Entscheidungsdatum
13.11.2017Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W144 2175125-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX auch XXXX auch XXXX , geb. XXXX , StA. von Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.10.2017, Zl.: XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als
unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger von Syrien hat etwa Anfang des Jahres 2013 sein Heimatland verlassen und sich über die Türkei, Griechenland und ihm unbekannte Länder nach Norwegen begeben, wo er sich vom Oktober 2015 bis 20.09.2017 aufgehalten und Asyl begehrt hat. Letztlich reiste der BF nach Österreich ein und stellte am 21.09.2017 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.
Zur Person des BF liegen folgende EURODAC-Treffermeldungen vor:
* Norwegen vom 19.11.2015 wegen Asylantragstellung
Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:
Im Verlauf seiner Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Wien vom 22.09.2017 gab der BF neben seinen Angaben zum Reiseweg im Wesentlichen an, dass er in Norwegen eine positive Entscheidung bekommen habe, dass er dort jedoch nicht gut behandelt worden sei, da sein Antrag auf Familienzusammenführung abgelehnt worden sei.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete am 27.09.2017 unter Bezugnahme auf die Eurodac-Treffermeldung ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Norwegen. Norwegen akzeptierte dieses Wiederaufnahmeersuchen durch ausdrückliche Mitteilung vom 02.10.2017 unter Hinweis auf Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 18.10.2017 gab der BF im Wesentlichen zu Protokoll, dass er an keiner Erkrankung leide und auch nicht in ärztlicher Behandlung stehe. Er habe keine Beweismittel oder identitätsbezeugenden Dokumente, die er vorlegen könne. Er habe in Österreich weder Eltern, noch Kinder noch sonstige Verwandte und er lebe auch mit keiner sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Nach Vorhalt, dass Norwegen zur Prüfung seines Asylantrags zuständig sei, gab der BF an, dass er nicht nach Norwegen zurückkehren wolle. Er habe sich dort ein Jahr und acht Monate lang aufgehalten und habe kein Dokument für einen rechtmäßigen Aufenthalt bekommen. Bei seiner letzten Einvernahme habe er seinen Asylantrag zurückziehen wollen, und habe ihm die Behörde gesagt, dass er einen Aufenthaltstitel für sieben Monate erhalten werde. Er habe angegeben, dass er verheiratet sei und Kinder habe und seine Familie zu sich holen wolle. Man habe ihm aber mitgeteilt, dass er dort als "ledig" registriert sei, was jedoch ein Fehler der Behörden sein müsse. Er wolle seine Familie bei sich haben, egal wo er sich aufhalte. Er könnte in jedem Land leben, er brauche jedoch seine Familie um sich. Zu den Länderfeststellungen zu Norwegen wolle er angeben, dass dort seine Menschenrechte verletzt worden seien, da nicht respektiert worden sei, dass er seine Familie nachholen könne. Sonst wolle er nichts geltend machen, was einer Außerlandesbringung seiner Person nach Norwegen entgegenstehen könnte.
Das BFA wies sodann den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom 19.10.2017 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Norwegen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Norwegen zulässig sei.
Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen sowie die Beweiswürdigung zur Lage im Mitgliedstaat wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):
"zur Lage im Mitgliedstaat:
Es kann nicht festgestellt werden, dass Sie in Norwegen systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen sind oder diese zu erwarten hätten, bzw. dass Ihnen in Norwegen behördlicher Schutz vorenthalten werde.
Allgemeines zu Vorbringen von Asylwerbern in Dublin Verfahren:
Die Asylbehörden haben nicht nachzuprüfen, ob ein Mitgliedstaat generell sicher ist. Nur wenn sich im Einzelfall ergeben sollte, dass Grundrechte des Asylwerbers z.B. durch Kettenabschiebung bedroht sind, so wäre aus innerstaatlichen, verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben.
(VfGH 17.6.2005, B 336/05, UBAS zu 268.445/3-X/47/06 vom 14.03.2006)
Es ist nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörde, hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen. Auch aus dem Umstand, dass Anerkennungsquoten im Asylverfahren relativ gering seien, kann nicht automatisch darauf geschlossen werden, dass kein ordnungsgemäßes Verfahren geführt wird."
