Entscheidungsdatum
01.09.2017Index
L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung WienNorm
WMG §14 Abs2 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Landesrechtspflegerin Mag. Gubesch über die Beschwerde der Frau G. U. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Sozialzentrum ..., vom 07.08.2017, Zl. SH/2017/01894657-001, betreffend Mindestsicherung, Neubemessung gemäß §§ 7, 8, 9, 10, 12, 14 und 15 WMG iZm §§ 1, 2, 3 und 4 WMG-VO, zu Recht e r k a n n t:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, und hinsichtlich der bekämpften Kürzung insofern Folge gegeben, als die Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes im September 2017 und Oktober 2017 jeweils 1.582,76 Euro beträgt. Im Übrigen bleibt der Bescheid aufrecht.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Sozialzentrum ... vom 7.8.2017, zur Zahl MA 40- Sozialzentrum ...-SH/2017/01894657-001 wurde auf Grund einer Änderung die zuletzt mit Bescheid vom 20.7.2017, Zl. MA 40 – SH/2017/01841728-001 zuerkannte Leistung mit 31.8.2017 eingestellt und wurde folgende Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs zuerkannt:
von 01.09.2017 bis 30.09.2017 EUR 1.268,60
von 01.10.2017 bis 31.10.2017 EUR 1.268,60
von 01.11.2017 bis 30.06.2018 monatlich jeweils EUR 1.582,76
Für den Zeitraum 01.09.2017 bis 30.06.2018 wurde eine Mietbeihilfe in Höhe von monatlich EUR 138,33 zuerkannt.
Begründend wurde nach Wiedergabe der hier maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) angeführt, dass das Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass auf Grund der Nachreichung der Geburtsurkunde vom Kind K., geb. 2009 ein Anspruch auf Mindestsicherung für dieses Kind bestehe. Die Leistung werde ab 01.07.2017 rückverrechnet. Ein sich daraus ergebendes Guthaben von EUR 392,40 werde einmalig gesondert angewiesen.
Da Frau U. G., geb. 1973 aktuell nicht beim AMS gemeldet sei (und keine aktuelle Krankenbestätigung vorgelegt worden wäre), werde die Leistung für September und Oktober 2017 um 25% gekürzt.
Die Leistung wäre bereits im August 2014 um 25%, im November und Dezember 2014 um 50% gekürzt worden.
Auf Grund geänderter Verhältnisse wäre die Leistung zur Mindestsicherung neu zu bemessen gewesen.
Gemäß den Bestimmungen des Wiener Mindestsicherungsgesetzes wäre die Antragstellerin zum Einsatz der Arbeitskraft verpflichtet und hätte sie ihre Arbeitskraft entsprechend nachzuweisen. Es wären weder Tatsachen vorgebracht noch Unterlagen vorgelegt worden, die glaubhaft machten, dass trotz Arbeitsfähigkeit die Arbeitskraft zu Beschaffung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfs voll eingesetzt werde.
Der Mindeststandard zur Deckung des Lebensunterhaltes wäre daher für folgendes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zu kürzen gewesen:
G. U., 1973, für den Zeitraum von 1.9.2017 bis 31.10.2017 um 50%.
Auf Grund des ermittelten Bedarfs und des zu berücksichtigenden Einkommens wäre die Leistung spruchgemäß zuzuerkennen gewesen.
Die Beschwerdeführerin erhob dagegen fristgerecht Beschwerde und führte aus, dass ihr vorgeworfen werde, trotz Arbeitsfähigkeit die Arbeitskraft nicht voll eingesetzt zu haben.
Sie befinde sich derzeit im Krankenstand, ihr Gesundheitszustand verhindere auch nach Angaben der behandelnden Ärzte die Aufnahme weiterer Tätigkeiten. Sie möchte wieder arbeiten, sie sei von der Aufnahme der Arbeitstätigkeit derzeit wegen Krankenstand ausgeschlossen. Sie könne auf beiden Füßen nicht stehen, sie hätte bei Druck auf den Lappen Schmerzbeschwerden, am linken Fuß befinde sich eine Hauttransplantation, sie sei ein chronische Schmerzpatientin.
Sie habe vor, wenn eine Verbesserung des Gesundheitszustandes erwartet werde bzw. vom Arzt ihre Gesundheit ausreichend gut bewertet werde, eine Arbeitstätigkeit aufzunehmen. Sie sei laut Ärzten nicht arbeitsfähig. Diesbezüglich wäre eine 50% Kürzung Unrecht.
Sie beantrage die Aufhebung des Bescheides.
Die Beschwerdeführerin legte mit der Beschwerde am 17.8.2017 die Bestätigung über den andauernden Krankenstand vor. Die letzte diesbezügliche Bestätigung von der Ärztin für Allgemeinmedizin, Dr. I. S., datiert vom 7.8.2017, wobei Frau U. für den 31.8.2017 wiederbestellt wurde.
Durch Einsichtnahme in den unbedenklichen Verwaltungsakt legt das erkennende Gericht seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zu Grunde:
Die Beschwerdeführerin stellte am 25.4.2017 einen Antrag auf Mindestsicherung für sich und ihre 5 minderjährigen Kinder.
Unter anderem wurde nach Aufforderung der belangten Behörde am 6.7.2017 auch eine (fortlaufende) Krankenstandsmeldung vorgelegt, letzte Bestätigung der Allgemeinmedizinerin Dr. S. datierte vom 30.6.2017, Wiederbestellung am 17.7.2017. (Die Beschwerdeführerin befindet sich nach einem operativen Eingriff im orthopädischen Spital ... -...- am 5.12.2016 seit 22.12.2016 ununterbrochen im Krankenstand.) Am 6.7.2017 wurde neben der fortlaufenden Arbeitsunfähigkeitsmeldung vom 30.6.2017 zudem ein Ambulanzbrief der I. Orthopädischen Abteilung, Spital ... vom 14.6.2017 vorgelegt, wonach chronische Schmerzen an beiden Füßen bestehen.
Daraufhin wurde der Bedarfsgemeinschaft (Frau U. und 5 minderjährige Kinder) mit Bescheid vom 20.7.2017 für den Zeitraum 1.7.2017 bis 30.6.2018 eine Mindestsicherungsleistung sowie Mietbeihilfe zuerkannt.
Aufgrund fehlender Unterlagen für das Kind K. wurde diesem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft jedoch keine Leistung zuerkannt.
Nach Nachreichung des fehlenden Dokuments für K. erging der nunmehr angefochtene Bescheid.
Auf Grund der fehlenden Krankenstandsmeldung wurde die Mindestsicherungsleistung mit angefochtenem Bescheid um 50% für die Monate September und Oktober 2017 gekürzt. Die Beschwerdeführerin hat bereits bei Antragstellung am 25.4.2017 den OP-Bericht des Orthopädischen Spitals ... als auch die seit 22.12.2016 bestehende und immer wieder verlängerte, somit ununterbrochene, Arbeitsunfähigkeit durch entsprechende Meldung der Allgemeinmedizinerin Dr. S. belegt.
Die bislang letzte Meldung über die Arbeitsunfähigkeit erfolgte mit Vorlage einer entsprechenden Meldung (Bestätigung der Ärztin vom 7.8.2017) am 17.8.2017, wonach die Beschwerdeführerin für den 31.8.2017 wiederbestellt wurde.
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Zusammenschau mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG abgesehen werden, weil sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt vollinhaltlich dem Akteninhalt entnehmen lässt und die Beschwerdeführerin trotz entsprechender Belehrung im angefochtenen Bescheid im Beschwerdeschriftsatz nicht die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Auch die belangte Behörde hat von der Beantragung der Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung Abstand genommen.
Hierzu folgt in rechtlicher Hinsicht:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Mindestsicherungsgesetzes lauten auszugsweise wie folgt:
Einsatz der ArbeitskraftMitwirkung an arbeitsintegrativen Maßnahmen(1) Hilfe suchende oder empfangende Personen sind verpflichtet, zumutbare Beschäftigungen anzunehmen, sich nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen und von sich aus alle zumutbaren Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen. Diese Pflichten bestehen insbesondere auch dann, wenn mit einer ausgeübten Beschäftigung der Lebensunterhalt und Wohnbedarf nicht gedeckt werden kann oder das volle Beschäftigungsausmaß nicht erreicht wird. Wenn die Hilfe suchende oder empfangende Person nach angemessener Frist keinen geeigneten Arbeitsplatz erlangen kann, ist sie verpflichtet, auch Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen, die nicht unmittelbar ihrer beruflichen Eignung und Vorbildung entsprechen, die ihr jedoch im Hinblick auf diese zugemutet werden können. Bei weiter andauernder Arbeitslosigkeit ist sie verpflichtet, andere Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen, auch wenn sie nicht der beruflichen Eignung und Vorbildung entsprechen.
(2) Der Einsatz der eigenen Arbeitskraft darf nicht verlangt werden von Personen, die
1.
das Regelpensionsalter nach dem ASVG erreicht haben,
2.
erwerbsunfähig sind,
3.
Betreuungspflichten gegenüber Kindern haben, welche das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben und keiner Beschäftigung nachgehen können, weil keine geeigneten Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen,
4.
pflegebedürftige Angehörige, welche ein Pflegegeld mindestens der Stufe 3 beziehen, überwiegend betreuen,
5.
Sterbebegleitung oder Begleitung von schwersterkrankten Kindern (§§ 14a, 14b Bundesgesetz, mit dem arbeitsvertragsrechtliche Bestimmungen an das EG-Recht angepasst, Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz – AVRAG, und das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz und das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz geändert werden) leisten,
6.
in einer bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnenen und zielstrebig verfolgten Erwerbs- oder Schulausbildung stehen, sofern sie noch keine abgeschlossene Erwerbsausbildung oder Schulausbildung auf Maturaniveau haben.
Kürzung der Leistungen§ 15. (1) Wenn eine Hilfe suchende oder empfangende Person ihre Arbeitskraft nicht in zumutbarer Weise oder nicht so gut wie möglich einsetzt oder an arbeitsintegrativen Maßnahmen nicht entsprechend mitwirkt, ist der im Rahmen der Bemessung auf sie entfallende Mindeststandard zur Deckung des Lebensunterhalts stufenweise bis zu 50 vH zu kürzen. Bei fortgesetzter beharrlicher Weigerung, die Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen oder an arbeitsintegrativen Maßnahmen teilzunehmen, ist eine weitergehende Kürzung bis zu 100 vH zulässig.
(2) Wenn eine Hilfe suchende oder empfangende Person ihre Mittellosigkeit während oder innerhalb der letzten drei Jahre vor der Hilfeleistung selbst verursacht hat, weil sie Vermögen verschenkt oder ein Erbe nicht angetreten hat, ist im Rahmen der Bemessung der auf sie entfallende Mindeststandard zur Deckung des Lebensunterhalts um 25 vH zu kürzen, bis die Summe der Kürzungen den Wert des verschenkten oder nicht erlangten Vermögens unter Berücksichtigung des Vermögensfreibetrages erreicht hat. Stichtag für die Berechnung der Frist ist der letzte Tag des Jahres vor dem Leistungen zur Mindestsicherung des Lebensunterhalts beantragt werden.
Das gegenständliche Beschwerdevorbringen richtet sich lediglich gegen die Kürzung des Mindeststandards für die Monate September und Oktober 2017.
Grundsätzlich ist der Bezieher von Mindestsicherungsleistungen nach § 14 Abs. 1 WMG zum Einsatz seiner Arbeitskraft und zur Mitwirkung an arbeitsintegrativen Maßnahmen angehalten.
Auf Grund des klaren Wortlautes des § 15 Abs. 1 WMG ist der im Rahmen der Bemessung auf sie entfallende Mindeststandard zur Deckung des Lebensunterhalts stufenweise bis zu 50 vH zu kürzen, wenn eine Hilfe suchende oder empfangende Person ihre Arbeitskraft nicht in zumutbarer Weise oder nicht so gut wie möglich einsetzt oder an arbeitsintegrativen Maßnahmen nicht entsprechend mitwirkt.
§ 14 Abs. 2 WMG enthält Ausnahmetatbestände in demonstrativer Aufzählung, wann der Einsatz der Arbeitskraft nicht verlangt werden darf. Sofern nach Berücksichtigung der persönlichen Umstände der Einsatz der Arbeitskraft verlangt werden darf, muss eine Hilfe suchende oder empfangende Person jedenfalls ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen.
Im gegenständlichen Fall war somit zu prüfen, ob die Ausnahmebestimmung des § 14 Abs. 2 WMG auf den gegenständlichen Sachverhalt in eventu anzuwenden oder eine Kürzung des Mindeststandards nach § 15 Abs. 1 WMG zu Recht erfolgt ist.
Die Beschwerdeführerin ist seit 22.12.2016 ununterbrochen im Krankenstand, dies ist nach der im Akt einliegenden Krankengeschichte nachvollziehbar. Weiters sind mehrere Meldungen seitens der behandelnden Ärztin zur fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit aktenkundig.
Die Beschwerdeführerin wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass das Weiterbestehen der Arbeitsunfähigkeit nach jeweiliger Bestätigung durch die Ärztin unverzüglich auch der MA 40 durch Vorlage der diesbezüglichen Meldung mitzuteilen ist.
Die letzte (fortlaufende) Arbeitsunfähigkeitsmeldung ist mit 7.8.2017 datiert, wobei Frau U. für den 31.8.2017 wiederbestellt wurde. Somit wurde die Arbeitsunfähigkeit von Frau U. glaubhaft dargelegt.
Diesbezüglich liegt eine Ausnahme nach § 14 Abs. 2 WMG vor. Der Beschwerdeführerin ist daher auch im September und Oktober 2017 eine Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes in der Höhe von jeweils 837,76 Euro, insgesamt daher für die Bedarfsgemeinschaft jeweils 1.582,76 Euro zuzuerkennen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Mindestsicherung; Einsatz der Arbeitskraft Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit, Krankmeldung, Krankenstand, Kürzung der LeistungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.242.025.RP16.11943.2017Zuletzt aktualisiert am
04.12.2017