Index
L22003 Landesbedienstete Niederösterreich;Norm
AVG §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Zens und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die außerordentliche Revision des Mag. Dr. E N, LL.M., in K, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 25. August 2016, LVwG-AV-600/001-2016, betreffend Mehrdienstleistungsentschädigung gemäß § 71 Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber stand bis zu seiner Entlassung mit 1. Oktober 2015 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich.
2 Mit Schreiben vom 29. September 2015 stellte der Revisionswerber einen Antrag auf Entschädigung für von ihm erbrachte Mehrdienstleistungen "im Ausmaß von 458 Stunden lt. Interflex" gemäß § 71 Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 (DPL 1972) sowie deren Flüssigmachung. Mit weiterer Eingabe vom 23. Dezember 2015 an die Dienstbehörde beantragte er unter Hinweis auf seinen Antrag vom 29. September 2015 "bescheidmäßig über die (ihm) gebührende Entschädigung der von (ihm) bis 1.10.2015 erbrachten Mehrdienstleistungen im Sinne des § 71 DPL 1972 abzusprechen", wobei er den Standpunkt vertrat, dass zumindest die angeführten 458 Stunden zu Grunde zu legen seien, "und deren Flüssigmachung zu veranlassen".
3 Mit Bescheid vom 15. März 2016 wies die belangte Behörde den Antrag vom 29. September 2015, ergänzt im Schreiben vom 23. Dezember 2015, auf Entschädigung für erbrachte Mehrdienstleistungen bis zum 1. Oktober 2015 im Ausmaß von zumindest 458 Stunden sowie deren Flüssigmachung gemäß § 71 DPL 1972 ab.
4 Die Behörde begründete dies zusammengefasst dahingehend, dass der Revisionswerber bis zum 1. Oktober 2015 keine Mehrdienstleistungen erbracht habe, für die noch eine finanzielle Entschädigung gebühre. Zwar ergebe sich aus seinem elektronischen Zeiterfassungskonto ein als "Freizeitstunden" ausgewiesener Stundensatz von 458, eine Mehrdienstleistungsentschädigung gebühre nach dem klaren Wortlaut des § 71 Abs. 1 DPL 1972 jedoch nur dann, wenn dem Beamten schriftlich von der Landesregierung, dem Landeshauptmann oder einem hierzu ermächtigten Beamten die Leistung von Mehrdienstleistungen angeordnet worden sei. Alle sonstigen allenfalls vom Dienststellenleiter angeordneten oder aufgrund eines erhöhten Arbeitsaufkommens angefallenen Arbeitsstunden könnten nur durch Freizeit ausgeglichen werden. Einmal in Freizeit auszugleichende Überstunden könnten nachträglich keinen Anspruch auf finanzielle Entschädigung begründen. Die im elektronischen Zeiterfassungsprogramm ausgewiesenen Freizeitstunden seien für die Begründung einer finanziellen Entschädigung nach § 71 DPL 1972 daher nicht geeignet. Da der Anspruch auf Freizeitstunden nur in der Konsumation von Freizeit anstatt der dienstplanmäßigen Dienstverpflichtung tatsächlich realisierbar sei, seien Freizeitstunden in dieser Hinsicht mit dem Anspruch auf Erholungsurlaub vergleichbar. Aus § 42 Abs. 9 DPL 1972 iVm § 93 NÖ Landes-Bedienstetengesetz (NÖ LBG) sei jedoch ableitbar, dass der Bedienstete den Anspruch auf eine Abgeltung von nicht verbrauchtem Urlaub verliere, sofern er das Unterbleiben des Verbrauchs des Erholungsurlaubs zu vertreten habe. Dies sei beispielsweise bei einer Entlassung der Fall (§ 93 Abs. 3 Z 2 NÖ LBG). Sinngemäß Gleiches habe für Freizeitstunden zu gelten. Schriftlich angeordnete, finanziell noch abzugeltende Mehrdienstleistungen seien hingegen nicht zu Tage getreten.
