Entscheidungsdatum
10.11.2017Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §10 Abs1Text
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin MMag.a Dr.in Salamun über die Beschwerde des Herrn N. R., betreffend den an Frau H. D., geb. 1968, StA: Syrien-Arabische Republik, gerichteten Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 07.06.2017, Zl. MA35-9/2938148-02, mit welchem der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen wurde, den
BESCHLUSS
gefasst.
I. Die Beschwerde wird gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG iVm § 10 Abs. 2 letzer Satz und § 13 Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Begründung
I.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, Frau H. D., vom 19.12.2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Familienangehöriger“ nach dem Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG) ab.
II.
Die von Herrn N. R. dagegen eingebrachte fristgerechte Beschwerde lautet wie folgt:
„N. R.
D.-straße
Wien
An Magistratsabteilung 35
… Wien, 17.07.2017
Beschwerde
Aktenzahl: MA 35-9/2938148-02
Gegen ihren Bescheid von 07.06.2017 lege ich eine Beschwerde ein.
Begründung:
Ich lebe von Frau D. getrennt und wir haben uns nach islamischen recht scheiden lassen und ich lebe mit meiner Lebensgefährtin und deren Sohn.
Mein Sohn lebt in Syrien unter kriegerische auseinander Setzung und sein Leben ist sehr bedroht.
Ich habe große Angst um meinen einzigen Sohn.
Da mein Sohn noch unmündig minderjährige ist, kann er nicht allein ausreisen.
Aufgrund des „Zambrano-Urteils“ kann seine Mutter nach Österreich kommen, weil sie alleinig für die Obsorge des minderjährigen Sohns verantwortlich ist.
Bitte um die rasche positive Erledigung.
Mit freundlichen Grüßen
N. R.“
III.
Mit Schreiben des Verwaltungsgerichtes Wien vom 17.08.2017 wurde Herrn N. R. gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Schreibens eine schriftliche Vollmacht vorzulegen sowie die Bevollmächtigung zum Einbringungszeitpunkt glaubhaft zu machen. Zudem wurde er darauf hingewiesen, dass die Vollmacht vom 9.5.2012 nicht auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien gilt. Gleichzeitig wurde dieser darauf hingewiesen, dass der fruchtlose Ablauf der Frist zur Folge habe, dass das Anbringen zurückgewiesen werde.
Mit Eingabe am 07.09.2017 ersuchte der Einschreiter um Fristerstreckung um zwei Wochen, bis zum 19.09.2017, da das Schreiben in arabischer Sprache ist und er dieses erst übersetzen lassen müsse.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfallen, da die gegenständliche Beschwerde zurückzuweisen war.
IV. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
IV.1. Rechtliche Grundlagen
Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren anzuwenden hat oder anzuwenden gehabt hätte, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist.
Gemäß § 10 Abs. 1 AVG können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.
Gemäß § 10 Abs. 2 AVG richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.
Die Behörde kann nach § 10 Abs. 4 leg. cit. von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Angehörige, Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.
Infolge § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur sofortigen Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.
IV.2. Sachverhalt
Herr N. R. erhob in eigenem Namen und unter Beifügung seiner Unterschrift Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom vom 07.06.2017, Zl. MA35-9/2938148-02, mit welchem der Antrag von Frau R. H. auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen wurde.
Mit Schreiben des Verwaltungsgerichtes Wien vom 17.08.2017 wurde Herrn N. R. gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Schreibens eine schriftliche Vollmacht vorzulegen sowie die Bevollmächtigung zum Einbringungszeitpunkt glaubhaft zu machen. Zudem wurde er darauf hingewiesen, dass die Vollmacht vom 9.5.2012 nicht auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien gilt. Dieser Mängelbehebungsauftrag wurde dem Einschreiter rechtswirksam zugestellt.
Mit Eingabe am 07.09.2017 ersuchte der Einschreiter um Fristerstreckung um zwei Wochen, bis zum 19.09.2017, da das Schreiben in arabischer Sprache ist und er dieses erst übersetzen lassen müsse.
Der Aufforderung kam Herr R. weder innerhalb der gesetzten Nachfrist noch bis dato nach.
Diese Feststellungen gründen auf folgenden Erwägungen:
Die obigen Feststellungen sind dem vorliegenden Akteninhalt zu entnehmen, an dessen Echtheit, Vollständigkeit und Richtigkeit kein Zweifel besteht.
IV.3. Rechtliche Beurteilung
Für die Zurechnung prozessualen Handelns vor der Behörde zu einer Person, die ein von der handelnden Person verschiedenes Rechtsubjekt ist, muss das Vertretungsverhältnis der Behörde gegenüber ausdrücklich offen gelegt werden, also vom Handelnden eine unmissverständliche Willenserklärung abgegeben werden, nicht (nur) im eigenen Namen, sondern (auch) im Namen des Vertretenen zu handeln (vgl. VwGH 1.6.2006, 2005/07/0035 unter Hinweis auf Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren 2. Aufl., E 53 zu § 10 AVG).
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Wirksamkeit einer durch einen Vertreter vorgenommenen Verfahrenshandlung das Vorliegen einer entsprechenden Bevollmächtigung durch den Vertretenen zum Zeitpunkt der Vornahme der Verfahrenshandlung erforderlich (vgl. etwa VwGH 8. Juli 2004, 2004/07/0101). Ein Vertreter muss schon zum Zeitpunkt seines Handelns zumindest schlüssig zu erkennen geben, dass er als Vertreter einer bestimmten anderen Person tätig wird. Der Mangel an Vollmacht bei einer auf ein Vertretungsverhältnis hinweisenden Eingabe ist als Mangel im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG zu werten, der durch einen entsprechenden Verbesserungsauftrag zu beheben ist (vgl. etwa VwGH 24.2.2005, 2004/07/0170).
