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95 TechnikNorm
B-VG Art90 Abs1Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen ZiviltechnikerSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid des Disziplinarsenates I der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Sektion Ingenieurkonsulenten, vom 9. Jänner 1996, wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden,
"durch die mit den Ehegatten K und S W (mit denen der nunmehrige Beschwerdeführer im Zuge eines Entschädigungsverfahrens, in dem er als Sachverständiger bestellt war, in Kontakt gekommen ist) am 24. 8. 1989 abgeschlossene Honorarvereinbarung, wonach ihm gegen Zurverfügungstellung der für die Bezahlung der Rechtsanwälte der Genannten in einem Verfahren vor dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg erforderlichen Mittel ein entsprechender Anteil am ersiegten bzw. verglichenen Betrag zustehen soll, sowie ein Vergleich nur nach seiner Konsultation abgeschlossen werden darf, und durch die aufgrund dieser Vereinbarung in der Folge unternommenen Schritte, insbesondere durch die Zahlungsaufforderung an die Ehegatten W und die gegen die Ehegatten W beim BG Enns erhobene Klage auf Bezahlung eines Betrages von S 30.000,--, wobei nach Rücksprache mit dem Klagevertreter die Ausdehnung auf S 50.000,-- bzw. S 70.000,-- beabsichtigt ist, gegen Punkt 1.1. der Standesregeln der Ziviltechniker verstoßen und ein Disziplinarvergehen gemäß §55 Abs1 ZTKG 1993 begangen (zu haben)."
Über den Beschwerdeführer wurde gemäß §56 ZTKG 1993 als Disziplinarstrafe eine Geldstrafe in Höhe von ATS 20.000,-- verhängt und ihm außerdem gemäß §74 ZTKG 1993 die Tragung der mit ATS 11.996,-- festgesetzten Kosten des Disziplinarverfahrens auferlegt.
2. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab die Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten bei der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten mit Bescheid vom 26. November 1996 hinsichtlich des Ausspruches über die Schuld und über die Tragung der Kosten des Disziplinarverfahrens keine Folge; der Schuldspruch wurde mit der Maßgabe bestätigt, daß die Wortfolge: "... wobei nach Rücksprache mit dem Klagevertreter die Ausdehnung auf S 50.000,-- bzw. S 70.000,-- beabsichtigt ist, ..." zu entfallen hat. Hingegen wurde der Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe Folge gegeben und anstelle der vom Disziplinarsenat verhängten Geldstrafe ein schriftlicher Verweis erteilt. Weiters wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, die Kosten des Berufungsverfahrens, die mit ATS 18.004,-- bestimmt wurden, zu tragen.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führt die belangte Behörde u.a. folgendes aus: Die in der Vereinbarung mit den Ehegatten W vom Disziplinarbeschuldigten angebotene Leistung, nämlich das "Tragen des Prozeßkostenrisikos", entspreche nicht dem gewöhnlichen Arbeitsfeld eines Ziviltechnikers und die Angemessenheit der bedungenen Entlohnung sei für die Auftraggeber in keiner Weise nachvollziehbar. Ferner habe nach dem Wortlaut der Vereinbarung der Disziplinarbeschuldigte die Verfahrenskosten endgültig zu tragen, sodaß im Falle eines Vergleichsbetrages von ATS 100.000,-- nicht einmal die Barauslagen lukriert worden wären; die Leistungen eines Ziviltechnikers dürften aber nicht Gegenstand eines Glücksgeschäftes sein. Der Disziplinarbeschuldigte habe darüber hinaus zugestandenermaßen die von ihm getragenen Verfahrenskosten eingeklagt, obgleich er aufgrund der vorgenannten Vereinbarung diese Kosten endgültig zu tragen gehabt hätte. Er habe daher die von ihm vereinbarungsgemäß zu erbringende Leistung zurückgefordert, was geeignet sei, das Standesansehen zu beeinträchtigen. Dem Beschwerdeführer wurde jedoch insofern beigepflichtet, als er ausführte, daß seine Absicht, die Klage auf ATS 50.000,-- bzw. ATS 70.000,-- auszudehnen, allein noch nicht disziplinär sei, weswegen die entsprechende Passage aus dem Schuldspruch entfernt wurde. Hinsichtlich der Straffrage wurde dem Beschwerdeführer zugute gehalten, daß er eine gewisse Schuldeinsicht gezeigt habe, seine Ersatzansprüche letztlich auf den von ihm tatsächlich ausgelegten Betrag beschränkt habe und ihm im wesentlichen nur der Vorwurf gemacht werden könne, über die Zulässigkeit seiner Vorgangsweise nicht ausreichend Erkundigungen eingezogen zu haben, weswegen die mildeste Sanktion des schriftlichen Verweises als auslangend angesehen wurde.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, insbesondere der Rechte gemäß Art6 EMRK und des Rechtes auf Beachtung der Immunität gemäß dem Übereinkommen BGBl. 490/1981, sowie die Verletzung in Rechten durch Anwendung der als verfassungswidrig erachteten Bestimmungen des §879 Abs2 Z2 ABGB und des §74 ZTKG behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
4. Die Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten bei der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete aber auf die Erstattung einer Gegenschrift.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde richtet sich gegen einen Bescheid der Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten bei der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten, die gemäß §58 Abs1 ZTKG 1993, BGBl. 157/1994, in zweiter und letzter Instanz erkennt. Der Instanzenzug ist daher erschöpft. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
2. Der Beschwerdeführer behauptet die Verfassungswidrigkeit des §879 Abs2 Z2 ABGB mangels sachlicher Rechtfertigung des Verbotes von quota-litis-Vereinbarungen sowie die Verfassungswidrigkeit des §74 ZTKG aufgrund des in dieser Bestimmung zur Frage der Verfahrenskostenbemessung enthaltenen Verweises auf die Strafprozeßordnung.
2.1. Was die Bedenken gegen §879 Abs2 Z2 ABGB anlangt, so übersieht der Beschwerdeführer, daß der bekämpfte Bescheid gar nicht unter Anwendung dieser Bestimmung (die bloß die Nichtigkeit bestimmter Verträge regelt) ergangen ist, sondern sich ausschließlich darauf gründet, daß der Beschwerdeführer ein Disziplinarvergehen gemäß §55 Abs1 ZTKG (Verletzung des Standesansehens) begangen hat. Abgesehen davon hielte es der Verfassungsgerichtshof für verfehlt, aus dem Urteil EGMR 19.12.1989, Nr. 9/1988/153/207, Kamasinski gegen Österreich, auf die Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Bestimmung zu schließen.
2.2. Inwiefern §74 zweiter Satz ZTKG, wonach die Kosten des Disziplinarverfahrens in sinngemäßer Anwendung des XXII. Hauptstückes der Strafprozeßordnung 1975 zu bemessen sind, "grob sachwidrig" und daher verfassungswidrig sein soll, ist mangels näherer Begründung dieser Behauptung nicht nachvollziehbar.
2.3. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich daher aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles nicht veranlaßt, ein Verfahren zur Prüfung der genannten Bestimmungen einzuleiten.
3. Der Beschwerdeführer macht weiters die Verletzung seiner verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte gemäß Art6 Abs1 EMRK geltend: Insofern er dabei die Verletzung des Rechtes auf Entscheidung durch ein unabhängiges Tribunal behauptet, ist ihm das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 11933/1988 (sowie in der Folge zB VfSlg. 12819/1991, VfGH 10.6.1996 B696/96) entgegenzuhalten, aus dem abzuleiten ist, daß die - nunmehr durch §58 ZTKG geregelte - Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten sehr wohl ein solches unabhängiges Tribunal ist. Zum Vorwurf der mangelnden Öffentlichkeit der Berufungsverhandlung ist auf den Vorbehalt Österreichs zu Art6 Abs1 EMRK zu verweisen, wonach "die Bestimmungen des Art6 der Konvention mit der Maßgabe angewendet werden, daß die in Art90 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 festgelegten Grundsätze über die Öffentlichkeit im gerichtlichen Verfahren in keiner Weise beeinträchtigt werden". Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist daraus - in einem Größenschluß - abzuleiten, daß Art6 EMRK, wenn er schon der gesetzlichen Normierung von Ausnahmen vom (verfassungsgesetzlich festgelegten) Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlungen in gerichtlichen Verfahren betreffend Zivil- und Strafsachen nicht entgegensteht, umsoweniger gesetzliche Regelungen (wie hier §67 Abs2 ZTKG) ausschließt, die für Verwaltungsverfahren (auch vor "Tribunalen" im Sinne des Art6 EMRK) den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit festlegen (vgl. zB VfSlg. 11855/1988 mwV). Auch insoferne liegt also der behauptete Verstoß gegen Art6 EMRK nicht vor.
4. Schließlich macht der Beschwerdeführer auch die Verletzung des - ihm in seiner Funktion als "Berater" der Ehegatten W behauptetermaßen zustehenden - Rechtes auf Immunität nach dem Europäischen Übereinkommen betreffend die an Verfahren vor der Europäischen Kommission und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte teilnehmenden Personen, BGBl. 490/1981, geltend. Dieses Vorbringen geht jedoch allein deshalb ins Leere, weil sich die dort eingeräumte Immunität von der Gerichtsbarkeit (bloß) auf mündliche oder schriftliche Erklärungen, die von einer gemäß Art1 Abs1 dem Anwendungsbereich des Übereinkommens angehörenden Person gegenüber der Kommission oder dem Gerichtshof abgegeben werden sowie auf Schriftstücke oder andere Beweismittel, die diese Person der Kommission oder dem Gerichtshof übermittelt, bezieht. Hier handelt es sich jedoch um eine vom Beschwerdeführer mit Dritten abgeschlossene Vereinbarung, die von ihm weder "gegenüber der Kommission oder dem Gerichtshof abzugeben" noch diesen Organen "zu übermitteln" war.
5. Das Beschwerdeverfahren hat sohin nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in den geltend gemachten oder sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 13762/1994 mwV). Im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist auch ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Ziviltechniker, Disziplinarrecht, VfGH / Prüfungsmaßstab, Behördenzusammensetzung, ÖffentlichkeitsprinzipEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:B542.1997Dokumentnummer
JFT_10019776_97B00542_00