt es Hinweise auf willkürliche Festnahmen, sowie auf die willkürliche Anwendung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen gemäß den Spezialgesetzen "Special Powers Act" und "Public Safety Act". Diese erlauben die 30-tägige Inhaftierung ohne Angabe von Gründen, um Taten zu verhindern, welche die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden. Nach 30 Tagen sind dem Angehaltenen die Haftgründe zu nennen, oder er muss entlassen werden. Die Praxis weicht davon ab. Die Arretierten haben keinen Anspruch auf einen Rechtsbeistand. Die davon hauptsächlich betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben (ÖB New Delhi 12.2016). Des Weiteren gibt es Berichte von Folter und anderen Missbräuchlichen Handlungen in Polizeigewahrsam. Der "Torture and Custodial Death (Prevention) Act" von 2013 wird nur schleppend umgesetzt (AI 22.2.2017). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben (AA 14.1.2016).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten "Bangladesch Police", die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung:

Rapid Action Bataillons (RABs): Das Rapid Action Bataillon (RAB), gegründet 2004, untersteht dem Innenministerium. Es unterhält 14 Standorte in Bangladesch (RAB-1 bis RAB-14) (AA 14.1.2016) mit insgesamt ca. 8.500 Mann. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen und die Terrorabwehr (ÖB New Delhi 12.2016; vgl. AA 14.1.2016). Die gut ausgebildeten und modern ausgerüsteten RABs sind hauptsächlich in den urbanen Zentren des Landes stationiert und verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete "Gang"-Mitglieder, was zu zahlreichen Tötungen während Schusswechseln führt. Auch im Zuge von Demonstrationen setzten die RABs neben Gummigeschossen scharfe Munition ein, was auch hier zu Todesopfern führte. Insgesamt starben seit der Gründung 2004 laut Schätzungen über 800 Personen entweder durch Schusswechsel oder in RAB-Gewahrsam, es kam jedoch bisher zu keinen Verurteilungen (ÖB New Delhi 12.2016).

Bangladesch Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leichtbewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB New Delhi 12.2016).

Bangladesch Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Innenministerium, wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB New Delhi 12.2016).

Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches "Platoon" (32 Personen) geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen. In Städten gibt es analog dazu sogenannte "Town Defence Parties" (ÖB New Delhi 12.2016).

Special Branch of Police (SB) ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist m

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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