In Entsprechung eines derartigen Auftrages kann eine (fehlerfreie) Vollmachtsurkunde nicht nur nachgereicht, sondern auch – bei mündlicher Bevollmächtigung im Innenverhältnis – erst im Nachhinein errichtet werden. Entscheidend ist nämlich nicht die – möglicherweise nach der Setzung der Verfahrenshandlung liegende – Datierung der Bevollmächtigungsurkunde, sondern dass das Vertretungsverhältnis tatsächlich im Zeitpunkt der Setzung der Verfahrenshandlung durch den Einschreiter bereits bestanden hat. Dies bedeutet aber, dass nur der Mangel des Vollmachtnachweises, nicht aber jener der Bevollmächtigung – zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung – selbst behebbar ist (vgl. VwGH 21.5.2012, 2008/10/0085).
Erfolgt hingegen die Begründung des Vollmachtsverhältnisses zur Vertretung bei einer fristgebundenen Verfahrenshandlung erst nach Fristablauf, so bewirkt dies nicht die Rechtswirksamkeit der von dem noch nicht Bevollmächtigten seinerzeit gesetzten Verfahrenshandlungen (vgl. VwGH 26.5.1986, 86/08/0016). Da in den Verwaltungsverfahrensgesetzen eine dem § 38 ZPO vergleichbare Regelung nicht getroffen ist, kommt die nachträgliche Genehmigung einer (bis dahin) von einem Scheinvertreter gesetzten fristgebundenen Verfahrenshandlung nicht in Frage (vgl. etwa VwGH 23.6.2003, 2003/17/0096).
Das Vollmachtverhältnis selbst muss daher vor dem Ablauf der Frist für eine Verfahrenshandlung begründet oder die Verfahrenshandlung innerhalb dieser Frist nachträglich genehmigt werden (vgl. etwa VwGH 8.7.2004, 2004/07/0101; 8.9.2009, 2009/21/0072). Ist dies nicht der Fall, so kann der vom Einschreiter gesetzte Akt der Partei selbst dann nicht zugerechnet werden, wenn die Bevollmächtigung innerhalb der Verbesserungsfrist erfolgt (vgl. VwGH 24.2.1995, 94/09/0296).
Eine allgemeine gesetzliche ("automatische") Vertretungsmacht für Ehegatten gibt es nicht. Insbesondere ist die früher bestandene allgemeine Vertretungsmacht des Ehegatten mit der Änderung des Familienrechts weggefallen (vgl. VwGH 4.11.1986, 86/05/0036). Daher hätte sich der Ehegatte in der Beschwerde zumindest ausdrücklich darauf berufen müssen, (auch) im Namen des anderen Ehegatten ein Rechtsmittel zu ergreifen (vgl. VwGH 10.10.1991, 91/06/0090) oder andernfalls glaubhaft machen müssen, dass ein Bevollmächtigungsverhältnis vor Ablauf der Beschwerdefrist begründet wurde.
Ein Fall des § 10 Abs. 4 AVG liegt nicht vor. Es wurde keine mündliche Vollmacht vor der Behörde erteilt und ist auch keine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person eingeschritten, bei der die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht den urkundlichen Nachweis derselben ersetzt hätte. Die für die beschwerdeführende Partei einschreitende Person hätte sich daher gemäß § 10 Abs. 1 zweiter Satz AVG durch eine schriftliche Vollmacht ausweisen müssen. Das Fehlen der schriftlichen Vollmacht stellt somit einen Mangel im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG dar (vgl. § 10 Abs. 2 letzter Satz AVG).
Herr N. R. war aufgrund Vorlage einer Generalvollmacht datiert mit 09.05.2012 bevollmächtigter Vertreter des verwaltungsbehördlichen Verfahrens von Frau D.. In Bezug auf die im Verfahren vor der belangten Behörde beigebrachte Generalvollmacht ist festzustellen, dass eine solche für sich alleine nicht die Schlussfolgerung zulässt, die Beschwerdeführerin wolle sich auch in künftigen Rechtsachen des Einschreiters als Vertreter bedienen (vgl. VwGH 3.7.2001, 2000/05/0115; 27.1.2011, 2009/03/0163).
Aus dem Akt ergibt sich aber kein Indiz, dass Herr N. R. zur Vertretung von Frau H. D. vor dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren bevollmächtigt worden wäre. Insbesondere hat er sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht auf diese Vollmacht berufen.
Im gegenständlichen Fall wurde Herr N. R. aufgefordert, eine Vollmacht beizubringen, aus welcher hervorgeht, dass er zur Einbringung der Beschwerde berechtigt war, sowie glaubhaft zu machen, dass die Vollmacht bereits zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde bestanden hat. Der Aufforderung kam Herr R. weder innerhalb der gesetzten Nachfrist noch bis dato nach.
Es ist somit festzuhalten, dass Herr N. R. im Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde am 18.07.2017 nicht berechtigt war, für Frau H. D. Beschwerde zu erheben.
Die Beschwerde war daher aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.
IV.4. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (obzitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal auch die Gesetzeslage eindeutig ist (vgl. etwa VwGH 4.11.1986, 86/05/0036; 10.10.1991, 91/06/0090 sowie VwGH 3.7.2001, 2000/05/0115; 27.1.2011, 2009/03/0163).
Schlagworte
Prozessvollmacht, Generalvollmacht, Vollmachtverhältnis, VerbesserungsauftragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.151.085.10339.2017Zuletzt aktualisiert am
30.11.2017