Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des O in M, vertreten durch Dr. Karl Bergthaler, Rechtsanwalt in 4813 Altmünster, Marktstraße 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 25. Februar 2000, Zl. VwSen-560005/3/Gf/Km, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in Angelegenheit Ersatz von Sozialhilfekosten und Zurückweisung der Berufung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und der vorgelegten Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich Folgendes:
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 22. Dezember 1999 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs. 1 des Oö. Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 82/1998, dazu verpflichtet, empfangene Sozialhilfeleistungen in der Höhe von S 184.003,80 binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides zu ersetzen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 28. Dezember 1999 zugestellt.
Am 11. Jänner 2000 hat der Beschwerdeführer bei der Erstbehörde vorgesprochen, um eine Vereinbarung über die Rückzahlungsmodalitäten zu erreichen. Es kam dabei nicht zum Abschluss einer solchen Vereinbarung.
Mit Schriftsatz vom 20. Jänner 2000 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und erhob Berufung gegen den Bescheid vom 22. Dezember 1999.
Mit Bescheid vom 1. Februar 2000 wies die Erstbehörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Der Beschwerdeführer sei über die Berufungsfrist ordnungsgemäß belehrt worden. Er habe nicht davon ausgehen können, dass durch eine Vereinbarung über die Zahlungsmodalitäten die Frist zur Einbringung der Berufung aufgeschoben werde.
In der Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, er sei erst im Zuge einer Vorsprache bei seinem Rechtsvertreter am 17. Jänner 2000 von diesem darüber aufgeklärt worden, dass ein allenfalls gewährter Zahlungsaufschub den Lauf der Berufungsfrist nicht hemme. Bei dem dem Beschwerdeführer unterlaufenen Irrtum handle es sich um einen minderen Grad des Versehens.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Bescheid der Erstbehörde vom 1. Februar 2000 als unbegründet ab (Spruchpunkt I.) und die Berufung gegen den Bescheid der Erstbehörde vom 22. Dezember 1999 als verspätet zurück (Spruchpunkt II.).
In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe seinen Irrtum selbst verschuldet, zumal er nicht einmal andeutungsweise vorbringe, im Zuge seines Telefonates am 10. Jänner 2000 und bei der persönlichen Vorsprache am 11. Jänner 2000 von der zuständigen Sachbearbeiterin Erkundigungen über den Lauf und das Ende der Rechtsmittelfrist eingeholt zu haben. Dies wiege insoweit schwer, als ihm mit dem Bescheid vom 22. Dezember 1999 eine nicht unbeträchtliche Geldleistung auferlegt worden sei. Selbst wenn der Beschwerdeführer eine entsprechende Nachfrage weniger wegen Gleichgültigkeit als vielmehr aus Unachtsamkeit unterlassen habe, liege darin unter den gegebenen Umständen eine auffallende Sorglosigkeit. Die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung seien daher nicht gegeben. Die Berufung gegen den Bescheid vom 22. Dezember 1999 sei offenkundig verspätet und daher gemäß § 63 Abs. 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG zurückzuweisen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen hat:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Unter dem in der zitierten Gesetzesstelle verwendeten Begriff des minderen Grades des Versehens ist leichte Fahrlässigkeit (im Sinne des § 1332 ABGB) zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (siehe dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2(1998) unter E. Nr. 96 und 97 zu § 71 AVG zitierte hg. Rechtsprechung).
Der Beschwerdeführer meint, ihm könne keine auffallende Sorglosigkeit mit der Begründung angelastet werden, er habe keine Erkundigungen über das Ende der Rechtsmittelfrist eingeholt. Es liege gerade im Wesen des Irrtums, dass man glaube, keine Erkundigungen einholen zu müssen. Er habe bei der Unterredung am 11. Jänner 2000 zum Ausdruck gebracht, dass ihm eine genaue Bezifferung seiner "freien Mittel" für eine allfällige Rückzahlung noch nicht möglich sei. Es sei ihm nicht nur darum gegangen, über die Höhe der Rückzahlungsraten Klarheit zu gewinnen, sondern abzuklären, ob eine Rückzahlungspflicht dem Grunde nach bestehe. Die Zusage, über die Regelung der Rückzahlungsmodalitäten könne innerhalb der nächsten vier Wochen gesprochen werden, habe er auch auf den Rückzahlungsanspruch dem Grunde nach beziehen dürfen, sodass Nachfragen seinerseits nicht mehr zu erwarten gewesen seien. Wenn er nicht erkannt habe, dass der Lauf der Berufungsfrist durch die Zusage der zuständigen Sachbearbeiterin nicht berührt werde, liege darin nur ein minderer Grad des Versehens.
Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass bei der vom Beschwerdeführer geschilderten Sachlage von einem minderen Grad des Versehens nicht gesprochen werden kann, wenn er die Berufungsfrist gegen den Bescheid vom 22. Dezember 1999 ungenützt verstreichen ließ. Die Äußerung der Sachbearbeiterin, über die Rückzahlungsmodalitäten könne innerhalb der nächsten vier Wochen noch gesprochen werden, kann beim Empfänger dieser Erklärung bei verständiger Würdigung ihres Inhaltes nämlich nicht die Vorstellung auslösen, der Lauf der Berufungsfrist gegen den Bescheid vom 22. Dezember 1999 sei auf unbestimmte Zeit verlängert worden. Der Beschwerdeführer hat nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides und seinem Vorbringen in der Beschwerde bei seinem Gespräch mit der Sachbearbeiterin keine Umstände geltend gemacht, die die Richtigkeit des zurückgeforderten Betrages betreffen. Es ging ihm um die Abklärung seiner "freien Mittel" für die Rückzahlung der empfangenen Sozialhilfeleistungen. Bei dieser Sachlage musste ihm klar sein, dass die Frist für die Berufung gegen den Bescheid vom 22. Dezember 1999 abläuft und eine Bekämpfung dieses Bescheides daher nicht mehr möglich ist. Sollte der Beschwerdeführer tatsächlich vor dem Besuch bei seinem Vertreter am 17. Jänner 2000 der irrigen Auffassung gewesen sein, er könne den Bescheid vom 22. Dezember 1999 trotz ungenützten Verstreichens der Berufungsfrist bekämpfen, so kann dieser Irrtum jedenfalls nicht auf einen minderen Grad des Versehens zurückgeführt werden. Die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages durch die belangte Behörde kann demnach nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Die Zurückweisung der Berufung gegen den Bescheid vom 22. Dezember 1999 als verspätet war berechtigt, weil im Zeitpunkt der Erhebung der Berufung mit Schriftsatz vom 20. Jänner 2000 die Berufungsfrist abgelaufen war. Erst die Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist hätte gemäß § 72 Abs. 1 AVG bewirkt, dass die Berufung als rechtzeitig erhoben zu behandeln gewesen wäre.
Da nach dem Gesagten bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Damit erübrigt sich ein Abspruch über den (zur Zl. AW 2000/11/0033 protokollierten) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
Wien, am 11. Juli 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000110144.X00Im RIS seit
20.11.2000