TE Vwgh Erkenntnis 2000/7/11 2000/11/0096

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Veröffentlicht am 11.07.2000
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
68/01 Behinderteneinstellung;

Norm

BEinstG §8 Abs2 idF 1999/I/017;
B-VG Art130 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der M in L, vertreten durch Dr. Georg Maxwald und Dr. Georg Bauer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Dametzstraße 51, gegen den Bescheid der Berufungskommission beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 3. Februar 2000, Zl. 44.140/3-7/99, betreffend Kündigung einer begünstigten Behinderten (mitbeteiligte Partei: L L), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde (in Abänderung des stattgebenden Erstbescheides des Behindertenausschusses des Bundessozialamtes Oberösterreich vom 14. Dezember 1998) gemäß § 8 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung der Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung der Mitbeteiligten - einer begünstigten Behinderten im Sinne des BEinstG - vom 15. Oktober 1998 abgewiesen.

In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Mitbeteiligte hat ein Schreiben an den Verwaltungsgerichtshof gerichtet, in dem sie der Sache nach ihr Interesse an der Aufrechterhaltung des angefochtenen Bescheides bekundet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 8 BEinstG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 17/1999 lautet in der auf den vorliegenden Beschwerdefall im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung gemäß den Übergangsbestimmungen des § 27 Abs. 3 und 4 leg. cit. (wonach § 8 Abs. 4 und Abs. 6 lit. b hier nicht anzuwenden sind):

"(1) Das Dienstverhältnis eines begünstigten Behinderten darf vom Dienstgeber, soferne keine längere Kündigungsfrist einzuhalten ist, nur unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen gekündigt werden. Ein auf Probe vereinbartes Dienstverhältnis kann während des ersten Monates von beiden Teilen jederzeit gelöst werden.

(2) Die Kündigung eines begünstigten Behinderten (§ 2) darf von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuß (§ 12) nach Anhörung des Betriebsrates oder der Personalvertretung im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften sowie nach Anhörung des zur Durchführung des Landes-Behindertengesetzes jeweils zuständigen Amtes der Landesregierung zugestimmt hat; dem Dienstnehmer kommt in diesem Verfahren Parteistellung zu. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn dieser nicht in besonderen Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt.

(3) Der Behindertenausschuß hat bei seiner Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten die besondere Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers zu berücksichtigen und unter Beachtung des § 6 zu prüfen, ob dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes zugemutet werden kann.

(5) Gesetzliche Bestimmungen, die die Beendigung des Dienstverhältnisses an zusätzliche Voraussetzungen knüpfen, bleiben unberührt. Finden auf die Kündigung eines begünstigten Behinderten die Abs. 2 bis 4" (hier Abs. 2 und 3) "Anwendung, gelten die Bestimmungen des § 105 Abs. 2 bis 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974, bzw. die in Ausführung der Bestimmungen des § 210 Abs. 3 bis 6 des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, erlassenen landesrechtlichen Vorschriften nicht.

(6) Abs. 2 bis 4" (hier Abs. 2 und 3) "finden auf das Dienstverhältnis keine Anwendung,

a) wenn dem Behinderten als Mitglied des Betriebsrates (Jugendvertrauensrates) bzw. als Personalvertreter der besondere Kündigungsschutz auf Grund der §§ 120 und 121 des Arbeitsverfassungsgesetzes bzw. der in Ausführung der §§ 223 und 224 des Landarbeitsgesetzes 1984 erlassenen landesrechtlichen Vorschriften oder des § 27 Abs. 2 des Bundes-Personalvertretungsgesetzes und ähnlicher landesrechtlicher Vorschriften zusteht."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt die Entscheidung darüber, ob die Zustimmung zur Kündigung eines Behinderten erteilt werden soll, im freien Ermessen der Behörde. Bei dieser Ermessensentscheidung ist es Aufgabe der Behörde, das berechtigte Interesse des Dienstgebers an der Beendigung eines Dienstverhältnisses und die besondere soziale Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers im Einzelfall gegeneinander abzuwägen und unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu prüfen, ob dem Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses oder dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes eher zugemutet werden kann (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. März 1999, Zl. 98/11/0322, und vom 14. Dezember 1999, Zl. 99/11/0246). Durch die Novellierung mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 17/1999 sollte sich nach der Absicht des Gesetzgebers daran nichts ändern (vgl. den Ausschussbericht 1543 BlgNR. 20. GP.).

Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, dass die Mitbeteiligte in einem geordneten Betrieb nicht mehr einsetzbar, eine Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit nicht mehr zu erwarten und im "Kleinstbetrieb" der Beschwerdeführerin auch kein anderer geeigneter Arbeitsplatz für sie vorhanden sei.

Für die Ermessensübung der belangten Behörde war entscheidend, dass die Mitbeteiligte nach einer erfolgreichen Operation an der linken Hand seit 6. September 1999 bis auf zwei Tage ohne Krankenstände im Betrieb der Beschwerdeführerin (einer Änderungsschneiderei) arbeite.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass sich nach den unfallchirurgisch-orthopädischen Gutachten des Sachverständigen Dr. C. vom 15. Juli 1998 (das dem Erstbescheid zu Grunde lag) und vom 28. Juli 1999 sowie vom 17. Jänner 2000 (die im Zuge des Berufungsverfahrens erstellt wurden) kein erheblicher Unterschied in der gesundheitlichen Beurteilung ergebe. Die Erstbehörde habe die weitere Beschäftigung der Mitbeteiligten als unzumutbar angesehen. Die belangte Behörde hätte bei unveränderter gesundheitlicher Lage der Mitbeteiligten nicht zur Abweisung ihres Antrages auf Zustimmung zur Kündigung kommen dürfen.

Die Beschwerdeführerin ist damit nicht im Recht. Die Gutachten Dris. C. vom 15. Juli 1998, vom 28. Juli 1999 und vom 17. Jänner 2000 unterscheiden sich in einem Punkt wesentlich voneinander: in den späteren Gutachten kommt der Sachverständige auch unter Berücksichtigung eines in der Zwischenzeit eingetretenen und durch eine Operation wieder behobenen Leidenszustandes (einer Sehnenscheidenentzündung), von dem im ersten Gutachten noch keine Rede ist, zum Ergebnis, die Mitbeteiligte sei unter Vermeidung bestimmter näher bezeichneter Arbeiten prinzipiell im Betrieb der Beschwerdeführerin arbeitsfähig. Dieser Leidenszustand war im Übrigen auch der einzige Grund, warum der berufskundliche Sachverständige in seinem Gutachten vom 15. August 1999 die aktuelle Arbeitsfähigkeit der Mitbeteiligten verneint hat (wobei er irrtümlich von deren rechter statt von deren linker Hand spricht).

Dass die Erstbehörde auf Grund der ihr vorliegenden Unterlagen zur Stattgebung des Antrages der Beschwerdeführerin auf Zustimmung zur Kündigung der Mitbeteiligten gekommen ist, bindet die belangte Behörde als Berufungsbehörde nicht. Diese konnte auf Grund der Sachlage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in unbedenklicher Weise davon ausgehen, dass der registrierte starke Rückgang der Krankenstände der Mitbeteiligten auf die Behebung des in Rede stehenden Leidenszustandes zurückzuführen ist. Andere Ursachen hiefür spekulativ anzunehmen, wie dies die Beschwerdeführerin in der Beschwerde versucht, bestand für die Behörde kein Anlass. Auf Vorgänge nach der Erlassung des angefochtenen Bescheides konnte die belangte Behörde nicht eingehen; diese sind auch für den Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides unbeachtlich. Dasselbe gilt für die von der Beschwerdeführerin vermisste Berücksichtigung der Interessen einer weiteren Arbeitnehmerin des Beschwerdeführerin.

Die weiteren von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Umstände betreffend die Ertragslage ihres Unternehmens und die wirtschaftliche Situation der Mitbeteiligten sind zwar bei der im gegebenen Zusammenhang zu treffenden Ermessensentscheidung mit zu veranschlagen. Sie sind aber nicht geeignet, die erfolgte Ermessensübung durch die belangte Behörde als nicht im Sinne des Gesetzes liegend zu werten. In diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass sich die durch ein Schreiben des Steuerberaters der Beschwerdeführerin vom 3. November 1999 untermauerten Ausführungen über die angespannte wirtschaftliche Situation des Unternehmens der Beschwerdeführerin im Wesentlichen auf die Zeit beziehen, in der die Mitbeteiligte hohe Krankenstände aufgewiesen hat und für ihre Vertretung im Betrieb zu sorgen war.

Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. Juli 2000

Schlagworte

Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000110096.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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