TE Bvwg Beschluss 2017/11/13 L516 2175630-1

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Veröffentlicht am 13.11.2017
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Entscheidungsdatum

13.11.2017

Norm

AsylG 2005 §3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L516 2175630-1/3Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX auch XXXX , geb XXXX , StA: Iran, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst - ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.10.2017, Zahl 1092299602/151623181, zu beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer stellte am 25.10.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

2. Das (BFA) wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG (Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides) sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) gemäß § 8 AsylG ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 AsylG, erließ gegen diesen eine Rückkehrentscheidung § 52 Abs 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass die Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Das BFA sprach zudem aus, dass für die freiwillige Ausreise keine Frist bestehe (Spruchpunkt V), erließ gegen den Beschwerdeführer gem § 53 Abs 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI) und sprach mit Spruchpunkt VII aus, dass der Beschwerdeführer gem § 13 Abs 2 Z 3 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 20.10.2016 verloren habe.

3. Mit Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.

4. Der Beschwerdeführer hat gegen den ihm am 12.10.2017 zugestellten Bescheid des BFA am 03.11.2017 Beschwerde erhoben.

5. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakten des BFA langte der Aktenlage nach am 08.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1.1. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Faili-Kurden an und ist im Iran geboren und aufgewachsen. Zur Begründung vor dem BFA gab er an, sein Großvater sei vom Irak in den Iran gekommen, weshalb der Beschwerdeführer keine Dokumente vom Iran, lediglich eine grüne Karte mit seinem Namen gehabt habe (AS 45). Er sei Bauer, Hirte und Bienenzüchter gewesen. Er sei von den Behörden aufgehalten, jedoch nicht verhaftet worden. Er sei nur gefragt worden, da er in der Nähe zum Irak gewohnt habe, ob er die Kurdische Partei im Irak unterstütze. Er sei verdächtigt worden, die Kurdische Partei oder die Mujaheddin zu unterstützen (AS 55). Mit der grünen Karte könne man nichts machen, nicht in die Schule gehen, nicht richtig arbeiten. Er habe keine Versicherung, keine Unterstützung, weshalb er immer auf dem Land habe leben müssen. Er habe jeden Job annehmen müssen, den es gegeben habe, schwere Arbeit. Der Grund, weshalb er nicht mehr im Iran habe bleiben wollen, sei auch, dass am Ende die Kontrollen sehr stark gewesen seien. Er sei immer aufgehalten und einvernommen worden. Man habe ihm und anderen vorgehalten, dass er und die anderen "diese Gruppierungen" unterstütze. Er habe jedoch keine Ahnung gehabt, wer da hineingekommen sei. Das habe er immer von der Behörde gehört. Es sei ihm gesagt worden, dass er wisse, wann die Leute hineinkommen. Es sei ihm vorgehalten worden, dass er jene Leute unterstütze, sie mit Essen und Trinken versorge. Das sei jedoch alles gelogen, er habe nur dort gearbeitet, da er keine Arbeit bekommen habe. Mit jener Karte habe er nichts kaufen können, keine Führerschein machen. Er habe wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit Probleme mit dem Staat, der Regierung gehabt und ihnen, den Kurden, sei das Leben dort sehr schwer gemacht worden. Die Regierung habe gewollt, dass sie gegen die Kurdische Partei im Irak kämpfen würden, er habe jedoch nur in Ruhe arbeiten und leben wollen. Manchmal seien sie, die Kurden, von ihrem Arbeitsplatz abgeholt und zur Polizei gebracht worden und 3-4 Stunden befragt worden. Als er gesagt habe, dass er wirklich keine Ahnung von den Dingen habe, sei er in eine kleine Zelle gebracht und von zwei der Polizisten geschlagen worden. Danach sei er wieder einvernommen wurden und später freigelassen worden (AS 57). Dies sei manchmal 3-4 Mal im Monat vorgekommen, manchmal seien sie einen Monat in Ruhe gelassen und dann wieder 3-4 im Monat einvernommen worden. Sie seien immer freigelassen, aber auch immer wieder geholt und geschlagen worden. Er habe auch keine Dokumente gehabt und das Land ohne Dokumente verlassen. Er werde bei einer Rückkehr auf jeden Fall festgenommen und gefoltert werden und was man danach noch mit ihm mache, wisse er nicht (AS 61).

1.2. Das BFA stellte fest, dass der Beschwerdeführer der Volksgruppe der Faili-Kurden angehöre (AS 227), erachtete jedoch das Vorbringen zu den Fluchtgründen im angefochtenen Bescheid mit näherer Begründung als nicht glaubhaft (AS 290-293). In der Beschwerde wird unter anderem den einzelnen Argumenten des BFA in dessen Beweiswürdigung zum Teil nicht unsubstantiiert entgegengetreten (insb AS 358-364).

