TE Vwgh Erkenntnis 2000/7/14 98/02/0019

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Veröffentlicht am 14.07.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §9 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs2 litc;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde des H G in W, vertreten durch DDr. Elisabeth Steiner und Dr. Mag. Daniela Witt-Döring, Rechtsanwälte in Wien I, Nibelungengasse 1/3/46, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 1. Dezember 1997, Zl. Senat-MD-96-846, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. Dezember 1997 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am 25. Mai 1995 um 09.21 Uhr im Gemeindegebiet von B. in der L. G-straße auf Höhe Haus Nr. 22 in Fahrtrichtung M. E., als Fahrzeuglenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges nicht vor dem Schutzweg angehalten, und (richtig wohl: um) dem darauf befindlichen Fußgänger das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn auf dem Schutzweg zu ermöglichen.

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 9 Abs. 2 in Verbindung mit § 99 Abs. 2 lit. c Straßenverkehrsordnung 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) zu verhängen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde ging auf Grund der von ihr am 12. November 1997 durchgeführten mündlichen Verhandlung in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, dass der Beschwerdeführer einer Person, welche auf der Seite des Objektes Nr. 22 bereits auf dem Schutzweg gestanden und im Begriff gewesen sei, diesen zu überqueren, das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn auf dem Schutzweg dadurch nicht ermöglicht habe, dass er sein Fahrzeug nicht angehalten habe. Die meldungslegenden Gendarmeriebeamten, die in kurzer Entfernung hinter dem Beschwerdeführer gefahren seien, hätten in der Folge vor dem Schutzweg angehalten, um der in Rede stehenden Person das ungehinderte und ungefährdete Überqueren des Schutzweges zu ermöglichen. Feststellungen zu der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Begehung der Tat unter besonders gefährlichen Verhältnissen bzw. mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern sind weder im angefochtenen Bescheid noch im erstinstanzlichen Straferkenntnis enthalten.

§ 9 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung 1960 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der 19. Novelle BGBl. Nr. 518/1994 lautet:

"(2) Der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, hat einem Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, daß er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann, und er hat, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten. In gleicher Weise hat sich der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, vor einer Radfahrerüberfahrt zu verhalten, um einem Radfahrer, der sich auf einer solchen Radfahrerüberfahrt befindet oder diese erkennbar benützen will, das ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen."

§ 99 Abs. 2 lit. c Straßenverkehrsordnung 1960 lautet:

"Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 500 S bis 30 000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, z. B. beim Überholen, als Wartepflichtiger oder im Hinblick auf eine allgemeine oder durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung, unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt, insbesondere Fußgänger, die Schutzwege vorschriftsmäßig benützen oder Radfahrer, die Radfahrerüberfahrten vorschriftsmäßig benützen, gefährdet oder behindert."

Der belangten Behörde kann zunächst nicht entgegengetreten werden, wenn sie auf Grund der im Wesentlichen übereinstimmenden und schlüssigen Aussagen der als Zeugen einvernommenen Meldungsleger zur Überzeugung gelangt ist, dass der Beschwerdeführer tatsächlich einer Person, die bereits den Schutzweg betreten hatte, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn dadurch nicht ermöglicht hat, dass er nicht vor dem Schutzweg angehalten hat; zu Recht hat sie den Beschwerdeführer daher einer Übertretung des § 9 Abs. 2 StVO für schuldig befunden. Die belangte Behörde hat aber das Verhalten des Beschwerdeführers auch dem § 99 Abs. 2 lit. c Straßenverkehrsordnung 1960 unterstellt und somit zum Ausdruck gebracht, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Tat unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen habe.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Spruch betreffend eine in Verbindung mit § 99 Abs. 2 lit. c StVO begangene Verwaltungsübertretung jene zum Tatbild dieser Übertretung zählenden konkreten Umstände zu enthalten, die die besondere Gefährlichkeit der Verhältnisse bzw. die besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern ausmachen. Diesen Anforderungen wird der Spruch des angefochtenen Bescheides nicht gerecht. Auch die Behinderung bzw. Gefährdung eines Fußgängers auf einem Schutzweg ist nur dann nach § 99 Abs. 2 lit. c StVO strafbar, wenn besonders gefährliche Verhältnisse (oder besondere Rücksichtslosigkeit) gegeben waren. Entsprechende zusätzliche Sachverhaltselemente hat die belangte Behröde aber nicht angeführt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1992, Zl. 92/02/0183).

Der angefochtene Bescheid ist daher mit einem inhaltlichen Mangel behaftet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen musste.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. Juli 2000

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998020019.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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