TE Lvwg Erkenntnis 2015/1/8 LVwG-2014/41/2151-4

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Veröffentlicht am 08.01.2015
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Entscheidungsdatum

08.01.2015

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §38

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Hermann Riedler über die Beschwerde des Herrn AA, vertreten durch Rechtsanwalt, Adresse, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 05.05.2014, Zl ****,

zu Recht erkannt:

1.       Gemäß § 28 Abs 1 und 2 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang und Beschwerdevorbringen:

Herr AA hat mit Fax vom 06.06.2013, präzisiert mit Fax vom 10.06.2013, beim Bürgermeister der Gemeinde Z gemäß § 4 Tiroler Feldschutzgesetz 2000 den Antrag auf Entscheidung über die Verpflichtung zur Erhaltung einer Einfriedung auf der „TT“ gemäß § 5 Tiroler Feldschutzgesetz 2000 gestellt und darauf hingewiesen, dass diese Verpflichtung seiner Meinung nach die Agrargemeinschaft J (gemeint: Agrargemeinschaft J-K) betreffe. AA ist Pächter der „TT“.

Aufgrund behaupteter Recherchen der Gemeinde Z wurde festgestellt, dass Herr BB, Adresse, infolge einer Nutzungsvereinbarung hinsichtlich der Weideausübung und nicht die Agrargemeinschaft J die Zaunerhaltungspflicht für diesen Bereich trägt.

Mit Eingabe vom 24.04.2014 wurde der Gemeinde Z vom Rechtsvertreter des BB, Rechtsanwalt, Adresse, mitgeteilt, dass beim Bezirksgericht G zu Zl **** ein Gerichtsverfahren betreffend eines Unterlassungsanspruches der Agrargemeinschaft J-K gegen AA anhängig sei. Mit diesem Unterlassungsanspruch werde beantragt, dass AA in Hinkunft durch geeignete Maßnahmen verhindere, dass in Hinkunft von seinen Grundparzellen Weidevieh auf die Grundparzelle ***1, die von BB bewirtschaftet werde, gelange.

Zumal diese (noch nicht getroffene) Entscheidung des Bezirksgerichtes G für das beim Bürgermeister der Gemeinde Z anhängige Verfahren eine wesentliche Vorfrage darstellt, setzte der Bürgermeister der Gemeinde Z mit Bescheid vom 05.05.2014, Zl ****, gemäß § 38 AVG das gegenständliche Verfahren über die Entscheidung zur Verpflichtung der Erhaltung einer Einfriedung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des beim Bezirksgericht G, Zl ****, anhängigen Verfahrens aus.

Gegen diese Entscheidung wurde von Herrn AA, vertreten durch Rechtsanwalt, mit Schriftsatz vom 05.06.2014 fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben und beantragt, den bekämpften Bescheid zu beheben und die Rechtssache zur zügigen Erledigung an die belangte Behörde erster Instanz zurückzuverweisen. Geltend gemacht wurden die Beschwerdegründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung. Zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens wurde im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer Pächter der vorgenannten „TT“ sei. Bereits mit Eingabe vom 01.04.2014 habe die Grundeigentümerin, ebenfalls vertreten durch Herrn VV und durch die Kanzlei des Einschreiters, die Gemeinde Z darauf hingewiesen, dass die Frage der Erhaltung des seit Generationen bestehenden Zaunes zwischen den Liegenschaften des Gutes N („M“) und jenen der Agrargemeinschaft J-K getrennt von der Frage allfälliger Grenzstreitigkeiten, aber auch getrennt vom Gegenstand des Verfahrens beim Bezirksgericht G, GZ ****, zu beurteilen sei.

Das gegenständliche Verfahren sei deshalb mangelhaft, weil die Gemeinde zwar kursorisch vorbringe, Recherchen angestellt zu haben, wonach Herrn BB die Zaunlastpflicht, über die in diesem Verfahren zu entscheiden sei, treffe (und nicht die Agrargemeinschaft J), es dabei aber in unrichtiger Würdigung des erhobenen Sachverhaltes für eine präjudizielle Vorfrage halte, wie im Verfahren **** des BG G entschieden werde.

Unrichtige rechtliche Beurteilung wurde im Wesentlichen darin gesehen, dass aus dem Inhalt des Aktes der belangten Gemeinde Z klar sei, dass den Antragsteller, Herrn AA, keine Zaunerhaltungspflicht treffe. Der Streit um die Zaunerhaltung spiele sich rein zwischen den Grundeigentümern und nicht zwischen der Agrargemeinschaft J und dem Antragsteller, AA, ab. Zwar sei der Antragsteller auch als Pächter gemäß Tiroler Feldschutzgesetz aktiv zur Antragstellung legitimiert, doch habe diese Antragstellung insofern nichts mit dem im Verfahren **** gegenständlichen Unterlassungsbegehren zu tun, als dass die vorgenannte gerichtliche Entscheidung präjudiziell für die Entscheidung der Gemeinde Z wäre.

Im Verfahren ****, BG G, laute das Klagebegehren wie folgt:

„Der Beklagte ist schuldig, ab sofort und in Hinkunft das Beweiden der Grundparzelle der Almweideflächen der klagenden Partei in EZ *, GB **** Z, insbesondere der Grundstücksflächen ***2 und ***3/1 durch seinen Viehbestand zu unterlassen.“

In diesem Verfahren des BG G habe sich der in diesem Verfahren Beklagte und nunmehrige Einschreiter, AA, bereits am 04.07.2013 verpflichtet, das Entkommen seiner Tiere jedenfalls dadurch zu verhindern, dass er mit Elektroweideband – unabhängig von der Lösung der Frage der Zaunerhaltung – verhindere, dass seine Tiere auf die Liegenschaften der Agrargemeinschaft J herüberkommen bzw dorthin entlaufen.

Im Verfahren des Bezirksgerichtes G sei daher nicht über die grundlegende Verpflichtung zur Zaunerhaltung zu entscheiden, sondern rein über die Verhinderung des Entkommens von Tieren aus dem Viehbestand des Einschreiters. Durch das Setzen eines Weidebandes werde – unabhängig vom Streit über die grundlegende Zaunerhaltungspflicht - das Entkommen der Tiere verhindert.

Der bekämpfte Bescheid sei daher mit Mangelhaftigkeit bzw inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, weil die belangte Behörde rechtswidrig davon ausgehe, dass der Ausgang des Verfahrens über das Unterlassungsbegehren (wie oben zitiert) im Verfahren **** des Bezirksgerichtes G für ihre Entscheidung über die grundsätzliche Pflicht zur Zaunerhaltung präjudiziell wäre. Dieses Ergebnis dürfe aus dem Verfahren **** des Bezirksgerichtes G nicht erwartet werden. Würde das Gericht in dieser Form entscheiden, würde es über das Klagebegehren weit hinaus schießen, weil die Zaunerhaltungspflicht und auch die Frage des Grenzverlaufes nicht Gegenstand dieses Verfahrens seien.

Unter Verweis auf die bereits vorausgeführten Verfahrensmängel wurde wiederholt, dass der bekämpfte Bescheid auch aus rechtlicher Sicht unrichtig sei. Eine Unterbrechung des Verwaltungsverfahrens sei nur dann zulässig, wenn jenes Verfahren, auf das verwiesen werde, tatsächlich in seinem Entscheidungsumfang und Entscheidungsgegenstand präjudiziell für die Entscheidung der Behörde sein könne. Dies könne im Verfahren **** rechtlich zulässigerweise nicht sein, weil das Gericht über die Fragen der Zaunlast und der Grundstücksgrenzen in diesem Verfahren nicht zu entscheiden habe.

Aufgrund der obigen Ausführungen wurde der Antrag gestellt, der Beschwerde des Einschreiters Folge zu geben, den bekämpften Bescheid ersatzlos aufzuheben und die Sache zur zügigen Entscheidung an die belangte Behörde, Gemeinde Z, zurückzuverweisen.

II.      Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat zu dieser Beschwerde Folgendes erwogen:

Der Beschwerdeführer hat mit Fax vom 06.06.2013 und mit E-Mail vom 10.06.2013 bei der Gemeinde Z einen Antrag auf Entscheidung über die Verpflichtung zur Erhaltung einer Einfriedung gemäß § 5 Tiroler Feldschutzgesetz gestellt und darauf hingewiesen, dass die Agrargemeinschaft J an der West- und Nordseite der TT entgegen ihrer Verpflichtung den Grenzzaun (siehe Auszug tiris Maps, rot gekennzeichnet) nicht mehr erhält, dies obwohl die Agrargemeinschaft ihrer Verpflichtung bereits seit über 36 Jahren nachkommt. Durch diesen Umstand würden seine freilaufenden Tiere auf den Gsten ***4/1, ***4/2 und ***4/3 diese Grundstücke jederzeit ungehindert verlassen können und könnten möglicherweise zu Schaden kommen. Der Zaun sei von der Agrargemeinschaft J-K ortsüblich wiederherzustellen. Aus dem vom Beschwerdeführer dem Gemeindeamt Z am 21.03.2014 vorgelegten Lageplan ist ersichtlich, dass nur jener Abschnitt des Zaunes zwischen den jeweiligen Weideflächen Gst ***5/9 (Eigentümerin HH, W AG) und den Grundstücken „N“ (Gst ***4/1, ***4/2, ***4/3 je GB **** Z) betroffen sein kann, der zwischen den KK-Grenzsteinen 3* und 4* verläuft sowie der daran anschließende Zaun, welcher vom KK-Grenzstein 4* in östlicher Richtung oberhalb des Q-Weges in gerader Linie bis zur Steinmauer, die als Grenzmauer zwischen den Grundstücken ***5/1 und ***2 besteht, verläuft.

Am 13.03.2014 wies der Beschwerdeführer in einem Schreiben an den Rechtsvertreter der Agrargemeinschaft J-K darauf hin, dass die Auffassung nicht geteilt wird, dass lediglich eine Vereinbarung einfacher Natur über die Zaunerhaltungpflicht zwischen Herrn N (seinerzeitiger Eigentümer der Liegenschaft „M“ in EZ **** GB Z) bestanden habe, sondern vielmehr eine (Praedial-)Reallast zu Lasten der Agrargemeinschaft J-K existiere, die schon vor Generationen begründet worden sei. Je betroffenes Gut, neben der Agrargemeinschaft J-K insbesondere das Gut „E“ (S) und das Gut N (M-Gut) sei diese Zaunlastregelung bzw Aufteilung der Zaunlast, die seit Menschengedenken bestehe, lediglich weitergeführt worden. Die von der Agrargemeinschaft J-K gelegte „Vereinbarung“ sei zum einen undatiert, zum anderen enthalte sie keine Angaben der KK-Grenzsteine. Die Aufhebung einer Reallast sei durch einseitige Aufkündigung nicht möglich, anerkenne der Beschwerdeführer vor diesem rechtlichen Hintergrund keine Pflicht zur Zaunanerkennung. Dies ausdrücklich unabhängig von einem allfälligen Streit über den Grenzverlauf, der zwischen den Eigentümern zu regeln sei. Zum Schutz dagegen, dass allenfalls im Frühjahr aufgetriebene Tiere nicht entkommen können, werde der Beschwerdeführer, wie zuletzt im Herbst 2013, einen ortsüblichen elektrischen Weidezaun spannen. Zum Beweis, dass stets und seit jeher der Zaunabschnitt im gegenständlichen Bereich von der Agrargemeinschaft J-K bzw. von deren Vorgängern als Nutzungsberechtigte erhalten worden sei, wurde auf eidesstattliche Erklärungen der Gattin des ÄN, Frau ÖN, vom 19.01.2014 und vom 26.03.2014 verwiesen.

Am 06.06.2013 wurde von der Agrargemeinschaft J-K beim Bezirksgericht G gegen die beklagte Partei AA eine Klage folgenden Inhaltes eingebracht:

„1.

Die klagende Partei ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ * KG **** Z. Vom Eigentum umfasst sind die Gst. Nr. ***6 und ***1 jeweils EZ * GB **** Z. Der Beklagte ist Pächter der Almweideflächen ***4/3,***4/1 und ***4/2 in EZ * Grundbuch **** Z. Dieses Grundparzellen grenzen einander an.

Beweis:  offenes Grundbuch

Ortsaugenschein,

PV

2.

Seit ca. drei Wochen beweidet der Beklagte diese in seinem Besitz befindlichen Almflächen mit Jungvieh. Eine Umzäunung seiner Almflächen besteht nicht, sodass das Jungvieh des Beklagten ständig auf die im Eigentum der klagenden Partei befindlichen Grundflächen gelangt und diese beweidet. Durch diesen Umstand wird das derzeit noch sehr spärlich vorhandene Gras vom Jungvieh des Beklagten gefressen, wodurch eine Beweidung für die kommende Almsaison durch Vieh der klagenden Partei, insbesondere durch Vieh des BB im bisherigen Ausmaß nicht mehr möglich sein wird.

Trotz Aufforderung erfolgte durch den Beklagten keine Einfriedung der Almflächen; entsprechende Mitteilungen, wonach eine Umzäunung dringend anzubringen ist, wurden vom Beklagten ignoriert.

Auf Seiten der klagenden Partei erfolgte eine Wirtschaftsteilung und werden die Weideflächen, die an die vom Beklagten genutzten Flächen angrenzen, von BB beweidet. Während des Weideganges durch Vieh von BB werden von diesem diese Grundflächen mittels Elektrozaun eingefriedet und ist dadurch eine Grenzverletzung durch Vieh von Mitgliedern der klagenden Partei ausgeschlossen.

Beweis;  BB, Adresse,

als Zeuge,

Beweis wie bisher,

Schreiben vom 16.8.2012,

PV

3.

Eine zwischen dem Verpächter des Beklagten und der klagenden Partei geschlossene Vereinbarung hinsichtlich eines Teiles der Grundstücksgrenze wurde seitens der klagenden Partei aufgekündigt und besteht seitdem keine Verpflichtung mehr zur Zaunerrichtung auf Seiten der klagenden Partei.

Beweis:  Schreiben vom 01.10.2012

PV

4.

Die Beweidung der Grundflächen der klagenden Partei durch Jungvieh des Beklagten erfolgt ohne Rechtsgrund und hat die klagende Partei daher einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich dieser Rechtsverletzungen. Eine Wiederholungsgefahr ist gegeben, da sich der Beklagte bis dato beharrlich weigert, einen Zaun zu errichten.

Die klagende Partei bewertet daher das Unterlassungsbegehren mit dem Betrag von
€ 5.000,-.

Beweis:  PV

Die klagende Partei beantragt zu fällen nachstehendes

U R T E I L :

Der Beklagte ist schuldig, ab sofort und in Hinkunft das Beweiden der Grundparzellen der Almweideflächen der klagenden Partei in EZ * Grundbuch **** Z, insbesondere der Grundstücksflächen ***2 und ***3/1 durch seinen Viehbestand zu unterlassen;

der Beklagte ist weiters schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagsvertreters, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution, die Kosten dieses Rechtsstreites zu ersetzen.“

Dies beim Bezirksgericht G anhängige Gerichtsverfahren stellt nach dem angefochtenen Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 05.05.2014 eine wesentliche Vorfrage über das beim Bürgermeister der Gemeinde Z anhängige Verfahren nach dem Tiroler Feldschutzgesetz dar.

III.    Rechtliche Erwägungen:

Nach § 4 Abs 1 des Tiroler Feldschutzgesetzes 2000, idF LGBl Nr 130/2013, sind Einfriedungen zu erhalten, soweit sie zum Schutz von landwirtschaftlichen Grundflächen und Waldweideflächen gegen Weidevieh erforderlich sind.

Nach § 4 Abs 2 leg cit gehört zur Erhaltung einer Einfriedung auch deren Wiederherstellung. Einfriedungen sind nach § 4 Abs 3 Tiroler Feldschutzgesetz 2000, sofern sich nicht aufgrund eines besonderen Rechtstitels etwas anderes ergibt, von denjenigen zu erhalten, die oder deren Rechtsvorgänger sie aufgrund langjähriger Übung, die jedenfalls in die letzten 30 Jahre vor der Einleitung des Verfahrens hineinreichen muss, erhalten haben.

Nach § 5 Abs 1 Tiroler Feldschutzgesetz 2000 hat der Bürgermeister, in der Stadt Innsbruck der Stadtmagistrat, auf Antrag oder von Amts wegen über die Verpflichtung zur Erhaltung einer Einfriedung zu entscheiden. Dabei sind auch die Art und der Umfang der zu erhaltenden Einfriedung zu bestimmen. Bei der Bestimmung der Art der Einfriedung ist auf die Ortsüblichkeit abzustellen sowie darauf Bedacht zu nehmen, dass die Sicherheit von Menschen und des Weideviehs nicht gefährdet wird.

Nach § 5 Abs 2 leg cit sind zur Antragstellung berechtigt:

      a) der Eigentümer, der die Viehweide ausübt oder dessen landwirtschaftliche Grundfläche oder Waldweidefläche gegen Weidevieh zu schützen ist,

      b) der Nutzungsberechtigte, der die Viehweide ausübt oder dessen von ihm genutzte landwirtschaftliche Grundfläche oder Waldweidefläche gegen Weidevieh zu schützen ist.

Nach § 5 Abs 3 leg cit hat der Eigentümer auch dann Parteistellung, wenn ein Verfahren auf Antrag des Nutzungsberechtigten eingeleitet wurde oder sich auf diesen bezieht. Ist ein Nutzungsberechtigter zur Erhaltung einer Einfriedung verpflichtet, so hat dies der Eigentümer zu dulden.

Nach § 38 AVG ist, sofern die Gesetze nichts anderes bestimmen, die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Voraussetzung für die Aussetzung ist daher

1.   die Präjudizialität der Entscheidung über die Vorfrage und

2.   die Anhängigkeit des darüber bei der zuständigen Behörde durchzuführenden Verfahrens.

Ob die Behörde bei Vorliegen der beiden oben genannten inhaltlichen Erfordernisse dann von der ihr im § 38 Satz 2 AVG eingeräumten Befugnis (Möglichkeit zur Aussetzung) Gebrauch macht, obliegt ihrem Ermessen. Es war daher zu prüfen, ob überhaupt die Voraussetzungen für die Ausübung dieses Ermessens vorlagen.

Unter einer Vorfrage im Sinn des § 38 AVG ist eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage zu verstehen, über die als Hauptfrage - als Gegenstand eines rechtsfeststellenden oder rechtsgestaltenden Abspruches - von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten oder auch von derselben Behörde, jedoch in einem anderen Verfahren, zu entscheiden ist. Die Beantwortung der Vorfrage liefert ein unentbehrliches Tatbestandsmoment für die Entscheidung in der Hauptsache. Präjudiziell - und damit Vorfragenentscheidung (durch die hiefür zuständige Behörde) im verfahrensrechtlich relevanten Sinn - ist daher nur eine Entscheidung, die erstens eine Rechtsfrage betrifft, deren Beantwortung für die Hauptfragenentscheidung unabdingbar - dh eine notwendige Grundlage - ist, und zweitens die diese in einer die Verwaltungsbehörde bindenden Weise regelt (vgl VwGH vom 18.02.1993, Zl 92/09/0333).

Nach Ansicht des erkennenden Gerichts liegen im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für die Aussetzung des beim Bürgermeister der Gemeinde Z anhängigen Verfahrens über die Entscheidung zur Verpflichtung der Erhaltung einer Einfriedung iSd Antrages des Beschwerdeführers vom 06.06.2013 und vom 10.06.2013 vor. Der beim Bezirksgericht G ebenfalls am 06.06.2103 anhängig gemachte Klage der Agrargemeinschaft J-K gegen die beklagte Partei AA liegt der Sachverhalt zugrunde, dass der Beschwerdeführer als Pächter der „TT“ (Almweideflächen ***4/1, ***4/2 und ***4/3 in EZ * GB **** Z) mit diesen Grundstücken an die im Eigentum der Agrargemeinschaft J-K stehenden Grundstücke ***6 und ***1 in EZ * GB Z angrenze, seiner Verpflichtung durch Umzäunung seiner Almflächen nicht nachkomme, sodass das Jungvieh der beklagten Partei AA ständig auf die im Eigentum der klagenden Partei befindlichen Grundflächen gelange und diese ohne Rechtsgrund beweide. Aus diesem Grund bestünde ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich dieser Rechtsverletzungen und sei eine Wiederholungsgefahr gegeben, da sich der Beschwerdeführer bis dato beharrlich weigere, einen Zaun zu errichten. Entgegen dem Beschwerdevorbringen geht es nach der Klagserzählung beim Verfahren **** beim Bezirksgericht G anhängigen Verfahren sehr wohl (auch) um die strittige Frage der Zaunerhaltung zwischen den Liegenschaften des Gutes N („M“) und jenen der Agrargemeinschaft J-K. Dies erhellt aus dem Umstand, dass Gegenstand des Gerichtsverfahrens auch die zwischen dem Verpächter des Beschwerdeführers (beklagte Partei im gerichtsanhängigen Verfahren) und der Agrargemeinschaft J-K geschlossene und seitens der klagenden Partei aufgekündigte, undatierte Vereinbarung hinsichtlich eines Teiles der Grundstücksgrenze und nach Ansicht des Beschwerdeführers eine einseitig nicht mögliche Aufkündigung einer existierenden Reallast ist, aus welcher seitdem keinerlei Verpflichtung mehr zur Zaunerrichtung auf Seiten der klagenden Partei (Agrargemeinschaft J-K) abgeleitet wird, sowie weiters, dass sich die im Verfahren **** des Bezirksgerichtes G geführte beklagte Partei und nunmehriger Beschwerdeführer verpflichtet hat, das Entkommen seiner Tiere jedenfalls dadurch zu verhindern, dass er mit Elektroweideband verhindert, dass seine Tiere auf die Liegenschaften der Agrargemeinschaft J-K herüberkommen bzw dorthin entlaufen.

Die belangte Behörde ist somit (arg im § 4 Abs 2 Tiroler Feldschutzgesetz 2000:“sofern sich nicht aufgrund eines besonderen Rechtstitels etwas anderes ergibt“) richtigerweise davon ausgegangen, dass der Ausgang des Verfahrens über das Unterlassungsbegehren im Verfahren **** des BG G für ihre Entscheidung über die grundsätzliche Pflicht zur Zaunerhaltung präjudiziell ist.

IV.      Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung:

Der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer hat keinen Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gestellt, obwohl in der Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Entscheidung der belangten Behörde auf die Möglichkeit der Beantragung einer solchen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol hingewiesen wurde.

Aufgrund der vom Landesverwaltungsgericht getroffenen rechtlichen Erwägungen konnte die vorliegende Entscheidung im Sinn des § 24 VwGVG ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Nach dem Abs 1 dieser Bestimmung hat das Verwaltungsgericht nämlich nur auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich erachtet, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Überdies kann das Verwaltungsgericht nach Abs 4 leg cit trotz eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, soweit durch Bundes – oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist und wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Eine solche Verhandlung wird vom Landesverwaltungsgericht aber auch nicht für erforderlich erachtet, zumal für die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde keine Sachverhalts-, sondern lediglich rechtliche Fragen zu klären waren. Damit liegt aber ein besonderer Grund vor, der auch im Licht der Rechtsprechung des EGMR eine Einschränkung des Grundrechtes auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zulässt. Im Fall * (EGMR 20.11.2003, 58647/00 und 58649/00) wurde ein solch besonderer Grund, der von der Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung entbindet, etwa dann angenommen, wenn in einem Verfahren ausschließlich rechtliche oder höchst technische Fragen zur Diskussion stehen.

Insgesamt kommt der vorliegenden Beschwerde somit keine Berechtigung zu, weshalb sie abzuweisen war.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.

Im vorliegenden Fall waren keine Rechtsfragen zu klären, welchen erhebliche Bedeutung zukommt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hermann Riedler

(Richter)

Schlagworte

Aussetzung

Anmerkung

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.11.2017, Ra 2015/07/0047-10 wurde die ao Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 08.01.2015, LVwG-2014/41/2151-4 als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2015:LVwG.2014.41.2151.4

Zuletzt aktualisiert am

05.12.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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