1.3. Der angefochtene Bescheid enthält insbesondere folgende Feststellungen zu den Faili-Kurden im Iran:

"Die Faili-Kurden sind eine der meist unterdrücktesten Kurdengruppen. Wie auch andere Kurden wurden sie im Irak während dem Regime von Saddam Hussein geschmäht und verfolgt. Statistiken der Vereinten Nationen zeigen, dass in den 1980 Jahren mehr als 450.000 Faili-Kurden in den Iran deportiert wurden und nahezu 10.000 Faili-Kurden im Alter zwischen 13 und 30 Jahren bis zum gegenwärtigen Augenblick noch immer vermisst werden. Die Vertreibung dieser kurdischen Minderheit wurde von Saddam Hussein mit der Behauptung begründet, dass die Vorfahren dieser Bevölkerungsgruppe Iraner seien und wurde ihnen bereits zuvor im Jahre 1963 die irakische Staatsbürgerschaft verweigert und begann eine skrupellose Kampagne gegen sie, vergleichbar mit einem systematischen Genozid. Der Mehrheit dieser, in den Iran vertriebenen Faili-Kurden, ist es bis heute nicht gelungen die iranische Staatsangehörigkeit zu erlangen. Die Meisten von ihnen haben keinen Zugriff auf ihre Geburtsurkunden oder auf die ihrer Eltern, da diese meist von den irakischen Behörden vernichtet worden waren und daher der Nachweis einer iranischen Abstammung gegenüber den iranischen Behörden nicht erbracht werden konnte. Diese Personengruppe lebt weiterhin im Iran und zwar ohne gültigen iranischen Personalausweis.

Arbeitsgenehmigungen wurden nur jenen Faili-Kurden erteilt, die über die "weiße Karte" verfügten. Zur Anschaffung von Grundstückseigentum verlangt der Iran eine spezielle Autorisierung, die meist von den Faili-Kurden nicht erbracht werden kann und brauchen Faili-Kurden bei Eheschließung, zur Anerkennung als Ziviltrauung (wenn sie einen iranischen Bürger ehelichen wollen) ebenfalls eine spezielle Autorisierung um bei einem bevollmächtigten Standesamt verzeichnet zu werden. Folglich heiraten Faili-Kurden in den meisten Fällen einfach auf religiöser Ebene, und wird der iranische Personalausweis nur auf den Namen einer iranischen Mutter und nicht auf den eines ausländischen Faili-Vaters ausgestellt. UNHCR ist dazu übergegangen aus dem Irak vertriebene Faili-Kurden als staatenlose Bona-Fide-Flüchtlinge anzuerkennen. Faili-Kurden denen es nicht gelungen ist, die iranische Staatsbürgerschaft zu erlangen, sind seit mehreren Jahren von Abschiebungen in den Irak - der sie jedoch ohne Personaldokumente nicht als Staatsbürger anerkennt - bedroht."

1.4. Der Beschwerdeführer wurde mit seit 09.05.2017 rechtskräftigem Urteil eines österreichischen Landesgerichtes für Strafsachen vom 03.05.2017 gem § 27 (2a) SMG für eine am 12.10.2016 begangene Straftat zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt. Gegenwärtig wird der Beschwerdeführer verdächtigt, das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter und fünfter Fall SMG begangen zu haben und er befindet sich aktuell wegen Tatbegehungsgefahr gem § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO seit 20.09.2017 in Untersuchungshaft.

2. Beweiswürdigung

2.1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakten zu den Anträgen der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz sowie aus den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes zum Vorverfahren. Die Feststellungen zu den Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren sowie zu den Ausführungen des BFA im angefochtenen Bescheid und der Beschwerde ergeben sich konkret aus den im Akt einliegenden Niederschriften, dem angefochtenen Bescheid und der Beschwerde, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden Aktenseiten (AS) angeführt sind. Die Feststellungen zur strafrechtlichen Verurteilung sowie dazu, dass sich der Beschwerdeführer aktuell in Untersuchungshaft befindet, ergeben sich aus dem Strafregister der Republik Österreich und der aktuellen Meldeadresse des Beschwerdeführers.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

Rechtsgrundlage

3.1. Gemäß § 18 Abs 1 Z 2 BFA-VG kann einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt.

3.2. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

Zum gegenständlichen Verfahren

3.3. In der Beschwerde wird unter anderem der Beweiswürdigung des BFA zum Teil nicht unsubstantiiert entgegengetreten, sodass zum gegenwärtigen Zeitpunkt zur Klärung des Sachverhaltes eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers erforderlich erscheint. Vor dem Hintergrund der vom BFA im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur Volksgruppe der Faili-Kurden und der notorischen allgemeinen Lage im Iran kann gegenwärtig nicht ausgeschlossen werden, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in den in Aussicht genommenen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Bestimmungen der EMRK bedeuten würde, weshalb gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist.

4. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG entfallen.

Zu B)

Revision

5. Da die Rechtslage eindeutig ist, ist die Revision nicht zulässig (vgl VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

6. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:L516.2175630.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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