TE OGH 2017/11/22 15Os137/17m

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Veröffentlicht am 22.11.2017
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. November 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Rechtshörers Biley als Schriftführer in der Strafsache gegen Hashmat S***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. August 2017, GZ 22 Hv 17/17d-46, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hashmat S***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (I./A./) und des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (I./B./) schuldig erkannt.

Danach hat er

I./ am 14. Jänner 2017 in Wien

A./ eine wehrlose Person, und zwar die stark alkoholisierte Katharina St***** unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er an ihr einen vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog, sohin mit ihr den Beischlaf vornahm;

B./ die Genannte durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zur Abstandnahme einer Anzeige wegen der zu I./A./ genannten Tat zu nötigen versucht, indem er zu ihr sagte, er werde sie sonst zusammenschlagen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Der Ausspruch des Gerichtshofs über entscheidende Tatsachen ist nur dann iSd § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO mit sich selbst im

Widerspruch, wenn entweder zwischen Feststellungen (in den Entscheidungsgründen) und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch oder zwischen zwei oder mehreren Feststellungen (in den Entscheidungsgründen) oder zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein

Widerspruch besteht (RIS-Justiz RS0119089; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 437), wenn also der Ausspruch mit sich selbst (nicht aber mit einzelnen Beweisergebnissen) im

Widerspruch ist, das Urteil verschiedene Tatsachen feststellt, die sich gegenseitig ausschließen oder die gezogenen Schlussfolgerungen tatsächlicher Art nach den Kriterien logischen Denkens nebeneinander nicht bestehen können (RIS-Justiz RS0099548).

Demgemäß stellt die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) mit der Behauptung, verschiedene Zeugenaussagen stünden „nicht im Einklang, über weite Strecken sogar im offenen Widerspruch zu den Aussagen des Opfers“, den behaupteten Nichtigkeitsgrund nicht dar, sondern übt nur
– nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung – Kritik daran, dass die Tatrichter in ihrer Beweiswürdigung die Aussage der Zeugin S
t***** als glaubwürdig, dazu im Widerspruch stehende Angaben anderer Zeugen aber als unglaubwürdig erachtet haben. Die Kritik am (großen) Umfang der Beweiswürdigung, insbesondere die Behauptung, „eine Schilderung, die 'problemlos' (und als einzige!) einem festgestellten objektiven Tatablauf zu Grunde gelegt werden kann, benötigt nicht mehrere Seiten der schon beinahe tiefenpsychologischen Auslegung der Handlungen des Opfers (…) und der Motivforschung (...)“, entzieht sich einer inhaltlichen Erwiderung.

Mit der Behauptung, das Erstgericht habe in einem (zusammenfassend die Annahme der Glaubwürdigkeit der Zeugin St***** zum Ausdruck bringenden) Satz der Beweiswürdigung (US 9) einen „Textbaustein“ verwendet, der fast wortgleich bereits in einem (dasselbe Opfer betreffenden) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. Februar 2017 vorgekommen sei, macht die Beschwerde nicht klar, warum aus dem Gebrauch derselben Worte wie in einer anderen Urteilsausfertigung auf eine offenbar unzureichende Begründung im Sinn der Z 5 vierter Fall zu schließen sei. Im Übrigen erschöpft sich die Beweiswürdigung (US 8 bis 12) nicht in einer floskelhaften Leerformel, sondern stand – wie die Beschwerde an anderer Stelle zugesteht (BS 3: „dass das Erstgericht über mehrere Seiten [...] ausführlichste Überlegungen zur Psyche des Opfers, zur Erklärung ihres Verhaltens, aber auch ihrer Aussagen [...] niederschreibt“) –im Zusammenhang mit fallbezogenen und den Kriterien logischen Denkens sowie grundlegenden Erfahrungen nicht zuwider laufenden Ausführungen (vgl RIS-Justiz RS0116732; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444). Damit geht auch der Einwand eines Verstoßes gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Art 6 MRK) durch Verwendung eines „Textbausteins“ ins Leere.

Dass zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe über den Inhalt mehrerer Aussagen und dem Sitzungsprotokoll selbst (erhebliche) Widersprüche bestehen (Z 5 fünfter Fall), behauptet die Beschwerde ohne Begründung bloß.

Soweit sie unter dieser Bezeichnung reklamiert, das Gericht habe übergangen, dass es keinen „forensischen Beweis für eine Alkoholisierung oder Berauschung des Opfers gegeben“ habe, bringt sie keinen Begründungsmangel zur Darstellung.

Dass die Zeugin St***** mehrfach Formulierungen wie „ich glaube“, „ich bin mir nicht sicher“, verwendet hat, wurde vom Schöffengericht – der Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) zuwider – berücksichtigt, jedoch nicht als „Unsicherheit in ihrer Erinnerung, sondern lediglich (…) in ihrer Kommunikation“ gewertet (US 9). Mit der Behauptung, es sei nicht nachvollziehbar, warum die Tatrichter ungeachtet dieses Umstands die präzisen belastenden Angaben des Opfers zu Details des Tatgeschehens für glaubwürdig angesehen haben, wird erneut in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik geübt.

Die Aussage des Zeugen H***** (auf die Frage, warum er St***** nicht nach Hause geschickt habe, wenn er sie jammern, wimmern und sagen gehört habe, sie wolle nach Hause), dass er „nicht verstanden“ habe, „was sie will“ und er erst bei der Polizei verstanden habe, „was sie gesagt hat“ (ON 39 S 17), bedurfte mangels Erheblichkeit keiner gesonderten Erörterung (RIS-Justiz RS0116877). Im Übrigen hat das Erstgericht ohnehin berücksichtigt, dass der Zeuge „nahezu kein Deutsch spricht und versteht“ (US 13).

Die Aussagen der Zeugen K***** und R*****, wonach sie zwar in der Wohnung H*****s anwesend waren, aber keine Wahrnehmungen zum Tathergang (zu I./B./) machen konnten, blieben nicht unberücksichtigt (US 14). Ob die Wohnung H*****s versperrt war oder nicht, betrifft keine für den Schuldspruch I./B./ entscheidende Tatsache (RIS-Justiz RS0117264), weshalb Zeugenangaben darüber unerörtert bleiben durften.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) will nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiserwägungen) verhindern. Beschwerden, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der

Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) teils auf bereits in der Mängelrüge relevierte, aus ihrer Sicht in der Gesamtheit gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin St***** sprechende Verfahrensergebnisse hinweist und teils das Verhalten des Opfers kritisiert, weckt sie keine – sich aus den Akten ergebenden – erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

3 Alle Os-Entscheidungen;

Textnummer

E119969

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00137.17M.1122.000

Im RIS seit

06.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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