Entscheidungsdatum
14.11.2017Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W222 2152862-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb XXXX alias XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.08.2009, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.10.2017 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF wird das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 14.02.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am gleichen Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, XXXX zu heißen und am XXXX in XXXX , Indien geboren worden zu sein. Er spreche Punjabi und habe zuletzt als Gelegenheitsarbeiter gearbeitet. Zum Fluchtgrund befragt gab der Beschwerdeführer folgendes an: "Als Sympathisant der XXXX -Partei wurde ich von Mitgliedern der XXXX Partei XXXX misshandelt, polizeilich verfolgt und mit dem Umbringen bedroht. Ich habe auch sichtbare Narben durch die Misshandlungen an meinem Kopf erlitten." Bei einer Rückkehr fürchte er um sein Leben. Er habe von 1968 bis 1973 die Schule besucht. Im Heimatland würden sich seine Gattin, seine zwei Töchter und sein Sohn aufhalten, sowie zwei Brüder, drei Schwestern und sein Vater.
Im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 30.07.2009 gab der Beschwerdeführer an, dass er sein Geburtsdatum berichtigen möchte. Er sei am XXXX geboren. Er glaube, dass er das damals falsch verstanden habe. Er sei gesund, sei auch immer grundsätzlich gesund gewesen und könne sich darauf konzentrieren und sich erinnern. Er sei im Verfahren nicht vertreten. Er sei Hindu und gehöre der Adharmi-Kaste an. Er sei zufällig nach Österreich gekommen und habe hier keine besonderen Bindungen. Er habe keine Verwandten oder anderen Familienangehörigen in Österreich. In Österreich trage er Werbematerial aus und verdiene etwa 300 bis 400 Euro im Monat. Die Miete teile er sich mit anderen. Er sei weder sozial- noch krankenversichert. Fünf Jahre sei er in die Schule gegangen und habe seither als Tagelöhner in den umliegenden Dörfern gearbeitet. In seinem Heimatdorf würden noch heute seine Frau, seine zwei Töchter und sein Sohn leben. Diese würden in die Schule gehen. Im selben Ort würden noch zwei seiner Brüder, die auch jeweils ein Haus hätten, leben. Seine Familie lebe von dem Einkommen seiner Frau als Tagelöhnerin. Einer seiner Brüder sei Maurer, der andere sei in Dubai gewesen und sei nun wieder zu Hause. Was sein Bruder jetzt arbeite, wisse er nicht. Seiner Familie gehe es gut. Weiters wurde ausgeführt: "F: Sind Sie der Aufforderung in Traiskirchen nachgekommen und haben Sie inzwischen irgendwelche Beweismittel beigebracht, die Sie vorlegen möchten?
A: Ich habe einen Bekannten, der kürzlich nach Indien fuhr, ersucht, mir Gerichtspapiere mitzunehmen über meine Verletzungen aus dem Jahr 2003 und auf Vorfälle aus April 2008. Er kommt am 18. August zurück.
F: Was hätten Sie zu befürchten, wenn Sie heute in Ihren Herkunftsstaat zurückreisen?
A: Im Punjab könnte ich Schwierigkeiten bekommen und wieder attackiert und verletzt werden, wie vorher.
F: Und außerhalb des Punjab, hätten Sie da etwas zu befürchten?
A: Zu befürchten hätte ich dort nichts, aber ich wäre dort existenzgefährdet.
F: Warum wären Sie außerhalb des Punjab existenzgefährdet?
A: Es ist nicht so einfach, eine Unterkunft zu finden für mich und die Familie.
F: Schildern Sie nun ganz genau und ausführlich jedes Ereignis und jeden Vorfall, warum Sie Ihr Herkunftsland verlassen haben?
