TE Bvwg Beschluss 2017/11/20 W103 2137881-1

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Veröffentlicht am 20.11.2017
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Entscheidungsdatum

20.11.2017

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W103 2137881-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die XXXX , gegen Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2016, Zl. 1065861803-150412689, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt I. des bekämpften

Bescheids behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, insoweit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger Somalias, stellte am 23.04.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, nachdem er zuvor unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist war.

Anlässlich seiner am Tag der Antragstellung durchgeführten Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer zunächst an, der Volksgruppe der Shaanshi anzugehören und aus XXXX zu stammen, im Herkunftsstaat würden sich seine Ehefrau und seine vier minderjährigen Kinder aufhalten. Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, sein Herkunftsland verlassen zu haben, da er von der Terrorgruppe Al Shabaab unter Druck gesetzt worden wäre. Er habe eine kleine Schneiderei besessen und ihm sei untersagt worden, Hochzeitsbekleidung herzustellen, da dies nicht dem Brauch entsprochen hätte. Da der Beschwerdeführer für seine Familie habe sorgen müssen, habe er sich an das Verbot jedoch nicht gehalten. Einige Zeit später sei Al Shabaab wieder zu ihm in die Schneiderei gekommen und es sei zu einer Auseinandersetzung gekommen, bei welcher der anwesende Bruder des Beschwerdeführers getötet worden wäre. Da der Beschwerdeführer unter diesen Umständen keine Zukunft mehr gesehen habe und nicht unter diesen Bedingungen habe leben wollen, habe er sich zur Ausreise entschlossen. Seine Frau sei mit den Kindern nach Kenia geflüchtet und halte sich dort auf.

Mit Eingabe vom 29.01.2016 ersuchte der Beschwerdeführer um baldige Einvernahme.

Am 15.02.2016 wurde der Beschwerdeführer im Beisein einer Dolmetscherin für die somalische Sprache niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Eingangs erklärte der Beschwerdeführer, gesund zu sein und sich auf die durchzuführende Einvernahme konzentrieren zu können, die Verständigung mit der anwesenden Dolmetscherin funktioniere gut. Die in seiner Erstbefragung getätigten Angaben seien wahrheitsgemäß.

Die weitere Befragung des Beschwerdeführers vernahm in ihren gegenständlich relevanten Teilen den folgenden Verlauf:

"( )

F: Wann haben Sie sich zuletzt in Somalia aufgehalten?

A: Im Mai 2013

( )

AUSREISEGRUND

Aufforderung: Sie werden noch einmal darauf hingewiesen, dass Sie Ihre Angaben wahrheitsgemäß zu machen haben. Und auch, dass Ihre Angaben vertraulich behandelt werden.

AW hat dies verstanden.

Schildern Sie bitte nunmehr Ihre Fluchtgründe:

A: Ich war in Somalia Schneider, ich habe mit meiner Familie ein Schneidergeschäft in XXXX gehabt, das Geschäft ist gut gegangen, ich habe Hochzeitskleider und das Kopftuch für die Polizistinnen, Al-Shaabab hat mich telefonisch kontaktiert und mir gesagt ich soll aufhören mit meiner Arbeit, ich soll die Kleidung für die Al-Shaabab machen, ich dacht am Anfang es sei ein Spaß, mein Onkel ist zu Polizei gegangen und hat der Polizei erzählt, das die Al-Shaabab uns bedroht hat, die Al-Shabaab hat dann noch einmal angerufen und gesagt, dass Sie wissen was ich gemacht habe, 4 Tage später sind die Al-Shabaab sind die Al-Shabaab in mein Geschäft gekommen und hat meinen Bruder meinen Onkel und einen Angestellte getötet, 1 Woche später habe ich mein Land verlassen

F: Wann genau war dieser Vorfall wo die Al-Shaabab Ihren Onkel, Ihren Bruder und den Angestellten getötet hat?

A: Es war im Mai 2013

F: Wohin sind Sie danach geflüchtet?

