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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Versagung von Einreisetiteln für die staatenlose Ehegattin und die minderjährigen Kinder eines in Österreich anerkannten Flüchtlings; keine Darlegung der Gründe für die Verneinung der Qualifikation der Kinder als FamilienangehörigeSpruch
I. Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Erkenntnisse im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973) verletzt worden.
Die Erkenntnisse werden aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 3.270,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die Erstbeschwerdeführerin stellte am 16. Juni 2016 bei der Österreichischen Botschaft Damaskus einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß §35 Abs1 AsylG für sich und die minderjährigen vier weiteren Beschwerdeführer. Als Bezugsperson wurde ein – von der Erstbeschwerdeführerin als Ehemann bzw. Vater bezeichneter – in Österreich seit 9. Mai 2016 Asylberechtigter ohne Staatsangehörigkeit angeführt. In seiner Mitteilung nach §35 Abs4 AsylG führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass die Gewährung des Status von Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten der Beschwerdeführer nicht wahrscheinlich sei, da die Ehe zwischen der Erstantragstellerin und der angegebenen Bezugsperson in der österreichischen Rechtsordnung keinen Bestand habe, da die Erstbeschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Eheschließung erst 14 Jahre alt gewesen sei und nach österreichischem Recht keine gültige Ehe vorliege. Hinsichtlich der Einreiseanträge der Kinder läge keine Zustimmung der Erstbeschwerdeführerin als Obsorgeberechtigte für deren Ausreise vor. Dazu wurde den Beschwerdeführern Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, von der sie jedoch nicht Gebrauch machten. Mit Bescheiden vom 17. Oktober 2016 verweigerte die Österreichische Botschaft Damaskus gemäß §26 FPG iVm §35 AsylG 2005 jeweils die Erteilung eines Einreisetitels. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer – nunmehr anwaltlich vertreten – Beschwerde, da es für das nach Art8 EMRK schützenswerte Familienleben irrelevant sei, ob die Eheschließung vor 15 Jahren den österreichischen gesetzlichen Bestimmungen entsprochen habe und aus den angefochtenen Bescheiden nicht hervorgehe, welcher Obsorgeberechtigte bei der Antragstellung der Kinder gemeint sei. Die Erstbeschwerdeführerin habe die Anträge für ihre minderjährigen Kinder gestellt, daher sei die Begründung des angefochtenen Bescheids nicht nachvollziehbar, dass ihre Zustimmung zur Ausreise fehle. Offenbar werde zwischen "ehelichen und unehelichen" Kindern unterschieden.
2. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 18. November 2016 wies die Österreichische Botschaft Damaskus die Beschwerde gemäß §14 Abs1 VwGVG ab. Österreichische Vertretungsbehörden seien nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Prognose einer Asylgewährung bzw. die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden. Die Beschwerdeführer brachten bei der Österreichischen Botschaft Damaskus einen Vorlageantrag ein, der dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt wurde.
3. Mit Erkenntnis vom 10. Februar 2017 hat das Bundesverwaltungsgericht einerseits die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin gemäß §35 AsylG als unbegründet abgewiesen, da eine Kinderehe vorläge, die den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung widerspreche. Darüber hinaus führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass sich Zweifel aufgrund des vorgelegten Auszugs aus dem Zivilregister der arabischen Palästinenser betreffend das Bestehen einer gültigen Ehe ergäben. Hinsichtlich der minderjährigen Beschwerdeführer wurde die Beschwerde ebenfalls am 10. Februar 2017 abgewiesen und diese Entscheidung damit begründet, dass die Ehe zwischen der angegebenen Bezugsperson und der Erstbeschwerdeführerin keinen Bestand habe und die Erstbeschwerdeführerin eine Zustimmung für eine Ausreise der Kinder erteilen müsste.
4. Gegen diese Erkenntnisse richtet sich die vorliegende, auf Art144 B–VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Achtung des Familienlebens gemäß Art8 EMRK behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Erkenntnisse beantragt wird.
5. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor, sah von der Erstattung einer Äußerung ab und verwies auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung. Die Österreichische Botschaft Damaskus legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Rechtslage
Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl I 100 idF BGBl I 24/2016, lautet auszugsweise:
"§2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
[…]
22. Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat;
[…]
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß §34 Abs1 Z1 iVm §2 Abs1 Z13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß §60 Abs2 Z1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß §34 Abs1 Z2 iVm §2 Abs1 Z13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß §60 Abs2 Z1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß §60 Abs2 Z1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs1 oder Abs2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß §60 Abs2 Z1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art8 Abs2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs1 letzter Satz oder Abs2 die Voraussetzungen des §60 Abs2 Z1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß §9 Abs2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß §11 Abs5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß §17 Abs1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat."