(VwGH, 31.5.2005, Zl. 2002/20/0095)
Die höchstgerichtliche Judikatur ist gerade bei Anträgen ab 01.01.2006 aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 von besonderer Bedeutung.
1. Allgemeines zum Asylverfahren
Das Directorate of Immigration (Utlendingsdirektoratet, UDI) ist die zentrale Stelle für alle Immigrationsangelegenheiten in Norwegen. Somit ist es auch für die Abwicklung des Asylverfahrens, für die Unterbringung von Asylwerbern während des Asylverfahrens und für die Unterstützung von Rückkehrwilligen zuständig. Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten (UDI o. D.a; vgl. NOAS o.D.).
Das norwegische Parlament hat zuletzt eine Reihe gesetzlicher Änderungen angenommen, darunter unter anderem:
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Bei besonders hohen Flüchtlingszahlen ist es möglich, Asylsuchende bereits an den Grenzen zu anderen nordischen Staaten zurückzuweisen.
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Asylsuchende, die aus Russland oder einem anderen nordischen Land kommen, sind – unterbestimmten Voraussetzungen – in Zeiten außerordentlich hoger Antragszahlen, nicht mehr berechtigt ohne Visum in Norwegen einzureisen.
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Ausländische Staatsangehörige haben kein Recht auf internationalen Schutz in Norwegen, wenn sie eine interne Fluchtalternative haben.
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Die Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels nach der Ablehnung eines Asylantrags wird von drei Wochen auf eine Woche verkürzt.
(Government.no 11.1.2017)
Quellen:
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Government.no (11.1.2017): Tightening of Norway’s asylum rules, https://www.regjeringen.no/en/topics/immigration/asylum-regulations-in-norway/insight/tightening-of-norways-asylum-rules/id2465829/, Zugriff 12.7.2017
-
NOAS (o.D.): The Asylum Process in Norway, http://www.noas.no/the-asylum-process-in-norway-eng/, Zugriff 18.7.2017
-
UDI – Utlendingsdirektoratet (o.D.a): Who does what in the immigration administration,
http://www.udi.no/en/about-the-udi/about-the-udi-and-the-immigration-administration/who-does-what-in-the-immigration-administration/, Zugriff 12.7.2017
2. Dublin-Rückkehrer
Im Dublin-Verfahren prüft das UDI im Einzelfall, ob ein Asylwerber zwecks Durchführung des Asylverfahrens in ein anderes Land überstellt wird. Ist Norwegen für die Bearbeitung des Antragszuständig, wird dies im ordentlichen Verfahren erledigt (UDI o. D.c). Rückführungen nach Griechenland werden nicht durchgeführt (USDOS 3.3.2017)
Dublin-Rückkehrer haben grundsätzlich Zugang zum Asylverfahren. Wenn es sich um einen "take-back"-Fall handelt, wird das Verfahren an der Stelle fortgesetzt, wo es in Norwegen unterbrochen wurde. Sollte das Asylverfahren bei Rücküberstellung bereits abgeschlossen sein, kann der Asylwerber die Wiedereröffnung seines Akts beantragen. Wenn das Asylverfahren in Norwegen definitiv abgeschlossen ist, kann der Asylwerber um Nachprüfung seines Antrags ansuchen. Er kann jedoch auch einen Folgeantrag stellen, wenn sich die Sachlage geändert hat oder neue Beweismittel vorliegen. Dublin-Rückkehrer haben Zugang zu materieller Unterstützung (UDI 31.3.2016).
Quellen:
-
UDI – Utlendingsdirektoratet (o.D.c): Cooperation under the Dublin Regulation,
http://www.udi.no/en/word-definitions/cooperation-under-the-dublin-regulation/, Zugriff 27.7.2017
-
UDI – Utlendingsdirektoratet (31.3.2016): Auskunft des UDI, per E-Mail
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Norway, http://www.ecoi.net/local_link/337190/479954_de.html, Zugriff 25.7.2017
3. Non-Refoulement
Asylwerber aus sicheren Teilen Syriens werden in ihre Heimat zurückgeschickt; auch abgelehnte Asylwerber aus nicht sicher eingestuften Gegenden Syrien können sehr wohl in sichere Gegenden des Landes abgeschoben werden. Zwischen Jänner 2014 und November 2016 wurden mehr als 850 Personen von Norwegen zurück nach Syrien geschickt (The Government 11.1.2017).
Aufgrund der hohen Risiken von Betrug und Korruption bei IOM in Kabul hat das UDI das bisher in Kooperation mit IOM angebotene freiwillige Rückkehrprogramm "Irrana" für syrische Staatsbürger eingestellt. Stattdessen gibt es nun ein neues Programm, das vergleichsweise höhere finanzielle Anreize, aber keine Unterstützung für die Geschäftsgründung oder eine Berufsausbildung anbietet (UDI 15.6.2016).
UDI und das Immigration Appeals Board (UNE) haben am 17. September 2015 die Umsetzung der verpflichtenden Rückkehr für irakische Staatsbürger mit einem abgelehnten Asylantrag entschieden. Diese Regelung gilt für alle Iraker mit einem negativen Bescheid unabhängig von der Herkunftsregion innerhalb des Landes (UDI 9.2.2016).
Auch können im Falle großer Flüchtlingszahlen sofortige Zurückweisungen direkt an den Grenzen erfolgen (AI 22.2.2017).
Die Praxis, Personen gelegentlich in Gebiete ihres Herkunftsstaats abzuschieben, aus denen sie nicht abstammen (wie etwa im Falle Syriens), wird von NGOs kritisiert. Ebenfalls kritisiert werden Abschiebungen nach Süd- und Zentralsomalia, wo die betreffenden Personen der Gefahr von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt seien. Abgelehnte Asylwerber werden auch nach Russland, Nigeria, Irak, Somalia, und andere Länder abgeschoben (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
-
AI – Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/2017 – The state of the World¿s Human Rights Norway, http://www.ecoi.net/local_link/336577/479254_de.html, Zugriff 12.7.2017
-
The Government (11.1.2017): Afghans not entitled to residence in Norway will be deported,
https://www.regjeringen.no/en/topics/asylum-regulations-in-norway/insight/afghans-not-entitled-to-residence-will-be-deported/id2464140/, Zugriff 12.6.2017
-
UDI – Utlendingsdirektoratet (15.6.2016): Information about assisted returns to Syrien.,
https://www.udi.no/en/important-messages/temporary-stop-in-assisted-returns-to-Syrien/, Zugriff 12.6.2017
-
UDI – Utlendingsdirektoratet (9.2.2016): Information to Iraqis, https://www.udi.no/en/important-messages/information-to-iraqis/, Zugriff 12.6.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Norway, http://www.ecoi.net/local_link/337190/479954_de.html, Zugriff 25.7.2017
4. Versorgung
Asylwerber haben in Norwegen ein Recht auf Unterbringung während des Verfahrens. Die meisten Asylwerber entscheiden sich für die Unterbringung in einem offenen Aufnahmezentrum. Dort erhalten sie finanzielle Unterstützung, deren Höhe sich nach Familiengröße und Verfahrensstand richtet. Es gibt verschiedenen Arten von Unterbringungszentren. Zuerst kommen Antragsteller für etwa zwei Tage in ein Transitzentrum, wo die Registrierung, erkennungsdienstliche Behandlung und medizinische Überprüfung stattfindet. Danach kommen sie in ein Fürsorgezentrum nahe Oslo, in dem sie bleiben bis das Asylinterview erledigt ist und ihnen ein Platz in einem Unterbringungszentrum zugewiesen worden ist. Die herkömmlichen Unterbringungszentren, in denen das Asylverfahren abgewartet wird, sind zum Teil an unterschiedliche Bedürfnisse angepasst, etwa an jenen unbegleiteten Minderjährigen zwischen 15 und 18 Jahren. Unter 15 Jahren leben die unbegleiteten Minderjährigen in eigenen Einrichtungen des Bufdir. Es gibt auch spezielle Zentren für beeinträchtigte Antragsteller. Hauptsächlich sind sie für psychisch angeschlagene Personen, deren Zustand aber keine psychiatrische Betreuung erfordert. Auch nach einer Entscheidung im Asylverfahren kann man im Zentrum bleiben (SSB 21.1.2017).
Unter bestimmten Voraussetzungen können Asylwerber privat wohnen, allerdings verlieren sie dann das Taschengeld und den freien Zugang zu Übersetzerdiensten und Sprachtraining, welche in einem Zentrum gegeben sind (UDI o.D.z). Neben dem Taschengeld ist es möglich zusätzliche Mittel für medizinische Leistungen, Brillen und Lernmittel (z.B. Bücher) zu beantragen. Nach einer endgültigen negativen Entscheidung erhält man weniger Geld (UDI o.D.h).
