TE Vwgh Beschluss 2017/11/3 Ra 2017/11/0246

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Veröffentlicht am 03.11.2017
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal

Norm

ÄrzteG 1998 §109
AVG §56
AVG §58 Abs2
AVG §59 Abs1
AVG §60
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2017/11/0247
Ra 2017/11/0248
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2017/11/0272 B 29.01.2018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revisionen des Dr. W K in W, vertreten durch Dr. Angela Lenzi, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Florianigasse 61/3, gegen die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtes Wien jeweils vom 9. Juni 2017, 1) Zl. VGW-162/V/027/3221/2017-5 (protokolliert zur hg. Zl. Ra 2017/11/0246), betreffend Fondsbeitrag für das Jahr 2015, 2) Zl. VGW-162/027/3223/2017-1 (protokolliert zur hg. Zl. Ra 2017/11/0247), betreffend Fondsbeitrag für das Jahr 2008, und 3) Zl. VGW-162/027/3234/2017-3 (protokolliert zur hg. Zl. Ra 2017/11/0248), betreffend Fondsbeitrag für das Jahr 2001, (jeweils belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1        1.1. Mit Bescheid vom 23. September 2016 schrieb die belangte Behörde dem Revisionswerber den Fondsbeitrag für das Jahr 2015 zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vor.

2        Der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde wurde nach Durchführung von zwei mündlichen Verhandlungen vom Verwaltungsgericht Wien insofern stattgegeben, als der Fondsbeitrag herabgesetzt wurde. Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

3        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die zur hg. Zl. Ra 2017/11/0246 protokollierte (außerordentliche) Revision.

4        1.2. Mit Bescheid vom 27. September 2016 schrieb die belangte Behörde dem Revisionswerber den Fondsbeitrag für das Jahr 2008 vor.

5        Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung von zwei mündlichen Verhandlungen vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die zur hg. Zl. Ra 2017/11/0247 protokollierte (außerordentliche) Revision.

7        1.3. Mit Bescheid vom 21. Juni 2016 schrieb die belangte Behörde dem Revisionswerber den Fondsbeitrag für das Jahr 2001 vor.

8        Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung von zwei mündlichen Verhandlungen vom Verwaltungsgericht Wien abgewiesen. Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die zur hg. Zl. Ra 2017/11/0248 protokollierte (außerordentliche) Revision.

10       2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. die Beschlüsse VwGH 25.3.2014, Ra 2014/04/0001 und VwGH 18.2.2015, Ra 2015/08/0008).

13       2.2.1. Das Verwaltungsgericht qualifizierte, entgegen der in den Beschwerden vertretenen Rechtsauffassung, die unter Pkt. 1. erwähnten Erledigungen der belangten Behörde jeweils als Bescheide, dies mit der Begründung, dass - der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das Erkenntnis VwGH 27.4.2015, 2012/11/0082) entsprechend - die Willensbildung des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds (der belangten Behörde) als Kollegium sämtliche wesentlichen Teile der Erledigungen, die den Mitgliedern der Kollegialbehörde vorab im Wege eines eigenen Webportals zur Verfügung gestellt worden seien, umfasst habe.

14       2.2.2. Die Revisionen führen zur Zulässigkeit jeweils aus, aus den Akten der belangten Behörde ergebe sich, dass den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses eine Woche vor Beschlussfassung „Tausende Bescheidentwürfe“, darunter auch die drei den Revisionswerber betreffenden, im Webportal zur Verfügung gestellt worden seien. Mögen auch sämtliche wesentlichen Bescheidbestandteile auf diese Weise zur Verfügung gestellt worden sein, so sei doch evident, dass sich niemand und damit auch nicht ein Mitglied des Verwaltungsausschusses mit dem Inhalt jedes einzelnen dieser Bescheidentwürfe auseinandersetzen oder diese beurteilen könne. Die gewählte Vorgangsweise stelle keinesfalls sicher, dass sich die letztlich den Beschluss fassenden Mitglieder des Verwaltungsausschusses tatsächlich mit den ins Webportal gestellten Bescheidentwürfen auseinandergesetzt, diese allenfalls geprüft und der Inhalt von der Willensbildung mitumfasst worden sei. Es erscheine daher „eine bloße Fiktion“, anzunehmen, dass sich die Willensbildung in der Sitzung des Verwaltungsausschusses tatsächlich auf den gesamten konkreten Bescheidinhalt beziehe, weshalb den in Rede stehenden Erledigungen die Bescheidqualität fehle.

15       Zu der Frage, ob unter diesen Modalitäten ein Bescheid zustande komme, fehle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

16       2.2.3. Dieses Zulässigkeitsvorbringen ist nicht geeignet aufzuzeigen, dass die Behandlung der vorliegenden Revisionen von der Beantwortung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt.

