TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/28 I412 2162191-1

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Veröffentlicht am 28.11.2017
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Entscheidungsdatum

28.11.2017

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I412 2162191-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Vorsitzende und den Richter Mag. Gerhard AUER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Vorarlberg vom 04.05.2017, Zl. OB: XXXX, betreffend den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nach nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Herr XXXX (in der Folge als Beschwerdeführer bezeichnet) beantragte am 20.02.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Vorarlberg (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.

Nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers stellte der medizinische Sachverständige Dr. L. im Ergebnis fest:

" Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Tabelle kann nicht abgebildet werden

Gesamtgrad der Behinderung: 60 v. H. "

Die Fragestellung "Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel – Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?" wurde folgend beantwortet:

"Die beantragte ZE UZ kann nicht gewährt werden. Das Hauptproblem stellt eine ausgeprägte Adipositas dar. Dadurch kommt es immer wieder zu Schmerzen/Blasen/Druckulcera an beiden Füßen. Zusätzlich bestehen auch Schmerzen im linken Fersenbein, sodass nun zur Fortbewegung eine Unterarmstützkrücke verwendet wird. Hier muss fallweise Diclobene einegenommen werden. Die respiratorische Situation mit Sauerstoffmangel ist vordergründig nachts problematisch. Die COPD ist im Stadium I - somit leichtgradig - stellt kein Hindernisgrund für die Benützung der öffentlichen VKM dar. Die Angabe, dass er während der Autofahrt teilweise Sauerstoff über eine mobile Einheit bezieht erscheint mir nicht glaubhaft. Bei der Untersuchung wird kein mobiles Sauerstoffgerät mitgeführt, es besteht weder Ruhe- noch Sprechdyspnoe, auch keine Zyanosehinweise. Die angegebene Reduzierung der Wegstrecke in Folge Schmerzen in den Füßen ist vordergründig durch die Adipositas bedingt. Durch entsprechende Gewichtsreduktion könnte die Mobilität hier erheblich gesteigert werden. Insgesamt ist davon auszugehen, dass der AST in der Lage ist eine kurze Wegstrecke unter Verwendung einer UA-Stützkrücke ohne Pause zurückzulegen. Auch ist das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches VKM sowie der sichere Transport möglich."

Mit Bescheid vom 04.05.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass mit der Begründung ab, dass das im Ermittlungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten ergeben habe, dass eine Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel zumutbar sei.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass er beim Stehen und Gehen starke Schmerzen habe und daher auch Fieber bekommen könne. Er könne weder schmerzfrei Stehen noch Gehen und er schränke die Belastung der Ferse durch Entlastungsschuhe und Krücken ein. Vom Tragen der speziellen Schuhe bekomme er Rückenschmerzen. Auch sei er zwischenzeitlich wieder im Krankenhaus, Abteilung Orthopädie vorstellig geworden. Der dortige Primar sei über die Nichtgewährung der Zusatzeintragung erstaunt gewesen und habe ihm schriftlich bestätigt, dass er eine Eintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in den Behindertenpass befürworte. Dieses Schreiben wurde der Beschwerde beigelegt.

Beschwerde und bezughabender Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 22.06.2017 zur Entscheidung vorgelegt.

Am 05.07.2017 wurde gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung I412 zugeteilt.

Vom Beschwerdeführer wurde ergänzend zur Beschwerde ein Konvolut an ärztlichen Bestätigungen, Befunden und Attesten eingebracht. Der Sachverständige Dr. L. wurde am 26.07.2017 ersucht, sein von der belangten Behörde eingeholtes Gutachten zu ergänzen.

In seinem Ergänzungsgutachten vom 13.09.2017 führt der medizinische Sachverständige aus wie folgt (Anonymisierung durch das BVwG):

"[ ]

Fragestellung:

1. Zum Beschwerdegegenstand: Zusatzeintragung in den Behindertenpass (Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel)

a) Kann der Beschwerdeführer eine kurze Wegstrecke (ca. 300-400m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe (allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe) ohne Unterbrechung zurücklegen?

b) Erschwert die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel?

c) Wirkt sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens (zu überwindende Niveauunterschiede) und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel (u.a. beim Stehen oder bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt) unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen aus?

d) Bestehen beim Beschwerdeführer erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten?

e) Bestehen beim Beschwerdeführer erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit?

f) Stehen sonstige sich aus dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergebende Umstände aus medizinischer Sicht der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel entgegen?

Zur Fragestellung

Ad 1) Zusatzeintragung in den Behindertenpass (Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel)

a) Zur Frage der Unzumutbarkeit bzw. zu der Frage, ob er eine Strecke von 300-400m ohne ein kurzes Anhalten zurückgelegt werden kann, bleibt festzuhalten, dass hier entsprechend dem Leiden 3 (chron. Osteomyelitis im Fersenbein links) dahingehend eine Beeinträchtigung besteht, dass der AST zwar in der Lage ist, unter Zuhilfenahme einer Krücke und eines Rückfußentlastungsschuhs selbständig zu gehen, dies in Folge der Entzündung im Fersenbein jedoch mit Schmerzen verbunden ist. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass durch die zusätzlich bestehende Adipositas (Körpergröße 180 cm, Gewicht 159 kg) eine vermehrte Druckwirkung auf beide Füße besteht, was ebenfalls mit vermehrten Schmerzen einhergeht. Im Rahmen meiner Begutachtung am 5.4.2017 gab der AST an, er könne anamnestisch max. 150m gehen, danach wären die Schmerzen zu stark. Entsprechend dem Schreiben vom Beschwerdeführer vom 12.6.2017 kam es offenbar zuletzt zu einer Verschlechterung der Situation - hierbei gibt er an, er könne keinen Meter gehen, ohne starke Schmerzen zu bekommen und auch keine Sekunde stehen. Entsprechend der Bestätigung des KH Dornbirn vom 16.5.2017 erscheint die Ausstellung eines Parkausweises gerechtfertigt. Unter Berücksichtigung der vorhandenen Befunde und der Aussagen vom Beschwerdeführer ist davon auszugehen, dass das zurücklegen einer Wegstrecke von 300-400m mit Schmerzen verbunden ist und somit nicht mehr zumutbar erscheint.

