TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/28 I412 2167261-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.11.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

28.11.2017

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I412 2167261-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Vorsitzende und den Richter Mag. Gerhard AUER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol vom 20.06.2017, Zl. OB:

XXXX, betreffend den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mittels Antragsformular vom 16.03.2017 begehrte Herr XXXX (in der Folge als Beschwerdeführer bezeichnet) die Ausstellung eines Behindertenpasses. Dem Antrag wurden ein Arztbrief nach erfolgtem Patchverschluss des Vorhofscheidewanddefektes vom 09.02.2012, ein ärztliches Attest eines Hautarztes vom 28.02.2017 sowie ein aktueller Auszug aus dem Zentralen Melderegister beigelegt.

Vom Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) wurde Dr. R., Allgemeinmediziner, mit der Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt.

Dr. R. hielt zum Ergebnis der durchgeführten Begutachtung nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers und Einbeziehung der dem Antrag beigelegten Befunde fest:

"[ ]

Tabelle kann nicht abgebildet werden

Gesamtgrad der Behinderung: 40 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 2 erhöht aufgrund negativer Leidensbeeinflussung um 1 Stufe

[ ]"

Es handle sich um einen Dauerzustand.

Mit Bescheid vom 20.06.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Begründung ab, dass der festgestellte Grad der Behinderung 40% betrage und somit die Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Das Ergebnis des ärztlichen Begutachtungsverfahrens bilde einen Bestandteil der Bescheidbegründung und wurde als Beilage dem Bescheid angefügt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig eine als Beschwerde zu behandelnde Berufung an das Bundesverwaltungsgericht und führte aus, dass er seit 2009 an einer Neurodermitis der Stufe 4 leide, welche bisher nicht therapierbar sei. Durch die Erkrankung habe er die Schule abbrechen müssen und den sozialen Anschluss verloren. Für eine kurze Zeit lang könne er sich mit einer Cortisontherapie behelfen, aufgrund der starken Nebenwirkung sei eine längerfristige Therapie auf diese Weise aber unmöglich. Der von der belangten Behörde beauftragte Sachverständige sei ein Allgemeinmediziner und nicht aus der Fachrichtung Dermatologie. Kurz vor dem Untersuchungstermin habe eine Cortisontherapie stattgefunden, die Neurodermitis sei daher nicht in vollem Ausmaß zur Begutachtung gekommen. Außerdem habe die schwere langjährige Erkrankung zu psychischen Problemen geführt. Obwohl diese im Befund beschrieben seien, sei der Gutachter darauf nicht eingegangen. Er beantrage daher aufgrund der vorliegenden Facharztbefunde zu entscheiden, ihn gegebenfalls von einem Dermatologen begutachten zu lassen und die wechselseitigen Leidensbeeinflussungen betreffend psychischer Probleme und Herzkrankheit mit der Neurodermitis zu berücksichtigen.

Beschwerde und bezughabender Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 11.08.2017 zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Schreiben vom 04.09.2017 wurde Dr. R. erneut beauftragt, sein Gutachten vom 18.06.2017 zu ergänzen und die Fragen des erkennenden Senates unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens zu beantworten.

Der medizinische Sachverstände führt nunmehr aus wie folgt:

"[ ] Punkt a) Die Neurodermitis ist typischer Weise eine chronische Erkrankung der Haut mit schubhaften Verlauf. Zum Untersuchungszeitpunkt zeigten sich bis auf oberflächliche Kratzspuren sowie eine allgemein trockene und eher schuppige Haut keine wesentlichen Auffälligkeiten. Die Einstufungen von Leiden dieser Art sind naturgemäß immer subjektiv und der gewählte Prozentsatz entsprach einer Neurodermitis bei länger dauerndem Bestehen wie in der Einschätzungsverordnung unter Pos. Nr. 01.01.02 vorgesehen. Aufgrund der momentan geringen Krankheitsaktivität wurde die Einschätzung in dieser Höhe vorgenommen.

Punkt b) Die zum Untersuchungszeitpunkt geringe Krankheitsaktivität ist sehr wahrscheinlich auf eine kürzlich vorher durchgeführte Cortisontherapie zurückzuführen gewesen und es ist naheliegend, dass, wenn eine solche Therapie nicht erfolgt wäre, eine andere und wahrscheinlich höhere Einstufung erfolgt wäre.

Punkt c) Über die psychische Situation wurde im Rahmen der Begutachtung kaum gesprochen, weder hat sie Herr XXXX erwähnt noch lagen diesbezügliche fachärztliche Befunde vor, die ich berücksichtigen hatte können.

Punkt d) Bezüglich der psychischen Situation gibt es keine regelmäßigen Medikamenteneinnahmen, fachärztliche Betreuungen oder gar dokumentierte stationäre Aufenthalte. Von Seiten der Einschätzungsverordnung liegt folglich nur eine leichte depressive Störung vor, welche ohne medikamentöse Behandlung mit 10 bis maximal 20 % eingestuft wird.

Punkt e) Das Folgeleiden 2 wurde – wie in der Einschätzungsverordnung vorgesehen – mit 30% eingestuft. Leiden dieser Art werden üblicherweise aus allgemeinmedizinischer Sicht mitberücksichtigt und führten in diesem Fall aufgrund einer negativen Leidensbeeinflussung zu einer Anhebung des GdB's um 1 Stufe.

[ ]"

Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien mit Schreiben vom 16.10.2017 zur Kenntnis gebracht. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme machten die Verfahrensparteien nicht Gebrauch. Die belangte Behörde teilte aber mit, das Ergänzungsgutachten zur Kenntnis genommen zu haben, auf eine Stellungnahme und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aber verzichten zu wollen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist am XXXX geboren und hat seinen Wohnsitz in Österreich.

Er leidet unter der Hauterkrankung Neurodermitis mit einem Grad der Behinderung von 30% (Leiden 1). Außerdem leidet der Beschwerdeführer an den Folgen eines erfolgreichen Patchverschlusses des Vorhofscheidewanddefektes mit einem Grad der Behinderung von 30% (Leiden 2).

Leiden 2 erhöht aufgrund negativer Leidensbeeinflussung Leiden 1 um eine Stufe, sodass der Gesamtgrad der Behinderung 40% beträgt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person und zum Wohnort ergeben sich aus dem Verwaltungsakt der belangten Behörde und sind unstrittig.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen samt dem eingeschätzten Grad der Behinderung ergeben sich aus dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. R. vom 18.06.2017 nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers am 13.06.2017 sowie dem Ergänzungsgutachten vom 06.10.2017. Auch die festgestellte negative Leidensbeeinflussung und der Gesamtgrad der Behinderung gründen auf den zitierten Gutachten.

Ein Gutachten ist auf seine Vollständigkeit (also, ob es Befund und Gutachten im engeren Sinn enthält) und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten sind nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen; will eine Partei außer dem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen und vorzulegen.

Im vorliegenden Verfahren wurden die Sachverständigengutachten als vollständig und schlüssig beurteilt.

Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund und dem vorgelegten Arztbrief und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen nach der Einschätzungsverordnung.

Der Gutachter ist auf die Art der Leiden und deren Ausmaß unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens ausreichend eingegangen. Insbesondere wurde ausgeführt, dass der Grad der Behinderung für Leiden 1 deshalb gewählt wurde, weil eine Cortisontherapie durchführbar ist, den Krankheitsverlauf somit, wie in der Einschätzungsverordnung angegeben, verzögert, aber wiederkehrend ist. Auch erläuterte der Gutachter nachvollziehbar, weshalb die in der Beschwerde vorgebrachte psychische Beeinträchtigung keinen Grad der Behinderung erreichen. Zum einen brachte der Beschwerdeführer diesbezüglich während der persönlichen Untersuchung nichts vor und gab es für den Sachverständigen keine Hinweise darauf, noch wurden fachärztliche Befunde hierfür vorgelegt.

