TE Vwgh Erkenntnis 2017/11/17 Ra 2017/02/0197

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.11.2017
beobachten
merken

Index

L40208 Sicherheitspolizei Vorarlberg;
L70308 Buchmacher Totalisateur Wetten Vorarlberg;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §1;
Mitwirkung Bundespolizei Vlbg 1966 §1;
VStG §24;
VwGG §42 Abs2 Z1;
WettenG Vlbg 2003 §10;
WettenG Vlbg 2003 §13 Abs1;
WettenG Vlbg 2003 §13;
WettenG Vlbg 2003 §14 Abs2;
WettenG Vlbg 2003 §15 Abs1 litk;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision der R in L, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 9. Jänner 2017, Zl. LVwG- 1-494/2016-R14, betreffend Übertretung des Vorarlberger Wettengesetzes (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Dornbirn), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht die Revisionswerberin schuldig erachtet, sie habe am 8. April 2016 um 20:00 in L. gegen die ihr obliegende Mitwirkungspflicht gemäß § 10 Wettengesetz verstoßen, weil sie in ihrer Eigenschaft als anwesende Lokalverantwortliche den Organen der Polizeiinspektion L als Organen der öffentlichen Aufsicht beim Betreten des Lokals durch die Beamten den Strom sowie die Internetverbindung via Funkfernbedienung ausgeschaltet habe und sich trotz mehrmaliger Aufforderung durch die Beamten geweigert habe, den Strom wieder einzuschalten, die verschlossene Tür zum Raum mit den Glücksspielautomaten zu öffnen sowie einen Verantwortlichen für das Lokal zu nennen oder zur Amtshandlung beizuziehen bzw. zu verständigen. Sie habe dadurch § 15 Abs 1 lit. k iVm § 10 Wettengesetz übertreten.

2 In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht unter anderem fest, dass am 8. April 2016 Beamte der Polizeiinspektion L eine unangekündigte Kontrolle nach dem Wettengesetz durchgeführt und die Revisionswerberin zu der im Spruch angeführten Mitwirkung aufgefordert hätten. Diese habe den Aufforderungen nicht Folge geleistet.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

4 Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und die kostenpflichtige Ab- bzw. Zurückweisung der Revision beantragt.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Die Revisionswerberin führt in der Zulässigkeitsbegründung aus, die Revision sei zulässig, weil nach dem Wettengesetz nur Organen der Bezirkshauptmannschaft die nach den Feststellungen von Organen der Bundespolizei ausgeübten Befugnisse zustünden. Gegenüber den eingeschrittenen Kontrollorganen der Bundespolizei hätten die Verpflichtungen nach dem Wettengesetz nicht bestanden, weshalb die Bestrafung ohne rechtliche Grundlage erfolgt sei.

7 In der Revisionsbeantwortung wird eingewendet, gemäß § 14 Abs. 2 Wettengesetz hätten die Organe der Bundespolizei der Behörde über deren Ersuchen zur Sicherung der Befugnisse nach § 10 leg. cit. im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches Hilfe zu leisten. Konkret sei am 14. Jänner 2016 ein solches Ersuchen an die Polizeiinspektion L. gestellt worden. Die Organe der Bundespolizei seien als Hilfsorgane der Behörde (der zuständigen BH) zuzurechnen.

8 Rechtsprechung zu den genannten Bestimmungen fehlt, weshalb die Revision zulässig ist, sie ist auch berechtigt.

9 Die hier maßgebenden Normen des Vorarlberger Gesetzes über den Abschluss und die Vermittlung von Wetten sowie die Vermittlung von Wettkunden (Wettengesetz), LGBl. Nr. 18/2003 in der Fassung LGBl. Nr. 44/2013, lauten:

"§ 10 Überwachung

(1) Den Organen der Behörde sowie den zugezogenen Sachverständigen und Zeugen ist jederzeit Zutritt zu allen Räumlichkeiten, in denen die Tätigkeit eines Wettunternehmers ausgeübt wird, insbesondere in denen Wettterminals aufgestellt sind, zu gewähren. Dies gilt auch, wenn der begründete Verdacht besteht, dass die Tätigkeit eines Wettunternehmers ohne Bewilligung oder Berechtigung aufgrund einer Anzeige ausgeübt wird.

