TE Vwgh Beschluss 2017/10/23 Ra 2017/04/0089

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.10.2017
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

B-VG Art133 Abs4;
GewO 1994 §366 Abs1 Z3;
GewO 1994 §74 Abs2 Z5;
GewO 1994 §81 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, über die Revision des W M in L, vertreten durch die Greiml & Horwath Rechtsanwaltspartnerschaft in 8010 Graz, Conradvon-Hötzendorf-Straße 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 29. Juni 2017, Zl. LVwG- 2015/25/0162-8, betreffend Übertretung der GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Lienz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1.1. Mit Straferkenntnis vom 16. Dezember 2014 verhängte die Bezirkshauptmannschaft Lienz über den Revisionswerber wegen Übertretung des § 366 Abs. 1 Z 3 zweiter Fall in Verbindung mit § 74 Abs. 2 Z 5 GewO 1994 eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 56 Stunden). Dem Revisionswerber wurde angelastet, er sei als gewerberechtlicher Geschäftsführer der A KG dafür verantwortlich, dass am 13. Oktober 2014 die gewerbebehördlich bewilligte Bus- und LKW-Garage in L in geänderter Weise betrieben worden sei. Es hätten auf dem Vorplatz Waschtätigkeiten an einem Omnibus stattgefunden, obwohl eine Betriebsanlagengenehmigung dafür gefehlt habe und die geänderte Betriebsweise geeignet gewesen sei, eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen.

2 1.2. Das Landesverwaltungsgericht Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) gab mit Erkenntnis vom 16. Februar 2015 der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers insofern Folge, als es die Geldstrafe von EUR 600,-- auf EUR 200,-- herabsetzte und den Verfahrenskostenbeitrag mit EUR 20,-- neu festlegte.

3 1.3. Mit hg. Erkenntnis vom 5. April 2017, Ra 2015/04/0028, wurde dieses Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Verwaltungsgerichtshof begründete dies damit, dass das Verwaltungsgericht nicht darauf Bedacht genommen und keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob für die Waschtätigkeit auf dem Vorplatz der Betriebsanlage eine Bewilligungspflicht auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften bestehe. Aus § 81 Abs. 1 GewO 1994 ergebe sich, dass nicht jede Änderung einer genehmigten gewerblichen Betriebsanlage einer behördlichen Genehmigung bedürfe. Vielmehr sei eine Genehmigung nur dann erforderlich, wenn die beabsichtigten Änderungen geeignet seien, die in § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen zu berühren. Hinsichtlich § 74 Abs. 2 Z 5 GewO 1994 gelte es zu berücksichtigen, dass auf nachteilige Einwirkungen der Betriebsanlage auf die Beschaffenheit der Gewässer nur Bedacht zu nehmen sei, wenn nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben sei. Wasserrechtliche Aspekte seien im gewerblichen Betriebsanlagenverfahren bloß dann der Gewerbebehörde übertragen, wenn sie nicht den Gegenstand eines gesonderten wasserrechtlichen Verfahrens vor der Wasserrechtsbehörde bildeten. Dabei komme es auf das Vorliegen einer wasserrechtlichen Bewilligung im Zeitpunkt des gewerbebehördlichen Abspruches nicht an. Erfülle die betreffende Maßnahme somit einen wasserrechtlichen Bewilligungstatbestand, sei die Gewerbebehörde - außerhalb der Mitanwendung in den Fällen der Verfahrens- und Entscheidungskonzentration gemäß § 356b Abs. 1 GewO 1994, die jedoch ein gewerberechtliches Verfahren voraussetzten - zur Wahrung des Schutzes der Gewässer vor einer nachteiligen Einwirkung seitens gewerblicher Betriebsanlagen nicht zuständig. Bedürfe eine Änderung einer genehmigten gewerblichen Betriebsanlage aber keiner behördlichen Genehmigung gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994, sei auch der Verwaltungsstraftatbestand des § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 nicht erfüllt.

4 1.4. Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Erkenntnis vom 29. Juni 2017 gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Revisionswerbers erneut Folge, indem es die Geldstrafe von EUR 600,-- auf EUR 490,-- herabsetzte. Den Verfahrenskostenbeitrag setzte es mit EUR 49,-- neu fest. Die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.