A: Von XXXX nach XXXX , nach 10 Tagen bin ich weiter in den Jemen, in Jemen habe ich bis Februar 2014 gelebt, ich bin dann vom Jemen mit den Flugzeug in die Türkei geflogen, in der Türkei war ich 6 Monate

F: Wo war Ihre Familie in dieser Zeit?

A: Sie waren in Somalia

A: Warum haben Sie Ihre Familie nicht in den Jemen geholt?

A: Das Leben im Jemen war sehr teuer

F: Warum sind Sie nicht im Jemen oder in der Türkei geblieben?

A: Jemen war nicht mehr sicher

F: Warum sind Sie nicht in ein umliegendes Land von Somalia gegangen?

A: Die Al-Shaabab kommen auch nach Kenia

F: Können Sie näher erklären was nach dem Anschlag der Al-Shabbab auf Ihr Geschäft genau passiert ist?

A: Ich war an diesem Tag nicht im Geschäft als der Anschlag passiert ist, die Nachbarn haben die Toten beerdigt, ich habe mich versteckt und war nicht dabei

F: Wo waren Sie an diesem Tag?

A: Mein Sohn war krank und ich habe ihn ins Spital gebracht

F: Wie viele Schneider hat es im XXXX gegeben die Brautkleider und die Kopftücher der Polizistinnen gemacht haben

A: Es gibt ca. 6 bis 8 Geschäfte in XXXX die solche Kleidungen machen, ich habe einen Vertrag mit der Polizei gehabt

F: Wie lange haben Sie Kleider für die Polizei gemacht?

A: Seit ca. 2009

F: Vorher gab es keine Bedrohung durch die Al-Shabbab?

A: Nein

F: Wer kümmert sich jetzt um Ihre Familie in Kenia?

A: Meine Frau arbeitet in Kenia

F: Wissen Sie ob der Anschlag der Al-Shaabab auch Ihnen gegolten hat oder nur Ihrem Onkel der die Anzeige bei der Polizei gemacht hat?

A: Ich weiß nicht ob der Anschlag auch mir gegolten hat, ich war an dem Tag im Spital mit meinem Sohn

F: Warum sind Sie nicht in der Türkei geblieben?

A: Ich konnte in der Türkei nicht arbeiten

V: Sie können ja in Österreich auch nicht arbeiten und müssen Ihr Asylverfahren abwarten. Wo ist da der Unterschied?

A: Der Jemen war nicht sicher und in der Türkei konnte ich nicht arbeiten

F: Leben Ihre Angehörigen nach wie vor an deren Adresse?

A: Es lebt niemand mehr an meiner Adresse

F: Wie viele wurde für Ihre Ausreise gesamt bezahlt?

A: Ca. USD 7000,-

F: Woher stammt das Geld für Ihre Ausreise?

A: Die Hälfte habe ich bezahlt und die andere Hälfte haben Verwandte bezahlt

F: Wann hatten Sie den letzten Kontakt mit Ihrer Familie in Somalia?

A: In Somalia gibt es niemanden mehr, meine Familie lebt in Kenia, meine Frau ruft mich ab und zu an, sie hat kein Telefon und ruft von der Nachbarin an, diese Nachbarin gibt es nicht mehr

F: Ich beende jetzt die Einvernahme. Haben Sie alle Gründe vorgebracht, die Sie bewogen haben, Ihr Heimatland zu verlassen?

Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals, ob Sie noch etwas Asylrelevantes angeben möchten oder etwas vorbringen möchten, was Ihnen wichtig erscheint, jedoch bis jetzt noch nicht angesprochen wurde?

A: Ich habe alles gesagt

F: Haben Sie schon Vorstellungen gemacht, wie Ihr Weiterverbleib in Österreich aussehen könnte?

A: Nein

F: Haben Sie sich heute hier von den Anwesenden gut behandelt gefühlt?

A: Ja

F: Hatten Sie sich in Somalia jemals einen Reisepass ausstellen lassen?

A: Ja ich hatte einen Reisepass, diesen habe ich in der Türkei verloren

F: Haben Sie noch Fragen zu Ihrem Asylverfahren?

