TE Vwgh Beschluss 2017/10/23 Ra 2015/04/0099

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Veröffentlicht am 23.10.2017
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §8;
GewO 1994 §360;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §80 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, über die Revision des W S in U, vertreten durch Dr. Gerhard Richter und Dr. Rudolf Zahlbruckner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Bürgergasse 13, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 15. September 2015, Zl. LVwG 43.19-2122/2015-5, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Feststellung des Erlöschens einer Betriebsanlagenbewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung; mitbeteiligte Parteien: 1. L GmbH, 2. W GmbH, beide in U, beide vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 553,20 und den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Mit gewerbebehördlichem Bescheid vom 29. Oktober 1990 wurde den Rechtsvorgängern der mitbeteiligten Parteien die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer LKW-Abstellfläche für 33 Lastkraftwagen und -anhänger, eines Werkstättengebäudes samt Nebenräumen, eines Bürogebäudes samt Nebenräumen, eines Speditionsgebäudes, einer Dieseltreibstoffeigentankstelle mit zwei Zapfsäulen und eines LKW-Waschplatzes auf näher bezeichneten Liegenschaften erteilt.

2 1.1. Mit Schriftsatz vom 9. April 2015 beantragte der Revisionswerber die Feststellung, dass die oben genannte Genehmigung erloschen sei und die darauf aufbauenden Änderungsgenehmigungsbescheide nichtig seien.

3 Er brachte vor, anlässlich einer gewerbebehördlichen Überprüfung am 25. April 1994 sei festgestellt worden, dass die Anlagenteile abgesehen von der LKW-Abstellfläche nicht errichtet worden seien. Eine Verlängerung der Frist zur Inbetriebnahme der Anlage sei nicht beantragt worden. Die Genehmigung sei daher erloschen. In den folgenden Jahren seien trotz Erlöschens der Genehmigung wiederholt Änderungen bewilligt worden, wobei die betreffenden Bescheide jeweils nachträgliche Bewilligungen für konsenslos errichtete und benutzte Betriebsanlagenbereiche dargestellt hätten. Diese Änderungsgenehmigungsbescheide seien "absolut nichtig".

4 Der Antragsteller sei seit dem Jahr 2000 Eigentümer der benachbarten Liegenschaft und wohne dort mit seiner Familie. Er sei daher unmittelbarer - nachträglich zugezogener - Nachbar der vom Betriebsanlagengenehmigungsbescheid betroffenen Liegenschaften, deren betriebliche Nutzung konsenslos erfolge. Diese Nutzung verursache insbesondere Lärmimmissionen in unzumutbarem und gesundheitsgefährdendem Umfang. Das rechtliche Interesse ergebe sich aufgrund des Anspruchs auf Einstellung jeglicher betrieblicher Tätigkeit und Schließung der Betriebsanlage.

5 1.2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 1. Juni 2015 wurde der Feststellungsantrag abgewiesen. Die in Betrieb genommene Abstellfläche stelle einen wesentlichen Teil der Betriebsanlage dar, sodass in rechtlicher Hinsicht von einer Inbetriebnahme der Betriebsanlage auszugehen sei, die das Erlöschen des Genehmigungsbescheides ausschließe.

6 1.3. Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Verwaltungsgericht aufgrund der vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde den obigen Bescheid auf und wies den Antrag des Revisionswerbers zurück. Das vom Revisionswerber ins Treffen geführte Interesse könne von Nachbarn der gewerblichen Betriebsanlage im Genehmigungsverfahren, Änderungsgenehmigungsverfahren und in einem Verfahren gemäß § 79 GewO 1994 wahrgenommen werden. Wegen der Subsidiarität des Feststellungsantrages sei dieser unzulässig.

7 Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

8 2. Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

9 Die mitbeteiligten Parteien und die belangte Behörde beantragten in ihren Revisionsbeantwortungen jeweils, der Revision nicht Folge zu geben.

10 3.1. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, der Beschluss weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Zulässigkeit eines Feststellungsantrages ab. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinen Erkenntnissen vom 16.6.1992, 88/05/0181, und vom 27.8.2002, 2000/10/0126, ein Interesse an der Feststellung, ob eine Bewilligung erloschen sei, bejaht.

