TE OGH 2017/10/25 6Ob180/17i

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Veröffentlicht am 25.10.2017
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** S*****, vertreten durch Dr. Stefan Schermaier, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R***** S*****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Abtretung eines Geschäftsanteils (Streitwert nach JN 1.000 EUR, nach RATG 9.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. Juni 2017, GZ 1 R 106/17k-20, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 9. März 2017, GZ 20 C 203/16y-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten des Revisionsverfahrens jeweils selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist mit einem Geschäftsanteil, der einer zur Hälfte bar eingezahlten Stammeinlage im Nennbetrag von 18.000 EUR und sohin einer Beteiligung am Stammkapital, an den Stimmrechten, am Vermögen und am Bilanzgewinn der Gesellschaft von 50 % entspricht, an der C***** GmbH beteiligt. Der Beklagte ist ebenfalls Gesellschafter der Gesellschaft und mit einem Geschäftsanteil, der einer zur Hälfte bar eingezahlten Stammeinlage im Nennbetrag von 18.000 EUR und somit einer Beteiligung an der Gesellschaft von 50 % entspricht, an der Gesellschaft beteiligt.

Die Gesellschaft wurde unter der Firma „R***** GmbH“ mit Gesellschaftsvertrag vom 22. 4. 2009 gegründet und am 14. 7. 2009 ins Firmenbuch eingetragen. Gesellschafter waren zum Gründungszeitpunkt R***** E***** als Treuhänder des Klägers mit einer Stammeinlage von 18.000 EUR und der Beklagte als Treuhänder von Mag. G***** Z***** mit einer Stammeinlage von ebenfalls 18.000 EUR. Der Kläger blieb bis 9. 3. 2011 Treugeber zuerst des Gesellschafters R***** E***** und danach des späteren Gesellschafters R***** P*****. Von 18. 3. 2011 bis 11. 6. 2014 war der Beklagte alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft. Mit 30. 3. 2011 wurde zwischen dem Beklagten als Geschäftsführer der Gesellschaft und dem Kläger ein notarieller Optionsvertrag, mit welchem dem Kläger eine Call-Option über 50 % des Geschäftsanteils eingeräumt wurde, abgeschlossen. Mit 14. 4. 2014 hat der Kläger diese Call-Option ausgeübt und wurde mit 11. 6. 2014 als Gesellschafter der Gesellschaft in das Firmenbuch eingetragen.

Der Punkt XII, „Geschäftsanteileübertragung, Aufgriffsrecht“ des Gesellschaftsvertrags der Gesellschaft sieht unter anderem folgende Regelungen vor:

6. In jedem Fall der Übertragung von Geschäftsanteilen steht den Gesellschaftern ein wechselseitiges Aufgriffsrecht an dem Geschäftsanteil zu. Der übertragswillige Gesellschafter hat daher jedes geplante Rechtsgeschäft unter Lebenden den anderen Gesellschaftern schriftlich eingeschrieben bekanntzugeben. Das von dritter Seite vorliegende Angebot ist unter Bekanntgabe sämtlicher Vertragsmodalitäten urkundlich nachzuweisen. Das Aufgriffsrecht steht den anderen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Stammeinlage zu. Der aufgriffsberechtigte Gesellschafter hat innerhalb von 30 Tagen gerechnet ab Zustellung des Anbots das Anbot schriftlich eingeschrieben anzunehmen. Bei nicht fristgerechter Annahme gilt das Aufgriffsrecht als nicht ausgeübt. Eine teilweise Ausübung des Aufgriffsrechts ist nicht zulässig. Macht ein Gesellschafter von seinem Aufgriffsrecht keinen Gebrauch, so wächst sein Recht den verbleibenden aufgriffswilligen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung zu und haben diese binnen weiterer 30 Tage schriftlich eingeschrieben von ihrem Aufgriffsrecht Gebrauch zu machen.

8. Der Abtretungspreis entspricht – nach freier Wahl der Aufgriffsberechtigten – dem vom Dritten gebotenen Kaufpreis oder dem nach dem Fachgutachten KFS-BW 1 des Institutes für Betriebswirtschaft, Steuerrecht und Organisation der Kammer der Wirtschaftstreuhänder oder einer an dessen Stellen tretenden Richtlinien zu ermittelnden Wert. Auszugehen ist bei der Bewertung von dem letzten Bilanzstichtag der Gesellschaft. Wesentliche Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft seit diesem Stichtag sind zu berücksichtigen. Einigen sich die treffenden Gesellschafter nicht binnen einer Frist von 2 Monaten über den Wert des betreffenden Geschäftsanteils, ist jeder von ihnen berechtigt, beim Präsidenten der Kammer der Wirtschaftstreuhänder für Wien die Bestellung eines Schiedgutachters zu beantragen, welcher den Wert des Geschäftsanteils nach den vorstehenden Regelungen zu ermitteln hat. Die Kosten dieses Schiedsgutachters tragen die betreffenden Gesellschafter zu gleichen Teilen. Der Abtretungspreis ist binnen 24 Monaten nach dem Abtretungsstichtag in jeweils gleich hohen Monatsraten zur Zahlung fällig. Bei Zahlungsverzug gelten Zinsen in Höhe von 8 % p.a. über der Bankrate der Österreichischen Nationalbank vereinbart. Eine Aufrechnung dieser Ansprüche mit Forderungen welcher Art auch immer, ist ausgeschlossen.

9. Jeder Gesellschafter ist verpflichtet, seinen Geschäftsanteil an die Mitgesellschafter im Verhältnis deren Beteiligung oder an einen von diesen gemeinsam oder einvernehmlich namhaft gemachten Dritten um den – unter sinngemäßer Anwendung des zuvor beschriebenen Verfahrens zu ermittelnden – Abretungspreis abzutreten, wenn über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden ist oder die Zwangsvollstreckung gegen seinen Geschäftsanteil betrieben wird, sofern diese Maßnahmen nicht innerhalb von 2 Monaten wieder aufgehoben worden sind.