A: In Dörfern im Punjab gibt es immer ein Problem zwischen den wohlhabenden Jatt-Siks und den Leuten von den niedrigen Kasten. Die Großgrundbesitzer lassen einen Streit provozieren gegen die niedrigen Kasten, wie ich einer angehöre. So wurde ich auch zweimal zu Hause attackiert und verletzt. Ich bin Anhänger der XXXXpartei, das sind auch die meisten Leute der niedrigen Kasten. Nach diesem Streit waren immer Spannungen, wenn man sich im Dorf bewegt. Man muss sich immer fürchten. Deswegen meinte mein Vater, dass ich eine Zeitlang von dort weggehen sollte, damit Ruhe einkehrt. Deshalb reiste ich aus.
F: Gibt es noch weitere Vorfälle oder Fluchtgründe?
A: Nein, ich habe alles gesagt.
F: Wo leben Ihre Eltern?
A: Sie haben im selben Dorf ein eigenes Haus.
F: Sie geben hier einen Überblick über die Lage in Indien zwischen den Kasten. Bitte nehmen Sie alle einzelnen Ereignisse ausführlich, wie Sie bereits aufgefordert wurden. Sie haben nicht korrekt gesagt, inwieweit und wie Sie dazu betroffen waren, wann etwas passierte, wo, von wem er ausging etc. Tun Sie dies bitte jetzt konkret und detailgenau, schildern Sie die Sie betreffenden fluchtauslösenden Geschehnisse in allen Einzelheiten. Es ist ausreichend Zeit dazu vorhanden.
A: Ich habe das verstanden.
Der AW schweigt.
A: Ich will nicht lügen, so ist die Situation.
V: Ihr Vorbringen ist nicht glaubhaft, Sie schildern Ihre Fluchtgründe weiterhin oberflächlich, sodass davon ausgegangen werden muss, dass Sie hier nur die allgemeine Situation vorgeben und nicht wirklich selbst etwas erlebt haben. Unter diesen Voraussetzungen muss Ihr Asylantrag abgewiesen werden.
Die Frage wird wiederholt und erläutert.
A: Nur deswegen, die Leute im Dorf unterdrücken uns, weil wir zu den niedrigen Kasten gehören. Auch da in Wien war der Mordfall wegen der Kastenprobleme.
F: Worum ging es bei der Gerichtsverhandlung bzw. in dem von Ihnen als Beweismittel angebotenen Protokoll dazu?
A: Die Leute, die mich 2003 verletzt haben, wurden dann angeklagt. Das läuft immer noch.
F: Passierte damit in Zusammenhang sonst noch etwas?
A: Nein.
F: Also Sie haben die Behörde wegen der von Ihnen behaupteten Probleme eingeschaltet?
A: Ja.
F: An wen haben Sie sich da genau gewendet?
A: Ich informierte den XXXX und dieser dann die Polizei, er wohnt nicht weit von uns.
F: Wie erklären Sie sich, dass Sie zwar flüchten hätten müssen, Ihre gesamte Familie allerdings am Herkunftsort weiterhin verblieb? Diese sind Angehörige derselben Kaste!
A: Mein Bruder war auch weg und er kam jetzt auch zurück und nur wir wissen, welche Probleme man hat.
F: Gibt es noch etwas, was ich wissen sollte, um einen umfassenden Bezug zu Ihrer Lebensgeschichte oder Ihrer Flucht zu erhalten, etwas, was nicht gesagt wurde?
A: Ich habe alles gesagt.
F: Wenn Sie die geschilderten Probleme nicht hätten, könnten Sie dann in Ihrem Herkunftsstaat leben?
A: Ja.
V: Sie erklärten vorerst hier abzuwarten, bis sich die Lage beruhigt. Ist das schon der Fall, hat sich die Lage beruhigt?
A: Wenn es einmal anfängt, dann hört es nicht auf.
V: Vor der EAST gaben Sie ausschließlich und gegenteilig an, dass Sie als Sympathisant der XXXXpartei von Anhängern der XXXX verfolgt worden wären und machten derartige Probleme wie Kastenunterschiede nicht geltend!
A: Ich erklärte damals, dass XXXX an der Macht ist und da wir Unberührbaren bei der XXXX sind, es Probleme gibt.