A: Nein

F: Abschließend noch schnell die – rein hypothetisch gestellte –

Frage nach Ihren Rückkehrbefürchtungen:

A: Ich hab Angst um mein Leben

( )"

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19.09.2016, Zl. 1065861803-150412689, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers vom 24.07.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.), welche zuletzt bis 19.09.2019 verlängert wurde.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte die Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit, nicht jedoch die präzise Identität, des Beschwerdeführers fest (vgl. Aktenseite 71) und traf Feststellungen zur Lage in Somalia (vgl. die Seiten 12 ff des angefochtenen Bescheides). Nicht festgestellt werde habe können, dass der Beschwerdeführer in XXXX durch die Al Shabaab bedroht worden wäre. Der vom Beschwerdeführer diesbezüglich vorgebrachte Sachverhalt habe mangels Glaubwürdigkeit nicht festgestellt werden können. Selbst unter Annahme der Glaubwürdigkeit jenes Vorbringens sei festzuhalten, dass jenes Vorbringen jedenfalls keine Furcht vor Verfolgung aus den in der GFK genannten Gründen darstelle.

Dies wurde im Wesentlichen auf die folgenden beweiswürdigenden Erwägungen gestützt:

"( ) Anlässlich der Erstbefragung im Asylverfahren führten Sie an, Somalia verlassen zu haben da Sie von der Terrorgruppe "Al-Shabaab" unter Druck gesetzt wurden. Sie hatten eine kleine Schneiderei und es wurde Ihnen untersagt, Hochzeitsbekleidung herzustellen, da dies nicht dem Brauch entsprach. Sie mussten aber für Ihre Familie sorgen und hielten sich nicht an das Verbot. Bei einer weiteren Auseinandersetzung mit den "Al-Shabaab" in Ihrer Schneiderei wurde Ihr anwesender Bruder getötet. Weil Sie unter diesen Umständen nicht weiter in Somalia leben wollten, fassten Sie den Entschluss zur Ausreise. Ihre Frau ist mit den Kindern nach Kenia geflüchtet und hält sich dort auf.

Vor dem BFA schilderten Sie, dass Sie mit Ihrer Familie in XXXX ein Schneidereigeschäft für Hochzeitskleider und Kopftücher für Polizistinnen betreiben. Sie wurden von den Al-Shabaab telefonisch kontaktiert und es wurde Ihnen gesagt, dass Sie mit der Arbeit aufhören und Kleidung für die Al-Shabaab machen sollen. Ihr Onkel erzählte der Polizei, dass Sie von den Al-Shabaab bedroht werden, danach haben die Al-Shabaab noch einmal angerufen und gesagt, dass sie wissen was Sie gemacht haben. Nach 4 Tagen kamen die Al-Shabaab in Ihr Geschäft und haben Ihren Bruder, Ihren Onkel und einen Angestellten getötet. Eine Woche später haben Sie Ihr Land verlassen.

Die Behauptung, dass Sie einer Verfolgung bzw. Bedrohung durch die Al-Shabaab ausgesetzt gewesen wären, weil Sie eine Schneiderei, welche Hochzeitskleider und Kopftücher für Polizistinnen angerfertigten hätte, stellten Sie nur allgemein in den Raum, ohne dies belegen oder glaubhaft machen zu können. Aufgrund der Allgemeinheit und der mangelnden Nachvollziehbarkeit konnte Ihren Angaben keine Glaubwürdigkeit zugesprochen werden. So gaben Sie bei Ihrer Erstbefragung an, dass Sie nur Hochtszeitsbekleidung hergestellt haben. Vor dem BFA schilderten Sie das Sie zu den Hochzeitskleidern auch noch Kopftücher für Polizistinnen hergestellt haben und auch einen Vertrag mit der Polizei gehabt haben. Sie schilderten auch bei der Erstbefragung, dass Sie von der Al-Shabaab unter Druck gesetzt wurden, weil Sie gegen den Brauch, Hochzeitskleider hergestellt haben und die Al-Shabaab einige Zeit später zu Ihnen ins Geschäft gekommen ist und es bei einer Auseinandersetzung im Geschäft mit den Al-Shabaab, diese Ihren anwesenden Bruder getötet haben. Vor dem BFA steigerten Sie Ihre Schilderung dahingehend, dass die Al-Shabaab nicht nur Ihren Bruder sondern auch Ihren Onkel und einen Angestellten getötet haben als Sie ins Geschäft gekommen sind. Auch schilderten Sie vor dem BFA, dass die Al-Shabaab Sie telefonisch kontaktierte und Sie am Anfang dachten, dass es nur Spaß ist. Ihr Onkel hat daraufhin der Polizei davon erzählt und Sie haben danach nochmals einen Anruf der Al-Shabaab bekommen. Erst nach 4 Tagen ist dann die Al-Shabaab zu Ihnen ins Geschäft gekommen und hat dabei Ihren Bruder, Ihren Onkel und einen Angestellten getötet. Und wie es der Zufall will waren Sie zum Zeitpunkt des Anschlages mit Ihrem Sohn im Spital da er krank war. Sie gaben auch auf die Frage, ob der Anschlag der Al-Shabbab auch Ihnen gegolten hat an, dass Sie nicht wissen ob der Anschlag auch Ihnen gegolten hat da Sie mit Ihrem Sohn im Spital waren.

Weiteres haben Sie weder bei der Erstbefragung noch vor dem BFA auf die Frage der Familienangehörige im Herkunftstaat, Ihren Bruder als verstorben oder als lebend angegeben.

Ein wesentlicher Punkt ist, dass XXXX unter der Kontrolle von Regierung und AMISOM (AI 24.2.2016)steht. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab wieder die Kontrolle über XXXX erlangt (DIS 9.2015; vgl. UKUT 3.10.2014, EASO 2.2016). Der Rückzug der formalen Präsenz der al Shabaab aus XXXX ist dauerhaft. Somit konnten Sie nicht von der Al-Shababb in XXXX bedroht werden.

Zusammenfassend - gemeint in Gesamtschau - war bezüglich des Vorbringens somit zu befinden, dass besondere Umstände, aus denen bei objektiver Betrachtung glaubhaft hervorgehen würde, dass Sie gegenwärtig in Somalia unmittelbaren und/oder mittelbaren persönlichen staatlichen Verfolgungen im Sinne der GFK ausgesetzt sind, nicht festgestellt werden konnten. ( )"

Aufgrund der gegenwärtigen Situation in Somalia erweise sich eine Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers derzeit nicht zulässig, zumal nicht ausgeschlossen werden könne, dass diesem im Falle einer Rückkehr eine Gefahr im Sinne des § 8 AsylG drohen würde. Aus diesem Grund sei ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen.

Mit Verfahrensanordnung vom 19.09.2016 wurde dem Beschwerdeführer amtswegig eine Rechtsberatungsorganisation im Hinblick auf eine allfällige Beschwerdeerhebung zur Seite gestellt.