Im Übrigen wäre es dem Beschwerdeführer frei gestanden, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften bzw. zu widerlegen zu versuchen. Dies ist im gegenständlichen Verfahren nicht erfolgt (vgl. VwGH vom 26.02.2008, Zl. 2005/11/0210). Ebenso hätte er nach Einholung des Ergänzungsgutachtens neuerlich die Möglichkeit gehabt, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Auch davon nahm der Beschwerdeführer nicht Gebrauch.

Das Beschwerdevorbringen ist daher nicht geeignet, die Feststellungen des Sachverständigen zu entkräften bzw. eine weitere Beweisaufnahme notwendig zu machen, weshalb das Gutachten in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt wird.

3. Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Regelung des § 67d AVG (vgl. VwGH vom 24.4.2003, 2002/07/0076) wird die Durchführung der Verhandlung damit ins pflichtgemäße Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die Wendung "wenn es dies für erforderlich hält" schon iSd rechtsstaatlichen Prinzips nach objektiven Kriterien zu interpretieren sein wird (vgl. VwGH vom 20.12.2005, 2005/05/0017). In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über die Ausstellung eines Behindertenpasses sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher zwei ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Wie bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht bestritten. Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden im eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt und wurde dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mehr entgegengetreten. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

4. Rechtliche Beurteilung:

4.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

§§ 6 und 7 Abs. 1 BVwGG lauten wie folgt:

"Einzelrichter

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Senate

§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen."

§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetz (BBG) lautet wie folgt:

"(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.

Die §§ 1, 17, 28 Abs. 1 und 2 und 58 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG) BGBl I 2013/33 in der geltenden Fassung lauten wie folgt:

"§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.

(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt."

4.2. Zu A) – Abweisung der Beschwerde:

4.2.1. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten wie folgt:

"BEHINDERTENPASS

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

[...]

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

[...]

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 43 (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

(2) Der Besitzer des Behindertenpasses ist verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu."

§ 4 der Einschätzungsverordnung (EVO), BGBl II 261/2010 in der geltenden Fassung, lautet wie folgt:

"Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten."

4.2.2. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde im Sachverständigengutachten vom 18.06.2017 der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers mit 40% eingeschätzt und unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens die getroffene Einschätzung neuerlich im Ergänzungsgutachten vom 06.10.2017 diskutiert. Der Beschwerdeführer hätte im Rahmen des Parteiengehörs außerdem die Möglichkeit gehabt, ein Gegengutachten beizubringen, und die Ausführungen des medizinischen Sachverständigen zu entkräften. Davon und auch von der eingeräumten Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme nach erfolgtem Ergänzungsgutachten machte der Beschwerdeführer nicht Gebrauch.

Beim Beschwerdeführer liegt daher insgesamt kein Grad der Behinderung von mindestens 50% vor. Im gegenständlichen Fall liegen somit die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 BBG zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vor, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.

4.2.3. Im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach sich sein Zustand abhängig von der durchgeführten Therapie ändert, ist darauf hinzuweisen, dass bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes (Therapie nicht mehr bzw. nicht mehr in der Form anwendbar) eine neuerliche Überprüfung durch die belangte Behörde in Betracht kommt.

In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass gemäß § 41 Abs. 2 BBG, falls der nochmalige Antrag innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellt wird, eine offenkundige Änderung des Leidenszustands glaubhaft geltend zu machen ist, ansonsten der Antrag ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen ist (vgl. VwGH vom 16.09.2008, Zl. 2008/11/0083).

4.3. Zu B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Darüber hinaus stellten sich im gegenständlichen Fall in erster Linie Fragen der Tatsachenfeststellung und der Beweiswürdigung.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:I412.2167261.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten