TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/20 G314 2170608-1

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Veröffentlicht am 20.11.2017
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Entscheidungsdatum

20.11.2017

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs2

Spruch

G314 2170608-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde desXXXXI, geboren am XXXX, mazedonischer Staatsangehöriger, vertreten durch den XXXX, gegen den Spruchpunkt III. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 29.08.2017, Zahl XXXX, wegen der Erlassung eines Einreiseverbots zu Recht:

A) Der Beschwerde wird im Anfechtungsumfang Folge gegeben.

Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids wird ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX2017 in XXXX ohne Reisepass angetroffen und festgenommen. Nach seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde er in Schubhaft genommen und nach Erlassung des angefochtenen Bescheids am XXXX2017 nach Mazedonien abgeschoben.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Mazedonien zulässig ist (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG gegen den BF ein zweijähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Das Einreiseverbot wurde damit begründet, dass BF, der in Österreich nicht krankenversichert sei und keiner legalen Erwerbstätigkeit nachginge, nicht im Besitz ausreichender Mittel sei, um seinen Lebensunterhalt auch nur kurzfristig aus Eigenem zu finanzieren. Er habe unangemeldet bei Bekannten Unterkunft genommen und dadurch gegen das Meldegesetz verstoßen. Außerdem sei er am XXXX2017 unmittelbar vor der Begehung eines Einbruchsdiebstahls angetroffen worden. Familiäre und private Bindungen, die einen weiteren Verbleib in Österreich rechtfertigen würden, lägen nicht vor.

Gegen das Einreiseverbot laut Spruchpunkt III. dieses Bescheids richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, das Einreiseverbot aufzuheben, in eventu, die Dauer zu reduzieren, in eventu, das Einreiseverbot auf Österreich zu beschränken. Mit der Beschwerde legte der BF Kopien aus seinem Reisepass vor. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er sich rechtmäßig in Österreich aufgehalten habe, weil er zum ersten Mal hier gewesen sei und die zulässige visumfreie Aufenthaltsdauer nicht überschritten habe. Er sei unbescholten und habe das AuslBG nicht verletzt. Er stelle keine Bedrohung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, die ein zweijähriges Einreiseverbot rechtfertige. Das BFA habe seine Vermögensverhältnisse nicht näher geprüft. Der BF sei nicht mittellos, weil er von seinen in Italien lebenden Brüdern und von einem Freund, bei dem er kostenlos gewohnt habe, unterstützt werden könne. Er habe mehrere Jahre in Italien gelebt; seien Freundin lebe in Belgien.

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 14.09.2017 einlangten.

2. Feststellungen:

Der Lebensmittelpunkt des BF liegt in Mazedonien, wo auch sein Vater und seine beiden Schwestern leben. Er spricht Albanisch. Er besuchte in Mazedonien zwölf Jahre lang die Schule und arbeitete danach im XXXX. Er ist ledig und hat weder Kinder noch andere Sorgepflichten. Sein Vater hat ein eigenes Haus in XXXX, wo der BF wohnen kann. Zwei Brüder des BF leben in Italien, wo sich auch der BF zwischen 2006 und 2014 aufhielt.

Der BF verfügt über einen bis XXXX2025 gültigen mazedonischen Reisepass. Damit reiste er am XXXX2017 über Ungarn nach Österreich, nachdem er sich zuletzt im Juli 2016 in einem EWR-Mitgliedstaat aufgehalten hatte. Er hielt sich ohne Wohnsitzmeldung in der Wohnung eines Bekannten in XXXX auf. Bei seiner Einreise hatte er EUR 400 bei sich. Er wollte Freunde besuchen und nach Italien weiterreisen, um seine Brüder aufzusuchen. Er ging in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach.

Am 2XXXX2017 wurde er mit zwei anderen mazedonischen Staatsangehörigen verhaftet, weil der Verdacht bestand, dass sie im Begriff waren, einen Einbruchsdiebstahl zu begehen.

Es kann nicht festgestellt werden, ob der BF tatsächlich beabsichtigte, einen Einbruch zu begehen und wenn ja, ob diese Tat bereits ein als Versuch strafbares Ausführungsstadium erreicht hatte.

Der BF hatte bei seiner Verhaftung (abgesehen von Bargeld von EUR 10) keine finanziellen Mittel. Er hatte seinen Reisepass nicht mit und wies sich mit seinem mazedonischen Personalausweis aus. Er versuchte zunächst erfolglos, eine Vorlage seines Reisepasses, der sich angeblich in der Wohnung seines Freundes befand, zu erreichen. Letztlich wurde der Reisepass erst Anfang XXXX2017 vorgelegt.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er ist strafgerichtlich unbescholten. Er hat in Österreich abgesehen von entfernten Verwandten keine familiären oder sozialen Bindungen. Er ist hier weder sprachlich noch beruflich noch gesellschaftlich integriert. Er verfügt weder über einen Aufenthaltstitel noch über ein Visum oder eine andere Aufenthaltsberechtigung.

3. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA. In der Beschwerde wird den entscheidungswesentlichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht entgegengetreten. Die Angaben des BF bei seiner Einvernahme sind - soweit sie Niederschlag in den Feststellungen finden - schlüssig und plausibel, sodass ihnen gefolgt werden kann. Die Identität des BF wird durch seinen Personalausweis und seinen nach Erlassung des angefochtenen Bescheids vorgelegten Reisepass belegt, dessen Echtheit nicht in Zweifel steht.

Albanischkenntnisse des BF können festgestellt werden, weil eine Verständigung mit der Dolmetscherin für diese Sprache problemlos möglich war.

Anhaltspunkte für eine Erkrankung oder eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des

XXXXjährigen BF sind nicht hervorgekommen. Die Feststellung der Arbeitsfähigkeit beruht auch darauf, dass er nach eigenen Angaben in Mazedonien im XXXX arbeitete.

Der Aufenthalt des BF in Österreich seit XXXX2017 konnte anhand seiner Angaben, die sich mit dem letzten Einreisestempel in seinem Reisepass decken, festgestellt werden. Eine Einsicht in das Zentrale Melderegister ergab, dass er - abgesehen von der Meldung im Polizeianhaltezentrum - in Österreich nicht gemeldet war. Aus dem Strafregister ergibt sich die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF in Österreich. Anhaltspunkte für Verurteilungen in anderen Staaten liegen nicht vor.

Die im Akt enthaltenen Angaben zu dem Verdacht, dass der BF vor seiner Verhaftung im Begriff war, mit zwei anderen Personen einen Einbruchsdiebstahl zu begehen, sind zu vage, um daraus eine gesicherte Feststellung abzuleiten, zumal der BF dies bestreitet. Es wird insbesondere kein konkretes Verhalten des BF geschildert, auf dem dieser Verdacht beruht, sodass auch nicht beurteilt werden kann, ob bereits ein strafbarer Versuch vorlag. Die Einleitung eines Strafverfahrens gegen den BF deshalb ist jedenfalls nicht aktenkundig. Zu diesem Themenkomplex müssen daher Negativfeststellungen getroffen werden.

Die Feststellungen zu den persönlichen, familiären und finanziellen Verhältnissen des BF basieren auf seiner schlüssigen und nachvollziehbaren Schilderung bei der Einvernahme vor dem BFA. Es liegen keine Beweisergebnisse vor, die Zweifel an seiner Darstellung aufkommen lassen. Aus dem Fremdenregister ergibt sich, dass ihm keine Aufenthaltsgenehmigung in Österreich erteilt wurde. Es liegen keine Hinweise dafür vor, dass der BF in Österreich einer Beschäftigung nachging, sodass seiner entsprechenden Aussage gefolgt werden kann.

Es sind im Ergebnis - abgesehen von seinen in Österreich lebenden entfernten Angehörigen, zu denen offenbar kaum Kontakt besteht - keine Anhaltspunkte für eine Integration des BF in Österreich zutage getreten, zumal sich sein Lebensmittelpunkt bislang in Mazedonien und davor für etliche Jahre in Italien befand.

4. Rechtliche Beurteilung:

Die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, die Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Mazedonien, die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkte I., II., IV. und V. des angefochtenen Bescheids) werden in der Beschwerde nicht bekämpft, die sich ausdrücklich nur gegen das in Spruchpunkt III. erlassene Einreiseverbot richtet.

Der BF ist als Staatsangehöriger von Mazedonien Drittstaatsangehöriger im Sinne des

§ 2 Abs 4 Z 10 FPG. Gemäß § 53 Abs 1 und 2 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist demnach z.B. dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs 2 Z 6 FPG). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde (vgl VwGH Ra 2016/21/0207). Es ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Außerdem ist im Rahmen einer Interessensabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; vgl auch VwGH Ra 2016/21/0289).

Die Behörde ist hier zu Recht davon ausgegangen, dass der Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 6 FPG erfüllt ist, weil der BF nur über sehr geringe finanzielle Mittel verfügt. Eine allenfalls mögliche freiwillige Unterstützung durch seine Brüder oder durch einen Freund kann in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden. Derartige Zuwendungen sind unsicher und können jederzeit grundlos eingeschränkt oder eingestellt werden, sodass die mit der Mittellosigkeit verbundenen Gefahren (finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft, Beschaffung finanzieller Mittel aus illegalen Quellen) dadurch nicht ausgeschlossen werden.

Wenn dem BF nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit anzulasten ist und sich sein Fehlverhalten auf einen kurzen unrechtmäßigen Aufenthalt beschränkt, kann von einem Einreiseverbot Abstand genommen werden (vgl VwGH Ra 2016/21/2027). Die Voraussetzungen dafür sind hier erfüllt: Die bloße Mittellosigkeit des BF erfordert angesichts seiner Unbescholtenheit, seines kurzen Aufenthalts im Bundesgebiet und der nachträglichen Vorlage eines Reisepasses nicht die Erlassung eines Einreiseverbots zusätzlich zur Rückkehrentscheidung, zumal abgesehen von § 53 Abs 2 Z 6 FPG keine weiteren Tatbestände, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indizieren würde, erfüllt sind. Bislang ist es durch den Aufenthalt des BF weder zu einer finanziellen Belastung für eine Gebietskörperschaft noch zu einer unrechtmäßigen Mittelbeschaffung gekommen. Der vage Verdacht der Betretung des BF vor der Begehung eines Vermögensdelikts kann bei der Gefährdungsprognose nicht berücksichtigt werden, zumal nicht feststeht, ob ein allfälliger Versuch bereits ein strafbares Stadium erreicht hat und die Einleitung eines Strafverfahrens gegen den BF nicht aktenkundig ist.

Obwohl dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften eine erhebliche Bedeutung zukommt und die Mittellosigkeit des BF eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit indiziert, beeinträchtigt sein Fehlverhalten die öffentliche Ordnung (noch) nicht so gravierend, dass ein Einreiseverbot zusätzlich zur Rückkehrentscheidung erlassen werden muss. Daher ist der angefochtene Spruchpunkt III. des Bescheids in Stattgebung der Beschwerde gemäß

§ 28 Abs 2 iVm § 27 VwGVG ersatzlos aufzuheben.

Da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der Bescheid im Anfechtungsumfang aufzuheben ist, kann eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, zumal davon keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten ist.

Die im Zusammenhang mit der Erlassung eines Einreiseverbots anzustellende Gefährdungsprognose und die dabei vorzunehmende Interessensabwägung können jeweils nur im Einzelfall erstellt bzw. vorgenommen werden. Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG dabei an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Einreiseverbot aufgehoben, ersatzlose Behebung, Intensität,
Mittellosigkeit, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:G314.2170608.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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