5 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Verwaltungsgericht den Bescheid dahingehend ab, dass er zu lauten habe:
"Der Antrag vom 29. September 2015 wird, soweit er auf ‚Flüssigmachung' einer Entschädigung für erbrachte Mehrdienstleistungen gerichtet ist, wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen. Im Übrigen wird dieser Antrag mangels Feststellungsinteresses zurückgewiesen. Es wird festgestellt, dass hinsichtlich sämtlicher mit Antrag vom 29. September 2015 zur Entschädigung geltend gemachter Mehrdienstleistungen Verjährung eingetreten ist."
Des Weiteren wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Das Verwaltungsgericht stellte dazu in seinem Erkenntnis fest, dass der Revisionswerber sämtliche mit Antrag vom 29. September 2015 zur Feststellung der Gebührlichkeit beantragten Arbeitsleistungen vor Mitte Oktober 2009 erbracht habe. Sein Dienstverhältnis habe durch Entlassung mit 1. Oktober 2015 geendet.
8 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht zum Antrag auf "Flüssigmachung" aus, dass die Erledigung eines Liquidierungsbegehrens gemäß Art. 137 B-VG in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs falle, auch wenn dieses Liquidierungsbegehren zulässigerweise erst geltend gemacht werden könne, wenn über die Frage der Gebührlichkeit des ihm zugrundeliegenden besoldungsrechtlichen Anspruchs mit (Feststellungs-)Bescheid der zuständigen Behörde abgesprochen worden sei. Über einen bloß auf Liquidierung gerichteten Antrag des Beamten habe die Dienstbehörde grundsätzlich nicht bescheidförmig abzusprechen, es sei denn, der Beamte behaupte ausdrücklich die Zuständigkeit der Dienstbehörde zur bescheidförmigen Erledigung eines solchen Ansuchens. In diesem Fall sei das Liquidierungsbegehren mangels Zuständigkeit mit Bescheid zurückzuweisen. Da der Revisionswerber mit Schreiben vom 23. Dezember 2015 im Rahmen des Parteigehörs ausdrücklich die bescheidmäßige Erledigung seines - auch auf Flüssigmachung der zur Feststellung begehrten Ansprüche gerichteten - Antrags vom 29. September 2015 beantragt habe, sei dieser Antrag insoweit wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen gewesen.
9 Die Verjährungsfrist für den behaupteten Abgeltungsanspruch gemäß § 52 Abs. 8 DPL 1972 - so führte das Verwaltungsgericht zur Verjährung aus - habe spätestens Mitte Oktober 2009 zu laufen begonnen. Aus seinem Vorbringen zur behaupteten konkludenten Erstreckung der 30-tägigen Frist des § 71 Abs. 1 lit. b DPL 1972 könne der Revisionswerber für die Frage der eingetretenen Verjährung nichts gewinnen, weil das Gesetz keinen Hinweis auf die Unwirksamkeit des § 52 Abs. 8 DPL 1972 für diesen Fall gebe. Ein allfällig vor Oktober 2009 entstandener Anspruch gemäß § 71 DPL 1972 sei spätestens seit Oktober 2012 zur Naturalobligation geworden. Auf das Vorbringen zu dem durch Krankheit und Entlassung vereitelten Konsum von Zeitguthaben sei daher nicht näher einzugehen. Die Gebührlichkeit eines verjährten Anspruchs dürfe jedoch nicht unter Hinweis auf Verjährung verneint werden. Hingegen sei die Dienstbehörde nicht daran gehindert, neben der Feststellung der Gebührlichkeit eines Anspruchs auch festzustellen, dass in Ansehung desselben Verjährung eingetreten sei.
10 Zum Feststellungsinteresse führte das Verwaltungsgericht des Weiteren aus, dass die Feststellung der Gebührlichkeit im Sinn der Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Feststellungsbescheiden eines von der Bedeutung für das weitere Dienstverhältnis getragenen Feststellungsinteresses bedürfe. Ein solches habe der Revisionswerber nicht darlegen können. Vor dem Hintergrund des mit 1. Oktober 2015 beendeten Dienstverhältnisses habe die Feststellung einer Naturalobligation seit dem Ende des Dienstverhältnisses weder für die spätere Ermittlung eines Ruhegenusses oder eine Ausgleichszulage eine Bedeutung noch sei sie sonst von einem denkbaren rechtlichen Interesse getragen. Dass eine Bereitschaft des Dienstgebers bestehe, eine festzustellende Naturalobligation freiwillig zu leisten, habe der Revisionswerber nicht behauptet. Darauf ergebe sich auch aus den Akten kein Hinweis, sodass der Antrag insoweit mangels Feststellungsinteresse als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.
11 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen einer grundsätzlichen Rechtsfrage.
12 In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen außerordentlichen Revision, mit welcher der Revisionswerber eine Verletzung seines Rechts auf (positive) Sachentscheidung über seinen Antrag gemäß § 71 DPL 1972 geltend macht, wird zur Zulässigkeit der Revision im Wesentlichen vorgebracht, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung über den Antrag vom 29. September 2015 den am 23. Dezember 2015 gestellten Antrag auf bescheidmäßige Absprache ignoriert habe. Der zeitlich erste Antrag sei durch den zweiten als ersetzt, allenfalls als modifiziert oder die Anträge als nebeneinander bestehend zu sehen. Dies führe jedenfalls zum Ergebnis, dass inhaltlich über den Antrag vom 23. Dezember 2015 abzusprechen gewesen wäre. In diesem Antrag sei keine Feststellungsentscheidung begehrt worden, sondern die Absprache über die gebührende Entschädigung, einen offenbar strittigen Anspruch. Die Überlegungen des Landesverwaltungsgerichts zum Feststellungsinteresse seien daher hinfällig. Als verfehlt werde auch die Feststellung der Verjährung angesehen und eine grundsätzliche Rechtsfrage in der Frage der Verjährung von erbrachten Mehrdienstleistungen gesehen.
13 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete im Vorverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof eine Revisionsbeantwortung und beantragte, die Unzulässigkeit der Revision auszusprechen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die vorliegende Revision ist zulässig:
14 Zwar stellt die vertretbare Auslegung eines Antrags oder von Vorbringen im Einzelfall regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (siehe den Beschluss vom 21. März 2017, Ra 2017/12/0010, mwN). Im vorliegenden Fall ist das Verwaltungsgericht jedoch bei der Auslegung des zu beurteilenden Antrags des Revisionswerbers zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Ergebnis gelangt, sodass insofern eine grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt wird. Zudem ist das Landesverwaltungsgericht von der - im Erkenntnis teilwiese sogar zitierten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in korrekturbedürftiger Weise abgewichen.
15 Der Revisionswerber begründet seine Revision unter anderem damit, dass er am 23. Dezember 2015 einen Antrag auf bescheidmäßige Absprache über die gebührende Entschädigung gestellt habe. Dieser Antrag sei Gegenstand des Verfahrens gewesen, weil nur aus diesem Grund der behördliche Bescheid ergangen sei. Es sei daher primär über den Antrag vom 23. Dezember 2015 abzusprechen gewesen, weil allein dieser auf bescheidmäßige Absprache gerichtet gewesen sei, der frühere Antrag hingegen nur auf einen faktischen Vorgang ohne Zielrichtung auf eine Bescheiderlassung. Allenfalls wäre von einer Modifikation des Antrags vom 29. September 2015 durch den Antrag vom 23. Dezember 2015 auszugehen gewesen. Zudem sei keine Feststellungsentscheidung, sondern die bescheidmäßige Absprache über die gebührende Entschädigung begehrt worden.
Die Revision ist aus den aufgezeigten Gründen auch berechtigt. 16 §§ 52 und 71 Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 (DPL 1972), LGBl. 2200-78, lauten (auszugsweise):
"§ 52
Fälligkeit der Bezüge und Nebengebühren (Auszahlung, Einstellung, Rückersatz, Verjährung)
(1) Soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, entsteht der Anspruch auf die dem Beamten und seinen Hinterbliebenen (Angehörigen) nach diesem Gesetz gebührenden Bezüge und Nebengebühren mit dem Beginn des Tages, an dem die bezügliche dienstrechtliche Verfügung rechtswirksam wird oder das maßgebende Ereignis eintritt, (...)
(2) ...
(3) Der Anspruch auf die Bezüge und Nebengebühren endet mit Ablauf des Monats, in dem der Beamte aus dem Dienststand ausscheidet oder - soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt wird - mit Ablauf des Monats, in welchem die bezügliche dienstrechtliche Verfügung rechtswirksam wird oder das maßgebende Ereignis eintritt. (...)
(4) ...
(5) Nebengebühren sind ohne unnötigen Aufschub auszubezahlen, und zwar:
a) Mehrdienstleistungsentschädigungen sind dem Beamten
längstens binnen zwei Monaten nach dem Ende des Monats, in dem die Mehrdienstleistung erbracht wurde, auszuzahlen. Eine Aufstellung über die Berechnung ist dem Beamten hiebei auszufolgen.
b) Aufwandsentschädigungen nach § 70 und Sonderzulagen nach § 72 sind nach Anordnung der sie verursachenden Tätigkeit monatlich im nachhinein auszubezahlen.
(6) ...
(7) ...
(8) Der Anspruch auf Bezüge und Nebengebühren verjährt, wenn er nicht innerhalb von drei Jahren geltend gemacht wird, nachdem die anspruchsbegründende Leistung erbracht worden oder der anspruchsbegründende Aufwand entstanden war. Das Recht auf Rückforderung zu Unrecht entrichteter Leistungen verjährt nach drei Jahren ab ihrer Entstehung. Was trotz Verjährung geleistet worden ist, kann nicht zurückgefordert werden. Die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Geltendmachung eines Anspruches im Verwaltungsverfahren einer Klage gleichzuhalten ist.
(9) ...
§ 71
Mehrdienstleistungsentschädigung
(1) Für Dienstleistungen, die über jenes Ausmaß an Arbeitsleistung hinausgehen, welches vom Beamten innerhalb der Dienstzeit gemäß § 30a Abs. 1 normalerweise zu erbringen ist (Normalleistung), gebührt eine Entschädigung, wenn und insoweit diese Mehrdienstleistungen
a) von der Landesregierung oder vom Landeshauptmann oder
von einem von ihnen hiezu ermächtigten Beamten unter Berufung auf seine Ermächtigung schriftlich angeordnet sind und
b) durch Freizeitgewährung innerhalb von 30 Tagen nicht ausgeglichen werden können. Soweit nicht dienstliche Interessen entgegenstehen, kann die Frist für den Freizeitausgleich mit Zustimmung des Beamten erstreckt werden. Überstunden während der Nachtzeit (22 bis 6 Uhr) und an Sonn- und Feiertagen sind nicht durch Freizeit auszugleichen.
(2) Wochentagsüberstunden außerhalb der Nachtzeit sind
a)
im Verhältnis 1 : 1,5 in Freizeit auszugleichen oder
b)
nach den Bestimmungen des Abs. 3 lit.a und b abzugelten oder
c) im Verhältnis 1 : 1 in Freizeit auszugleichen und zusätzlich nach Abs. 3 lit.b Z 1 abzugelten.
(3) Die Mehrdienstleistungsentschädigung besteht aus der Grundvergütung und dem Überstundenzuschlag.
a) Die Grundvergütung beträgt bei einer Dienstzeit von
40 Stunden pro Woche 5,77 v.T. des Dienstbezuges.
b) Der Überstundenzuschlag beträgt, soweit im Abs. 4 nichts anders bestimmt wird,
1. für Überstunden außerhalb der Nachtzeit (6 bis 22 Uhr) 50 v.H. und
2. für Überstunden während der Nachtzeit 100 v.H. der Grundvergütung.
Die Summe des sich bei Berechnung der Grundvergütung und des Zuschlages ergebenden Hundertsatzes ist auf Hundertstel zu runden.
..."
17 Nach der ständigen, mit VfSlg 3259/1957 eingeleiteten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs werden besoldungsrechtliche Ansprüche eines Beamten in der Regel in drei Phasen - Schaffung eines Rechtstitels, Bemessung und Liquidierung - verwirklicht. Die letzte Phase (Liquidierung, Auszahlung) ist ein technischer Vorgang, der zur Verwirklichung vorangegangener Phasen dient und selbst nicht durch Bescheid zu erledigen ist (sodass für die Entscheidung über ein solches Liquidierungsbegehren, da hierüber auch nicht die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben, die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs gemäß Art. 137 B-VG gegeben ist).
18 Geht es nicht bloß um die Liquidierung eines besoldungsrechtlichen Anspruchs, sondern um die Rechtsfrage seiner Gebührlichkeit, ist darüber im Streitfall mit Bescheid der zuständigen (Dienst-)Behörde zu entscheiden. Die Dienstbehörde ist zur Erlassung eines Bescheids über die Gebührlichkeit eines Bezugs(-bestandteils) dann nicht verpflichtet, wenn und solange der Beamte nach erfolgter Auszahlung ihr gegenüber die Gesetzmäßigkeit der Liquidierung (unter Angabe der strittigen Punkte) nicht in Frage stellt und damit ein rechtliches Interesse geltend macht (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis vom 25. Mai 2007, 2004/12/0050, 0157, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofs).
19 Einer vorangehenden bescheidmäßigen Entscheidung über einen Bezugsanspruch bedarf es daher dann, wenn sich (wie hier) die Rechtsfrage seiner Gebührlichkeit stellt, über welche im Streitfall mit Bescheid der zuständigen Dienstbehörde zu entscheiden ist (siehe das Erkenntnis vom 21. Dezember 2016, Ra 2016/12/0005, mit Hinweis auf das Erkenntnis vom 17. April 2013, 2012/12/0160, sowie jüngst in diesem Sinn das Erkenntnis vom 13. September 2017, Ra 2017/12/0006).
20 Im vorliegenden Fall ging die Dienstbehörde in ihrem Bescheid davon aus, dass das Begehren des Revisionswerbers auf eine Sachentscheidung (über die Gebührlichkeit einer Entschädigung für erbrachte Mehrdienstleistungen) gerichtet war. Diese Auslegung der Anträge des Revisionswerbers wird auch in der Revisionsbeantwortung noch aufrechterhalten. Dieses Verständnis des Begehrens des Revisionswerbers erachtet auch der Verwaltungsgerichtshof als zutreffend. So wollte der Revisionswerber mit seinem Antrag vom 23. Dezember 2015 einen bescheidmäßigen Abspruch über eine ihm gebührende Entschädigung für die von ihm erbrachten Mehrdienstleistungen im Sinn des § 71 DPL 1972 erreichen. Bei Zweifeln daran, ob der Antrag des Revisionswerbers in dem bereits von der Dienstbehörde gedeuteten Sinn zu verstehen wäre, hätte das Verwaltungsgericht vor einer zurückweisenden Entscheidung den Revisionswerber jedenfalls zu einer entsprechenden Klarstellung anzuleiten gehabt (siehe auch dazu das Erkenntnis vom 17. April 2013, 2012/12/0160). Das (bloße) Begehren nach Setzung eines tatsächlichen Vorgangs allein begründet hingegen keine Verpflichtung zu einer Sachentscheidung (vgl. den Beschluss vom 4. September 2012, 2012/12/0100).
21 Im vorliegenden Fall ist die Gebührlichkeit von Mehrdienstleistungsvergütung strittig. Der Antrag auf Entscheidung über den zu liquidierenden Bezugsanspruch wäre daher inhaltlich zu erledigen gewesen. Soweit das Verwaltungsgericht den Antrag mangels Feststellungsinteresse zurückwies, belastete es sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
22 Wie das Verwaltungsgericht selbst zutreffend festhielt, führt der Eintritt der Verjährung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht zum Erlöschen eines Anspruchs, sondern bewirkt lediglich, dass sich dieser in eine Naturalobligation umwandelt. Die Gebührlichkeit eines Anspruchs (hier auf Vergütung von Mehrdienstleistungen) darf daher nicht unter Hinweis auf Verjährung verneint werden. Hingegen ist die Dienstbehörde nicht daran gehindert, neben der Feststellung der Gebührlichkeit eines Anspruchs auch festzustellen, dass in Ansehung desselben Verjährung eingetreten ist (vgl. die Erkenntnisse vom 17. April 2013, 2012/12/0160, sowie vom 28. März 2008, 2007/12/0043, ua).
23 Im vorliegenden Fall stellte das Verwaltungsgericht insoweit fest, dass hinsichtlich "sämtlicher mit Antrag vom 29. September 2015 zur Entschädigung geltend gemachter Mehrdienstleistungen" Verjährung eingetreten sei. Dies begründete es tragend damit, dass diese vor Mitte Oktober 2009 erbracht worden seien.
24 Zunächst ist dazu festzuhalten, dass dieser Spruch - im Sinn der obigen Ausführungen - nicht auf die Eingabe des Revisionswerbers vom 23. Dezember 2015 Rücksicht nimmt. Darüber hinaus bedürfte es aber vor der Feststellung der Verjährung eines Anspruchs des Ausspruchs, in welchem Umfang ein solcher Anspruch besteht. Nur in diesem Umfang kann nämlich Verjährung eintreten und der Anspruch als Naturalobligation fortbestehen. Sollte hingegen aus dem nach einem Ermittlungsverfahren festzustellenden Sachverhalt in rechtlicher Beurteilung abzuleiten sein, dass ein Anspruch auf Mehrdienstleistungsentschädigung nicht zu Recht besteht (siehe etwa den das Fehlen einer schriftlichen Anordnung gemäß § 71 Abs. 1 lit. a DPL 1972 betreffenden Beschluss vom 16. November 2015, Ra 2015/12/0026), hätte eine Feststellung der Verjährung zu unterbleiben. Ein nicht bestehender Anspruch kann nämlich nicht verjähren; andererseits führt der Eintritt von Verjährung - wie ausgeführt - nicht dazu, dass die Feststellung eines Anspruchs unterbleiben könnte.
25 Die vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang ausgeführten Erwägungen zum Feststellungsinteresse sind für die Frage eines Abspruchs über die Gebührlichkeit eines Bezugsbestandteils im Streitfall verfehlt. Das Interesse an einem solchen Ausspruch besteht in diesem Fall ja gerade darin, dass über die Gebührlichkeit zwischen dem Beamten und der Dienstbehörde Uneinigkeit besteht. Die vom Verwaltungsgericht zitierten Entscheidungen zur Frage des Feststellungsinteresses (VwGH vom 19. Februar 1992, 90/12/0247, und vom 21. März 2001, 2000/12/0118) sind insoweit nicht einschlägig. Das Interesse an einer Entscheidung über das Bestehen von Bezugsansprüchen endet auch nicht mit der Beendigung des Dienstverhältnisses, können solche doch auch danach noch geltend gemacht werden.
26 Erwägungen dazu, ob eine Bereitschaft des Dienstgebers bestehe, freiwillig eine Naturalobligation zu begleichen, sind schon deshalb verfehlt, weil etwa auch mit einer verjährten Forderung aufgerechnet werden kann (siehe RIS-Justiz RS0062106).
27 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
28 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 25. Oktober 2017
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6Besondere RechtsgebieteAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideIndividuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive BescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016120100.L00Im RIS seit
04.12.2017Zuletzt aktualisiert am
05.12.2017