F: Wie kamen Sie zu dem Geld für Ihre Ausreise?
A: Mein Vater organisierte das Geld, wir haben Häuser und er borgte es aus und nahm Kredit.
V: Dann ist es völlig widersprüchlich, dass Sie keine existenziellen Chancen haben und auch als Tagelöhner arbeiten mussten!
A: Man kann eine Hypothek oder einen Kredit nehmen oder ein Haus verkaufen.
V: Ihre Angaben sind völlig unlogisch. Es entspricht nicht einer lebensnahen Praxis, wenn Sie von irgendwelchen Leuten angegriffen, auf Veranlassung der Jatt-Sikhs, worden seien. Da gibt es kein Motiv dazu! Wozu sollten sich diese Leute die Arbeit und das Risiko antun?
A: Wenn eine Partei an die Macht kommt, versuchen sie die anderen zu unterdrücken, daher passieren solche Sachen.
V: Sie erklärten auch Kopfverletzungen gehabt zu haben. Von welchem Vorfall waren diese?
A: Beide Male 2003 und 2008.
V: Es ist auch völlig unlogisch, dass Sie seit 2003, als diese Probleme schon bestanden hätten, dort leben konnten und erst nun ausgereist sind!
A: 2008 wurde ich wieder attackiert und deshalb reiste ich aus.
Vorhalt: Auf Grund Ihrer zuvor vorgehaltenen unzureichenden, nicht nachvollziehbaren, widersprüchlichen und lebensfernen Angaben, ist nach dem bisherigen Erkenntnisstand davon auszugehen, dass Ihr Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen wird. Dahingehende Bedenken konnten Sie nach Ansicht der Behörde nicht ausräumen. Ein von Ihnen derart angebotenes Beweismittel ist daher nicht geeignet, die Bedrohungen in der Art und Ursache, wie Sie dargestellt haben, zu beweisen. Außerdem wird Ihre Abschiebung und Ausweisung als zulässig erachtet. Nehmen Sie nochmals dazu Stellung:
A: Meine Rippen wurden gebrochen, die Finger und ich hatte Kopfverletzungen.
V: Das wird von der Behörde nicht bestritten. Was solche betrifft, so ist aber daran nicht erkenn- oder ableitbar, dass diese nur durch die von Ihnen behaupteten, nicht näher dargelegten Einwirkungen zustande gekommen sind. Es kann als notorisch bekannt vorausgesetzt werden, dass im Laufe des Lebens eines Menschen durchaus körperliche Beeinträchtigungen oder Narben entstehen können, welche die unterschiedlichsten Ursachen haben können, allerdings nicht unter den von Ihnen angeführten Umständen. Somit können diese Narben den Befund der Unglaubwürdigkeit nicht relativieren.
A: Ich werde das beweisen.
V: Was wollen Sie denn beweisen, wenn Sie mir jetzt nicht einmal etwas Brauchbares über die Vorfälle oder deren Ablauf sagen können!
A: Ich werde diese Dokumente vorlegen.
A: Aus vorgenannten Gründen können diese den Befund der Unglaubhaftigkeiten Ihres Vorbringens nicht ändern. Eine solche Vorlage wird daher abgewiesen. Zudem hätten Sie seit Feber Zeit gehabt, solche vorzulegen und haben das nicht gemacht!
A: Erst jetzt ist jemand hingefahren, bis jetzt war das nicht möglich.