Das Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl I 100/2005 idF I 70/2015, lautet auszugsweise:
"Anwendungsbereich
§1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die Ausübung der Fremdenpolizei, die Erteilung von Einreisetiteln, die Zurückweisung, die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, die Abschiebung, die Duldung, die Vollstreckung von Rückführungsentscheidungen von EWR-Staaten und die Ausstellung von Dokumenten für Fremde.
(2) Auf Asylwerber (§2 Abs1 Z14 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl I Nr 100) sind die §§27a und 41 bis 43 nicht anzuwenden. Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, sind darüber hinaus die §§39 und 76 nicht anzuwenden.
[…]
Begriffsbestimmungen
§2. (1) Einreisetitel sind Visa gemäß dem Visakodex, nationale Visa (Visa D) gemäß §20 Abs1 und die Besondere Bewilligung gemäß §27a.
[…]
Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in
Visaangelegenheiten
§11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§39a AVG). §10 Abs1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung ist auch die Rechtsmittelinstanz anzugeben.
[…]
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in
Visaangelegenheiten
§11a. (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des §76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. §11 Abs3 gilt.
[…]
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005
§26. Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß §35 Abs4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsbestimmung enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
2. Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
3. Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
4. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:
4.1. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich bezüglich der Verneinung der Qualifikation der minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer als Familienangehörige des in Österreich als Flüchtling anerkannten Vaters den Ausführungen der Österreichischen Botschaft Damaskus im Wesentlichen an und weist darauf hin, dass es gravierende Zweifel am tatsächlichen Bestehen des behaupteten und relevanten Familienverhältnisses gebe. Das Bundesverwaltungsgericht legt damit jedoch nicht dar, weswegen die minderjährigen Beschwerdeführer nicht als Familienangehörige der in Österreich lebenden asylberechtigen Person qualifiziert werden. Trotz dieses Verweises wird im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der minderjährigen Kinder keinerlei Begründung gegeben, sondern lediglich auf ein nicht bestehendes Eheverhältnis zwischen deren in Österreich als anerkanntem Flüchtling lebenden Vater und der erstbeschwerdeführenden Mutter abgestellt. Gemäß §35 Abs5 AsylG 2005 ist jedoch auch Familienangehöriger, wer zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist. Ob eine Ehe bereits im Herkunftsstaat bestand, ist nach dem klaren Wortlaut des §35 Abs5 AsylG 2005 lediglich für die Qualifikation von Ehepartnern als Familienangehörige, jedoch nicht für die Rechtsstellung von ledigen minderjährigen Kindern von anerkannten Flüchtlingen maßgeblich (vgl. VfGH 23.11.2015, E1510/2015).
4.2. Das Bundesverwaltungsgericht übt damit Willkür, wenn es – wie hier – die Qualifikation der vier minderjährigen Beschwerdeführer als Familienangehörige eines in Österreich anerkannten Flüchtlings mit der Begründung verneint, dass ihre Mutter nicht mit dem anerkannten Flüchtling verheiratet sei.
4.3. Die weiteren Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Erstbeschwerdeführerin als Obsorgeberechtigte der vier minderjährigen Kinder zur Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen eine Zustimmung für eine Ausreise der Kinder geben müsste, sind in keiner Weise nachvollziehbar, da die Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin die Anträge gemäß § 35 AsylG für ihre Kinder selbst gestellt hat.
5. Bei diesem Ergebnis ist das angefochtene Erkenntnis auch hinsichtlich der Verweigerung der Einreiseerlaubnis für die Erstbeschwerdeführerin aufzuheben, weil vor diesem Hintergrund zu prüfen gewesen wäre, ob – ungeachtet des eventuellen Nichtvorliegens einer Ehe – Art8 EMRK gebieten würde, der Erstbeschwerdeführerin die Einreise zur Wahrung des Familienlebens zu gestatten (vgl. VfGH 6.6.2014, B369/2013-13; 23.11.2015 E1510/2015).
6. Die angefochtenen Entscheidungen sind daher aufzuheben.
IV. Ergebnis
1. Die Beschwerdeführer sind somit durch die angefochtenen Erkenntnisse im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung Fremder untereinander verletzt worden.
Die Erkenntnisse sind daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 545,– enthalten. Da die Beschwerdeführer gemeinsam durch einen Rechtsanwalt vertreten sind, ist der einfache Pauschalsatz, erhöht um einen entsprechenden Streitgenossenzuschlag zuzusprechen.
Schlagworte
Fremdenrecht, Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Privat- und FamilienlebenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E1001.2017Zuletzt aktualisiert am
06.12.2017