(2) Die Organe der Behörde sowie die zugezogenen Sachverständigen sind jederzeit zur Überprüfung berechtigt, ob die Tätigkeit eines Wettunternehmers entsprechend den Bestimmungen dieses Gesetzes, der erteilten Bewilligung und den darin vorgeschriebenen Auflagen und Bedingungen oder der Berechtigung aufgrund einer Anzeige ausgeübt wird. Den Organen sowie den zugezogenen Sachverständigen sind die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, die erforderlichen Überprüfungen zu ermöglichen sowie Einblick in die geführten Aufzeichnungen zu gewähren.

(3) Zum Zwecke der Überprüfung von Wettterminals sind dem überprüfenden Organ oder Sachverständigen die Teilnahme an Wetten ohne Entgelt zu ermöglichen und die Wettterminals zu öffnen.

(4) Zur Erwirkung der Zutritts- und Überprüfungsrechte gemäß Abs. 1 bis 3 ist die Anwendung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zulässig.

...

§ 13 Behörde

(1) Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist die Bezirkshauptmannschaft, soweit nicht eine Zuständigkeit der Landesregierung festgelegt ist.

(2) Die Landesregierung kann mit Verordnung ihre Zuständigkeit in einzelnen oder allen Angelegenheiten auf die Bezirkshauptmannschaft übertragen, wenn es im Interesse der Zweckmäßigkeit, Einfachheit und Raschheit gelegen ist.

§ 14 Mitwirkung der Bundespolizei

(1) Die Organe der Bundespolizei haben bei der Vollziehung des § 12 und § 15 Abs. 1 lit. a bis c, h und j dieses Gesetzes im Umfang der Bestimmungen des Gesetzes über die Mitwirkung der Bundespolizei bei der Vollziehung von Landesgesetzen mitzuwirken.

(2) Die Organe der Bundespolizei haben der Behörde über deren Ersuchen zur Sicherung der Befugnisse nach § 10 im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches Hilfe zu leisten.

...

§ 15 Strafbestimmungen

(1) Eine Übertretung begeht, wer

...

k) die Organe der Behörde oder die zugezogenen

Sachverständigen oder Zeugen an der Ausübung der ihnen gemäß § 10 zustehenden Rechte hindert oder als Eigentümer oder sonst verfügungsberechtigte Person der Mitwirkungspflicht nach § 10 Abs. 6 nicht nachkommt."

10 Zur Novelle von § 10 Wettengesetz durch LGBl. Nr. 9/2012 heißt es in der Regierungsvorlage (135. Beilage im Jahre 2011 zu den Sitzungsberichten des XXIX. Vorarlberger Landtages):

"Der bisherige Abs. 1 wird nunmehr in den Abs. 1 und 2 konkretisiert. Insbesondere wird bestimmt, dass neben den Organen der Behörde (Bezirkshauptmannschaft) auch die zugezogenen Sachverständigen und Zeugen die Räumlichkeiten, in denen die Tätigkeit des Wettunternehmers ausgeübt wird, betreten dürfen. Die Organe der Bundespolizei sind Hilfsorgane der Behörde (s. § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Mitwirkung der Bundespolizei bei der Vollziehung der Landesgesetze) und daher ebenfalls als Organe der Behörde im Sinne dieser Bestimmung anzusehen. Diese Betretungsrechte sind für die wirksame Überwachung der Einhaltung des Wettengesetzes notwendig."

11 Zu § 14 heißt es:

"Im Entwurf ist nunmehr die zusätzliche Mitwirkung der Bundespolizei bei der Durchführung von Betriebsschließungen und Beschlagnahmen (§ 12) sowie bei der Vollziehung der Straftatbestände nach § 15 Abs. 1 lit. b und d vorgesehen. Diese Erweiterung der Mitwirkungsverpflichtung der Bundespolizei ist für die Vollziehung dieses Wettengesetzes unbedingt notwendig."