V: Es werden folgende Erkenntnisquellen zur Republik Indien verwendet:
Auswärtiges Amt: Indien, Innenpolitik, Stand Mai 2008, http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Indien/Innenpolitik.html (Zugriff am 12.08.2008)
Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, 19. November 2006
Suedasien.info: Analysen: Politik & Recht – Indien Pratibha Patil ist neue Präsidentin Indiens vom 27. Juli 2007, http/::www.suedasien.info/analysen/2035 (Zugriff am 12.08.2008)
Mag. Christian BRÜSER, landeskundlicher Sachverständiger: Gutachten, Zl. 261.493 vom 21.03.2008,
Hanns Seidel Stiftung (HSS); Indien, Monatsbericht 2007, Dr. Volker Bauer/Amrita Singh, 05. Juni 2007.
http://ww.hss.de/downloads&0705_MB_Indien.pdf (Zugriff am 12.08.2008)
U.K. Home Office: Country of Origin Information Report: India, 31.01.2008
Internationale Organisation für Migration (IOM):
Länderinformationsblatt Indien, August 2007
U.S. Department of State: Country Reports on Human Rights Practices – 2007, Released by the Bureau of Democracy, Human Rights, and Labor, March 11, 2008
Freedom House: Freedom in the World – India 2008, vom Juli 2008
V: Die Situation in Indien ist zufolge den vorgelegten Quellen rechtsstaatlich und auch die Polizei funktioniert demgemäß. Es gibt auch viele Beschwerdemöglichkeiten gegen behördliche Willkür oder Untätigkeit. Es gibt auch kein Meldewesen, sodass Sie überall in Indien anonym leben und arbeiten können.
F: Wollen Sie dazu eine Stellungnahme , abgeben, Ergänzendes vorbringen oder halten Sie eine nähere Behandlung der Feststellungen für erforderlich und wollen Sie diesen Feststellungen etwas hingegen setzen?
A: Ich möchte keine anderen Quellen vorlegen und verzichte auf eine weitere Einsichtnahme, aber möchte nur noch dazu sagen, dass die Probleme tatsächlich existieren, in der Gemeinschaft des Dorfes kann man leben, ohne diese nicht.
V: Dazu wird noch weiter ausgeführt, dass die indische Regierung zahlreiche Aktionen unternommen hat, um die Angehörigen der unteren Kasten zu bevorteilen, etwa beim Zugang zu diversen Leistungen. Nehmen Sie auch dazu Stellung!
A: Ich habe erzählt, was mit mir passiert ist, nur wegen der Kasten und der Parteien. Ich würde lieber zu Hause sein.
V: Ihr Vorbringen kann auch deshalb nicht stimmen, da im Jahr 2003 auch der XXXX nicht nur in der Bundesregierung, sondern auch im Punjab an der Macht war!
A: Die allgemeine Situation ist immer gleich, egal, welche Regierung dort ist."
Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 06.08.2009, Zahl: XXXX , den gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und ihm den Status eines Asylberechtigten sowie gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zuerkannt, wobei gleichzeitig dessen Ausweisung in sein Heimatland gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 leg. cit. Ausgesprochen wurde (Spruchpunkt III.).
Beweiswürdigend führte das Bundesasylamt betreffend die konkreten Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes unter anderem aus, dass das Vorbringen nicht glaubhaft ist: "Was die Konsistenz der vorgebrachten Sachverhalte betrifft, so ergibt aufgrund der im Verfahren hervorgekommenen Beweismittel, dass Sie in Ihrem Herkunftsstaat keinerlei für diesen Antrag relevante Gefahren befürchten müssen und auch subjektiv keinen nachvollziehbaren Grund dazu haben, solche zu befürchten.
Die Beweismittel, worunter vorwiegend Ihre Aussagen, auf die besonderes Gewicht gelegt wurde, begriffen sind, sind somit entweder widersprüchlich oder nicht nachvollziehbar, unsubstantiiert oder unplausibel.
Es konnten auch keine Hinderungsgründe, welche eine allfällige Mitwirkung Ihrer Person beeinträchtigt hätten, festgestellt werden. Sie wirkten bei der Einvernahme stringent denkend und waren imstande sich auf alles zu konzentrieren und darauf zu antworten und konnten sich bisher offensichtlich in Ihrem bisherigen Leben (nicht nur etwa auch belegt durch Ihre Reisetätigkeit bis Österreich) behaupten.
