Entscheidungsdatum
28.11.2017Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
L515 2159816-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER und den fachkundigen Laienrichter RR Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, vom 09.01.2017, Zl. OB: XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1
Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF iVm § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1, 42 Abs. 1 und 2, § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, iVm § 1 Abs. 4 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, stattgegeben und aufgrund des ermittelten Sachverhaltes festgestellt, dass die Voraussetzungen hinsichtlich der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass iSd zitierten Bestimmungen des BBG vorliegen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz
(B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die Beschwerdeführerin (BF), nachfolgend auch beschwerdeführende Partei (bP), verfügt jedenfalls seit dem Jahr 2007 über einen Behindertenpass (GdB 80 v.H. ab 23.03.2007).
I.2. Ein Sachverständigengutachten vom 18.07.2016 (Aktengutachten) kam zu einem Gesamtgrad der Behinderung von 90 v.H. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" wurden als nicht gegeben erachtet.
I.3. Mit 12.08.2016 wurde der Grad der Behinderung mit 90 v.H. festgesetzt und der Behindertenpass mit Ende April 2019 befristet.
I.4. Mit Schreiben vom 26.10.2016 erhob die BF "Einspruch" gegen das Sachverständigengutachten im Hinblick auf die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel". Mit gleichem Datum stellte die bP einen entsprechenden Antrag.
I.5. Ein weiteres Sachverständigengutachten vom 27.12.2016 kam zum Ergebnis, dass für die bP eine kurze Gehstrecke möglich sei.
I.6. Mit Bescheid vom 09.01.2017 wurde der Antrag der BF vom 31.10.2016 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen.
I.7. Gegen diesen Bescheid erhob die bP mit Schreiben vom 14.02.2017 Beschwerde. Gleichzeitig legte die bP eine Bestätigung eines Lungenfacharztes vor.
I.8. Über Veranlassung durch das Sozialministeriumservice wurde ein weiteres Gutachten (vom 24.05.2017 - Begutachtung am 17.05.2017) – einer Fachärztin für Innere Medizin – in Auftrag gegeben.
I.9. Mit Schreiben vom 01.06.2017 erfolgte die Beschwerdevorlage durch die bB, sie langte am selben Tag beim Bundesverwaltungsgericht ein.
I.10. Mit Schreiben des BVwG vom 26.06.2017 wurde der BF das zuletzt angeführte Sachverständigengutachten zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen 2 Wochen schriftlich zu äußern. Diese Möglichkeit nahm die BF in Anspruch.
I.11. Im Rahmen einer nicht öffentlichen Beratung am 20.10.2017 beschloss der erkennende Senat der Beschwerde stattzugeben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Die bP ist österreichische Staatsbürgerin und an der im Akt ersichtlichen oberösterreichischen Adresse wohnhaft.
1.2. Das am 18.07.2016 von einer ärztlichen Sachverständigen (Ärztin für Arbeits- und Allgemeinmedizin) erstellte Aktengutachten weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:
" Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs
Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
1) Invasives Mammakarzinom links; Begründung: wiederholte Rezidive mit Zustand nach Hautmetastase Capillitium 3/2014 daher 60 %
Pos. Nr. 13.01.03, GdB 60 %
2) Asthma bronchiale mit Verschlechterungstendenz – Infektexazerbation; Begründung: Mehrfachmedikation als Dauertherapie daher 50 %
Pos. Nr. 06.04.03, GdB 50 %
3) Degenerative Wirbelsäulenerkrankung; Begründung: Bewertung wird von Vorgutachten mit 40 % übernommen
Pos. Nr. 02.01.02, GdB 40 %
5) Inzipiente Coxarthrose beidseits (links > rechts); Begründung:
wiederholte Hüft-Infiltrationen links daher 30 %
Pos. Nr. 02.05.08, GdB 30 %
6) Zustand nach Gebärmutterentfernung (Zustand nach Zervixkarzinom 1987) – Fixsatz 10 %
Pos. Nr. 08.03.02, GdB 10 %
Gesamtgrad der Behinderung 90 v.H.
.