17       Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Judikatur betont, dass sich eine Entscheidung des Verwaltungsausschusses über die Festsetzung des vom Kammermitglied zu leistenden Fondsbeitrags nicht in der Willensbildung über den vorgeschriebenen Betrag erschöpft, sondern auch eine Willensbildung hinsichtlich des angenommenen Sachverhaltes sowie der tragenden Gründe der Entscheidung mit einschließt, andernfalls wären schon die Grenzen der Rechtskraft einer solchen Entscheidung nicht erkennbar. Zu diesen unabdingbaren Bestandteilen gehören jedenfalls die Sachverhaltsmomente, aus denen sich die Bemessungsgrundlage ergibt, aus welcher sich je nach den Umständen des Einzelfalls der vorzuschreibende Fondsbeitrags ergibt (vgl. grundlegend das erwähnte Erkenntnis 2012/11/0082).

18       Im Erkenntnis 2012/11/0082 hatte der Verwaltungsgerichtshof eine Konstellation zu beurteilen, in der die an das Mitglied des Wohlfahrtsfonds ergangene Erledigung des Verwaltungsausschusses eine Begründung enthielt, die zahlreiche Sachverhaltsmomente umfasste (z.B. das Jahresbruttogrundgehalt, anteilige Werbungskosten, den Gewinn, erfolgte Beitragszahlungen), aus denen die Bemessungsgrundlage ermittelt wurde, von welcher ausgehend ein bestimmter Prozentsatz als zu leistender Fondsbeitrag ausgewiesen wurde, in der aber nicht ersichtlich war, dass diese Begründung von der Willensbildung des Verwaltungsausschusses umfasst gewesen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof hat dies rechtlich dahin beurteilt, dass abgesehen vom ziffernmäßig bestimmten Fondsbeitrag für alles Weitere eine Willensbildung des Verwaltungsausschusses fehle, weshalb die vom Verwaltungsausschuss eingehaltene Vorgangsweise es mit sich gebracht habe, dass die an das Mitglied des Wohlfahrtsfonds ergangene Erledigung nicht von einer entsprechenden Willensbildung des allein dafür zuständigen Organs, nämlich des Verwaltungsausschusses, getragen gewesen sei. Die Bescheidqualität dieser Erledigung sei folglich zu verneinen gewesen.

19       Im erwähnten Erkenntnis 2012/11/0082 wurde freilich ausdrücklich hervorgehoben, dass der Verwaltungsausschuss bekanntermaßen eine große Zahl von Fondsbeitragsfestsetzungen vorzunehmen habe. Lägen bei der Beschlussfassung des Kollegialorgans bereits die (etwa von einem Dienstleistungsunternehmen oder dem Kammeramt erstellten) Entwürfe der beabsichtigten Erledigungen vor (und wären diese Erledigungsentwürfe als Teil des Beschlussprotokolls diesem angeschlossen), so bestünden aus der Sicht des Verwaltungsgerichtshofes keine Bedenken gegen eine „summarische“ Beschlussfassung, weil die wesentlichen Bestandteile der Erledigungen als dem Kollegialorgan bekannt und von der Willensbildung getragen anzusehen wären.

20       Die Revisionen bestreiten nicht konkret die Feststellungen des Verwaltungsgerichtes zu der von der belangten Behörde eingeschlagenen, an der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes orientierten Vorgangsweise.

21       Dass das Verwaltungsgericht die mit dem erwähnten Erkenntnis 2012/11/0082 begründete Judikaturlinie verkannt hätte, wird in den Revisionen nicht aufgezeigt. Die Anwendung dieser Rechtsprechung im Einzelfall stellt hingegen jedenfalls dann keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG dar, wenn das Verwaltungsgericht, wie in den vorliegenden Revisionsfällen, diese Judikaturlinie erkennend zu einem vertretbaren Ergebnis gelangt ist (vgl. zB die Beschlüsse VwGH 27.6.2017, Ra 2017/12/0043; 13.9.2017, Ra 2017/12/0062).

22       Soweit die Revisionen darauf hinweisen, dass es den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses faktisch nicht möglich sei, sich Kenntnis von den Inhalten einer so großen Zahl ihnen zur Verfügung gestellter Bescheidentwürfe zu verschaffen, genügt es überdies zu entgegnen, dass es für das Zustandekommen eines wirksamen Beschlusses eines Kollegialorgans auch sonst nicht darauf ankommen kann, ob sämtlichen Mitgliedern der Entwurf in allen Details bekannt ist, weil es vielmehr entscheidend ist, ob die wesentlichen Bestandteile der Erledigungen von der Willensbildung umfasst sind (vgl. abermals das Erkenntnis 2012/11/0082).

23       2.2.4. Der erkennende Senat hat aus diesen Erwägungen beschlossen, die Revisionen zurückzuweisen.

Wien, am 3. November 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017110246.L00

Im RIS seit

06.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.08.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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