Asylwerber dürfen die Unterbringungszentren nicht unerlaubt für mehr als drei Tage verlassen, da sie sonst riskieren, den Platz und die damit einhergehenden Leistungen zu verlieren. Vielfach wird kritisiert, dass die Zentren meist geografisch abgelegen sind. Abgelehnte Asylwerber dürfen grundsätzlich bis zur freiwilligen oder zwangsweisen Rückkehr in den Unterbringungszentren bleiben (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
-
SSB – Statistics Norway (27.1.2017): UDI and the immigration administration,
https://www.ssb.no/en/befolkning/artikler-og-publikasjoner/udi-and-the-immigration-administration, Zugriff 2.8.2017
-
UDI – Utlendingsdirektoratet (o.D.z): Living at or moving from a reception centre,
https://www.udi.no/en/have-applied/protection-asylum/ordinary-asylum-reception-centre/living-at-or-moving-from-a-reception-centre/#link-6727, Zugriff 25.7.2017
-
UDI – Utlendingsdirektoratet (o.D.h): Financial assistance, https://www.udi.no/en/have-applied/protection-asylum/ordinary-asylum-reception-centre/financial-assistance/#link-4069, Zugriff 25.7.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Norway, http://www.ecoi.net/local_link/337190/479954_de.html, Zugriff 25.7.2017
4.1. Medizinische Versorgung
Die Gemeinden haben dafür zu sorgen, dass ihre Einwohner die erforderlichen Gesundheitsdienstleistungen erhalten. Dies gilt auch für Einwanderer, Flüchtlinge und Asylbewerber. Die regionalen Gesundheitsunternehmen sind für die Bereitstellung von Gesundheitsdienstleistungen auf Krankenhaus- und Facharztebene zuständig. Diese Dienstleistungen können von allen Personen in Anspruch genommen werden, die in der betreffenden Gesundheitsregion wohnen oder sich dort vorübergehend aufhalten. Die kommunalen Gesundheitsdienstleistungen werden dabei vom Staat, durch kommunale Mittel und durch Selbstbeteiligung des Patienten getragen (Ny I Norge o.D.).
Asylwerber haben ab Antragstellung ein Recht auf medizinische Versorgung wie norwegische Bürger (UDI o.D.x). Wenn Kosten für notwendige medizinische Behandlungen entstehen, kann man die Kostentragung bei UDI beantragen. Die genauen Ansprüche hängen vom Verfahrensstand ab. Nach einer endgültig negativen Entscheidung werden nur noch Kosten für akut notwendige Behandlungen getragen (UDI o.D.h). An anderer Stelle wird angeführt, dass nach einer negativen Entscheidung des Immigration Appeals Board (UNE) kein Recht auf medizinische Behandlung mehr besteht (UDI o.D.x).
Asylwerber unter 18 Jahren mit einem negativen Bescheid haben weiterhin den gleichen Anspruch auf die medizinische Versorgung wie norwegische Kinder (UDI o.D.x).
Quellen:
-
Ny I Norge (Neu in Norwegen) (o.D): Die Gesundheitsdienstleistungen,
http://www.nyinorge.no/de/Ny-i-Norge-velg-sprak/Neu-in-Norwegen/Gesundheit/Gesundheitsdienstleistungen/Die-Gesundheitsdienstleistungen/, Zugriff 19.7.2017
-
UDI – Utlendingsdirektoratet (o.D.h): Financial assistance, https://www.udi.no/en/have-applied/protection-asylum/ordinary-asylum-reception-centre/financial-assistance/#link-4069, Zugriff 25.7.2017
-
UDI – Utlendingsdirektoratet (o.D.x): Healthcare, https://www.udi.no/en/have-applied/protection-asylum/do-not-live-in-reception/healthcare/#link-8848, Zugriff 19.7.2017
5. Schutzberechtigte
Das norwegische Parlament hat eine Reihe gesetzlicher Änderungen angenommen, darunter unter anderem:
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Bestimmte Anträge auf Familienzusammenführung bei subsidiärem Schutz können abgelehnt werden.
