TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/22 L515 2167736-1

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Veröffentlicht am 22.11.2017
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Entscheidungsdatum

22.11.2017

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L515 2167736-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hermann LEITNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER und den fachkundigen Laienrichter Reg. Rat Johann PHILIPP, als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , VSNR. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice vom 18.04.2017, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz und § 1 Abs. 2, § 42 Abs. 1, § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz sowie § 1 Abs. 4 Z 3 und Abs. 5 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stattgegeben und festgestellt, dass gegenwärtig die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" vorliegen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die beschwerdeführende Partei (in der Folge bP) ist seit 2015 im Besitz eines bis Ende Mai 2018 befristeten Behindertenpasses mit einem GdB von 60 vH.

Mit am 14.12.2016 im Sozialministeriumservice (in der Folge belangte Behörde) eingelangten E-Mail beantragte die bP die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" sowie die Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" in den Behindertenpass.

In dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten wird von einem Allgemeinmediziner, basierend auf der klinischen Untersuchung am 28.03.2017, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"[ ]

Derzeitige Beschwerden:

"Ich leide nach wie vor an Depressionen, die sich derzeit insbesondere durch eine ausgeprägte Antriebsstörung bemerkbar machen. Außerdem habe ich große Versagens- und Zukunftsängste. Aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung (wurde 2x in der Wiener U-Bahn zusammengeschlagen) kann ich keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzen. Stationäre Aufenthalte brachten immer nur eine kurzfristige Besserung."

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Rezidivierende depressive Störung, ADHS des Erwachsenenalters, Sozialphobie, kombinierte Persönlichkeitsstörung; HIV-Infektion, laufende antivirale Therapie; Diabetes mellitus Typ II

Nachuntersuchung 03/2018 weil im psychiatrischen Gutachten (Dr. XXXX) vom 17.3.2015 vorgeschlagen.

Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Beim Untersuchten besteht ein ADHS mit Persistenz im Erwachsenenalter, eine rezidivierende depressive Störung und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit ängstlichen und narzistischen Anteilen. Laut psychiatrischem Facharztbefund (Dr. XXXX ) vom 12.8.2016 ist die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel durch Herrn Mag. XXXX nicht möglich, da er (nachdem er 2x in der Wiener U-Bahn zusammengeschlagen wurde)reflexartig auf nahe hinter ihm sich bewegende Menschen mit für Andere gefährlichen Abwehrbewegungen reagiere. Aus allgemeinmedizinischer Sicht sind diese Ausführungen derzeit nicht nachvollziehbar, insbesondere ist davon auszugehen, dass bei konsequenter Psychotherapie diese angeführten Reflexe beherrschbar sind.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor? Nein

Gutachterliche Stellungnahme:

Aus allgemeinmedizinischer Sicht verhindert keine der angeführten Funktionsein-schränkungen die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel.

Seit 2016 besteht ein medikamentös gut eingestellter Diabetes mellitus Typ II.

Für diese Funktionsbeeinträchtigung wird ein GdB von 20 % festgestellt.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 18.04.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab. Nach Zitierung der rechtlichen Grundlagen wurde festgehalten, dass gemäß dem ärztlichen Begutachtungsverfahren die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen. Angemerkt wurde, dass über den Antrag auf die Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" gesondert entscheiden werde.

In ihrer fristgerecht erhobenen Beschwerde übermittelt die bP eine Bestätigung ihres behandelnden Psychologen und Psychotherapeuten, wonach ihr die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel derzeit nicht zumutbar sei. Die Posttraumatische Belastungsstörung hätte nach über einem Jahr inklusive mehrwöchigen Klinikaufenthalt nicht aufgelöst werden können. Handschriftlich wurde angemerkt, "Am Zustand des Patienten hat sich bisher leider nicht verbessert (traut sich nicht einmal allein in ein Lokal!) Öffentliche Verkehrsmittel sind (ihm nicht) zumutbar!" Die bP merkte an, er müsse auch dazu sagen, dass er (gemeint wohl der behandelnde Arzt) sehr erbost und erstaunt gewesen sei, das ein Allgemeinmediziner sich über einen Facharzt stellt, und eine Diagnose stellt bei Rückfragen bitte an Dr. XXXX

Mit Schreiben vom 16.08.2017 erfolgte die Beschwerdevorlage, welche am 17.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht einlangte.

Die Beratung und Abstimmung im nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat des Bundesverwaltungsgerichtes erfolgte am XX.2017.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die bP erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.

Die bP leidet an einer rezidivierenden depressiven Störung, ADHS des Erwachsenenalters, Sozialphobie, kombinierte Persönlichkeitsstörung; HIV-Infektion, laufende antivirale Therapie; Diabetes mellitus Typ

II.

Beim Untersuchten besteht ein ADHS mit Persistenz im Erwachsenenalter, eine rezidivierende depressive Störung und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit ängstlichen und narzistischen Anteilen. Laut psychiatrischem Facharztbefund (Dr. XXXX ) vom 12.8.2016 ist die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel durch Herrn Mag. XXXX nicht möglich, da er (nachdem er 2x in der Wiener U-Bahn zusammengeschlagen wurde)reflexartig auf nahe hinter ihm sich bewegende Menschen mit für Andere gefährlichen Abwehrbewegungen reagiere. Die bP befand sich in einem mehrwöchigen Klinikaufenthalt aufgrund einer nicht aufgelösten Belastungsstörung.

Eine schwere Erkrankung des Immunsystems liegt nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde sowie des Gerichtsaktes.

Die bB begründete ihre Entscheidung auf dem bereits beschriebenen Gutachten.

Im Zuge der Beschwerdeerhebung wurde ein Befund eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie, Psychotherapeut, vom 28.04.2017 übermittelt, welcher die Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel, auf Grund einer seit einem Jahr inklusive mehrwöchigen Klinikaufenthalt nicht aufgelösten Belastungsstörung, erachtet.

Zunächst ist anzumerken, dass dem Amtssachverständigen kein höherer Beweiswert zukommt, denn die Beweismittel sind grundsätzlich alle gleichwertig (VwSlgNF 2453 A/1952; 1213 A/1950; 9089 A/1976; VwGH ZfVB 1984/923M 1984/814). Die Amtseigenschaft eines Amtssachverständigen ist nicht für einen höheren verfahrensrechtlichen Beweiswert ausschlaggebend.

Ärztlichen Attesten ist gemäß der ständigen Judikatur die gleiche Beweiskraft zuzumessen wie ärztlichen Sachverständigengutachten, zumal es auf die innere Wahrheit eines Beweismittels ankommt (VwSlgNF 2453 A).

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Behörde und das ho. Gericht bei Vorliegen einander widersprechender Gutachten auf Grund eigener Überlegungen mit entsprechender Begründung einem Gutachten wegen dessen größerer Glaubwürdigkeit bzw. Schlüssigkeit den Vorzug geben kann. (VwGH Ro 2014/10/0046, v. 21.12.2016 mwN). Aufgrund der vergleichbaren Sachlage geht das ho. Gericht davon aus, dass dies auch für einander widersprechender gleichwertiger Beweismittel, wie dies hier der Fall ist ebenfalls gilt.

Soweit seitens des genannten Facharztes die Frage aufgeworfen wird, ob ein Allgemeinmediziner abweichend von der Ansicht des Facharztes befähigt ist, die Unzumutbarkeit der Benützung öffentliche Verkehrsmittel festzustellen und diese Frage vom Allgemeinmediziner und Facharzt verschieden beantwortet wird, ist festzuhalten, dass sich diese Frage insoferne im gegenständlichen Fall nicht stellt, zumal die Feststellung der Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmitteln keine vom Mediziner (weder vom Allgemeinmediziner, noch vom Facharzt) zu lösende Tatsachen-, sondern eine von der Behörde bzw. dem Gericht zu lösende Rechtsfrage darstellt.

Der Widerspruch im Gutachten bzw. in der fachärztlichen Stellungnahme ist letztlich nur ein scheinbarer, zumal er sich auf eine nicht von den beiden Medizinern zu lösende Rechtsfrage bezieht.

Aus einer Zusammenschau der beiden Bescheinigungsmittel ergibt sich das vom ho. Gericht beschriebene Krankheitsbild mit den beschriebenen Symptomen.

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist (§ 42 Abs. 2 BBG).

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen (§ 47 BBG).

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes [...]

2. die Feststellung, dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes [...]

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservices. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)

Die bP kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und ist das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke zu Fuß aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ebenso gegeben wie das Überwinden üblicher Niveauunterschiede und die sichere Beförderung im öffentlichen Verkehrsmittel. Es liegen bei ihr weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der oberen oder unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden.

Vor den beschriebenen Symptomen wird in dubio (gerade noch) vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" auszugehen sein.

Ergänzend darf in diesem Zusammenhang auf die Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen verwiesen werden, wonach eine erhebliche Einschränkung psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen nur bei Vorliegen der Krankheitsbilder Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr als gegeben anzusehen ist. Nach dem Fachärztlichen Befund vom 28.04.2017 steht die bP seit über einem Jahr samt mehrwöchigem Klinikaufenthalt in Fachärztlicher Behandlung, ohne dass diesbezüglich eine Verbesserung eingetreten sei. Nach Ansicht des ärztlichen Sachverständigen ist aber insbesondere davon auszugehen, dass bei konsequenter Psychotherapie diese angeführten Reflexe – welche die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht zumutbar machen, beherrschbar sind.

Hinsichtlich des im Fachärztlichen Befund angesprochenen mehrwöchigen Klinikaufenthalt ist anzumerken, dass sich im diesbezüglich ausführlichen 9 seitigen Entlassungsbericht der Klinik Lüneburger Heide vom 27.04.2016 keine Ausführungen hinsichtlich des "reflexartigen Reagierens auf nahe hinter ihm sich bewegende Menschen mit für den Anderen gefährlichen Abwehrbewegungen" finden bzw. dass die bP dahingehend therapiert worden wäre. Im "Psychotherapeutischen Verlauf" ist festgehalten, dass sich die bP aufgrund einer zunehmenden Erschöpfungsreaktion bei diagnostizierten ADHS mit Persistenz ins Erwachsenenalter und rez. Depression zur stationären Behandlung begeben hat. "Einerseits möchte die bP die ADHS-forme Symptomatik, die sich im Zuge der Überlastung wieder verstärkt hat, besser bewältigen und Depressivität reduzieren, andererseits soziale Ängste bewältigen". Diesbezüglich seien weitere psychotherapeutische Behandlungen empfohlen worden.

Dass bei entsprechender konsequenter therapeutischer Behandlung von einem Dauerzustand auszugehen ist, erscheint aufgrund der in den beiden Vorabsätzen dargelegten Überlegungen fraglich.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Diesbezüglich ist die vorliegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Darüber hinaus stellten sich im gegenständlichen Fall in erster Linie Fragen der Tatsachenfeststellung und der Beweiswürdigung.

Sonstige Hinweise, die auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage schließen lassen, liegen ebenfalls nicht vor. Rein der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht erst mit 01.01.2014 ins Leben gerufen wurde, lässt nicht den Schluss zu, dass es sich um eine Rechtsfrage handelt, die noch nicht vom Verwaltungsgerichtshof geklärt wurde.

Die grundsätzliche Bestimmung betreffend der Zusatzeintragungen in den Behindertenpass im Sinne des BBG erfuhr keine substanzielle Änderung, weshalb auch die Voraussetzungen des Art. 133 Abs 4 B-VG diesbezüglich nicht gegeben waren. Gemäß § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl Nr C 83 vom 30.03.2010 S 389 entgegenstehen.

Gemäß § 24 Abs 5 VwGVG kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes steht das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der bB releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Regelung des § 67d AVG (vgl VwGH vom 24.4.2003, 2002/07/0076) wird die Durchführung der Verhandlung damit ins pflichtgemäße Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die Wendung "wenn es dies für erforderlich hält" schon iSd rechtsstaatlichen Prinzips nach objektiven Kriterien zu interpretieren sein wird (vgl VwGH vom 20.12.2005, 2005/05/0017). In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art 6 MRK bzw Art 47 Abs 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

Nach der Rechtsprechung des EGMR ist das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der dadurch oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu prädestiniert, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl Eriksson v Sweden, EGMR 12.4.2012; Schuler-Zgraggen v Switzerland, EGMR 24.6.1993).

Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304).

Unter Bezugnahme auf die zitierte Judikatur der Höchstgerichte sowie Heranziehung der vorliegenden Akten als auch des festgestellten Sachverhaltes und der daraus resultierenden Ermittlungsergebnisse und unter Beachtung der Stellungnahmen der bP wurde von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung iSd § 24 Abs 4 VwGVG Abstand genommen. Dies begründet sich ua aus dem Umstand, dass eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtsfrage erwarten lässt und auch der festgestellte Sachverhalt nicht ergänzungsbedürftig scheint. Weiteres besteht auch keine zwingende gesetzliche Bestimmung, die das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet, in der anhängigen Beschwerdesache eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

In diesem Zusammenhang wird auch auf das Erk. des VwGH vom 27.9.2013, Zl. 2012/05/0213 verwiesen (" Im Übrigen lassen die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die vorgelegten Verwaltungsakten erkennen, dass die Erörterung in einer Verhandlung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, zumal das Verfahren rechtliche Fragen betrifft, zu deren Beantwortung auch im Sinne der Judikatur des EGMR (Hinweis E vom 28. Mai 2013, 2012/05/0120 bis 0122, mwH auf die Rechtsprechung des EGMR; ferner etwa das Urteil des EGMR vom 18. Juli 2013, Nr. 56422/09, Schädler-Eberle gegen Liechtenstein) eine öffentliche, mündliche Verhandlung nicht geboten erscheint."), wo das genannte Höchstgericht zum Schluss kam, dass keine Verhandlung durchzuführen ist (zumal sich § 24 Abs 4 VwGVG mit § 39 Abs 2 Z 6 VwGG inhaltlich deckt, erscheinen die dort angeführten Überlegungen im gegenständlichen Fall sinngemäß anwendbar).

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwies sich daher als nicht erforderlich; eine solche wurde auch nicht beantragt.

Auf Grundlage der obigen Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:L515.2167736.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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