b) Die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel ist sowohl unter Verwendung einer Krücke als auch eines Gehstockes als auch eines Rückfußentlastungsschuhs möglich. Die angeführten Behelfe schließen die Verwendung der öffentlichen VKM nicht aus.

c) Unter den gegebenen Umständen stellt weder das Ein- noch das Aussteigen sowie die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel eine Gefahr dar. Dies unter der Voraussetzung, dass ein Sitzplatz zur Verfügung steht. Sollte dies nicht der Fall sein, erscheint mir die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht zumutbar, da ein Stehen während der Fahrt unter Verwendung einer Unterarmstützkrücke und gleichzeitig möglichst nicht Belastung des linken Beines mit der Gefahr eines Sturzes verbunden ist.

d) Siehe dazu Frage 2.

e) Hier wären die Leiden 1 und 2 anzuführen. Das Leiden 1 ist ein obstruktives Schlafapnoesyndrom, wobei die respiratorische Situation mit Sauerstoffmangel vordergründig nachts problematisch ist. Das Leiden 2 ist eine COPD im Stadium I und somit leichtgradig. Insgesamt ergeben sich dadurch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit.

f) Nein

[ ]"

Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien zur Kenntnis gebracht. Den Ausführungen des Sachverständigen wurde nicht entgegengetreten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist am XXXX geboren und hat seinen Wohnsitz in Österreich. Dem Beschwerdeführer ist in Besitz eines gültigen Behindertenpasses.

1.2. Der Beschwerdeführer leidet an obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD I), chronischer Osteomyelitis am linken Fersenbein, Funktionseinschränkung der Schulter, den Folgen einer Teilentfernung des Magens, leichter Hypertonie und dem Verlust einer Zehe. Es besteht ein Gesamtgrad der Behinderung von 60%.

1.3. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300-400 m ist dem Beschwerdeführer aufgrund starker Schmerzen nicht zumutbar. Des Weiteren ist ein sicherer Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nur unter bestimmten Voraussetzungen und nicht generell gegeben.

1.4. Insgesamt ist dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person, zum Wohnort und zu m Behindertenpass ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und sind unstrittig.

2.2. Die festgestellten Funktionseinschränkungen ergeben sich aus dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten des Dr. L. vom 24.04.2017 sowie dem Ergänzungsgutachten vom 13.09.2017.

Hinsichtlich der körperlichen Funktionseinschränkungen stellte Dr. L. ausführlich, schlüssig und nachvollziehbar begründend fest, dass das Leiden chronische Osteomyelitis im Fersenbein links zu einer Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führt. So führte er insbesondere aus, dass die in der Beschwerde angesprochenen Schmerzen beim Stehen und Gehen der ausgeprägten Adipositas geschuldet sind und durch die vermehrte Druckbelastung zu vermehrten Schmerzen führt. Unter Berücksichtigung der Vorbingen des Beschwerdeführers und der vorgelegten Befunde kommt der Sachverständige zum Schluss, dass zwar die Verwendung von Unterarmstützkrücken möglich ist und das Ein- und Aussteigen möglich ist, das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300-400 m aber nicht zumutbar ist. Auch der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht gewährleistet, da der Beschwerdeführer während der Fahrt die Belastung auf das Bein nur unter Verwendung von Unterarmstützkrücken gering halten kann und dadurch Sturzgefahr droht.

2.5. Insgesamt kommt der medizinische Sachverständige nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers und Einbeziehung aller Vorbringen und Gutachten in seiner ergänzenden Stellungnahme zum Schluss, dass eine Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht gegeben ist.

Das Gutachten des Dr. L. steht mit den allgemeinen Gesetzen der Logik in Einklang, ist schlüssig und vollständig und dem wurde nicht entgegen getreten. Aus diesen Gründen legt der erkennende Senat dieses Gutachten unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zu Grunde.

Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:

Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde – wie im vorliegenden Fall – kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße – und zu begründende – Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH). Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde. Dies lässt – gerade auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass eine mündliche Verhandlung nicht beantragt wurde – die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Den Verfahrensparteien wurde die Möglichkeit gegeben, sich zum Ergebnis der Beweisaufnahme zu äußern. Den Ausführungen des Sachverständigen wurde letztlich nicht entgegengetreten. Somit erweist sich der Sachverhalt als geklärt und unbestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

§ 7 BVwGG lautet:

Senate

§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen.

§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl 1990/283 in der geltenden Fassung, lauten wie folgt:

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchpunkt A) – Abweisung der Beschwerde:

3.2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten wie folgt:

ABSCHNITT VI

BEHINDERTENPASS

§ 40 (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

§ 42 (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(2) Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

§ 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 2013/495, lautet wie folgt:

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

3.2.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. ua. VwGH vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186, oder vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128).

3.2.3. Nach den Ausführungen des Gutachters Dr. L. wirken sich die dauernden Gesundheitsschädigungen maßgeblich auf die Möglichkeit des Zurücklegens einer kurzen Wegstrecke aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist ebenso eingeschränkt.

3.2.5. Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass vorliegen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

3.3. Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Bundesbehindertengesetz ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:I412.2162191.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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