Auch legten Sie etwa die nicht die Ausreisegründe betreffenden Teile des Vorbringens (etwa die Ausreise im Zuge der Asylantragstellung) in entsprechender Art ausführlich dar. Weder war offensichtlich erkennbar, noch wurde von Ihnen andere Beeinträchtigungen des Mitwirkungsvermögens, wie etwa Krankheiten und dgl. geltend gemacht. Auch waren solche weder aus Ihrem Kulturkreis noch aus Ihrer persönlichen Situation angesichts Ihrer sonstigen Darstellung der Umstände abzuleiten. Dennoch stellten Sie das Vorbringen zu Ihren Ausreisegründen zufolge den weiters angeführten Fakten äußerst vage, unkonkret und oberflächlich, ja bloß allgemein dar. Detailgetreue bzw. substantiierte Angaben zu den von Ihnen behaupteten dahingehenden antragsrelevanten Geschehnissen konnten Sie keineswegs machen. Dabei wurde die Übersetzung Ihrer Angaben in äußerst kurzen Etappen, nahezu simultan und keineswegs durch Zusammenfassung durch den Dolmetsch durchgeführt, sodass auf eine allfällige Plastizität geachtet werden konnte und alle von Ihnen allfällig verwendeten Ausschmückungen, Stimmungen oder Details zum Tragen kommen hätten können.
Da demzufolge und zugleich allen Versuchen, Sie mehrmals und eindringlich durch verschiedene deutliche bzw. klar verständliche und weder mehrdeutige oder verfängliche Fragevarianten (die Behörde sah sich naturgemäß außerstande, suggerierende und lenkende bzw. anbietende Fragestellung anzuwenden) zu veranlassen, konkrete und genaue Darstellungen von Ihnen zu erlangen und ein dahingehendes Hinwirken der Behörde erfolglos geblieben ist, ist davon auszugehen, dass Sie nur deshalb keine genauen Angaben machen können, weil Ihr Vorbringen keine Basis in der Wirklichkeit hat und ein Konstrukt darstellt. Alleine Ihre pauschale Antwort ("Ich werde diese Dokumente vorlegen.") auf die wiederholte und finale Frage, was Sie nun beweisen wollen, wenn Sie nichts gesagt haben, zeigt dies deutlich.
Ihre Angaben beliefen sich, wie anschließend im Detail erläutert, lediglich auf eine vage Datumsangabe (April 2008) und sehr spärlich hervorgebrachte Informationen über ein tatsächliches Geschehen über behauptete Angriffe auf Sie. Die Beantwortung detailgenauerer Fragen erfolgte nicht bzw. lediglich ebenso in pauschalen Umschreibungen -"Ich will nicht lügen, so ist die Situation"- und schien nicht der Wahrheit zu entsprechen. Ihre Ausführungen beinhalteten trotz Behauptung von schweren Verletzungen am Kopf, Finger und Rippenbrüchen keine konkreten Anhaltspunkte dazu und nur stark schematisierte und sehr oberflächliche und vorwiegend allgemeine Angaben. Sie waren jedoch nicht einmal ansatzweise Willens oder in der Lage, eine umfassende und detaillierte "Fluchtgeschichte" bzw. eine genaue Schilderung der Chronologie der Ereignisse, welche Sie nachmalig zur Flucht verhalten haben, anzuführen. Es ist offensichtlich, dass Sie sich nicht auf ein Geschehen festlegen wollen, um nicht mit dem oa. zur Vorlage angebotenen Beweismittel, deren Inhalt Sie offenbar auch nicht kennen, in Widerspruch zu stehen.
Für die aussagepsychologische Glaubhaftigkeit ist daher der frei produzierte Detailreichtum eines Erlebnisberichtes ein wichtiges Kriterium. Dieses lag in Hinblick auf die von Ihnen als selbst erlebt dargestellten Ereignisse auch nicht im Geringsten vor. Es ist somit davon auszugehen, dass das dargelegte Vorbringen zur Flucht jedenfalls eindeutig außerhalb Ihres tatsächlichen Erlebens liegt. Wäre es tatsächlich zu konkreten Angriffen in derartigen Zusammenhängen gekommen, so ist davon auszugehen, dass Sie solche jederzeit von sich aus angeben können.