Der Punkt XVI „Wettbewerbsverbot, Verschwiegenheitspflicht“ des Gesellschaftsvertrags der Gesellschaft sieht unter anderem nachstehende Regelungen vor:

1. Die Geschäftsführer und die Gesellschafter dürfen ohne Gesellschafterbeschluss, der einer Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen bedarf, weder direkt noch indirekt Geschäfte im Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung machen, noch einer Gesellschaft desselben Geschäftszweiges als persönlich haftender Gesellschafter, als Geschäftsführer, Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied angehören, noch Konsulententätigkeit oder eine ähnliche Tätigkeit für fremde, insbesondere für konkurrenzierende Unternehmen aufnehmen. Das Wettbewerbsverbot bindet die Gesellschafter und Geschäftsführer auch nach Beendigung der Gesellschafterstellung bzw der Geschäftsführerstellung bis zum Ablauf eines Jahres.

3. Bei Verletzung dieser Pflichten hat der Verletzende für jeden einzelnen Verletzungsfall binnen 14 Tagen ab zugegangener schriftlichen Aufforderung eine Konventionalstrafe in Höhe von 20.000 EUR an die Gesellschaft zu bezahlen.

Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 26. 11. 2015, 2 S 74/15t, wurde über das Vermögen des Beklagten das Konkursverfahren eröffnet.

Der Kläger ist außerdem Geschäftsführer der „s***** GmbH“. Die s***** GmbH wurde unter der Firma „F***** GmbH“ mit Gesellschaftsvertrag vom 29. 7. 2008 gegründet und am 2. 8. 2008 ins Firmenbuch eingetragen. Der Kläger hat die Geschäftsführerfunktion in diesem Unternehmen seit dessen Gründung und war zu Beginn auch Alleingesellschafter. Derzeit hält der Kläger 50 % des Geschäftsanteils an der s***** GmbH über die S***** GmbH, deren geschäftsführender Alleingesellschafter er ist.

Der Geschäftszweck der Gesellschaft und der s***** GmbH ist gleich, nämlich jeweils die Beratung von Unternehmen, aber auch von Privatpersonen und Kommunen, die Schäden im Zusammenhang mit Derivatgeschäften erlitten haben. Beide Gesellschaften sind als Unternehmensberater in der Fachgruppe Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie Fachgruppe Wien eingetragen. Dabei wurde die Gesellschaft bewusst als Parallelgesellschaft zur bereits bestehenden s***** GmbH gegründet und sollten beide am Markt nach außen auftreten. Die Gesellschafter der s***** GmbH, der Kläger und Mag. Z*****, sollten jedoch bei der Gesellschaft nach außen nicht in Erscheinung treten, weil sie aufgrund ihrer Beratungstätigkeit starken Angriffen der Banken ausgesetzt waren. Dies war der Grund dafür, dass in der Gesellschaft zunächst Treuhänder eingesetzt wurden.

Hinsichtlich der Aufgabenverteilung zwischen der Gesellschaft und der s***** GmbH wurde jeweils im Einzelfall entschieden, von welchem Unternehmen ein Kunde betreut wird, welches der beiden Unternehmen also konkret den Beratungsvertrag mit dem Kunden abschließt. Im Innenverhältnis wurden die Aufgaben zwischen den beteiligten Personen, also dem Kläger, dem Beklagten und Mag. Z***** aufgeteilt. Dabei war es die Aufgabe des Klägers, welcher auch gerichtlich beeideter Sachverständiger ist, Gutachten zu den Derivatgeschäften zu erstellen. Die Aufgabe des Beklagten bestand in der Verhandlungsführung mit den Kunden und den involvierten Banken. Mag. Z***** war im Wesentlichen für die strategische Arbeit im Hintergrund und für die Akquisition von Neukunden zuständig. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Aufteilung der Tätigkeit zwischen der Gesellschaft und der s***** GmbH derart erfolgte oder beabsichtigt war, dass die Kommunen von der Gesellschaft und die Unternehmen von der s***** GmbH betreut werden sollen.

Zwischen dem Kläger, dem Beklagten und Mag. Z***** gab es wöchentliche Meetings, in denen unter anderem entschieden wurde, ob ein Kunde konkret von der Gesellschaft oder von der s***** GmbH betreut werden sollte. Weiters wurde in diesen Meetings auch die Aufteilung der Honorare für die jeweiligen Geschäftsfälle vereinbart. Am 1. 3. 2011 wurde eine Kooperationsvereinbarung zwischen der Gesellschaft und der s***** GmbH (damals noch F***** GmbH) abgeschlossen, in welcher eine Aufteilung der Honorareinnahmen für gemeinsame Kunden im Verhältnis von 5 % für die Gesellschaft und 95 % für die s***** GmbH vereinbart wurde. Abweichend von dieser Kooperationsvereinbarung erfolgte jedoch auch in der Folge die Aufteilung der Honorare in einer jeweils im Einzelfall zwischen dem Kläger, dem Beklagten und Mag. Z***** vereinbarten Höhe. Mit Schreiben vom 18. 3. 2013 an Mag. Z***** und an den Kläger, teilte der Beklagte namens der Gesellschaft mit, dass die Kooperationsvereinbarung vom 1. 3. 2011 beendet wird. Mag. Z***** und der Kläger wussten von der Beendigung der Kooperationsvereinbarung und vereinbarten mit dem Beklagten, dass in Zukunft, entsprechend der ohnehin gelebten Übung, die Honorare jeweils im Einzelfall aufgeteilt werden, womit dem jeweiligen Anteil eines jeden einzelnen an der Erledigung eines Geschäftsfalls Rechnung getragen werden sollte.

Der Beklagte war bereits bei Gründung der Gesellschaft über die Geschäftstätigkeit des Klägers und von Mag. Z***** im Zusammenhang mit der s***** GmbH informiert. Der Zweck des Vertragspunkts XII Abs 9 des Gesellschaftsvertrags der Gesellschaft war, dass für den Fall, dass in der Vermögenssituation eines der Gesellschafter „etwas passiert“, seine Gesellschaftsanteile nicht in fremde Hände gelangen sollten.