3. Gegen Spruchpunkt I. des angeführten Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die fristgerecht am 18.10.2016 eingebrachte Beschwerde unter gleichzeitiger Bekanntgabe des im Spruch bezeichneten Vollmachtsverhältnisses. Geltend gemacht wurden eine unrichtige rechtliche Beurteilung sowie eine Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begründend wurde zusammenfassend ins Treffen geführt, die Behörde habe den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren nicht genügt; die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen enthielten zwar allgemeine Aussagen zur Lage in Somalia, würden sich jedoch nicht hinreichend mit dem konkreten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers befassen und sich dadurch als unzureichend erweisen. Die Behörde habe es zur Gänze unterlassen, sich mit der Situation von Angehörigen des Clans der Shanshiya sowie Personen, welche Arbeitsverträge mit der Polizei der Bundesregierung abgeschlossen hätten, zu befassen. Diesbezüglich wurde auf einen Bericht des BAMF aus Juli 2010 zur Situation der Shanshiya (Benadiri, Reer Hamar) sowie eine ACCORD-Anfragebeantwortung vom 15.02.2012 zur gleichen Thematik verwiesen. Aus einem Bericht des Immigration and Refugee Board of Canada vom 01.06.1998 sowie aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.07.2016 ergebe sich, dass die Shanshiya mit Schneiderei in Verbindung gebracht würden. Weiters wurde auf Länderberichtsmaterial zur Situation in Süd- und Zentralsomalia, insbesondere XXXX , verwiesen. Es treffe zu, dass die Sicherheitslage in XXXX nicht mehr vergleichbar mit der Zeit vor dem sogenannten Abzug der Al Shabaab wäre, eine Bedrohung durch Al Shabaab sei jedoch weiterhin gegeben; in einem Bericht des Finnish Migration Service vom 04.05.2016 werde festgehalten, dass u.a. Zivilpersonen, welche für die Regierung arbeiten, gefährdet wären, auch in von der Regierung kontrollierten Gebieten in XXXX attackiert oder getötet zu werden. Da die Sicherheitskräfte meist nicht in der Lage wären, effektiven Schutz zu gewährleisten, drohe dem Beschwerdeführer Verfolgung durch Al Shabaab. Hätte die Behörde diese Länderberichte im Zuge ihrer Entscheidungsfindung herangezogen, hätte sie zum Ergebnis kommen müssen, dass Shanshiya als Minderheit in ganz Somalia als "Ausländer" hervorstechen sowie dass Menschen, welche mit der Regierung zusammenarbeiten, auch in XXXX von asylrelevanter Verfolgung bedroht wären. Der Beschwerdeführer werde aufgrund seiner Tätigkeit als Schneider, welcher mit der Regierung zusammenarbeite, von Al Shabaab – ohne Aussicht auf staatlichen Schutz – religiös bzw. politisch verfolgt, insbesondere aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Minderheit der Shanshiya, welche den Beschwerdeführer sofort "sichtbar" mache. Überdies sei es im Verfahren vor dem Bundesamt zu einer Verletzung des Parteiengehörs gekommen, da der Beschwerdeführer keine Gelegenheit gehabt hätte, auf die herangezogenen Feststellungen zu Somalia zu "reagieren"; der Beschwerdeführer habe angegeben, entgegen der Feststellung auf Seite 12 des angefochtenen Bescheides, keine Stellungnahme eingebracht zu haben. Wären dem Beschwerdeführer die Länderberichte der belangten Behörde vorgehalten worden, so hätte dieser sein Vorbringen in Bezug auf den Zusammenhang des fluchtauslösenden Sachverhalts mit seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Schneider, welche für die Regierung arbeiten, sowie seine Clanzugehörigkeit präzisieren können. Die Behörde habe es unterlassen, Feststellungen zu der durch den Beschwerdeführer ausgeübten Tätigkeit zu treffen. Der Beschwerdeführer habe angegeben, dass es in XXXX etwa 6-8 vergleichbare Schneidereien gegeben hätte, die Familie des Beschwerdeführers jedoch zusätzlich einen Vertrag mit der Regierung gehabt hätte. Nachdem der Beschwerdeführer und sein Onkel sich an die Polizei gewandt hätten, seien sein Onkel, sein Bruder, sowie ein weiterer Mitarbeiter im Geschäft durch Al Shabaab getötet worden. Nur durch Flucht aus der Gefangenschaft der Al Shabaab und wenig später aus Somalia habe der Beschwerdeführer der sicheren Tötung durch Al Shabaab entkommen können. In diesem Sinne liege eine konkrete und individuelle religiöse bzw. politische Verfolgung des Beschwerdeführers durch Al Shabaab mit hinreichender Intensität vor, weshalb dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr eine Gefahr gemäß § 3 AsylG drohe. Die Abweisung des Antrages wegen Unglaubwürdigkeit basiere auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und mangelhaften Sachverhaltsermittlung. Entgegen der Ansicht der Behörde habe der Beschwerdeführer sein Vorbringen lebensnah gestaltet und frei über die Erlebnisse in Somalia gesprochen. Ein Abgleich des Vorbringens mit den vorliegenden Länderberichten sei der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides nicht zu entnehmen. Die vermeintlichen Widersprüche innerhalb der Angaben des Beschwerdeführers ließen sich leicht auflösen. Insofern die Behörde Widersprüche zwischen der Erstbefragung und der weiteren Einvernahme heranziehe, sei darauf zu verweisen, dass AsylwerberInnen im Zuge der Erstbefragung gar nicht näher zu ihren Fluchtgründen befragt werden dürfen und es daher unzulässig sei, eine Entscheidung vorrangig auf Widersprüche gegenüber der Erstbefragung zu stützen. Zudem sei der psychische und physische Zustand des Antragstellers bei der Erstbefragung besonders zu berücksichtigen. Beide Vorgaben habe die belangte Behörde verletzt. Der Beschwerdeführer sei bei der Erstbefragung eingeschüchtert und erschöpft gewesen und er sei aufgefordert worden, sich bezüglich seiner Fluchtgründe kurz zu halten. Widersprüche innerhalb der Angaben des Beschwerdeführers seien nicht erkennbar und die ihm vorgeworfene Steigerung seines Vorbringens erweise sich als nicht tragbar. Das Argument, wonach eine Verfolgung durch Al Shabaab innerhalb XXXX nicht möglich wäre, stünde im Widerspruch zu den eigenen Länderberichten der belangten Behörde. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei aufgrund des ihm gewährten subsidiären Schutzes nicht vorhanden.