Prüfung der Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigungen nach Art und Schwere für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel
1.) Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen schränken die Mobilität ein? In welcher Weise ist dadurch das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke (ca. 300 - 400 m), das Ein- und Aussteigen unter Beachtung der üblichen Niveauunterschiede oder die Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe auf erhebliche Art und Weise erschwert bzw. verunmöglicht?
Es besteht durch die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und dem Asthma bronchiale eine Funktionsbeeinträchtigung, die das Zurücklegen kurzer Wegstrecken (300-400m) oder das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel erschwert jedoch nicht unmöglich macht.
2.) Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen führen zu einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit? In welcher Weise ist dadurch das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen unter Beachtung der üblichen Niveauunterschiede oder die Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe auf erhebliche Art und Weise erschwert bzw. verunmöglicht?
Siehe Punkt 1.
2a.) Besteht eine Harn- oder Stuhlinkontinenz bzw. eine erhebliche Miktions- und Defäkationsstörung oder eine Stomaversorgung? Welche Notwendigkeiten bzw. Konsequenzen ergeben sich daraus?
Es findet sich kein Hinweis auf eine Form der Inkontinenz.
3a.) Liegt eine psychische Funktionsbeeinträchtigung vor, welche den Aufenthalt unter Menschen in geschlossenen Räumen (bzw. öffentlichen Verkehrsmitteln) bei gleichzeitig fehlender Kontrolle über die Situation verunmöglicht? Welche Einschränkungen ergeben sich daraus? Sind zumutbare therapeutische Optionen ausgeschöpft?
Es findet sich kein Hinweis auf eine relevante psychische Beeinträchtigung die das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel unmöglich machen würde.
3b.) Bestehen aufgrund der bestehenden Funktionseinschränkungen gravierende Verhaltensauffälligkeiten, welche von fremden Personen im öffentlichen Raum üblicherweise als große Belastung oder Belästigung empfunden werden? Welche Auswirkungen zeigen diese Verhaltensauffälligkeiten?
Es findet sich keine Hinweise auf Verhaltensauffälligkeiten.
4.) Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen führen zu einer dauerhaften erheblichen Einschränkung des Immunsystems? Ist dadurch die Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln auf erhebliche Art und Weise erschwert bzw. verunmöglicht?
Es findet sich kein Hinweis auf eine Beeinträchtigung des Immunsystems.
5.) Stehen sonstige sich aus dem Gesundheitszustand ergebende Umstände aus medizinischer Sicht der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel entgegen?
Es findet sich kein Hinweis auf weitere Umstände, die der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel entgegenstehen.
."
1.3. Das am 27.12.2016 (Begutachtung am 22.12.2016 von einem ärztlichen Sachverständigen (Arzt für Allgemeinmedizin) erstellte Gutachten weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:
" Prüfung der Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigungen nach Art und Schwere für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel
1.)
Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Neu seit dem letzten Gutachten ist die Versorgung mit Hüftprothese links im Juli 2016, hier gute Funktion mit nur geringer Außenrotationseinschränkung und leichten Schmerzen, Beinverkürzung links um 2 cm angegeben; bei der Untersuchung ausreichend sicherer Gang, mittelschnell, hinkend links wegen Hüftschmerzen, zur Sicherheit auch Krücke genommen, insbesondere keine Beinlähmung, keine hochgradige Atemnot bei der Untersuchung, eher mäßig bis mittelgradig (kein mobiler Sauerstoff, kein Heimsauerstoff), fährt noch selber Auto – auch mit vermindertem Tempo und ev. Verwendung einer Stützkrücke ist eine kurze Gehstrecke möglich, auch Ein- und Aussteigen über einige Stufen, Anhalten und der sichere Stand
2.) Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein
."
1.4. Gemäß einem Attest eines Lungenfacharztes vom 14.02.2017 besteht bei der bP seit 1999 eine obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne eines Asthma bronchiale mit zudem rezidivierend auftretenden bronchopulmonalen Infekten bzw. Pneumonie.
Trotz intensiver inhalativer und systemischer Therapie bestehe seit Jahren eine schwerste, nicht reversible Atemstrombehinderung. Eine Besserungstendenz sei nicht zu erwarten. Es bestehe eine beträchtliche Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit bzw. sei die Beistellung einer Haushaltshilfe dringlich geboten. Ebenso sei die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr zumutbar.
1.5. In der Beschwerde führte die BF aus, dass sie seit Jahren an COPD leide, sie diesbezüglich in fachärztlicher Behandlung sei und sich ihr Zustand verschlechtere. Jede kleinste Anstrengung führe bei ihr zur Atemnot, von 300 Metern sei sie weit entfernt, sie schaffe noch maximal 50 Meter und das ohne Einkaufstasche.
Sie sei jahrelang im Pflegeberuf tätig gewesen und jetzt, wo sie selber Hilfe brauche, werde ihr dies verweigert.
Hinsichtlich der Neufestsetzung des Grades der Behinderung mit 90 % sei eine Befristung bis 2019 festgestellt worden, im Behindertenpass sei die Befristung aber bis Ende April 2017 eingetragen worden; sie frage sich daher, was richtig und was falsch sei.
In der Beilage übersende sie eine neue Begutachtung ihres Lungenfacharztes.
1.6. Das am 24.05.2017 – im Verfahren zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung – von einer ärztlichen Sachverständigen (Fachärztin für Innere Medizin) erstellte Gutachten weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:
" 1.) Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Eine kurze Wegstrecke (maximal 200 bis 300 m) in der Ebene kann langsam, jedoch nur mit Pausen zurückgelegt werden. Das Überwinden von einzelnen Stufen ist zumutbar, somit auch das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel mit dem üblichen Stufenniveau. Der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist nur bei sicherer Zurverfügungstellung eines Sitzplatzes möglich.
2.) Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Eine schwere Erkrankung des Immunsystems liegt nicht vor.
."
1.7. Mit Schreiben vom 10.07.2017 nahm die BF zum Gutachten vom 24.05.2017 Stellung und führte aus, dass von ihr eine Wegstrecke von 300 m nicht zu bewältigen sei und für sie in überfüllten Verkehrsmitteln ein Sitzplatz nicht gewährleistet sei.
1.8. Für das gegenständliche Verfahren werden daher folgende Feststellungen getroffen:
Die körperliche Leistungsfähigkeit der BF ist beträchtlich eingeschränkt.
Der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist für die BF nicht generell gewährleistet.
Eine Wegstrecke von 300 – 400 m kann von der BF nicht zurückgelegt werden.
2.0. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.
2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, ( )". Vergleiche dazu auch VwGH, vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).
Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
Gegenständlich liegen medizinische Sachverständigengutachten vom 18.07.2016, vom 27.12.2016 und vom 24.05.2017 vor. Daneben besteht noch ein(e) Befund / Bestätigung eines Lungenfacharztes vom 14.02.2017.
Zum Gutachten vom 18.07.2016: Hierbei handelt es sich um ein Aktengutachten, also ohne eine Begutachtung der betroffenen Person. Dieses Gutachten kann folglich gegenüber den beiden anderen Gutachten vom (27.12.2016 und vom 24.05.2017 – jeweils mit tatsächlicher Begutachtung der Beschwerdeführerin) nur untergeordnete Bedeutung haben und ist also gegenständlich nicht heranzuziehen. Dieses Gutachten ist zudem am wenigsten aktuell.
Zum Gutachten vom 27.12.2016: Soweit das Gutachten ausführt, "auch mit vermindertem Tempo und ev. Verwendung einer Stützkrücke ist eine kurze Gehstrecke möglich, auch Ein- und Aussteigen über einige Stufen, Anhalten und der sichere Stand", so fehlt hier die Definition dessen, was der Gutachter unter "kurzer Wegstrecke" versteht. Die Aussage "auch mit vermindertem Tempo und ev. Verwendung einer Stützkrücke ist eine kurze Gehstrecke von 300 – 400 m möglich" ist aus diesem Gutachten jedenfalls nicht gesichert ableitbar.
Zum Gutachten vom 24.05.2017: Die hier gegenständlich relevante
Aussage dieses Gutachtens lautet: "Eine kurze Wegstrecke (maximal 200 bis 300 m) in der Ebene kann langsam, jedoch nur mit Pausen zurückgelegt werden. Das Überwinden von einzelnen Stufen ist zumutbar, somit auch das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel mit dem üblichen Stufenniveau. Der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist nur bei sicherer Zurverfügungstellung eines Sitzplatzes möglich."
Daraus ist zum einen e contrario zu schließen, dass von der bP eine Wegstrecke von 300 – 400 m nicht zurückgelegt werden kann (arg.: maximal) und zum anderen, dass der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht generell möglich ist, weil eben nicht gewährleistet ist, dass für die bP immer ein Sitzplatz zur Verfügung steht.
Soweit dieses Gutachten den Grad der Behinderung von 90 % auf 80 % reduziert ist dies für das gegenständliche Verfahren insofern ohne Bedeutung, weil es hier nur um die nicht gewährte Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" geht und nicht um den GdB.
Der Befund eines Lungenfacharztes vom 14.02.2017 lautet im hier maßgeblichen Umfang: Bei der BF "besteht seit Jahren eine schwerste, nicht reversible Atemstrombehinderung. Eine Besserungstendenz ist nicht zu erwarten. Es besteht eine beträchtliche Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit ". Dieser fachärztlichen Aussage wurde im Gutachten vom 24.05.2017 weder widersprochen, noch diese Aussage relativiert.
Demnach ist die körperliche Leistungsfähigkeit der BF beträchtlich eingeschränkt.
Diese Sachverständigengutachten, die Ausführungen der bP in der Beschwerde und in der Stellungnahme sowie die vorgelegten medizinischen Unterlagen (insbes. v. 14.02.2017) wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt und die unter 1.8. angeführten Feststellungen getroffen.
3.0. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
-
Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
-
Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF
-
Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF
-
Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
-
Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
-
Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
3.2. Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
In Anwendung des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs. 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.
3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 9 Abs 1 VwGVG hat die Beschwerde zu enthalten:
1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,
2. die Bezeichnung der belangten Behörde,
3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
4. das Begehren und
5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2. ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.
3.4. Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Nach § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 – also die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt und das Begehren) zu überprüfen, ist also daran gebunden.
In der Beschwerde führte die BF im Ergebnis aus, dass - entgegen der Ansicht der bB - ihr die beantragte Zusatzeintragung hätte gewährt werden müssen.
Gemäß § 1 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen [ .]
Gemäß Abs 4 leg cit ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen: [. ]
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Gemäß Abs 5 leg cit bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Gemäß § 3 Abs 1 leg cit ist dem Behindertenpassinhaber/der Behindertenpassinhaberin, zum Nachweis, dass er/sie über die Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügt, die im § 29b Abs 2 bis 4 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. 159 (StVO), genannten Berechtigungen in Anspruch nehmen kann, ein Parkausweis auszustellen. Die in einem gültigen Behindertenpass enthaltene Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung oder Blindheit" ist der Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gleichzuhalten.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080). Auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren, kommt es nicht an (VwGH vom 22.10.2002, GZ 2001/11/0258).
Die angeführten Sachverständigengutachten, die Angaben der bP im Verfahren und weiteren Beweismittel wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt.
Die Prüfung, ob die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" vorzunehmen ist, hat entlang der Kriterien der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, (konkret: ob bei der bP
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--erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
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--erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
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--erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
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--eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
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--eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit
vorliegen) zu erfolgen; die entsprechenden Ausführungen in den benannten Aktenteilen erweisen sich in dieser Hinsicht als ausreichend.
Entscheidungswesentlich ist dabei ausschließlich der Gesundheitszustand der bP selbst. Maßgeblich ist, ob erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen vorliegen oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorliegt.
Gemäß den zitierten Passagen aus dem Verwaltungsakt sind derartige Umstände gegeben. Soweit die fachärztliche Beurteilung auf "beträchtliche Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit" lautet, ist "beträchtlich" jedenfalls mit "erheblich" gleichzusetzen.