11 3.2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse ist dies ebenso anzuwenden.

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14 3.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides auch dann zulässig, wenn sie zwar nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist, die Erlassung eines solchen Bescheides auch nicht im öffentlichen Interesse liegt, jedoch insofern in jenem einer Partei, als sie für die antragstellende Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23.11.2016, Ra 2014/04/0005, mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 29.6.2011, 2010/12/0043). Ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4.2.2009, 2008/12/0209, mwN).

15 3.4. Die Parteistellung im Verwaltungsverfahren dient der Durchsetzung der vom Gesetz einer Partei zugestandenen subjektivöffentlichen Rechte. Diese bestimmen den Rahmen, in welchem der Partei ein Mitspracherecht zusteht. Die subjektiven Rechte des Nachbarn im Verfahren zur Genehmigung einer Betriebsanlage ergeben sich in erster Linie aus § 74 Abs. 2 GewO, wonach die Nachbarn einer gewerblichen Betriebsanlage Anspruch darauf haben, dass eine gewerbliche Betriebsanlage nur dann genehmigt wird, wenn zu erwarten ist, dass sie durch diese weder in ihrem Leben, in ihrer Gesundheit, in ihrem Eigentum oder in sonstigen dinglichen Rechten gefährdet, noch in unzumutbarer Weise belästigt werden (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 15.9.2004, 2004/04/0142, 0143, und 22.6.2015, 2015/04/0002).

16 Die in § 80 Abs. 1 GewO 1994 vorgesehene Rechtsfolge des Erlöschens der Genehmigung der Betriebsanlage tritt mit Ablauf der dort genannten Frist ipso iure ein, ohne dass es dafür eines behördlichen Ausspruches bedarf (vgl. VwGH 11.9.2013, 2010/04/0032, mit Verweis auf VwGH 23.5.1995, 94/04/0251).

Im Falle des Erlöschens einer Genehmigung der Betriebsanlage würde der weitere Betrieb derselben ohne Bewilligung erfolgen. In einem solchen Fall wären von der Behörde Maßnahmen gemäß § 360 GewO 1994 zu ergreifen.

17 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu VwGH 24.10.2001, 2001/04/0173, mwN) hat niemand auf die Handhabung der nach § 360 GewO 1994 der Behörde zustehenden Zwangsgewalt zur Durchsetzung öffentlicher Interessen einen Rechtsanspruch, der mit Mitteln des öffentlichen Rechtes verfolgbar wäre. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich um solche, die zu treffen vom Gesetzgeber der Behörde bei Vorliegen der angeführten Tatbestände aus öffentlichen Interessen aufgetragen wurde, und deren Nichtergreifen eine Verletzung der Amtspflichten der Behörde darstellen würde. Der Behörde soll ein rasches Einschreiten und gegebenenfalls auch ein ohne vorausgegangenes Verfahren und vor Erlassung des Bescheides notwendiges Eingreifen ermöglicht werden, weshalb diese Maßnahmen auch bloß vorübergehender Natur sind. Somit ergibt sich aus dem Gesetz, dass dem Nachbarn weder ein Antragsrecht zukommt, ein Verfahren nach § 360 GewO 1994 einzuleiten, noch, dass ihm ein Anspruch auf Setzung eines behördlichen Verwaltungsaktes bestimmten Inhaltes eingeräumt wäre. Ausgehend davon kann die beantragte Feststellung kein Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in den von der Revision zitierten Erkenntnissen jeweils das Interesse des Anlageninhabers an der Feststellung, ob die Bewilligung für die Anlage erloschen sei, bejaht. Ein rechtliches Interesse des - wie dargestellt in seinen Parteirechten eingeschränkten - Nachbarn an einer derartigen Feststellung kann daraus nicht abgeleitet werden.

18 Davon ausgehend ist das Revisionsvorbringen nicht geeignet ein Abweichen von der Rechtsprechung darzutun.

In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung.

Wien, am 23. Oktober 2017

Schlagworte

Gewerberecht Nachbar RechtsnachfolgerGewerberecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2015040099.L00

Im RIS seit

01.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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