In dem zwischen dem Kläger und dem Beklagten am 30. 3. 2011 abgeschlossenen notariellen Optionsvertrag, mit welchem dem Kläger eine „Call-Option“ über 50 % des Geschäftsanteils eingeräumt wurde, wurde in Punkt I.6. vereinbart: „S***** S***** unterwirft sich mit Annahme dieses Anbots den Bestimmungen des Gesellschaftsvertages der C***** GmbH und den Beschlüssen der Gesellschafter“. Mit Notariatsakt vom 14. 4. 2014 hat der Kläger die „Call-Option“ ausgeübt und darin ausdrücklich erklärt, den Gesellschaftsvertrag der Firma C***** GmbH in seiner derzeit geltenden Fassung zu kennen, sich seinen Bestimmungen zu unterwerfen und Herrn R***** S***** hinsichtlich aller Verbindlichkeiten, die sich aus dem Gesellschafterverhältnis ergeben, schad- und klaglos zu halten. Der Beklagte erinnerte den Kläger nach Übernahme der Geschäftsanteile an das im Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft geregelte Wettbewerbsverbot und forderte ihn auf, entsprechende Maßnahmen bei der s***** GmbH zu setzen, was der Kläger ablehnte.

Im Jahr 2013 hat der Beklagte den bisher treuhändig für Mag. Z***** gehaltenen Geschäftsanteil an der Gesellschaft im Eigenbesitz übernommen. Dies wurde auch dem Kläger mitgeteilt. Nach Abtretung des Geschäftsanteils des Mag. Z***** an den Beklagten hat die Gesellschaft keine neuen Beratungsverträge mehr abgeschlossen, mit Ausnahme des Kunden R*****, wobei dieser Beratungsvertrag aber wieder aufgekündigt wurde.

Am 7. 5. 2014 erstattete der Kläger Selbstanzeige gemäß § 29 Finanzstrafgesetz, in der er die unrechtmäßige Geltendmachung von Vorsteuern durch die s***** GmbH in der Umsatzsteuervoranmeldung 10/2013 und 12/2013 in Höhe von 60.000 EUR anzeigte und darauf verwies, dass den von der Gesellschaft gegenüber der s***** GmbH ausgestellten Rechnungen vom 1. 10. 2013 und 16. 12. 2013 über insgesamt 300.000 EUR keine Leistungen zugrunde gelegen seien.

Am 15. 5. 2014 erstattete der Kläger im eigenen Namen und namens der S***** GmbH und der s***** GmbH Anzeige gegen Mag. Z***** und gegen den Beklagten bei der Staatsanwaltschaft Wien, in welcher er bekanntgab, dass in gemeinsamen Geschäftsfällen der s***** GmbH Honorare vorenthalten worden waren, obwohl der Kläger Expertisen erstellt und Kundentermine wahrgenommen habe. Die Anzeigen gegen Mag. Z***** und den Beklagten wurden zurückgelegt.

Umgekehrt gab es auch eine Anzeige des Beklagten gegen den Kläger, der zugrundelag, dass der Kläger in einem Gespräch mit dem Beklagten angeboten hatte, seine Gesellschaftsfunktionen in der Gesellschaft gegen Zahlung eines Betrags von 1.000.000 EUR zurückzulegen, womit die der s***** GmbH vermeintlich vorenthaltenen Honorare abgegolten sein sollten. Der Beklagte wertete dies als Erpressungsversuch und erstattete Anzeige, welche in der Folge jedoch ebenfalls eingestellt wurde.

Am 9. 10. 2014 schloss die s***** GmbH einen Consultingvertrag mit U***** K***** und der R***** AG betreffend Erbringung von Beratungsleistungen im Zusammenhang mit den für die Auftraggeber bestehenden und bereits geschlossenen Treasury-Geschäften bei der R***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung ab.

Nachdem über das Vermögen des Beklagten mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 26. 11. 2015 das Konkursverfahren eröffnet wurde, richtete der Kläger, vertreten durch seinen Rechtsvertreter am 8. 2. 2016 ein Schreiben an den Beklagten sowie an die bestellte Masseverwalterin, Rechtsanwältin Dr. Ute Toifl. Er hielt darin fest, dass bis zum 8. 2. 2016, sohin mehr als zwei Monate nach Konkurseröffnung, der Konkurs noch nicht aufgehoben wurde und führte in weiterer Folge aus:

Im Namen unseres Mandanten erklären wir ausdrücklich, dessen Aufgriffsrecht gemäß Punkt XII. Absatz 9 des Gesellschaftsvertrages der Gesellschaft auszuüben. Der Kaufpreis ist anhand des Fachgutachtens AFS-BW 1 des Institutes für Betriebswirtschaft, Steuerrecht und Organisation der Kammer der Wirtschaftstreuhänder oder eine an dessen Stellen tretenden Richtlinien zu ermitteln. Vor Beauftragung eines Gutachters sollten R***** als Abtretungspflichtiger und unser Mandat als aufgriffsberechtigter Gesellschafter versuchen, sich auf einen Kaufpreis zu einigen. Da unserem Mandaten aber sämtliche Informationen über die Gesellschaft fehlen, diesbezügliche Einsichts- und Informationsrechte werden ihm seit Jahren verweigert, ist es schwer, ein Erstangebot für den Kaufpreis abzugeben. Dennoch, aufgrund der Tatsache, dass die Gesellschaft offenbar ihre Geschäftstätigkeit eingestellt hat, bietet unser Mandat einen Abtretungspreis für den Geschäftsanteil in Höhe von 1.000 EUR.

Wir ersuchen, bis spätestens 15. 2. 2016 mitzuteilen, ob R***** bzw Sie, sehr geehrte Frau Kollegin, die vorgeschlagene Höhe des Abtretungspreises annahmen oder um Übermittlung eines Gegenvorschlags. ...

Mit Beschluss vom 18. 2. 2016 wurde der Konkurs mit Zustimmung aller Gläubiger aufgehoben. Nach Einleitung des Insolvenzverfahrens hat der Beklagte der Masseverwalterin einen Plan vorgelegt, wie er seine Gläubiger befriedigen kann. Es kam zu keinerlei Schritten betreffend eine Vermögensverwertung, insbesondere eine Verwertung der Gesellschaftsanteile des Beklagten an der Gesellschaft. Sie hat weder Gesellschafterversammlungen einberufen, noch Bucheinsicht genommen.

Da der Beklagte behauptete, der Kläger habe sein Aufgriffsrecht mit dem am 8. 2. 2016 übermittelten eingeschriebenen Schreiben nicht formgerecht ausgeübt, erklärte der Kläger mit Notariatsakt vom 5. 7. 2016 nochmals ausdrücklich, das Aufgriffsrecht gemäß Punkt XII Abs 9 des Gesellschaftsvertrags auszuüben. Der Kläger bot neuerlich einen Abtretungspreis für den Geschäftsanteil in Höhe von 1.000 EUR und führte an, dass für den Fall, dass der Beklagte den Abtretungspreis nicht annehme, der Kaufpreis anhand des Fachgutachtens KFS-BW 1 des Instituts für Betriebswirtschaft, Steuerrecht und Organisation der Kammer der Wirtschaftstreuhänder oder eine an dessen Stellen tretenden Richtlinien zu ermitteln ist.

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Abtretung seiner Anteile an der C***** GmbH. Der Kläger brachte vor, er habe mit Schreiben seines Rechtsvertreters vom 8. 2. 2016 an den Beklagten und an die zuständige Masseverwalterin die Ausübung des Aufgriffsrechts gemäß Punkt XII Abs 9 des Gesellschaftsvertrags erklärt. Da vom Beklagten behauptet werde, der Kläger hätte das ihm zustehende Aufgriffsrecht nicht formgerecht ausgeübt, habe der Kläger eine entsprechende Aufgriffserklärung nochmals in Notariatsaktsform errichtet, welche an den Beklagtenvertreter übermittelt wurde. Nicht richtig sei, dass der Kläger gegen sein Wettbewerbsverbot verstoßen hätte.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und wandte ein, die Abtretung eines Geschäftsanteils und jedes darauf gerichtete schuldrechtliche Geschäft bedürfe der Notariatsaktsform. Die in einfacher Schriftform abgegebene Aufgriffserklärung des Klägers sei daher unwirksam. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten sei am 17. 2. 2016 rechtskräftig aufgehoben worden, sodass eine spätere formgerechte Nachholung des Aufgriffsrechts in Notariatsaktsform nicht mehr möglich sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Gemäß § 76 Abs 2 GmbHG bedürfe es zur Übertragung von Geschäftsanteilen mittels Rechtsgeschäfts unter Lebenden eines Notariatsakts. Die Ausübung des Aufgriffsrechts mit eingeschriebenem Schreiben vom 8. 2. 2016 sei daher nicht formgerecht erfolgt. Zum Zeitpunkt der Erklärung des Aufgriffsrechts mittels Notariatsakts sei das Insolvenzverfahren längst aufgehoben worden, sodass ausgehend vom Zweck des Aufgriffsrechts kein Anspruch auf Übertragung mehr bestanden habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Zunächst verwarf es die Beweisrüge des Klägers in Anwendung des § 501 ZPO. Der Kläger habe sein Klagebegehren mit 1.000 EUR bewertet. Der vom Beklagten vorgenommenen Streitwertbemängelung nach § 7 RATG habe der Kläger entgegengehalten, die Bewertung des Streitgegenstands mit 1.000 EUR sei angesichts des objektiven Werts der Gesellschaft jedenfalls angemessen. Eine offensichtliche Fehlbewertung liege nach Auffassung des Berufungsgerichts daher nicht vor, sodass auf die Beweisrüge des Klägers gemäß § 501 Abs 1 ZPO nicht eingegangen werden dürfe.

Rechtlich billigte das Berufungsgericht die Rechtsansicht des Erstgerichts. Die rechtsgestaltende Aufgriffserklärung des Klägers bedürfe als Teil des Verpflichtungsgeschäfts der Notariatsaktsform. Die Nachholung der Ausübung des Aufgriffsrechts durch den Notariatsakt vom 5. 7. 2016 komme nicht in Betracht, weil das Konkursverfahren mit Beschluss vom 18. 2. 2016 mit Zustimmung aller Gläubiger aufgehoben worden sei. Zielsetzung der Regelung im Punkt XII Abs 9 des Gesellschaftsvertrags sei, den übrigen Gesellschaftern die Möglichkeit zu geben, sich von einem insolventen Mitgesellschafter zu trennen. Es wäre jedoch grob unbillig, im Falle eines ohne Vermögensverwertung mit Zustimmung aller Gläubiger aufgehobenen Insolvenzverfahrens den Mitgesellschaftern ein unbegrenztes Aufgriffsrecht für die Zukunft einzuräumen. Das Aufgriffsrecht bestehe vielmehr nur solange, solange der im Gesellschaftsvertrag festgehaltene Zustand (Insolvenzverfahren, Fehlen eines zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erforderlichen kostendeckenden Vermögens oder Zwangsvollstreckung) andauere. Der über vier Monate nach Aufhebung des Konkurses gemäß § 123b IO errichtete Notariatsakt erfülle daher die Voraussetzungen des Punkt XII Abs 9 des Gesellschaftsvertrags nicht.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige „5.000 und auch 30.000 EUR“. Bereits das Erstgericht habe das Klagebegehren bei der Streitwertbemessung nach § 7 RATG mit 9.000 EUR bewertet. Das Berufungsgericht erachte den Wert der Gesellschaftsanteile angesichts der vom Beklagten behaupteten Forderungen der Gesellschaft von insgesamt 300.000 EUR als 30.000 EUR jedenfalls übersteigend.

Die Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zu 6 Ob 233/12a die Frage der Richtigkeit der Ansicht des Berufungsgerichts über die Ausübung des Aufgriffsrechts in Form des Notariatsakts ausdrücklich offen gelassen habe und daher nicht von einer gefestigten Rechtsprechung auszugehen sei, zumal dazu lediglich eine sehr lange zurückliegende Entscheidung (6 Ob 542/90) existiere.

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Zurückweisung der Revisionsbeantwortung

1.1. Die Revisionsbeantwortung ist verspätet. Diese wurde am 15. 9. 2017 eingebracht. Die Revision war den Beklagtenvertretern am 17. 8. 2017 zugestellt worden. Gemäß § 222 ZPO sind unter anderem Revisionsbeantwortungsfristen zwischen dem 15. 7. und dem 17. 8. gehemmt. Dies bedeutet, dass bei einer Zustellung in diesem Zeitraum die Rechtsmittelfrist am 18. 8. zu laufen beginnt (RIS-Justiz RS0036586 [T1]; Annerl in Fasching/Konecny³ § 222 ZPO Rz 22). Die Zustellung gilt aber bereits als während der Fristenhemmung, hier also am 17. 8. vollzogen; es besteht keinerlei Grundlage dafür, erst den ersten Tag nach der Fristenhemmung als den Tag der Zustellung zu behandeln, von dem an die Frist zu berechnen wäre (RIS-Justiz RS0036272). Demgemäß wird sowohl im Fristenrechner der Richtervereinigung als auch bei Kolmasch (Fristenhemmung im Sommer, Zak 2017/353) jeweils der 14. 9. 2017 als letzter Tag einer vierwöchigen Frist bei einer Zustellung am 17. 8. 2017 genannt. Die erst am 15. 9. 2017 eingebrachte Revisionsbeantwortung ist daher verspätet.

2. Zur Zulässigkeit der Revision

2.1. Der Umstand, dass der Kläger seine Klage im Verfahren erster Instanz mit lediglich 1.000 EUR bewertet hat, steht der Zulässigkeit der Revision nicht jedenfalls entgegen. Maßgeblich für die Zulässigkeit der Revision, soweit diese einer Wertgrenze unterliegt, ist der Wert des Entscheidungsgegenstands, über den das Berufungsgericht entschieden hat. Nach dem Wertausspruch des Berufungsgerichts übersteigt aber der Wert des Entscheidunsgegenstands 30.000 EUR. An diesen Ausspruch ist der Oberste Gerichtshof grundsätzlich gebunden. Anderes würde nur bei Verletzung zwingender Bewertungsvorschriften (vgl RIS-Justiz RS0042450) oder einer offenbaren Unter- oder Überbewertung (vgl RIS-Justiz RS0042385, RS0042450, RS0118748) durch das Berufungsgericht gelten. Ein derartiger Fall liegt hier aber nicht vor. Das Berufungsgericht war bei seinem Wertausspruch an die Bewertung durch den Kläger (§ 56 Abs 2 JN) nicht gebunden (RIS-Justiz RS0043252). Das Berufungsgericht hat seinen Ausspruch zudem ausführlich und nachvollziehbar begründet und dargelegt, aus welchen Erwägungen es der vom Kläger vorgenommenen Bewertung nicht folgte. In Anbetracht des Umstands, dass schon das Erstgericht den Wert des Streitgegenstands gemäß § 7 RATG neunmal höher als vom Kläger angegeben festgesetzt hat, ist in der Einschätzung des Berufungsgerichts, der Streitwert liege jedenfalls über der für die Anrufung des Obersten Gerichtshofs erforderlichen Wertgrenze von 5.000 EUR, jedenfalls keine offenbare Fehlbewertung zu erblicken.

2.2. Der Zulässigkeit der Revision steht daher das Unterschreiten der Wertgrenze des § 502 Abs 2 ZPO nicht entgegen. Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

3. In der Sache

3.1.1. Nach § 76 Abs 2 GmbHG bedarf es zur Übertragung von Geschäftsanteilen mittels Rechtsgschäfts unter Lebenden eines Notariatsakts. Der gleichen Form bedürfen nach dem Gesetzestext auch Vereinbarungen über die Verpflichtung eines Gesellschafters zur künftigen Abtretung eines Geschäftsanteils.

3.1.2. Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Frage, ob hinsichtlich der Verpflichtung zur künftigen Abtretung, also bei der Vereinbarung des Aufgriffsrechts, die Formpflicht eingehalten wurde, weil die Bestimmung hier im Gesellschaftsvertrag enthalten ist, der in Notariatsaktform errichtet wurde, sondern vielmehr darum, ob die Ausübung des Aufgriffsrechts der Notariatsaktsform bedarf. Diese Frage wurde von der Entscheidung 6 Ob 542/90 dahingehend beantwortet, dass die Ausübung wiederum in der vorgeschriebenen Form des Notariatsakts erfolgen muss. Von dieser Rechtsprechung abzugehen besteht kein Anlass:

3.1.3. Der Zweck der Formvorschrift liegt in der Immobilisierung der Geschäftsanteile, im Schutz der Parteien beim Erwerb einer Beteiligung und in der Publizität (RIS-Justiz RS0060256 [T4]). Das Formgebot des § 76 Abs 2 GmbHG bezweckt die Formbindung der Veränderung der wirtschaftlichen Zuordnung des Geschäftsanteils (RIS-Justiz RS0060244 [T2]). Der Formpflicht im Bereich des § 76 GmbHG kommt daher auch eine Klarstellungsfunktion zu (RIS-Justiz RS0060234 [T2]). Gerade dieser Klarstellungsfunktion wird auch in der Literatur Bedeutung beigemessen, zumal die Eintragung der Gesellschafter im Firmenbuch einer rechtssicheren Grundlage bedarf (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 76 Rz 16). Auf die Einhaltung der Formvorschrift ist streng zu achten; die erforderliche Notariatsaktsform kann auch durch den Gesellschaftsvertrag nicht abbedungen werden (RIS-Justiz RS0086631). Es handelt sich dabei um zwingendes Recht (Rauter in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 76 Rz 176).

3.1.4. § 76 Abs 2 GmbHG ist weit zu verstehen; erfasst sind auch Vereinbarungen über die künftige Abtretung von Gesellschaftsanteilen (RIS-Justiz RS0059756), ebenso Vorverträge und Optionen als verbindliche Anbote einer Abtretung (1 Ob 518/86). Auch die Verpflichtung, einen Geschäftsanteil künftig zu übernehmen, bedarf für ihre Wirksamkeit der Einhaltung der Form (RIS-Justiz RS0059756 [T4]). § 76 Abs 2 Satz 2 GmbHG kann sinnvoll nur dahin verstanden werden, dass nicht nur die Verpflichtung zur künftigen Abtretung eines Geschäftsanteils, sondern ebenso auch die Verpflichtung, einen solchen Anteil künftig zu übernehmen, der Form des Notariatsakts bedarf (RIS-Justiz RS0060195). Überhaupt bezieht sich diese Bestimmung auf alle obligatorischen Geschäfte, die auf eine künftige Abtretung von Geschäftsanteilen gerichtet sind, gleichviel, ob eine Person, die bereits Gesellschafter ist, oder ein Nichtgesellschafter den Geschäftsanteil erwerben soll (RIS-Justiz RS0060195 [T1]). Von der Formpflicht sind sowohl Verpflichtungsgeschäft als auch Verfügungsgeschäft erfasst (RIS-Justiz RS0059756 [T5]). Wenn Anbot und Annahme in zwei Urkunden getrennt sind, dann bedürfen beide der Notariatsaktsform (4 Ob 517/80).

3.1.5. Dementsprechend wird auch bei Rauter in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 76 Rz 144 ausgeführt, sowohl die Ausübung des Aufgriffsrechts als auch das anschließende Verfügungsgeschäft seien notariatsaktspflichtig. Im Ergebnis wird damit die Ausübung des Aufgriffsrechts offenbar zum – ebenfalls formpflichtigen – Verpflichtungsgeschäft gezählt, weil sich die Verpflichtung zur Übertragung des Gesellschaftsanteils erst aktualisiert, wenn der Aufgriffsberechtigte von seinem Recht Gebrauch macht. Jedenfalls wird die Begründung für die strenge Formpflicht sowohl des Verpflichtungs- als auch des Verfügungsgeschäfts darin gesehen, dass ansonsten der Geschäftsanteil beliebig oft formfrei veräußert werden könnte, solange bloß der erste Veräußerer am Ende den Geschäftsanteil an den letzten Erwerber der Erwerberkette durch ein Verfügungsgeschäft in Notariatsaktsform überträgt (Walch, Zur Notariatsaktspflicht der Geschäftsanteilsübertragung bei zeitlichem Auseinanderfallen von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft, NZ 2015/45).

3.1.6. Der erkennende Senat hat bereits ausgesprochen, dass die Normierung eines „ipso-iure-Übergangs“ eines Gesellschaftsanteils, wonach der Anteil eines Gesellschafters dem anderen ohne weiteres zuwächst, unzulässig ist, weil dies dem Klarstellungsinteresse, das insbesondere in der Feststellung der Identität der jeweiligen Gesellschafter liegt, widersprechen würde (6 Ob 150/08i).

3.2.1. Die in der Revision zitierte Entscheidung 6 Ob 63/10y betrifft nicht die Ausübung eines vereinbarten Aufgriffsrechts, sondern die Frage, ob eine nachträgliche Begründung statutarischer Aufgriffsrechte bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung der Notariaktsaktspflicht des § 76 Abs 2 Satz 2 GmbHG unterliegt. Dies verneinte der erkennende Senat im Wesentlichen mit der Begründung, die Formpflicht des § 76 Abs 2 GmbHG diene der Immobilisierung der Geschäftsanteile, dem Übereilungsschutz des Erwerbers und der Publizität der Gesellschafterstellung. Bei der Begründung von Aufgriffsrechten könne keiner dieser Funktionen eine wesentliche Bedeutung zukommen. Die Immobilisierung soll den börsenartigen Handel mit den Geschäftsanteilen, also den Erwerb Dritter, verhindern, nicht jedoch den Erwerb durch einen Gesellschafter. Der Funktion des Übereilungsschutzes könne in diesem Zusammenhang ebenfalls keine Bedeutung zukommen; immerhin sei zum Zeitpunkt der Statuierung oftmals nicht klar, wer überhaupt der Erwerber sein würde beziehungsweise ob dieser überhaupt schon Gesellschafter sei und zu welchem Zeitpunkt diesem das Aufgriffsrecht zustehen werde. Auch aus dem Aspekt der Klarstellungsfunktion bedürfe es nicht der Notariatsaktspflicht des Aufgriffsrechts, weil dessen Ausübung ohnehin notariatsaktspflichtig sei.

3.2.2. Entgegen der Behauptung der Revision ist es für die Formpflicht gleichgültig, ob der Erwerber bereits Gesellschafter ist oder nicht (8 Ob 259/02z; RIS-Justiz RS0059900; Rauter in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 76 Rz 173 mwN). Eine Ausnahme von der Notariatspflicht besteht zwar für die Treuhandbindung, wenn der Geschäftsanteil von vorneherein für den Treugeber erworben wird (RIS-Justiz RS0059756 [T6]), wobei sich diese Ausnahme allerdings nur auf das Verpflichtungsgeschäft bezieht: Dass die Verpflichtung des Treuhänders zur (Rück-)Übereignung beziehungsweise (Rück-)Zession keiner Notariatsaktsform bedarf, ändert nämlich nichts daran, dass das Verfügungsgeschäft (also die [Rück-]Übertragung der Geschäftsanteile) eines Notariatsakts oder eines diesen ersetzenden Urteils bedarf. Für die Erfüllung der Übertragungsverpflichtung ist also auch im Treuhandverhältnis die Errichtung eines Notariatsakts erforderlich (RIS-Justiz RS0059756 [T8]).

3.2.3. Die in der Revision zitierte Auffassung von Rauter in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 76 Rz 144/1, ein Gesellschafter könne eine ihn treffende Angebotspflicht ohne Einhaltung einer Form erfüllen, ist hier nicht einschlägig, weil sich dies – wie sich aus dem Verweis auf Rz 129/1 der Kommentierung ergibt – nur auf die „umgekehrte“ Konstellationen von Aufgriffspflichten bzw Andienungsrechten bezieht; im hier vorliegenden Fall geht es dementsprechend nicht um die Form, in der der Beklagte ein Angebot abzugeben gehabt hätte. Auch eine „Annahmeerklärung“ des Aufgriffs durch den Beklagten ist nicht erforderlich, weil das Aufgriffsrecht dem Berechtigten die Möglichkeit gibt, einseitig durch Erklärung den Anteil aufzugreifen (vgl RIS-Justiz RS0013908). Inhalt der Aufgriffsklausel ist gerade die Verpflichtung des Beklagten, in diesem Fall den Anteil abtreten zu müssen.

3.2.4. Umfahrer, Aufgriffsrecht, Abfindungsregelungen und Vinkulierungsbestimmungen als Gestaltungsinstrumente im GmbH-Gesellschaftsvertrag, GesRZ-Spezial 2006, 29, vertritt die Zulässigkeit einer Klausel, wonach die Ausübung des Aufgriffsrechts zunächst durch eingeschriebenen Brief erfolgen könne und nach Vorliegen der Ergebnisse eines Aufgriffsverfahrens dann entsprechende Abtretungsverträge in Notariatsaktsform abgeschlossen werden. In der bereits zitierten Entscheidung 6 Ob 542/90 hat der Oberste Gerichtshof jedoch bereits ausgeführt, es würde einen nicht zu rechtfertigenden Wertungswiderspruch darstellen, Rechtsgeschäfte, die dem späteren Hauptvertrag vorangehen, einer strengeren Formpflicht zu unterwerfen als diesen selbst. Durch den Gesellschaftsvertrag seien zwar Erschwerungen bei der Übertragung von Geschäftsanteilen, nicht aber Erleichterungen von der Formvorschrift möglich. Der Gesellschaftsvertrag kann daher ein Aufgriffsrecht vorsehen, nicht aber für den Fall der Ausübung die Einhaltung der Form ersetzen. Anderes würde nur dann gelten, wenn in der Aufgriffsklausel im Gesellschaftsvertrag bereits eine vollständige Einigung über die Abtretung von Geschäftsanteilen zu schon festgelegten Bedingungen stipuliert wäre. Dementsprechend wurde das im Anlassfall gestellte Begehren auf Abschluss eines Notariatsakts über die Abtretung der Anteile abgewiesen (vgl zur Sanierung mit dem Zeitpunkt des Abschlusses des Notariatsakts 3.3.3).

3.2.5. Die Position der Revision, wonach der Kläger hier das Aufgriffsrecht deshalb ohne Einhaltung der Notariatsaktform ausüben könne, weil damit vorerst nur „das Aufgriffsprozedere in Gang gesetzt“ würde, steht daher mit der Entscheidung 6 Ob 542/90 nicht im Einklang. In der zitierten Entscheidung hat der erkennende Senat ausdrücklich ausgesprochen, dass auch die Ausübung des Gestaltungsrechts in der vorgeschriebenen Form erfolgen muss und es der Satzung nicht zusteht, diesbezüglich eine Erleichterung vorzusehen.

3.2.6. Soweit die Revision auf Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 76 Rz 21 verweist, wonach die Formpflicht dann nicht greife, „wenn sich die Übertragungsverpflichtung aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt“, so wird in der dort zitierten Entscheidung AZ 4 R 151/58 des OLG Wien (NZ 1959, 122) nur ausgesprochen, es sei zulässig, dass die Gesellschafter die Verpflichtung zur Abtretung ihres Gesellschaftsanteils an dritte Personen in der Form eines Notariatsakts rechtswirksam übernehmen. Damit wird also nur ausgesprochen, dass die Normierung von Aufgriffsrechten zulässig ist, aber keine Aussage über die Form der Ausübung getroffen.

3.3.1. Wird die Formpflicht nicht eingehalten, dann hat dies die Unwirksamkeit der Einigung über die Abtretung zur Folge (RIS-Justiz RS0059756 [T3, T7]). Es kann damit auch nicht auf Erfüllung, dh auf Errichtung eines Notariatsakts über die Abtretung geklagt werden (RIS-Justiz RS0060256 [T3]). Ebensowenig könnte auf Zahlung des Abtretungspreises geklagt werden (4 Ob 255/99z); ein bereits bezahlter Abtretungspreis kann zurückgefordert werden (1 Ob 519/90).

3.3.2. Auch eine Heilung kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Dabei geht es nicht um die – in der Literatur im Vordergrund stehende – Frage, ob eine Heilung „durch Erfüllung“ (dh durch Zahlung des Kaufpreises und Ausübung der Gesellschafterrechte) möglich ist (dazu 7 Ob 598/82 und 7 Ob 110/04h; aus der Literatur ausführlich etwa Rauter in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 76 Rz 223 ff; Reich-Rohrwig, ecolex 1990, 546), weil hier keine Erfüllungshandlungen gesetzt wurden, sondern darum, ob die Nachholung des Notariatsakts hier eine rückwirkende Heilung der ursprünglichen bloß schriftlichen Aufgriffserklärung entfaltete.

3.3.3. Der Entscheidung 5 Ob 560/79 EvBl 1979/191 lag zu Grunde, dass zunächst eine – entgegen § 76 Abs 2 GmbHG – nicht in Notariatsaktsform abgeschlossene Vereinbarung über die Übernahme von Gesellschaftsanteilen getroffen wurde, zu einem späteren Zeitpunkt dann jedoch doch ein Notariatsakt über die Übertragung der Anteile geschlossen wurde. Der Oberste Gerichtshof führte aus, diese Heilung des Formmangels habe die Ungültigkeit der ursprünglichen Vereinbarung „in der Fassung im Zeitpunkt der Errichtung des Notariatsaktes“ beseitigt. Dieser zeitliche Bezug wurde in den in RIS-Justiz RS0059754 dokumentierten Entscheidungen jedoch aufgegeben (vgl auch Rauter in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 76 Rz 223). Daher kommt eine „Rückwirkung“ der Heilung auf den Zeitpunkt der nicht formwirksamen Erklärung nicht in Betracht.

3.3.4. Gegen eine Heilungsmöglichkeit spricht im vorliegenden Fall zudem die bereits von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung des im Gesellschaftsvertrag normierten Aufgriffsrechts: Satzungsbestimmungen sind nach ihrem billigen und vernünftigen Sinn so auszulegen, dass bei ihrer Anwendung im konkreten Fall brauchbare Ergebnisse erzielt werden (RIS-Justiz RS0008816). Korporative Regeln sind nach deren Wortlaut und Zweck in ihrem systematischen Zusammenhang objektiv (normativ) auszulegen (RIS-Justiz RS0108891). Aufgriffsrechte zählen zu den kooperativen Satzungsbestandteilen und sind daher objektiv auszulegen (RIS-Justiz RS0108891 [T8]).

3.3.5. Im vorliegenden Fall war das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten bereits wieder aufgehoben, als der Kläger erneut die Ausübung seines Aufgriffsrechts erklärte. Vor dem Hintergrund, dass Aufgriffsrechte typischerweise zur Absicherung eines geschlossenen Gesellschafterkreises etwa im Fall der Exekution/Insolvenz eines Gesellschafters vereinbart werden (Schopper in Gruber/Harrer, GmbHG, § 76 Rz 33), ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanzen im hier vorliegenden Fall davon ausgingen, dass eine Ausübung des Aufgriffsrechts nicht mehr in Betracht kommt, wenn das Insolvenzverfahren bereits aufgehoben ist, weil dann die Gefahr des Eindringens eines Gesellschaftsfremden über das Insolvenzverfahren ja nicht mehr besteht.

3.3.6. Auch das vom Berufungsgericht vertretene Auslegungsergebnis, das Aufgriffsrecht diene – wie sich an der Anführung auch der Abweisung eines Insolvenzantrags mangels Masse als Aufgriffsfall zeige – dazu, sich von einem insolventen Gesellschafter trennen zu können, führt zum selben Ergebnis. Jedenfalls sollte das Aufgriffsrecht keinen Selbstzweck darstellen. Aus diesem Grund kann der Auffassung der Revision, das Aufgriffsrecht müsse nicht während des Zeitraums der Konkursanhängigkeit ausgeübt werden, nicht gefolgt werden.

3.3.7. Soweit die Revision argumentiert, die Gefahr der Verwertung des Gesellschaftsanteils in der Insolvenz sei ohnehin vom „dritten“ Aufgriffsfall (Betreibung einer Zwangsvollstreckung in den Anteil) erfasst, kann dem gleichfalls nicht gefolgt werden. Damit wird ersichtlich auf eine Einzelexekution nach der EO, also außerhalb der Insolvenz, abgestellt. Auf ein bereits zwischenzeitig wieder eingestelltes Insolvenzverfahren kann dieser Aufgriffsfall nicht erstreckt werden. Soweit der Kläger weiter argumentiert, das Aufgriffsrecht solle Fälle des Vertrauensverlusts in den Mitgesellschafter erfassen, ist dies ebenfalls nicht überzeugend, weil es zahlreiche andere Gründe geben kann, aus denen das Vertrauen zu einem Mitgesellschafter verloren geht, für die hier jedoch kein Aufgriffsrecht vereinbart ist, und umgekehrt etwa der Fall, dass ein Gesellschafter seinen Anteil verkaufen möchte, sehr wohl als Aufgriffsfall definiert ist (Punkt XII.6. des Gesellschaftsvertrags). Dies zeigt deutlich, dass die zitierten Regelungen vor allem die Verhinderung des Eindringens Fremder in den Gesellschafterkreis bezwecken, was auch in der Entscheidung 6 Ob 63/10y, ErwGr 6.3 als typisches Motiv von Aufgriffsklauseln hervorgehoben wurde.

3.4. Weil für die Ausübung des Aufgriffsrechts im vorliegenden Fall nach dem Gesagten jedenfalls keine Grundlage besteht, bedarf es keines Eingehens auf die Frage, ob Aufgriffsrechte für den Fall der Insolvenz eines Gesellschafters überhaupt vereinbart werden können oder ob dem nicht §§ 25a, 25b, 26 Abs 3 IO entgegenstehen (vgl 6 Ob 35/16i; zur Diskussion Rauter in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 76 Rz 138 ff). In Hinblick auf die im vorliegenden Fall vorgesehene Bewertung des Gesellschaftsanteils nach einem Fachgutachten der Kammer der Wirtschaftstreuhänder bestünde jedoch wohl keine Gefahr der Benachteiligung der Gläubiger des insolventen Gesellschafters durch das Aufgriffsrecht.

3.5. Der Kläger erblickt einen Verfahrensmangel darin, dass das Erstgericht seine Beweisrüge nicht behandelt hat. Richtigerweise hätte das Berufungsgericht § 501 ZPO nicht anwenden dürfen. Dem kann nicht gefolgt werden. Zwar könnte, wenn man davon ausginge, dass das Berufungsgericht den § 501 ZPO nicht hätte anwenden dürfen, darin eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegen, dass das Berufungsgericht sich mit der Beweisrüge überhaupt nicht befasst hat (vgl RIS-Justiz RS0042993 [T1]). Allerdings wird in der Revision nicht ausgeführt, worin die Relevanz dieses Mangels liege (RIS-Justiz RS0043027 [T1, T10]). Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist damit nicht gesetzmäßig ausgeführt.

3.6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E119936

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00180.17I.1025.000

Im RIS seit

05.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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