12 Gemäß § 1 Vorarlberger Gesetz über die Mitwirkung der Bundespolizei bei der Vollziehung von Landesgesetzen, LGBl. Nr. 29/1966 idF LGBl. Nr. 27/2005, haben die nach den Bundesvorschriften zuständigen Organe der Bundespolizei bei der Vollziehung der im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestehenden Landesgesetze als Hilfsorgane der zuständigen Landesbehörde einzuschreiten durch Vorbeugungsmaßnahmen gegen drohende Verwaltungsübertretungen, Maßnahmen, die für die Einleitung oder Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren erforderlich sind und Anwendung körperlichen Zwanges, soweit er gesetzlich vorgesehen ist.

13 Behörde im Sinne des Wettengesetzes ist grundsätzlich die Bezirkshauptmannschaft (§ 13 Abs. 1 leg. cit.), weshalb in solchen Fällen Organe der Behörde solche der Bezirkshauptmannschaft sind.

14 Die hier in Rede stehenden Überwachungsbefugnisse gemäß § 10 Wettengesetz stehen den Organen der Behörde sowie den zugezogenen Sachverständigen und Zeugen zu.

15 Zur Sicherung dieser Aufgaben der Behörde nach § 10 Wettengesetz haben die Organe der Bundespolizei gemäß § 14 Abs. 2 Wettengesetz der Behörde über deren Ersuchen im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches Hilfe zu leisten.

16 Demnach stehen - anders als den Organen der Behörde sowie den zugezogenen Sachverständigen und Zeugen - den Organen der Bundespolizei nicht die Befugnisse nach § 10 Wettengesetz zu, vielmehr haben die Organe der Bundespolizei nur Mitwirkungsrechte bei der Vollziehung von § 10 leg. cit. (vgl. die Überschrift zu § 14 Wettengesetz). Konkret haben die Organe der Bundespolizei der Behörde nach dem Wettengesetz "zur Sicherung der Befugnisse" nach § 10 "Hilfe zu leisten".

17 Dass es sich bei dieser Mitwirkungsverpflichtung der Organe der Bundespolizei nicht um jene Aufgaben handelt, die den Organen der Behörde nach dem Wettengesetz aufgetragen sind, ergibt sich auch aus § 14 Abs. 2 Wettengesetz, wonach die Hilfeleistung nur im "Rahmen des gesetzmäßigen Wirkungsbereiches" der Bundespolizei erfolgen soll.

18 Nur in dem Fall, in dem die Organe der Behörde im Sinne von § 10 Wettengesetz tätig werden, haben sie Organe der Bundespolizei - über Ersuchen - dabei zu unterstützen. Für die selbstständige alleinige Vollziehung der Überwachungsaufgaben gemäß § 10 Wettengesetz sind die Organe der Bundespolizei nicht zuständig (zur Unzuständigkeit von Gemeindeorganen in diesem Zusammenhang vgl. VwGH 9.10.2017, Ra 2017/02/0178 bis 0179).

19 Zwar mögen die Organe der Bundespolizei im Rahmen der Mitwirkung bei der Vollziehung des Wettengesetzes als Hilfsorgane der Behörde anzusehen sein, zu Organen der Behörde nach § 13 Wettengesetz (Bezirkshauptmannschaft) werden sie dadurch - anders als die oben zitierten Erläuterungen vermeinen - nicht. Es fehlt ihnen - wie oben ausgeführt - die Zuständigkeit zur (alleinigen) Vollziehung des Wettengesetzes.

20 Standen aber den Organen der Bundespolizei keine Befugnisse im vorgenannten Sinn nach § 10 Wettengesetz zu, konnte sie die Revisionswerberin auch nicht an der Ausübung dieser Rechte hindern. Die Bestrafung nach § 15 Abs. 1 lit. k Wettengesetz erweist sich daher als rechtswidrig.

21 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

22 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 17. November 2017

Schlagworte

sachliche Zuständigkeit in einzelnen AngelegenheitenBesondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017020197.L00

Im RIS seit

06.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten