Index
10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §34Leitsatz
Keine Stattgabe eines Wiederaufnahmsantrags nach Ablehnung der Behandlung einer BeschwerdeSpruch
Dem Antrag auf Bewilligung der Wiederaufnahme des mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 29. September 1997, B946/97-9, abgeschlossenen Verfahrens wird nicht stattgegeben.
Begründung
Begründung:
1.1. Der Antragsteller wurde am 6.9.1996 aufgrund einer Anordnung des Leiters der Justizanstalt Wien-Mittersteig einer körperlichen Durchsuchung unterzogen; außerdem wurde sein Haftraum durchsucht (§102 Abs2 StVG). Der dagegen erhobenen Beschwerde gab der Bundesminister für Justiz mit Bescheid vom 10.3.1997 nicht Folge.
1.2. Gegen den genannten Bescheid erhob der Antragsteller eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, in welcher er lediglich "die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes", nämlich des §102 Abs2 StVG, geltend machte. Mit Beschluß vom 29.9.1997, B946/97-9, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieser Beschwerde mit der Begründung ab, daß ihr Vorbringen die behauptete Rechtsverletzung als so wenig wahrscheinlich erkennen lasse, daß sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Dieser Beschluß wurde dem Antragsteller am 2.12.1997 zugestellt.
2. Mit am 29.12.1997 zur Post gegebenem Antrag begehrt der Einschreiter die Wiederaufnahme des mit dem genannten Beschluß beendeten Verfahrens. Er stützt sich dabei offenkundig auf den Wiederaufnahmsgrund des §530 Abs1 Z7 ZPO. Begründend bringt er vor, daß - wie bei einer am 4.12.1997 vorgenommenen Akteneinsicht hervorgekommen sei - der Leiter der Strafvollzugsanstalt einen Sachverständigen bestellt habe, der den Datenbestand der beiden EDV-Anlagen des Wiederaufnahmswerbers ausgewertet und dabei einen erheblichen Teil der Korrespondenz des Wiederaufnahmswerbers mit seinen bevollmächtigten Rechtsanwälten bzw. seinem Steuerberater ausgedruckt habe. Aus den Akten ergebe sich, daß die gesamte Post des Wiederaufnahmswerbers konsequent durchgesehen und gelesen worden sei. Aufgrund dieses Sachverhaltes erweise sich, daß die derzeit in Geltung stehende einfachgesetzliche Rechtslage der belangten Behörde den gegen Art8 Abs1 EMRK verstoßenden Zugriff auf besonders geschützte Papiere des Wiederaufnahmswerbers erlaube, weswegen die Wortfolge "ihre Sachen und die von ihnen benützten Räume" im §102 Abs2 StVG als verfassungswidrig aufzuheben sei. Daraus folge auch die Verfassungswidrigkeit des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde vom 10.3.1997.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
3.1. Gemäß §34 VerfGG 1953 kann eine Wiederaufnahme des Verfahrens ua. in den Fällen des Art144 B-VG stattfinden. Da §34 VerfGG 1953 eine nähere Regelung nicht enthält, gelten für die Wiederaufnahme gemäß §35 leg.cit. sinngemäß die Bestimmungen der ZPO (VfSlg. 8972/1980, 9126/1981).
Gemäß §530 Abs1 Z7 ZPO kann ein Verfahren, das "durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist," auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden, "wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung in früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde". Neue Tatsachen oder Beweismittel können aber nur dann einen Wiederaufnahmsgrund bilden, wenn sie solcher Art sind, daß ihre Berücksichtigung im Rahmen der dem Verfassungsgerichtshof zukommenden Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis im verfassungsgerichtlichen Verfahren eine der Partei günstigere Entscheidung möglich erscheinen läßt (VfSlg. 3532/1959, 6469/1971, 9126/1981), wobei bei der Prüfung der Frage, ob die Möglichkeit eines günstigeren Ergebnisses besteht, von der Rechtsansicht auszugehen ist, die der die Sache erledigenden Entscheidung zugrunde liegt (JBl 1954, 98; SZ 59/14; vgl. auch VfSlg. 3532/1959). Eine Wiederaufnahme aus rein rechtlichen Gründen ist nämlich nach der ZPO ausgeschlossen (VfSlg. Anh. 5/1950, 12993/1992).
3.2. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Wiederaufnahmsantrages ist nach §530 Abs1 ZPO der Abschluß des Verfahrens durch "eine die Sache erledigende Entscheidung". Eine solche liegt nicht nur dann vor, wenn der dem jeweiligen Verfahren zugrunde liegende Rechtsschutzantrag meritorisch erledigt wird, sondern - ungeachtet ihrer Bezeichnung - immer schon dann, wenn durch sie das Verfahren beendet wird (vgl. Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht, 21997, S. 761; Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechts, 21990, Rz 2038). Um eine solche verfahrensbeendende Entscheidung handelt es sich bei einem Beschluß, mit dem die Behandlung einer Beschwerde gemäß Art144 Abs2 B-VG abgelehnt wird. Durch einen solchen Beschluß wird nämlich ebenso wie durch einen Zurückweisungsbeschluß aus rein prozessualen Gründen oder ein Erkenntnis ein Beschwerdeverfahren beendet.
Der Wiederaufnahmsantrag, der sich auch der Sache nach auf einen der gesetzlichen Wiederaufnahmsgründe stützt und innerhalb der gesetzlichen Frist gestellt wurde, ist daher zulässig.
3.3. Im Wiederaufnahmsantrag wird nicht einmal behauptet, daß die EDV-Anlagen des Antragstellers im Zuge der Durchsuchung seines Haftraumes am 6.9.1996, welche Gegenstand des im Verfahren B946/97 angefochtenen Bescheides ist, aus seiner Gewahrsame entfernt und dem Sachverständigen zugeleitet worden sind. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen im Wiederaufnahmsantrag überhaupt mit dem Verfahren, dessen Wiederaufnahme begehrt wird, in einem Zusammenhang steht, da die Wiederaufnahme schon aus dem folgenden Grund nicht zu bewilligen ist:
Im Verfahren B946/97 ist lediglich die Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung, nicht aber auch die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet worden. Der Verfassungsgerichtshof hatte daher nicht zu prüfen, ob der damalige Beschwerdeführer und nunmehrige Wiederaufnahmswerber hinsichtlich des bekämpften Bescheides in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde (VfSlg. 8814/1980, 8920/1980, 9447/1982). Da es im abgeschlossenen Verfahren nur um die Beurteilung der Verfassungskonformität einer Rechtsvorschrift, nicht aber um die Frage der Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch das Vollzugshandeln gegangen ist, könnten die nunmehr neu vorgebrachten Beweise und Tatsachen unter Zugrundelegung der im Verfahren B946/97 vertretenen Rechtsansicht (JBl 1954, 98; SZ 59/14) zu einem anderen Ergebnis in der Hauptsache nicht führen. Mit dem der Sache nach angezogenen Wiederaufnahmsgrund des §530 Abs1 Z7 ZPO kann nämlich nur die Tat-, nie aber die Rechtsfrage neu aufgerollt werden (JBl 1954, 99). Dem Wiederaufnahmsantrag war daher nicht stattzugeben.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §34 VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / WiederaufnahmeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:B3184.1997Dokumentnummer
JFT_10019776_97B03184_00