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Für permanente Aufenthaltsgenehmigungen in Norwegen werden neue Kriterien eingeführt um die Integration sicherzustellen. Etwa Selbsterhaltungsfähigkeit in den letzten 12 Monaten und Sprachkenntnisse.
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Die zu absolvierenden Sprachstunden werden erweitert.
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Wer kollektiven Schutz im Zuge einer Ausnahmesituation erhält, kommt in den ersten sechs Jahren für einen permanenten Aufenthalt nicht in Frage (bisher 4 Jahre).
(Government.no 11.1.2017)
Erhält ein Antragsteller internationalen Schutz, wird eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst 3 Jahre (verlängerbar) ausgestellt Familienzusammenführung ist möglich. Die Unterbringung als Flüchtling erfolgt in einer durch das Directorate of Integration and Diversity (IMDI) zugewiesenen Gemeinde. Eine Aufenthaltserlaubnis aufgrund besonderer humanitärer Gründe oder besonderer Beziehungen zu Norwegen, wird entweder nur zeitlich begrenzt verliehen oder es besteht kein Recht auf Familienzusammenführung. Unterbringung in einer Gemeinde ist möglich, wenn dem keine anderweitigen Einschränkungen entgegenstehen (UDI o.D.y).
Die Integrationspolitik vom IMDI zielt auf eine möglichst rasche Integration der Flüchtlinge in Arbeitsmarkt und Gesellschaft. Die Wohngemeinden, in denen die Integrationsleistung erbracht wird, erhalten dafür für jeden Flüchtling finanzielle Mittel für fünf Jahre. Für unbegleitete Minderjährige gibt es zusätzliche Gelder. Für Integrations- und Sprachkurse gibt es pro Person Mittel für drei Jahre. Flüchtlinge und deren Familienmitglieder zwischen 18 und 55 Jahren sind zur Teilnahme an einem Introduction Program for Refugees verpflichtet. Es handelt sich dabei um ein maßgeschneidertes Vollzeit-Programm für bis zu zwei Jahre. Die Teilnehmer werden währenddessen wirtschaftlich mit 18.800 Euro jährlich vor Steuern unterstützt. Schwerpunkte des Programms sind norwegische Sprache, Soziales und Maßnahmen zum Erwerb von Fähigkeiten für den Arbeitsmarkt oder die Fortsetzung von Bildung (IMDI 29.6.2016).
Quellen:
-
Government.no (11.1.2017): Tightening of Norway’s asylum rules, https://www.regjeringen.no/en/topics/immigration/asylum-regulations-in-norway/insight/tightening-of-norways-asylum-rules/id2465829/, Zugriff 12.7.2017
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IMDI - Directorate of Integration and Diversity (29.6.2016):
Integration ofRefugeesin Norway, https://www.immigration.interieur.gouv.fr/content/download/96216/752266/file/2-presentation-de-la-direction-de-l_integration-et-de-la-diversite-en-Norvege.pdf, Zugriff 2.8.2017
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UDI – Utlendingsdirektoratet (o.D.y): Your application for protection has been granted,
https://www.udi.no/en/received-an-answer/protection-asylum/your-application-for-protection-has-been-granted/#link-1296, Zugriff 2.8.2017
D) Beweiswürdigung
Die von der Behörde getroffenen Feststellungen beruhen auf folgenden Erwägungen:
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betreffend die Lage im Mitgliedsstaat:
Die in den Feststellungen zu Norwegen angeführten Inhalte stammen aus einer Vielzahl von unbedenklichen und aktuellen Quellen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen, welche durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt wurden. In diesem Zusammenhang sei auf den Inhalt des §5 BFA-G betreffend die Ausführungen zur Staatendokumentation verwiesen, insbesondere auf den Passus, wonach die gesammelten Tatsachen länderspezifisch zusammenzufassen, nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren sind, einschließlich den vorgegebenen Aktualisierungsverpflichtungen.
Hinweise darauf, dass die vorstehend angeführten Vorgaben des §5 BFA-G bei den dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Feststellungen zu Norwegen nicht beachtet worden wären, haben sich im Verfahren nicht ergeben.
Soweit sich das Bundesamt im gegenständlichen Bescheid auf Quellen älteren Datums bezieht, wird angeführt, dass diese – aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse in Norwegen – nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.
Sie gaben an, nicht nach Norwegen zurückkehren zu wollen, da Sie sich bereits für ein Jahr und acht Monate in jenem Staat aufgehalten hätten. Bei Ihrer letzten Einvernahme hätten Sie Ihren Asylantrag zurückziehen wollen, als Ihnen die Behörde plötzlich mitteilte, dass Sie einen Aufenthaltstitel für sieben Monate erhalten würden. Nachgefragt gaben Sie an, dass Sie niemals einen Aufenthaltstitel in schriftlicher Form erhalten hätten. Man hätte Ihnen jene Information lediglich mitgeteilt.
Anschließend brachten Sie vor, dass es Ihr Plan gewesen wäre, Ihre Familie zu sich zu bringen. Man hätte Sie in Norwegen jedoch als ledige und somit nicht verheiratete Person registriert. Obwohl Sie Ihre Heiratsurkunde vorgelegt hätten, müsste dies ein Fehler der norwegischen Behörden gewesen sein. Dementsprechend wären Ihre Menschenrechte verletzt worden, weil Sie kein Recht hätten, Ihre Familie zu Ihnen zu bringen. Ihnen wäre jeder Staat Europas recht, sofern sich Ihre Familie bei Ihnen befinden würde.
Diesbezüglich ist lediglich zu erwähnen, dass sich Norwegen mit Schreiben vom 02.10.2017 ausführlichst für die Übernahme Ihrer Person sowie Weiterführung Ihres Verfahrens zuständig erklärt hat und seitens der Behörde als sicherer Staat für AsylwerberInnen gesehen wird. Zudem brachten Sie lediglich vor, dass man Ihre Familie nicht zu sich nach Norwegen lassen würde.
Somit sind aus Ihren Angaben keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass Sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Norwegen Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.
Der Vollständigkeit halber wird zudem auf folgendes hingewiesen:
Neben der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 des Rates sind für Norwegen folgende Richtlinien beachtlich:
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Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG bzw. neu 2011/93/EU) im Hinblick auf die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen.
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Verfahrensrichtlinie (Richtlinie 2005/85/EG des Rates bzw. neu 2011/93/EU ) hinsichtlich der Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft.
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Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2003/9/EG bzw. neu 2011/93/EU) zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern in den Mitgliedstaaten, einschließlich der Verpflichtung des Partnerstaates für ausreichende medizinische Versorgung und die Gewährung von ausreichenden materiellen Leistungen an Asylwerbern, welche die Gesundheit und den Lebensunterhalt der Asylsuchenden gewährleisten. Insbesondere gewährleisten die Mitgliedstaaten in jedem Fall Zugang zur medizinischen Notversorgung.
Gegen Norwegen hat die Europäische Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 des EG-Vertrages wegen Missachtung der Status-, Verfahrens- oder Aufnahmerichtlinie eingeleitet.
Insofern ergibt sich aus diesem Umstand – ebenso wie aus dem sonstigen Amtswissen – kein Hinweis, dass Norwegen die vorstehend angeführten Richtlinien nicht in ausreichendem Maß umgesetzt hätte oder deren Anwendung nicht in ausreichendem Umfang gewährleisten würde. Unter diesen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ergibt sich in Ihrem Fall kein Hinweis auf eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verletzung Ihrer durch die vorstehend angeführten Richtlinien gewährleisteten Rechte in Norwegen im Falle Ihrer Überstellung in dieses Land.
[ ]
ist festzuhalten, dass sich im Verfahren keine Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Norwegen ergeben haben. Weiters ist festzuhalten, dass Sie im Verfahren keine konkreten auf Sie persönlich bezogenen Umstände glaubhaft gemacht haben, die gerade in Ihrem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall Ihrer Abschiebung nach Syrien als wahrscheinlich erscheinen lassen.
Unter Beachtung des Aspektes, dass sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union untereinander im Sinne einer normativen Vergewisserung (VfGH 17.06.2005, B 336/05) als sichere Staaten für AsylwerberInnen ansehen, was jedenfalls insbesondere auch beinhaltet, dass Art. 3 EMRK gewährleistete Rechte eines Antragstellers in einem Mitgliedsstaat nicht verletzt werden und mangels sonstigem Hinweis darauf, dass dies speziell in Ihrem Fall in Norwegen nicht gegeben sein könnte, haben sich im Verfahren weder Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts, noch für die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen durch das Bundesamt zur allgemeinen und zu Ihrer besonderen Lage in Norwegen ergeben."
Es folgte im angefochtenen Bescheid die rechtliche Beurteilung zu den beiden Spruchpunkten. Der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, weil Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO formell erfüllt (und implizit sohin Norwegen für die Prüfung des Antrages zuständig) sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der GRC oder der EMRK im Falle einer Überstellung des BF ernstlich für möglich erscheinen lassen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG habe nicht erschüttert werden können und es habe sich kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Auch die Voraussetzungen für ein Vorgehen im Sinne von Art. 16 oder Art. 17 Abs. 2 leg. cit. seien nicht erfüllt und stelle die Ausweisung des BF mangels familiärer Bezüge sowie angesichts der (bloß kurzen) Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet keinen ungerechtfertigten Eingriff in sein Grundrecht nach Art. 8 EMRK dar.
Dieser Bescheid wurde dem BF am 19.10.2017 durch eigenhändige Übernahme zugestellt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in welcher der BF im Wesentlichen geltend machte, dass er in Norwegen Subsidiär-Schutzberechtigter sei und seine Familie im Rahmen der Familienzusammenführung habe nachholen wollen. In Norwegen sei sein diesbezüglicher Antrag jedoch unbegründet abgelehnt worden, obwohl er alle notwendigen Unterlagen vorgelegt habe. Die Frage einer Familienzusammenführung spiele im Asylwesen und bei der Dublin III-VO eine wichtige Rolle, so müssten die Mitgliedstaaten das Recht auf Achtung des Familienlebens beachten. Eine Überstellung nach Norwegen würde ihn somit in seinen Rechten gemäß Art. 8 MRK verletzen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt werden zunächst der dargelegte Verfahrensgang sowie der ebenfalls eingangs dargestellte Reiseweg des BF samt dem Umstand seiner Asylantragstellung in Norwegen.
Besondere, in der Person des Antragstellers gelegene Gründe, welche für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung bzw. unmenschlicher Behandlung in Norwegen sprechen, liegen nicht vor – vielmehr wurde dem BF bereits Schutz gewährt.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.
Der BF leidet an keinen Erkrankungen, er benötigt keine Medikamente und gehört als junger Mann keiner vulnerablen Personengruppe an.
Der BF hat im Bundesgebiet keine engen familiären Anknüpfungspunkte, es bestehen auch keine Abhängigkeiten oder Beziehungen zu sonstigen Personen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Verfahrensgang, zum Reiseweg des BF und zu seiner Asylantragstellung bzw. Schutzgewährung in Norwegen ergeben sich aus den Akten des BFA, insbesondere dem entsprechenden EURODAC-Treffer, dem darin befindlichen Vorbringen des BF und den Konsultationen mit Norwegen.
Ebenfalls aus seinem Vorbringen ergeben sich die Umstände, dass er über keine engen familiären Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt und keine gesundheitlichen Probleme hat.
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen.
Das Bundesamt hat im angefochtenen Bescheid neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Norwegen auch Feststellungen zur norwegischen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf "Dublin-Rückkehrer") samt dem dortigen jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelwege getroffen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Erwägungen zur Beweiswürdigung an.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF auten:
"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 lautet:
"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."
§ 61 FPG 2005 idgF lautet:
"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. (2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."
In den vorliegenden Fällen ist gemäß ihres Art. 49 (Inkrafttreten und Anwendbarkeit) die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates ("Dublin III-VO") anzuwenden:
"Art. 49
Inkrafttreten und Anwendbarkeit
Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Die Verordnung ist auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt — ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung — für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 343/2003.
Die in dieser Verordnung enthaltenen Verweise auf die Verordnung (EU) Nr. 603/2013, Richtlinie 2013/32/EU und Richtlinie 2013/33/EU gelten, bis zu ihrer jeweiligen Anwendbarkeit, als Verweise auf die Verordnung (EG) Nr. 2725/2000, Richtlinie 2003/9/EG bzw. Richtlinie 2005/85/EG."
Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO zur Ermittlung des zuständigen Mitgliedstaates lauten:
"KAPITEL II
ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN
Art. 3
Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU–Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
KAPITEL III
KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS
Art. 7
Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.