Gemäß den in Zusammenschau herangezogenen Aussagen der Gutachter und Fachärzte liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Ziff. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF - und damit die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung - bei der bP vor.
Bei der Beschwerdeführerin liegen jedenfalls erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor, von ihr kann eine Wegstrecke von 300 – 400 m nicht zurückgelegt werden und ist ihr sicherer Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht generell gewährleistet; der Beschwerdeführerin ist daher die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.5. Soweit die BF in ihrer Beschwerde Widersprüche zwischen Gutachten und tatsächlicher Eintragung im Behindertenpass (eine Befristung betreffend) releviert, so fehlt dem Bundesverwaltungsgericht - mangels eines Abspruches darüber durch die bB - die Zuständigkeit. Die BF ist daher insoweit an das Sozialministeriumservice zu verweisen.
3.6. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes steht das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der bB releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Regelung des § 67d AVG (vgl. VwGH vom 24.4.2003, 2002/07/0076) wird die Durchführung der Verhandlung damit ins pflichtgemäße Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die Wendung "wenn es dies für erforderlich hält" schon iSd rechtsstaatlichen Prinzips nach objektiven Kriterien zu interpretieren sein wird (vgl. VwGH vom 20.12.2005, 2005/05/0017). In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 MRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.
Nach der Rechtsprechung des EGMR ist das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der dadurch oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu prädestiniert, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson
v. Sweden, EGMR 12.4.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.6.1993)
Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v. Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl. VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304).
Unter Bezugnahme auf die zitierte Judikatur der Höchstgerichte sowie Heranziehung der vorliegenden Akten als auch des festgestellten Sachverhaltes und der daraus resultierenden Ermittlungsergebnisse und unter Beachtung der entsprechenden Stellungnahmen der bP wurde von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung iSd § 24 Abs 4 VwGVG Abstand genommen. Dies begründet sich u.a aus dem Umstand, dass eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtsfrage erwarten lässt und auch der festgestellte Sachverhalt nicht ergänzungsbedürftig scheint. Weiteres besteht auch keine zwingende gesetzliche Bestimmung, die das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet, in der anhängigen Beschwerdesache eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
In diesem Zusammenhang wird auch auf das Erk. des VwGH vom 27.9.2013, Zl. 2012/05/0213 verwiesen (" Im Übrigen lassen die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die vorgelegten Verwaltungsakten erkennen, dass die Erörterung in einer Verhandlung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, zumal das Verfahren rechtliche Fragen betrifft, zu deren Beantwortung auch im Sinne der Judikatur des EGMR (Hinweis E vom 28. Mai 2013, 2012/05/0120 bis 0122, mwH auf die Rechtsprechung des EGMR; ferner etwa das Urteil des EGMR vom 18. Juli 2013, Nr. 56422/09, Schädler-Eberle gegen Liechtenstein) eine öffentliche, mündliche Verhandlung nicht geboten erscheint."), wo das genannte Höchstgericht zum Schluss kam, dass keine Verhandlung durchzuführen ist (zumal sich § 24 Abs. 4 VwGVG mit § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG inhaltlich deckt, erscheinen die dort angeführten Überlegungen im gegenständlichen Fall sinngemäß anwendbar).
Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war daher nicht erforderlich.
Eine solche wurde auch nicht beantragt.
3.7. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Diesbezüglich ist die vorliegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Darüber hinaus stellten sich im gegenständlichen Fall in erster Linie Fragen der Beweiswürdigung und rechtlichen Beurteilung.
Sonstige Hinweise, die auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage schließen lassen, liegen ebenfalls nicht vor. Rein der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht erst mit 01.01.2014 ins Leben gerufen wurde, lässt nicht den Schluss zu, dass es sich um eine Rechtsfrage handelt, die noch nicht vom Verwaltungsgerichtshof geklärt wurde.
Die grundsätzlichen Bestimmungen betreffend der Ausstellung eines Behindertenpasses und der Voraussetzungen für die Vornahme von Zusatzeintragungen erfuhr keine substanzielle Änderung, weshalb auch in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gegeben waren.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:L515.2159816.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.12.2017