Entscheidungsdatum
14.11.2017Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W108 2143648-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. BRAUCHART als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Syrien, vertreten durch die Eltern: XXXX und XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Edward W. DAIGNEAULT Solicitor (England), gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2016, Zl. 1121914707-160952206/BMI-BFA_STM_AST_01, wegen Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten:
A)
Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, der bekämpfte Bescheid hinsichtlich des Spruchpunktes I. aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Die minderjährige Beschwerdeführerin wurde am 27.06.2016 als Tochter syrischer Staatsangehöriger in Österreich geboren.
2. Die Eltern und sechs Geschwister der Beschwerdeführerin hatten am 03.10.2012 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (im Folgenden: Antrag bzw. Asylantrag und AsylG) gestellt, die mit Bescheiden des Bundesasylamtes (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) jeweils vom 23.11.2012 gemäß § 3 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) worden waren. Unter jeweils Spruchpunkt II. dieser Bescheide war den Eltern und Geschwistern der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig zuerkannt worden. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 08.01.2013 waren die lediglich gegen Spruchpunkt I. dieser Bescheide des Bundesasylamtes erhobenen Beschwerden der Eltern und der Geschwistern der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 AsylG rechtskräftig abgewiesen worden. Ein von den Eltern und den Geschwistern der Beschwerdeführerin gestellter Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.08.2014 zu Zlen.: W108 1431134-2/12E, W108 1431135-2/7E, W108 1431136-2/7E, W108 1431137-2/7E, W108 1431138-2/7E, W108 1431139-2/7E, W108 1431120-2/7E und W108 1431141-2/7E gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG rechtskräftig abgewiesen.
3. Mit Eingabe vom 08.07.2016 stellte der Vater der Beschwerdeführerin als gesetzlicher Vertreter für die Beschwerdeführerin einen "Antrag auf Familienverfahren" und gab dazu an, dass sein Kind (die Beschwerdeführerin) keine eigenen Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen habe. Der Antrag beziehe sich ausschließlich auf die Gründe des Vaters bzw. der Mutter. Weiters liegt eine mit 07.07.2016 datierten Eingabe des Vaters der Beschwerdeführerin vor, mit der dieser für die Beschwerdeführerin einen "Antrag auf Asylgewährung" stellte und Urkunden vorlegte.
4. Ohne Einvernahme der Eltern der Beschwerdeführerin oder Einräumung einer Mitwirkungsmöglichkeit bei der Sachverhaltsfeststellung wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde) mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab. Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 34 Abs. 3 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und es wurde ihr unter Spruchpunkt III. dieses Bescheides gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die gesetzliche Vertretung der Beschwerdeführerin für sie keine eigenen Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen geltend gemacht habe und nicht habe festgestellt werden können, dass die Familienmitglieder der Beschwerdeführerin einer konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt gewesen seien. Den Familienangehörigen der Beschwerdeführerin sei der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden, deren Beschwerde hinsichtlich der Versagung der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten sei vom Asylgerichtshof abgewiesen worden. Da für die Beschwerdeführerin keine eigenen Gründe geltend gemacht worden seien, komme auch für sie die Zuerkennung des gleichen Schutzes, der ihren Familienangehörigen zuerkannt worden sei, im Familienverfahren gemäß § 34 AsylG in Betracht. Dabei traf die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid Feststellungen zur Lage in Syrien und ging hinsichtlich der Person der Beschwerdeführerin von der angegebenen Identität und Nationalität und weiters davon aus, dass die Beschwerdeführerin in Österreich geboren worden sei und mit ihrer Kernfamilie (bestehend aus ihren Eltern und ihren Geschwistern) in Österreich lebe.
5. Die gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides (Versagung des Asylstatus) gerichtete Beschwerde macht insbesondere geltend, dass im Asylverfahren der Beschwerdeführerin nicht einmal die Mutter der Beschwerdeführerin einvernommen worden sei und die Behörde daher den Sachverhalt unzureichend ermittelt habe. Die Beschwerdeführerin sei im Fall der Rückkehr als Kind ihres Vaters der Gefahr der Verfolgung ausgesetzt. Die Familienangehörigen hätten einen Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren gestellt, wobei der Vater der Beschwerdeführerin Dokumente und Urkunden in Vorlage gebracht habe, aus denen sich das Bestehen eines zur Asylgewährung geeigneten Nachfluchtgrundes ergebe. Die Behörde hätte sich mit den Nachfluchtgründen ihres Vaters im Verfahren der Beschwerdeführerin auseinanderzusetzen gehabt. Ihr Vater hätte dazu einvernommen werden müssen. Somit habe die Behörde den Sachverhalt nur unzureichend ermittelt.
6. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Es wird von dem unter Punkt I. dargelegten Verfahrensgang/Sachverhalt ausgegangen.
2. Beweiswürdigung:
Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten betreffend die Beschwerdeführerin, ihre Eltern und ihre Geschwister und sind unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu A) Aufhebung und Zurückverweisung:
3.1.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-VG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen (§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG). Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist (§ 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG).
3.1.2. Die Beschwerde wurde fristwahrend erhoben und es liegen auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vor.
3.1.3.1. Im vorliegenden Fall ist das Verfahren mit einem schwerwiegenden Mangel im Sinn des zweiten Satzes des § 28 Abs. 3 VwGVG behaftet:
3.1.3.2. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Aus § 18 Abs. 1 AsylG ergibt sich, dass (unter anderem) die belangte Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken hat, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
Gemäß § 19 Abs. 2 AsylG ist ein Asylwerber vom Bundesamt, soweit er nicht auf Grund von in seiner Person gelegenen Umständen nicht in der Lage ist, durch Aussagen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen, zumindest einmal im Zulassungsverfahren und – soweit nicht bereits im Zulassungsverfahren über den Antrag entschieden wird – zumindest einmal nach Zulassung des Verfahrens einzuvernehmen. Eine Einvernahme kann unterbleiben, wenn dem Asylwerber, ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt (§ 12a Abs. 1 oder 3). Weiters kann eine Einvernahme im Zulassungsverfahren unterbleiben, wenn das Verfahren zugelassen wird. Soweit dies ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist, ist der Asylwerber persönlich von dem zur jeweiligen Entscheidung berufenen Organ des Bundesamtes einzuvernehmen. § 24 Abs. 3 bleibt unberührt.
Gemäß § 19 Abs. 5 AsylG darf ein Asylwerber in Begleitung einer Vertrauensperson sowie eines Vertreters zu Einvernahmen vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht erscheinen; auch wenn ein Rechtsberater (§ 49 BFA-VG) anwesend ist, kann der Asylwerber durch eine Vertrauensperson oder einen Vertreter begleitet werden. Minderjährige Asylwerber dürfen nur in Gegenwart eines gesetzlichen Vertreters einvernommen werden.
§ 34 AsylG (idF BGBl. I 145/2017) enthält folgende "Sonderbestimmungen für das Familienverfahren":
"§ 34.
(1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;
3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat;
3.1.3.3. Daraus ergibt sich für das Beschwerdeverfahren Folgendes:
Im vorliegenden Fall hat der Vater der minderjährigen Beschwerdeführerin für diese im Hinblick auf den ihm und seiner Familie in Österreich zuerkannten Status von subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 AsylG gestellt, ohne im Antrag eigene (für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten relevante) Fluchtgründe der Beschwerdeführerin anzuführen. Die belangte Behörde hat sichtlich ausgehend von dieser Antragsformulierung abgeleitet, dass der Beschwerdeführerin keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention drohe, und hat der Beschwerdeführerin den Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG versagt, ohne zum Vorliegen allfälliger eigner (für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten relevanter) Fluchtgründe der Beschwerdeführerin weitere Erhebungen durchzuführen, insbesondere ohne die Eltern der Beschwerdeführerin bei der Sachverhaltsermittlung einzubeziehen und sie zu vernehmen. Eine derartige Ableitung bzw. das Unterlassen weiterer Erhebungen, wie insbesondere eine Einvernahme der Eltern der Beschwerdeführerin, ist in einem Fall wie dem vorliegenden jedoch verfehlt und belastet das behördliche Verfahren mit einem Mangel (vgl. VwGH 24.03.2015, Ra 2014/19/0063). Denn jeder Antrag auf internationalen Schutz eines Familienangehörigen im Familienverfahren ist – unabhängig von der konkreten Formulierung des Antrages – in erster Linie auf Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gerichtet, sodass für jeden Antragsteller allfällige eigene Fluchtgründe zu ermitteln sind. Auch dann, wenn (wie auch im vorliegenden Fall) eigene Fluchtgründe in den von den Eltern für ihr nicht handlungsfähiges Kind gestellten Antrag auf internationalen Schutz (noch) nicht enthalten sind, hat die Verwaltungsbehörde – unter Mitwirkung der Eltern des Antragstellers – das allfällige Vorliegen solcher Gründe zu prüfen. Dies ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Die Einvernahmen der Eltern der Beschwerdeführerin in deren Asylverfahren konnten schon im Hinblick auf den zeitlichen vor der Geburt der Beschwerdeführerin gelegenen Abschluss dieser Verfahren nicht ohne dazu rechtliches Gehör einzuräumen in dem die Beschwerdeführerin betreffenden Verfahren herangezogen werden (vgl. VwGH 24.03.2015, Ra 2014/19/0063).
Überdies normiert die Bestimmung des § 19 Abs. 2 AsylG, dass der Asylwerber vom Bundesamt zumindest einmal nach Zulassung des Verfahrens zu vernehmen ist (vgl. zur grundsätzlichen Pflicht für das [damalige] Bundesasylamt, den Asylwerber zu seinem Antrag persönlich zu vernehmen, das zum AsylG 1997 ergangene Erkenntnis des VwGH vom 21.11.2002, 2002/20/0315). Dies gilt – wie sich aus § 19 Abs. 5 letzter Satz AsylG ergibt – auch für minderjährige Asylwerber. Dass die Eltern der Beschwerdeführerin als deren gesetzliche Vertreter im Verfahren nicht in der Lage gewesen wären, durch ihre Aussagen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes hinsichtlich des allfälligen Vorliegens eigener Fluchtgründe bzw. einer asylrelevanten Gefährdung der Beschwerdeführerin in Syrien beizutragen, kann nicht erkannt werden.
Bei rechtsrichtiger Anwendung der maßgeblichen Bestimmungen des AsylG hätte die belangte Behörde daher das allfällige Vorliegen eigner Fluchtgründe der Beschwerdeführerin bzw. einer asylrelevanten Gefährdung der Beschwerdeführerin in Syrien im Rahmen eines durchzuführenden Ermittlungsverfahrens zu prüfen gehabt und hätte dabei insbesondere nicht von einer Einvernahme der gesetzlichen Vertreter der nicht handlungsfähigen Beschwerdeführerin absehen dürfen.
Die belangte Behörde hat somit im vorliegenden Verfahren im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht (§ 39 Abs. 2 AVG, § 18 Abs. 1 AsylG) keine bzw. bloß ungeeignete Schritte gesetzt und hat die notwendigen Feststellungen und Erhebungen, wie insbesondere die Einvernahme der Eltern der Beschwerdeführerin, (gänzlich) unterlassen. Aufgrund des (gänzlichen) Unterbleibens der notwendigen Ermittlungen/Feststellungen im behördlichen Verfahren zu diesen hier bedeutsamen Fragen im Tatsachenbereich steht der für eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in der Sache erforderliche Sachverhalt nicht fest.
Nach dem Gesagten ist der angefochtene Bescheid, da ihm keine bzw. bloß ungeeignete Feststellungen und Ermittlungen zum relevanten Sachverhalt zugrunde liegen, von keiner nachvollziehbaren Sachverhaltsdarstellung getragen. Er unterschreitet insofern die Anforderungen an eine im Sinn des § 60 AVG ausreichende, nachvollziehbare Begründung und ist daher mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet (vgl. Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, AVG § 60, insb. Rz 35ff mwN sowie VwGH 24.03.2015, Ra 2014/19/0063, wonach in einem Fall wie dem vorliegenden ein auf einem mangelhaften Ermittlungsverfahren gegründeter Bescheid der Verwaltungsbehörde vorliegt), der als besonders schwerwiegender Mangel des behördlichen Verfahrens gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu qualifizieren ist (vgl. zum Fall der bloß ansatzweisen Ermittlungstätigkeit VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; vgl. auch VwGH 17.03.2016, Ra 2015/11/0127). Vor dem Hintergrund verwaltungsökonomischer Überlegungen und der Effizienzkriterien des § 39 Abs. 2 AVG war von der Möglichkeit des Vorgehens nach der zuletzt genannten Bestimmung Gebrauch zu machen.
3.1.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
3.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die vorliegende Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich im konkreten Fall eine Rechtsfrage stellt, die über den (hier vorliegenden konkreten) Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Ausgehend davon kann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auch insofern nicht bejaht werden. Es war daher auszusprechen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.
Schlagworte
Einvernahme, Ermittlungspflicht, Familienverfahren, Kassation,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:W108.2143648.1.00Zuletzt aktualisiert am
04.12.2017