4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 21.10.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht u.a. über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z. 1) sowie über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (Z. 3).

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 VwGVG trat dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Gemäß Abs. 2 leg. cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchpunkt A:

1.2. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2.

Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013)

§ 28 VwGVG Anm. 11).

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für

eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.01.2009, 2008/07/0168; VwGH 23.5.1985, 84/08/0085).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten insbesondere Folgendes ausgeführt:

"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer obersten Berufungsbehörde (Art. 129c Abs. 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der ‚obersten Berufungsbehörde‘ beginnen und zugleich – abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof – bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."

Es besteht kein Grund zur Annahme, dass sich die dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf die neue Rechtslage übertragen ließe. Es liegt weiterhin nicht im Sinne des Gesetzes, wenn das Bundesverwaltungsgericht erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass es seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden.

1.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und folgende für die Auslegung des § 28 VwGVG maßgeblichen Gesichtspunkte aufgezeigt:

Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, auch dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt. Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist. Angesichts des in §?28?VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlange das im §?28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck finde, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werde. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen würde daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt habe. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Annahme bestünden, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389).

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, in nunmehr ständiger Rechtsprechung, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 mwN, 14.421/1996, 15.743/2000).

2. Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

2.1. Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Asylverfahren missachtet worden, dies aus folgenden Erwägungen:

Die Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens resultiert im vorliegenden Fall daraus, dass die Behörde in Hinblick auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers lediglich ansatzweise Ermittlungen getätigt hat. So brachte der Beschwerdeführer, welcher der Minderheit der Shanshiya angehöre, als seinen fluchtauslösenden Grund vor, seinen Herkunftsstaat verlassen haben zu müssen, da er in der Schneiderei seiner Familie tätig gewesen wäre, welche u.a. Hochzeitskleider und Kopftücher für Polizistinnen hergestellt hätte. Infolge Drohungen der Al Shabaab habe der Onkel des Beschwerdeführers Anzeige bei der Polizei erstattet, einige Tage später habe Al Shabaab die Schneiderei angegriffen und dabei den Onkel und den Bruder des Beschwerdeführers sowie einen Angestellten getötet. Der Beschwerdeführer habe sich zu diesem Zeitpunkt mit seinem Sohn im Spital befunden.

In diesem Zusammenhang ist zunächst anzumerken, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren vor der Behörde lediglich in unzureichender Weise befragt worden ist. So ist dem Beschwerdevorbringen zuzustimmen, dass alleine der Umstand, dass der Beschwerdeführer anlässlich seiner Erstbefragung lediglich von der Ermordung seines Bruders gesprochen, den Umstand, dass auch sein Onkel getötet worden wäre, jedoch unerwähnt lassen hätte, angesichts der Natur der Erstbefragung, welche keiner näheren Auseinandersetzung mit den Fluchtgründen dient, nicht für sich genommen als gegen eine Glaubwürdigkeit des vorgebrachten Sachverhalts sprechend angesehen werden kann. Die Behörde unterließ es, den Beschwerdeführer näher zu den vorgebrachten Fluchtgründen zu befragen, um derart eine Basis für die Beurteilung ihrer Glaubwürdigkeit erlangen zu können.

Anzumerken ist auch, dass sich dem Verwaltungsakt kein Hinweis darauf entnehmen lässt, dass dem Beschwerdeführer die seitens der Behörde herangezogenen Länderberichte vor Bescheiderlassung zur Kenntnis gebracht worden wären und lässt sich sohin die Feststellung auf Seite 12 des angefochtenen Bescheides, demzufolge der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme zu den maßgeblichen Länderinformationen abgegeben hätte, nicht nachvollziehen.

Insofern die Behörde mit dem Rückzug von Al Shabaab aus dem Gebiet XXXX argumentiert und vor diesem Hintergrund eine Gefährdung des Beschwerdeführers in jener Stadt als ausgeschlossen erachtet, so steht dies im Gegensatz zu den eigenen Länderberichten der belangten Behörde, demzufolge Al Shabaab in der Lage sei, fast im gesamten Stadtgebiet von XXXX terroristische Taten zu begehen (Bescheid, Seite 21).

Konkrete Feststellungen, ob auch Personen, welche durch die Ausführung von Arbeiten für die somalische Regierung wie der geschilderten Herstellung von Uniformen bzw. Kopftüchern für Polizistinnen, konkret Gefahr laufen, zum Ziel eines Anschlages der Al Shabaab zu werden, lassen sich dem angefochtenen Bescheid nicht entnehmen. Allerdings wird in den darin zitierten Länderberichten ausgeführt, dass u.a. Zivilisten, welche mit der Regierung in Verbindung stehen, zu den zivilen Zielen der Al Shabaab auf den von somalischer Regierung und AMISOM kontrollierten Landesteilen zählen würden. Gezielte Attentate gegen diese Personengruppe kämen unter anderem in XXXX vor (Bescheid, Seite 40). Vor dem Hintergrund jener Informationen hätten die Schilderungen des Beschwerdeführers nicht aufgrund mangelnder Vereinbarkeit mit den vorliegenden Länderberichten als unglaubwürdig erachtet werden dürfen, sondern wären weitergehende Ermittlungen erforderlich gewesen, um eine Basis für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit seiner Fluchtgründe erlangen zu können. Neben einer genaueren Befragung seiner Person zu den fluchtauslösenden Vorfällen wären insbesondere konkrete Länderfeststellungen dahingehend erforderlich gewesen, ob eine gezielte Verfolgung des Beschwerdeführers durch Al Shabaab aufgrund der Ausführung von Schneider-Aufträgen für die somalischen Behörden in XXXX angesichts der Gegebenheiten im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers plausibel erscheint.

Insofern ist dem Bundesamt vorzuwerfen, dass es im vorliegenden Fall einerseits keine ausreichenden Ermittlungen in Hinblick auf das fluchtrelevante Vorbringen des Beschwerdeführers getätigt hat und den Beschwerdeführer nicht in der gebotenen Tiefe befragt hat. Im fortgesetzten Verfahren wird sohin nach ergänzender Einvernahme des Beschwerdeführers und nach Heranziehung entsprechender aktueller Herkunftslandquellen, die Glaubwürdigkeit des fluchtrelevanten Vorbringens des Beschwerdeführers zu beurteilen und anschließend auf dieser Basis einer rechtlichen Würdigung zu unterziehen sein.

Insofern bedarf es jedenfalls detaillierter Erhebungen der die Person des Beschwerdeführers treffenden Sachlage, um zu einer haltbaren Beweiswürdigung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit und zu einer tragbaren Entscheidung überhaupt im Verfahren gelangen zu können.

Damit fehlt dem Bundesverwaltungsgericht jedenfalls die maßgebliche Entscheidungsgrundlage für eine abschließende Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers in asylrechtlicher Hinsicht. Durch das vom Beschwerdeführer (potentiell) gesetzte Verhalten, die Weigerung seine Tätigkeit als Schneider für die somalischen Behörden einzustellen, ist eine individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers durch Al Shabaab aufgrund einer ihm unterstellten politischen und religiösen Gesinnung, in Bezug auf welche die Behörden Somalias keinen Schutz bieten könnten, nicht auszuschließen.

Folgt man den Ausführungen unter Punkt 1.3. hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bloß ansatzweise Ermittlungen getätigt, sodass eine Zurückverweisung der Sache an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl schon unter diesem Gesichtspunkt als gerechtfertigt erscheint.

2.2. Die belangte Behörde hat unter Verstoß gegen den Grundsatz der Offizialmaxime, der sie zur amtswegigen Erhebung des gesamten wahren Sachverhaltes verpflichtet, keine umfassenden Ermittlungen getätigt und daraus resultierend auch keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Die aufgezeigte Mangelhaftigkeit ist wesentlich, weil vorweg nicht ausgeschlossen werden kann, dass deren Vermeidung für den Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Antragstellung auf internationalen Schutz zu einem günstigeren Ergebnis hätte führen können.

Damit hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bloß ansatzweise ermittelt.

Von einer ganzheitlichen Würdigung des individuellen Parteivorbringens kann im vorliegenden Fall somit nicht gesprochen werden und sind die im angefochtenen Bescheid beweiswürdigend angeführten Argumente im zu beurteilenden Fall keinesfalls zur Begründung einer negativen Entscheidung geeignet.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird sich daher im fortgesetzten Verfahren mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in umfassender Weise auseinanderzusetzen zu haben. Im Rahmen einer ergänzenden detaillierten Befragung des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen, einer befürchtenden Verfolgung durch Al Shabaab, und nach ergänzenden Länderfeststellungen wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die oben angesprochenen Punkte einer Klärung zuzuführen zu haben.

Unter diesen Gesichtspunkten leidet der angefochtene Bescheid unter erheblichen Ermittlungsmängeln in Bezug auf die Frage der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer konkret und gezielt gegen den Beschwerdeführer gerichteten Bedrohung von Seiten der Al Shabaab, und erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung einer allfälligen Gefährdung des Beschwerdeführers in Hinblick auf den Aspekt der Gewährung des Status des Asylberechtigten, als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten, wie oben dargelegt als so mangelhaft, dass weitere Ermittlungen diesbezüglich unerlässlich erscheinen.

2.3. Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann – im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG – nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist – angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes – nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Im vorliegenden Fall konnte die Verhandlung im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Zu Spruchpunkt B:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. VwGH 26.?6.?2014, 2014/03/0063). Durch das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Behebung und Zurückverweisung eines angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG wegen Ermittlungsmängel folgt konzeptionell im Wesentlichen der Bestimmung des § 66 Abs. Abs. 2 AVG (bzw. des § 41 Abs. 3 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012). Die zu diesen Bestimmungen ergangene Judikatur ist ausführlich und auf den hier in Betracht kommenden § 28 Abs. 3 2. Satz VwGG infolge seiner konzeptionellen Ausgestaltung anwendbar (vergl. z.B. 17. 10. 2006, 2005/20/0459 und grundsätzlich zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG in Asylverfahren VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315, 2000/20/0084 und insbesondere VwGH vom 21. 6. 2010, 2008/19/0379, wo der VwGH ausdrücklich einen Vergleich zwischen den beiden Normen § 66 Abs. 2 AVG und § 41 Abs. 3 ASylG 2005 zieht).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, fehlende Länderfeststellungen, Kassation,
mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Parteiengehör, Religion,
unterstellte politische Gesinnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W103.2137881.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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