Entscheidungsdatum
22.11.2017Norm
MRKZP 07te Art4 Abs1Text
Im Namen der Republik!
Erkenntnis
Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Reinhold Köpfle über die Beschwerde des S B, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft F vom 31.03.2017, Zl X-9-2016/35847, zu Recht erkannt:
Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.
Begründung
1. Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, er habe die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h als Lenker eines näher bezeichneten Fahrzeuges am 10.07.2016, um 08.09 Uhr in S, A14, Höhe StrKm XXX um 13 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz sei bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden. Die Bezirkshauptmannschaft erblickte darin eine Übertretung des § 20 Abs 2 StVO. Es wurde eine Geldstrafe von 50 Euro verhängt und für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 23 Stunden festgesetzt.
2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringt er im Wesentlichen vor, das Straferkenntnis beinhalte mehrere Formgebrechen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung des § 99 Abs 3 lit a StVO würden nicht vorliegen. Bei der Auferlegung der Ersatzfreiheitsstrafe werde das Recht nicht korrekt angewendet.
3. Folgender Sachverhalt steht fest:
Der Beschwerdeführer hat am 10.07.2016, um 08.09 Uhr in S, A14, Höhe StrKm XXX als Lenker eines näher bezeichneten Fahrzeuges die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 13 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu seinen Gunsten abgezogen.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft F vom 17.11.2016, Zl X-9-2016/35847, wurde der Beschuldigte bestraft, weil er die durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h als Lenker eines näher bezeichneten Fahrzeuges am 10.07.2016, um 08.09 Uhr in S, A14, Höhe StrKm XXX um 13 km/h überschritten habe. Er habe dadurch § 52 lit a Z 10a StVO übertreten.
Der dagegen erhobenen Beschwerde hat das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg mit Erkenntnis vom 22.03.2017, Zl LVwG-1-915/2016-R15, Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Begründend führte das Landesverwaltungsgericht aus, dem Beschuldigten sei vorgeworfen worden, dass er eine durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten habe. Dieser Tatvorwurf habe sich auf eine Übertretung des § 52 lit a Z 10a StVO, nicht jedoch auf eine Übertretung des § 20 Abs 2 StVO bezogen. Bei § 52 lit a Z 10a StVO und § 20 Abs 2 StVO handle es sich um unterschiedliche Delikte, die getrennt voneinander zu bestrafen seien. Unter Hinweis auf entsprechende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hielt das Landesverwaltungsgericht fest, dass es ihm verwehrt sei, den Spruch des Straferkenntnisses dahingehend abzuändern, dass der Beschuldigte die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 13 km/h überschritten habe, weil dies eine unzulässige Auswechslung der Tat bedeuten würde. Dem Landesverwaltungsgericht sei es verwehrt, den Tatvorwurf und daran anknüpfend die Verwaltungsvorschrift, die dadurch verletzt wurde, auszutauschen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis legt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zur Last, er habe zur selben Tatzeit am selben Tatort die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 13 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz sei bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden. Er habe dadurch § 20 Abs 2 StVO überschritten, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 50 Euro, falls diese uneinbringlich sei, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 23 Stunden gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO verhängt werde.
4. Dieser Sachverhalt wird aufgrund des vorgelegten Verwaltungsaktes als erwiesen angenommen.
5.1. Gemäß § 20 Abs 2 Straßenverkehrsordnung (StVO), BGBl Nr 159/1960, idF BGBl I Nr 52/2005, darf der Lenker eines Fahrzeuges, sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.
Gemäß § 52 lit a Z 10a StVO, BGBl Nr 159/1960, idF BGBl I Nr 34/2011, ist das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometerzahl in einem entsprechenden Verkehrszeichen angegeben ist, ab dem Standort des Verkehrszeichens verboten.
Gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO, BGBl Nr 159/1960, idF BGBl I Nr 39/2013, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer ua als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach Abs 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.
Gemäß Art 4 Abs 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.
5.2. Art 4 Abs 1 7. ZP EMRK verbietet die Wiederholung eines Strafverfahrens, welches mit einer endgültigen Entscheidung beendet worden ist. Eine Entscheidung – Freispruch oder Verurteilung – ist dann endgültig („final“) anzusehen, wenn sie die Wirkung einer res iudicata erlangt hat. Das ist der Fall, wenn sie unwiderruflich ist, dh wenn keine ordentlichen Rechtsmittel mehr vorhanden sind, alle Rechtsmittel ergriffen wurden oder Rechtsmittelfristen ergebnislos verstrichen sind (vgl VwGH 29.05.2012, 2012/02/0238).
Im vorliegenden Fall wurde das Strafverfahren wegen Übertretung des § 52 lit a Z 10a StVO gegen den Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts vom 22.03.2017 eingestellt, weil der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Übertretung mangels Anwendbarkeit des § 52 lit a Z 10a StVO nicht begangen haben konnte. Das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts vom 22.03.2017 ist rechtskräftig, es wurde auch keine Revision erhoben. Damit liegt eine endgültige Entscheidung im Sinne des Art 4 Abs 1 des 7. ZPEMRK vor.
Die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens im Sinne des § 45 VStG hat zur Folge, dass eine Bestrafung wegen derselben Tathandlung unter Anwendung einer anderen Verwaltungsvorschrift den Grundsatz "ne bis in idem" verletzt und deshalb inhaltlich rechtswidrig ist. Liegen nach Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens einer Bestrafung nicht wesentlich verschiedene Sachverhaltselemente, vielmehr dieselbe Tathandlung zugrunde, erweist sich die Bestrafung als nicht zulässig (VwGH 04.04.2017, Ra 2017/02/0017, 18.10.2016, Ra 2016/03/0029).
Diese Rechtsprechung hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht beachtet, indem sie der Bestrafung im angefochtenen Erkenntnis denselben Sachverhalt, nämlich dieselbe Tathandlung in Form einer Geschwindigkeitsübertretung wie im eingestellten Verfahren zu Zl LVwG-1-915/2016-R15 zugrunde gelegt hat. Beide Normen – § 52 lit a Z 10a StVO und § 20 Abs 2 StVO – haben denselben Schutzzweck. Die Einstellung des Verfahrens wegen einer Übertretung des § 52 lit a Z 10a StVO entfaltet somit Sperrwirkung für das Verfahren wegen einer Übertretung nach § 20 Abs 2 StVO. Da den Verwaltungsstrafverfahren nicht wesentlich verschiedene Sachverhaltselemente zugrunde lagen, sondern es sich beide Male um dieselbe einheitliche Tathandlung handelte, war im vorliegenden Fall eine Bestrafung des Beschwerdeführers nach Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens hinsichtlich der Übertretung des § 52 lit a Z 10a StVO nicht mehr zulässig.
Das angefochtene Straferkenntnis war daher aufzuheben.
6. Gemäß § 25a Abs 4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten nach Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache oder einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde. Im vorliegenden Fall durfte eine Geldstrafe von bis zu 726 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden. Im Erkenntnis wurde eine Geldstrafe von 50 Euro ausgesprochen. Eine Revision wegen Verletzung in Rechten gemäß Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG ist daher nicht zulässig.
Schlagworte
Doppelverfolgungsverbot, GeschwindigkeitsübertretungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGVO:2017:LVwG.1.392.2017.R15Zuletzt aktualisiert am
04.12.2017