5 Das Verwaltungsgericht führte in der Begründung aus, ein wasserfachlicher Amtssachverständiger sei mit der Erhebung beauftragt worden, ob das angelastete Verhalten einen wasserrechtlichen Bewilligungstatbestand darstelle oder nicht. Der Amtssachverständige kam zusammengefasst zum Ergebnis, dass die gegenständliche Oberflächenentwässerungsanlage grundsätzlich dem Stand der Technik entspreche und aus wasserfachlicher Sicht keine wasserrechtliche Bewilligung erforderlich sei. Das reine Waschen der Fensterscheiben der Busse ohne technische Hilfsmittel und ohne Reinigungsmittel führe zu keiner nachhaltigen negativen Grundwassergefährdung, weil die Qualität des Wassers kaum abweichend der sonst anfallenden Oberflächenwässer von dieser Fläche sei und die bestehende Reinigungsanlage (aktive Bodenschicht in der Sickermulde) dafür ausreichend angesehen werden könne. Unbeschadet davon sei beim gegenständlichen Sickerschacht jedenfalls eine tagwasserdichte Abdeckung erforderlich. In rechtlicher Hinsicht hielt das Verwaltungsgericht fest, dass in der gewerberechtlich genehmigten Betriebsbeschreibung Servicetätigkeiten wie Waschen ausdrücklich ausgenommen und daher betriebsanlagenrechtlich nicht genehmigt seien. Die Waschtätigkeiten erfüllten keinen wasserrechtlichen Bewilligungstatbestand, weshalb im Betriebsanlagenverfahren die Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes hinsichtlich der mit der Änderung der Betriebsanlage verbundenen Maßnahmen mit anzuwenden seien. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass es sich beim gegenständlich angelasteten geänderten Betrieb der Anlage um eine genehmigungsfähige Änderung handle, im Zuge derer jedenfalls die Herstellung einer tagwasserdichten Sickerabdeckung vorgeschrieben würde. § 81 Abs. 1 in Verbindung mit § 74 Abs. 2 GewO 1994 knüpfe eine betriebsanlagenrechtliche Genehmigungspflicht bereits an die Eignung, die in weiterer Folge aufgezählten Interessen zu beeinträchtigen. Die im fortgesetzten Verfahren durchgeführten Ermittlungen, wonach das rein händische Waschen von Fensterscheiben ohne technische Hilfsmittel und ohne Reinigungsmittel nur eine geringfügige Einwirkung auf ein Gewässer bedeuten würden, stelle ein Ergebnis dar, das im betriebsanlagenrechtlichen Genehmigungsverfahren zu erheben gewesen wäre. Es lasse in keiner Weise den Rückschluss zu, dass diese Tätigkeit an sich nicht geeignet wäre, eine nachhaltige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen und damit eine betriebsanlagenrechtliche Genehmigungspflicht dieser Änderung überhaupt nicht vorliegen würde. Da für die angelastete Tätigkeit keine behördliche Genehmigung nach § 81 Abs. 1 GewO 1994 vorliege, sei der Tatbestand des § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 erfüllt.

6 2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.

7 3. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 4.1. Die Revision führt zur Zulässigkeit aus, es liege eine grundsätzliche Rechtsfrage vor, weil das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche. Das Verwaltungsgericht übersehe, dass Gegenstand des Verfahrens nicht die tagwasserdichte Sickerschachtabdeckung sei, sondern die aus wasserfachlicher Sicht als unbedenklich angesehene Waschtätigkeit. Die Einbeziehung der nicht vorliegenden tagwasserdichten Sickerschachtabdeckung in die Begründung widerspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Berufungsbehörde die angenommene Tat nicht austauschen dürfe. Die Abdeckung sei auch nicht als Auflage vorgeschrieben gewesen, weshalb sich ein Verwaltungsstrafverfahren jedenfalls nicht auf eine, zwar nach dem Stand der Technik erforderliche, aber eben nicht vorgeschriebene Auflage stützen könne. Ebenso habe das Verwaltungsgericht keine Feststellungen dahin getroffen, ob diese Abdeckung zum Tatzeitpunkt am 13. Oktober 2014 vorhanden gewesen sei oder nicht.

9 4.2. Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

10 Das Verwaltungsgericht hat im fortgesetzten Verfahren - gestützt auf das eingeholte Gutachten des wasserfachlichen Amtssachverständigen - festgestellt, dass die dem Revisionswerber angelastete Waschtätigkeit auf dem Vorplatz der Betriebsanlage keinen wasserrechtlichen Bewilligungstatbestand erfüllt, weshalb auf nachteilige Einwirkungen der Betriebsanlage auf die Beschaffenheit der Gewässer gemäß § 74 Abs. 2 Z 5 GewO 1994 im gewerbebehördlichen Betriebsanlagenverfahren - und somit auch in einem Genehmigungsverfahren gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 - Bedacht zu nehmen gewesen wäre. Der Ansicht des Verwaltungsgerichts, wonach sich aus den im fortgesetzten Verfahren durchgeführten Ermittlungen ergebe, dass die gegenständliche Waschtätigkeit im Sinn des § 74 Abs. 2 GewO 1994 geeignet sei, eine nachhaltige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen und damit eine betriebsanlagenrechtliche Genehmigungspflicht für diese Änderung vorliege, ist nicht entgegen zu treten und sie wird auch von der Revision nicht in Frage gestellt.

11 Das auf die tagwasserdichte Sickerschachtabdeckung bezugnehmende Vorbringen der Revision verkennt, dass sich das angefochtene Erkenntnis auf § 366 Abs. 1 Z 3 zweiter Fall in Verbindung mit § 81 Abs. 1 GewO 1994 stützt und somit keine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfes und der Sache des Verfahrens im Sinn des § 50 VwGVG durch das Verwaltungsgericht erfolgt ist (vgl. dazu etwa VwGH 5.11.2014, Ra 2014/09/0018). Auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wird dem Revisionswerber der konsenswidrige Betrieb einer gewerberechtlich genehmigten Betriebsanlage zur Last gelegt und nicht - wie in der Revision vorgebracht - der Verstoß gegen eine Auflage. Damit geht auch die Rüge, das Verwaltungsgericht habe keine Feststellungen getroffen, ob die tagwasserdichte Sickerschachtabdeckung zum Tatzeitpunkt am 13. Oktober 2014 vorhanden gewesen sei oder nicht, ins Leere.

12 5. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 23. Oktober 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017040089.L00

Im RIS seit

01.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten