TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/10 W171 2117033-1

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Veröffentlicht am 10.11.2017
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Entscheidungsdatum

10.11.2017

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W171 2117033-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , ZI. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.02.2017,

A)

I. beschlossen:

Das Beschwerdeverfahren gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheids wird gemäß § 28 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

II. zu Recht erkannt:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG und § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm § 52 Abs. 2 FPG wird der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

XXXX wird gemäß §§ 54, 55 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 idgF der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der damals minderjährige Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 23.07.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, in dem der Beschwerdeführer jeweils unter Beiziehung eines Dolmetschers niederschriftlich einvernommen wurde, brachte er in der am selben Tag stattfindenden Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Wesentlichen vor, er gehöre dem sunnitischen Glauben an. Er habe fünf Jahre die Grundschule und zwei Jahre die Koranschule besucht. Er habe Anfang 2011 seinen Herkunftsstaat verlassen, habe sich jedoch länger in Griechenland aufgehalten. Als Fluchtgrund gab er an, dass er aufgrund seiner Mitgliedschaft zur politischen Partei namens Jamat-E-Islam Probleme gehabt habe.

Bei der Einvernahme vor der belangten Behörde am 19.02.2015 brachte der Beschwerdeführer im Beisein einer Vertrauensperson zu seinen persönlichen Verhältnissen im Herkunftsstaat befragt vor, er habe mit seiner Familie im Elternhaus gelebt; seine Eltern und Schwestern lebten noch in Bangladesch, seine Brüder seien ebenso ins Ausland geflüchtet.

In Österreich befinde er sich in der Grundversorgung. Er besuche die Schule und einen Deutschkurs der Niveaustufe B1. Er engagiere sich im Rahmen der Nachbarschaftshilfe und nehme an einem Lehrlingsprojekt teil. In seiner Freizeit gehe er mit Österreichern ins Kino oder ins Schwimmbad. Derzeit absolviere er Schnuppertage in einem Hotel.

Der Beschwerdeführer legte zudem folgende Unterlagen vor:

• Teilnahmebestätigung des Bildungsprojektes der Caritas vom 03.07.2014

• Österreichisches Sprachdiplom Deutsch der Niveaustufe A2 vom 18.07.2014

• Deutschkursbestätigung B1 vom 28.10,2014

• Teilnahmebestätigung eines Lehrlingsprojekts der Caritas vom 16.01.2015

• Teilnahmebestätigung des Projektes Nachbarschaftshilfe der Caritas vom 18.02.2015

• Lebenslauf und Motivationsschreiben für eine Lehrstelle als Koch

• Unterstützungsschreiben

1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , ZI. XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 100/2005 abgewiesen und ihm der Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt 1.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 leg.cit. der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Bangladesch nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Begründend wurde in den Feststellungen im Wesentlichen ausgeführt, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe. Er sei ein gesunder und arbeitsfähiger Mann. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates seien nicht glaubhaft. Nach Wiedergabe der mit dem Beschwerdeführer erörterten Länderfeststellungen wurde beweiswürdigend zusammengefasst ausgeführt, seine Identität habe mangels geeigneter unbedenklicher Dokumente nicht festgestellt werden können. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Fluchtgründe seien oberflächlich und nicht glaubhaft.

Rechtlich kam die belangte Behörde hinsichtlich Spruchpunkt I. zum Schluss, dass dem Vorbringen zum behaupteten Ausreisegrund die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei. Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass er im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgebender Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung ausgesetzt sei. Er habe verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte und sei in der Lage, seine Lebensbedürfnisse zu befriedigen. Er sei arbeitsfähig und leide an keiner schwerwiegenden Krankheit. Zu Spruchpunkt III. wurde zusammengefasst ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte hinsichtlich eines unter § 57 AsylG fallenden Sachverhalts hervorgekommen seien, weshalb die Voraussetzungen für die Erteilung einer entsprechenden Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht gegeben seien. Er habe keine Familie in Österreich, weshalb kein Eingriff in sein Familienleben bestehe. Der Beschwerdeführer halte sich erst kurz in Österreich auf und habe ihm bewusst sein müssen, dass sein Aufenthalt im Falle einer Abweisung des Asylantrags nur vorübergehend sei. Er bestreite seinen Lebensunterhalt aus der Grundversorgung. Eine relevante Bindung zu Österreich könne nicht festgestellt werden, er habe vielmehr weitreichende Bindungen an seinen Herkunftsstaat. Das Interesse der Öffentlichkeit an einem geordneten Fremdenwesen überwiege in einer Interessenabwägung seine privaten Interessen.

1.3. Gegen diesen genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und nochmals auf seine vorangeschrittene Integration verwiesen und er seit März 2015 eine Lehre zum Koch mache. Hinsichtlich seiner Integrationsbemühungen legte der Beschwerdeführer folgende Unterlagen vor:

• Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Koch (Lehrling) vom 23.03.2015 bis 22.06.2018

• Lehrvertrag für den Lehrberuf Koch vom 28.03.2015

• Ausbildungsabrechnungen vom März bis Oktober 2015

• Unterstützungsschreiben seines Arbeitsgebers und seines Deutschlehrers

1.4. Mit Eingaben vom 20.06.2016, 04.01.2017 sowie 11.01.2017 legte der Beschwerdeführer nachstehende Unterlagen vor:

• Positives Jahreszeugnis der ersten Fachklasse für den Lehrberuf Koch vom 13.03.2016

• Ausbildungsabrechnungen für die Monate Mai bis November 2016

• Konvolut an Unterstützungsschreiben unter anderem seines Arbeitsgebers, seiner Arbeitskollegen und seiner Deutschlehrerin, die dem Beschwerdeführer eine außerordentliche Integration bescheinigen.

• Bestätigung über den 3. Platz bei der Teilnahme an einem Talentewettbewerb

• Prüfungszeugnis Deutsch-Test für Österreich mit dem Gesamtergebnis A2 (Hören/Lesen A2, Schreiben A2, Sprechen B1) vom 12.11.2016

• Positives Jahreszeugnis der zweiten Fachklasse für den Lehrberuf Koch vom 23.12.2016

• Zertifikat über die erfolgreiche Teilnahme am Projekt "Kooperative Kompetenzen" im Fachbereich Kochen vom 19.12.2016

• Diplom über die Absolvierung einer Sennschule mit ausgezeichnetem Erfolg vom 05.12.2016

1.5. Am 01.02.2017 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt.

Der Beschwerdeführer gab im Beisein seiner gewillkürten Vertretung an, bereits das Zeugnis zu A2 absolviert zu haben und die Prüfung zu B1 sobald wie möglich abzulegen. Dem Beschwerdeführer wurde in Folge eine Ausgabe der Zeitung "Österreich" vorgelegt. Der Beschwerdeführer war sowohl in der Lage verständlich vorzulesen als auch den Inhalt zusammenfassend in deutscher Sprache wiederzugeben. Der Beschwerdeführer gab weiters auf Befragen an, er lese Nachrichten und schaue auch gern in deutscher Sprache fern. Das Gericht hielt fest, dass die Verhandlung ausschließlich in deutscher Sprache durchgeführt wurde.

Zu seiner Erwerbstätigkeit befragt, führte er aus, dass er seit knapp zwei Jahren in einem Hotel eine Lehre zum Koch absolviere. Im März beginne das dritte Lehrjahr. Er verdiene derzeit € 673,30 netto durch seine Lehrlingsentschädigung. Er arbeite in verschiedenen Schichten. Das Hotel biete ein- bis zweimal in der Woche einen Deutschkurs an, an dem er teilnehme. Wenn er noch Zeit habe, besuche er einen Bekannten, den ehemaligen Vizebürgermeister, und lerne auch mit diesem noch Deutsch. In seiner Freizeit spiele er gern Fußball, gehe ins Kino oder mache Ausflüge in die Berge. Seine Schulkollegen seien aus Österreich und Deutschland. Bei einem Flüchtlingstreff habe er ein österreichisches Ehepaar kennengelernt, mit welchem er nunmehr befreundet sei. Er habe in Österreich keine Angehörigen. Er besuche etwa einmal im Monat die Moschee. Er wohne in einem Heim der Caritas, wo er sich ein Zimmer teile. Er bezahle dafür keine Miete. Wenn er in der Berufsschule sei, müsse er sich das Internat selber bezahlen.

Mit Schriftsatz vom 31.10.2017 erklärte der Beschwerdeführer durch seine rechtsfreundliche Vertretung, seine Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. zurückzuziehen. Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt III. wurde ausdrücklich aufrechterhalten. Zudem legte der Beschwerdeführer ein Österreichisches Sprachdiplom der Niveaustufe B1 vom 15.09.2017 vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Aufgrund jener der Entscheidung zugrunde liegenden Akten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des Bundesverwaltungsgerichtes steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bangladesch, gehört der Volksgruppe der Bengalen an und ist sunnitischen Glaubens. Er verfügt über eine siebenjährige Schulbildung.

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 23.07.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er hält sich seitdem durchgängig im Bundesgebiet auf.

Er hat in Österreich Deutschkurse absolviert, verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 und ist im Stande, eine Konversation auf Deutsch zu führen.

Der Beschwerdeführer steht seit März 2015 auf Grundlage einer aufrechten Beschäftigungsbewilligung in einem Lehrverhältnis als Koch; er befindet sich im dritten Lehrjahr. Der Beschwerdeführer lebt in einer Unterkunft der Caritas, bezieht aber seit März 2015 keine weiteren Leistungen aus der Grundversorgung, sondern kommt aus eigenem für seinen Lebensunterhalt auf. Er ist bestrebt, seine Selbsterhaltungsfähigkeit weiterhin sicherzustellen.

Der Beschwerdeführer verfügt über viele freundschaftliche soziale Kontakte, die er bei verschiedenen Gelegenheiten geknüpft hat. Der Beschwerdeführer hat sich während seines vierjährigen Aufenthaltes in Österreich einen festen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut und ist in seinem Lebensumfeld als sozial integriert anzusehen.

Er ist unbescholten.

Der Beschwerdeführer hat durch seine Eltern und Schwestern familiäre Bindungen an Bangladesch und hat sporadisch telefonischen Kontakt zu seiner Familie.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes,

Die Identität des Beschwerdeführers ist mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente nicht feststellbar. Die Staatsangehörigkeit sowie die Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben sowie aufgrund der Sprach- und Länderkenntnisse des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen zu seiner Schulbildung und dem Aufenthalt seiner Familie im Herkunftsstaat beruhen auf seinen gleichbleibenden Angaben im Verfahren.

Die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vorgelegten Zeugnis sowie dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, in der sich der Beschwerdeführer problemlos in deutscher Sprache verständigen konnte.

Für das Bestreben zur Sicherstellung seiner Selbsterhaltungsfähigkeit sprechen seine Ausbildung zum Koch und das beständige Erlernen der deutschen Sprache, wodurch ein außerordentliches Engagement des Beschwerdeführers zur Ausübung von Erwerbstätigkeiten bescheinigt wird.

Die Feststellungen zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers sowie dessen Integration - insbesondere zum Vorliegen vertiefter sozialer Kontakte - in Österreich ergeben sich aus den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen des Verfahrens sowie aus den vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus dem aktuell eingeholten Strafregisterauszug.

Rechtliche Beurteilung:

A) Zu Spruchpunkt I.:

Wird eine Beschwerde zurückgezogen, so ist das diesbezügliche Verfahren einzustellen {Hengstschläger/Leeb, AVG, § 13 Rz 42; Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, § 28 Anm, 5). Der behördliche Bescheid erlangt sodann formelle Rechtskraft.

Nachdem der Beschwerdeführer seine Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides richtete, mit Schriftsatz vom 31.10.2017 rechtswirksam zurückgezogen hat, war das Beschwerdeverfahren in diesem Umfang sohin gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG einzustellen (Vgl. hierzu B VwGH 29. 4. 2015, Fr 2014/20/0047).

3.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

Mit der Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. am 31.10.2017 ist die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Abweisung des Antrages auf Gewährung von internationalem Schutz bzw. subsidiären Schutz in Rechtskraft erwachsen.

Gegenstand des nunmehrigen Verfahrens bildet daher allein ein Abspruch über die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wobei in diesem Kontext grundsätzlich § 10 AsylG 2005, § 9 BFA-VG sowie die entsprechenden Bestimmungen des FPG anzuwenden sind.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 55 AsylG 2005 lautet:

"§ 55 (1) im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ,Aufenthaltsberechtigung plus1 zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen."

§ 57 AsylG 2005 lautet;

"§ 57 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ,Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs, 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt."

§ 58 AsylG 2005 lautet:

"§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fallt.

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird."

Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG lauten:

"§ 46 (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

§ 50 (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

§52 (1} [...]

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsyiG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsyiG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

[.»]

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

§ 55 (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(la) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt."

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

der Grad der Integration,

die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre/'

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs, 1 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden {und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSIg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstige nahe Angehörigen in Österreich. Eine Rückkehrentscheidung stellt demnach keinen Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens dar.

Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls lediglich in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Sisojeva ua gg Lettland, Nr. 60654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze

festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff.).

Dass der Aufenthalt nur aufgrund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung rechtmäßig ist, mindert das Gewicht der privaten Interessen, die aus einer in dieser Zeit vollzogenen Integration resultieren. Mit Zunahme der Aufenthaltsdauer tritt aber auch der Aspekt des aufenthaltsrechtlichen Status zunehmend in den Hintergrund, sodass in diesem Zeitraum entstandene persönliche oder gar familiäre Bindungen sich auf die Interessenabwägung mitunter entscheidend zugunsten einer Abstandnahme von der Ausweisung auswirken können. Dies setzt naturgemäß voraus, dass keine besonderen Umstände zulasten des/der Asylwerbers/Asylwerberin hinzukommen, wie z.B. strafgerichtliche Verurteilungen.

Der Aspekt der Bindungen zum Heimatstaat steht in direkter Beziehung zur Integration im Bundesgebiet: Je länger der Aufenthalt im Gastland, desto stärker wird der Verlust an Bindungen zum Heimatland sein. Mit der Abnahme von Bindungen zum Herkunftsstaat wird in der Regel auch der Integrationsgrad im Bundesgebiet zunehmen. Das Fehlen jeglicher Verwandter und sonstiger Bezugspersonen im Heimatland wird ebenso wie der zwischenzeitlich eingetretene Verlust der Sprache des Heimatlandes für die Frage der Zumutbarkeit einer Reintegration maßgebliche Bedeutung erlangen [Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 858 f.}.

3.3.1. Aufgrund der Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers ist von einem bestehenden Privatleben im Bundesgebiet auszugehen, sodass im Hinblick auf eine Rückkehrentscheidung eine Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung vorzunehmen war:

Der Beschwerdeführer lebt seit Juli 2013, sohin seit vier Jahren ununterbrochen im österreichischen Bundesgebiet. Er steht seit März 2015 in einem aufrechten Lehrverhältnis zum Koch und befindet sich im dritten Lehrjahr. Der Beschwerdeführer lebt derzeit noch in einer Unterkunft der Caritas, bestreitet darüber hinaus aber selbständig seine Lebenserhaltungskosten in Österreich.

Zudem sind auch die umfassenden privaten Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich zu würdigen: er hat während seines Aufenthalts in Österreich zahlreiche erkennbare Anstrengungen unternommen, um sich in Österreich unter den gegebenen Umständen in sprachlicher und gesellschaftlicher Hinsicht so weit wie möglich zu integrieren. So hat der Beschwerdeführer so schnell wie möglich begonnen die deutsche Sprache zu erlernen und sich um eine Beschäftigungsbewilligung sowie Lehrstelle bemüht, er engagiert sich zudem im Rahmen der Nachbarschaftshilfe. Sein Tagesablauf ist im Übrigen seiner Erwerbstätigkeit angepasst. Darüber hinaus ist der Beschwerdeführer problemlos im Stande, Unterhaltungen auf Deutsch zu führen. Zudem ist aus den zahlreichen Unterstützungsschreiben ersichtlich, dass der Beschwerdeführer bestrebt war, entsprechende Kontakte herzustellen und aufrecht zu erhalten. Er hat sich aus eigenem Antrieb sehr gut in sein Umfeld integriert und pflegt freundschaftliche Bindungen.

Der Beschwerdeführer ist überdies unbescholten, wenn auch die strafgerichtliche Unbescholtenheit allein die persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib in Österreich gemäß der verwaltungsgerichtlichen Judikatur nicht entscheidend zu verstärken vermag (vgl. VwGH 25.2.2010, 2010/0018/0029).

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vermochte sich das Bundesverwaltungsgericht davon zu überzeugen, dass der Beschwerdeführer über außerordentlich gute Deutschkenntnisse verfügt. Der Beschwerdeführer legte zudem beachtenswerter Weise bereits die ÖSD-Deutschprüfung auf dem Niveau B1 ab. Während des Aufenthaltes im Bundesgebiet konnte der Beschwerdeführer durch seine Lehre am österreichischen Arbeitsmarkt Fuß fassen. Er hat seinen Aufenthalt im Bundesgebiet intensiv genutzt, um Deutschkenntnisse zu erwerben. Darüber hinaus hat er sich ein bemerkenswertes soziales Umfeld verschafft und verfügt über einen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich, dem überwiegend Staatsbürger Österreichs angehören, wie unter anderem aus dem Konvolut an Unterstützungserklärungen hervorgeht. In der Beschwerdeverhandlung hat der Beschwerdeführer seine Integration im Einklang mit den von ihm vorgelegten Unterlagen eindrucksvoll und glaubhaft dargelegt. Er hat in Österreich keine Verwandten, jedoch ein breit gefächertes Umfeld und starke soziale Bindungen. Zusammenschauend liegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes im gegenständlichen Fall besondere Umstände vor, die eine nachhaltige Integration des Beschwerdeführers in Österreich abbilden, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer ist.

Wie aus der eingangs zitierten Judikatur ersichtlich, tritt die illegale Einreise sowie der unsichere aufenthaltsrechtliche Status als Asylwerber mit der Dauer des Asylverfahrens in den Hintergrund und rücken die gesetzten integrativen Schritte mit zunehmender Fortdauer des Verfahrens in den Vordergrund, was im Fall des Beschwerdeführers evident ist.

Der Beschwerdeführer befindet sich bereits seit vier Jahren im österreichischen Bundesgebiet, wenngleich fast die gesamte Dauer des Aufenthaltes lediglich aufgrund des gestellten Asylantrages legal war, weshalb die privaten Interessen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes am Verbleib im Österreichischen

Bundesgebiet eine wesentliche Minderung erfahren würden (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 24.04.2007, 2007/18/0173; 20.03.2001, 98/21/0448).

Bereits vor Inkrafttreten des durch BGBl I 38/2011 in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG eingefügten lit. i, welcher der nunmehrigen Bestimmung des § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG entspricht, warf der VfGH in seinem Erk. B 950-954/10-08, S. 19 die Frage auf, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalts bewusst waren. Der Verfassungsgerichtshof stellt dazu fest, dass das Gewicht der Integration nicht allein deshalb als gemindert erachtet werden darf, weil ein stets unsicherer Aufenthalt des Betroffenen zugrunde liege, so dass eine Verletzung des Art. 8 EMRK durch die Ausweisung ausgeschlossen sei. Vielmehr müsse die handelnde Behörde sich dessen bewusst sein, dass es in der Verantwortung des Staates liegt, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren effizient führen zu können und damit einhergehend prüfen, ob keine schuldhafte Verzögerungen eingetreten sind, die in der Sphäre des Betroffenen liegen (ähnlich VfGH 10.03.2011, B1565/10).

Der Beschwerdeführer reiste vor vier Jahren illegal nach Österreich ein und verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens. Er stellte nur einen Antrag auf internationalen Schutz. Das erste und einzige inhaltliche Asylverfahren des Beschwerdeführers läuft sohin seit vier Jahren, ohne dass dies auf eine schuldhafte Verzögerung durch den Beschwerdeführer zurückzuführen war (vgl. VfSlg. 19.612/2011). Dem unsicheren Aufenthalt des Beschwerdeführers steht überdies die Verpflichtung des Staates gegenüber, Verfahren effizient zu führen (vgl. VfGH 07.10.2010, B 950/10 ua.).

Demnach überwiegen die privaten Interessen des Beschwerdeführers in Österreich die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung. So hat er sich in der österreichischen Gesellschaft nachhaltig integriert, verfügt über ausgeprägte soziale Bindungen und es ist davon auszugehen, dass er weiterhin bestrebt ist, diese Verfestigung auszubauen. Im gegenständlichen Fall sind wie festgestellt zahlreiche Anhaltspunkte für eine nachhaltige Integration des Beschwerdeführers gegeben. Festzuhalten ist, dass die Bindungen bzw. das mittlerweile entfaltete Privatleben in Österreich bei Weitem gegenüber allfällige Bindungen zum Herkunftsstaat überwiegen. Dies ist daraus zu schließen, dass sich zwar die Eltern und Schwestern des Beschwerdeführers in Bangladesch befinden, der Beschwerdeführer jedoch nur mehr sporadisch telefonischen Kontakt zu diesen hat. Es ist folglich nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine starke Bindung zur Familie im Herkunftsstaat hat.

Es wird nicht verkannt, dass dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften grundsätzlich ein hoher Stellenwert zukommt, doch überwiegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes im vorliegenden Fall die privaten Interessen des Beschwerdeführers angesichts der erwähnten Umstände in ihrer Gesamtheit die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens. Eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer würde sich daher zum maßgeblichen aktuellen Entscheidungszeitpunkt als unverhältnismäßig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK erweisen.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher aufgrund der vorgenommenen

Interessenabwägung unter Berücksichtigung der genannten besonderen Umstände dieses Beschwerdefalles zu dem Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer unzulässig ist. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die drohende Verletzung des Privatlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind und es war daher gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer auf Dauer unzulässig ist.

3.4. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ("Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK") von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wird.

Auch das BVwG darf - in jeder Verfahrenskonstellation - über einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 absprechen. Die Frage der Erteilung des Aufenthaltstitels ist vom Prüfungsgegenstand einer angefochtenen Rückkehrentscheidung mitumfasst, weshalb in einem zu entscheiden äst (siehe ErläutRV 582 BlgNR 25. GP).

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1} und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß Abs. 2 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung dient gemäß § 14 Abs.2 NAG dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur vertieften elementaren Sprachverwendung (d.h. Deutschkenntnisse auf A2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen).

Das Modul 2 dient dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur vertieften selbstständigen Sprachverwendung {d.h. Deutschkenntnisse auf B1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen).

Gemäß § 14a Abs. 4 Z 4 zweiter Satz NAG beinhaltet die Erfüllung des Moduls 2 (§ 14b) das Modul 1.

3.4.1. Da die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 im Falle des Beschwerdeführers in Folge des Ausspruches der dauerhaften Unzulässigkeit einer diesen betreffenden Rückkehrentscheidung gegeben sind, und darüber hinaus der Beschwerdeführer Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 iSd § 14a Abs. 4 NAG nachweisen konnte, war ihm gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel

"Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG 2005 auszufolgen. Der Aufenthaltstitel gilt gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, sondern ausschließlich das Resultat einer eingehenden diskursiven Glaubwürdigkeitsauseinandersetzung basierend auf den konkret im Verfahren präsentierten Angaben des Beschwerdeführers darstellt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen - im Rahmen der rechtlichen Beurteilung bereits wiedergegebenen - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus, Deutschkenntnisse, Integration,
Interessenabwägung, Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig,
Verfahrensdauer, Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W171.2117033.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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