Abgesehen davon konnten diese Darstellungen über die Ausreisegründe bzw. Situation im Herkunftsstaat aus den nachfolgenden Gründen bei deren Wahrheitsannahme, wie folgt, nicht schlüssig nachvollzogen werden:
Ein Vorbringen, das für sich betrachtet schon den gesamten Sachverhalt gravierend in Zweifel zieht, sind Ihre Aussagen über Ihren langjährigen Aufenthalt trotz der Bedrohungen (seit 2003) am Herkunftsort, wo Sie zuhause gelebt hätten und tätig gewesen wären, also den Verfolgern jahrelang ausgeliefert gewesen wären. Alleine aus diesem Gesichtspunkt ist Ihr Vorbringen völlig absurd.
Dazu ist auch auszuführen, dass Ihre Ausreise nicht nachvollzogen werden kann, da selbst wenn Sie einer derartigen örtlichen Bedrohung ausgeliefert gewesen wären, Sie erklärten, dass dies ausschließlich in Ihrer regionalen Umgebung (Punjab) der Fall gewesen wäre. Dass eine solche im gesamten Staatsgebiet von Indien der Fall wäre, können Sie jedoch weder schlüssig nachvollziehbar, plausibel, oder widerspruchfrei darlegen und sind auch unwahrscheinlich, da es in Indien weder ein Meldesystem noch eine Ausweispflicht gibt und Sie dort überall anonym leben können und umso weniger eine Gefahr besteht, dass eine Privatperson ihren landesweit nach unbekannt verzogenen Feind finden kann. Zudem ist der von Ihnen favorisierte XXXX im Bundesgebiet als auch in anderen Bundesstaaten -etwa im benachbarten Haryana, wo auch Punjabi gesprochen wird- in der Regierung. Zudem hätte eine Suche durch die angeblichen Bedroher weder einen erkennbaren und nachhaltigen Zweck noch ist davon mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diese einen derartigen Aufwand betreiben würden, eine landesweite Suche zu veranlassen. Sie sind auch effektiv in einer individuellen Lage, von einer innerstaatlichen Fluchtalternative Gebrauch zu machen. Sie sind jung und arbeitsfähig und zufolge der Ländererkenntnisse (insbesonders hinsichtlich der Fördermaßnahmen für die untersten Kasten) ist davon auszugehen, dass Sie zumindest durch Gelegenheitsarbeit ein derartiges Fortkommen erreichen können, dass Ihre Existenzsicherung an einem anderen Ort im Herkunftsstaat möglich ist. Zudem können Sie dabei auch noch mit der Unterstützung Ihrer Familie rechnen. Folglich ist eine solche Vorgehensweise zumutbar und es ist Ihnen auch real möglich, von einer solchen Gebrauch zu machen. Angesichts der nicht unerheblichen für die Ausreise lukrierten Geldsumme ist es unwahrscheinlich, dass Sie dahingegen benachteiligt wären.
Es scheint realitätsfremd und unwahrscheinlich, dass ein Mensch sein Heimatland verlässt, um unter erheblichem finanziellen Aufwand einer völlig ungewissen Zukunft in einem anderen Land Kontinent mit fremder Kultur und Religion entgegenzugehen, lediglich weil er in seiner Heimat örtliche Probleme gehabt hätte. Ein simpler Umzug in eine andere Stadt des Herkunftsstaates hätte bei Wahrheitsunterstellung doch dieses Problem auch dauerhaft beendet.
Es muss auch festgestellt werden, dass Sie trotz der angenommenen Probleme sechs Jahre mit der Ausreise zugewartet hätten. Ein solches Verhalten spricht nicht für das Vorliegen einer Verfolgungsgefahr von einer Intensität, die den weiteren Verbleib unerträglich gemacht hätte. Sie haben keine plausible Erklärung abgegeben, warum Sie nicht sofort nach Beginn der Verfolgungshandlungen aus Ihrem Herkunftsland ausgereist sind, sondern erst im Jahr sich dazu entschlossen.
Sie waren vor der Einreise nach Österreich bereits in einem anderen Drittstaat vor Verfolgung sicher und hätten bereits dort Asyl beantragen können. Da Sie das nicht machten, ist davon auszugehen, dass Sie nicht tatsächlich verfolgt sind oder Probleme im Herkunftsstaat gehabt hätten. Wäre dies der Fall gewesen, ist davon auszugehen, dass Sie jede sich ergebende Möglichkeit genutzt hätten, einen Asylantrag für sich sofort zu stellen bzw. eine Aufenthaltsmöglichkeit sofort genutzt hätten, sobald Sie in Sicherheit waren. Somit ist davon auszugehen, dass es Ihnen bei der Asylantragstellung nur dabei geht, sich gezielt in Österreich unter Umgehung der Aufenthaltsbestimmungen niederzulassen.
Sofern diese als wahr unterstellt würden, waren Ihre Angaben, wie im Folgenden angeführt, auch nicht in den einem relevanten Mindestmaß lebensnah. Auch entsprachen geäußerte Handlungsabläufe zufolge Ihrer wenigen Aussagen nicht der allgemeinen Lebenserfahrung und waren daher im Lichte der im Herkunftsstaat herrschenden Verhältnisse und dortigen üblichen Gegebenheiten unwahrscheinlich.
Grundsätzlich wird seitens der Behörde angeführt, dass es nicht plausibel ist, dass Sie just zu jener Zeit als der XXXX den Indischen Staat als auch den Bundesstaat Punjab regierte, derartige Handlungen gegen Sie mit politischem Hintergrund gegen die eigene Regierung gesetzt worden wären.
Der allgemeinen Lebenserfahrung widersprechend ist dass Sie als Tagelöhner (also im Dienst anderer wohlhabenderer Leute in der Gemeinde Ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen hätten können und trotz der Bedrohungen dort weiterhin so lange und trotz einer angeblich neuerlichen Bedrohung noch weiter bis zur Ausreise gelebt hätten.
Zudem kann auch der Umstand, dass Sie im Zuge Ihrer Einvernahmen auch angaben, noch brieflichen Kontakt zu Ihrer Familie zu haben und es den verbliebenen Familienmitgliedern gut gehe, vor dem Hintergrund der von Ihnen behaupteten fluchtauslösenden Ereignisse nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit dafür ins Treffen geführt werden, dass Ihnen tatsächlich eine konkret und gezielt gegen Sie gerichtete aktuelle Gefahr maßgeblicher Intensität im Falle einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat droht.
Was die behaupteten Narben betrifft, so ist daran nicht erkenn- oder ableitbar, dass diese nur durch die von Ihnen behaupteten Sachverhalte, die Sie nicht einmal auch nur annähernd darstellen konnten, zustande gekommen sind. Es kann als notorisch bekannt vorausgesetzt werden, dass im Laufe des Lebens eines Menschen durchaus (sei es auch durch gewaltsame Attacken) körperliche Beeinträchtigungen oder Narben entstehen können, welche die unterschiedlichsten Ursachen haben können, allerdings somit nicht unter den von Ihnen angeführten Umständen. Somit können auch diese Narben den Befund der Unglaubwürdigkeit nicht relativieren.
Es ist auch gänzlich als unplausibel anzusehen, dass Großgrundbesitzer unmotiviert einen Streit vom Zaun brechen lassen und den örtlichen Kastenlosen einen Schaden zuzufügen. Vielmehr sind gerade diese auf die Dienste dieser Kastenlosen Tagelöhner angewiesen und stünde ein solches Verhalten in diametralem Gegensatz.
Es ist auch völlig unplausibel, dass Ihr Vater als Angehöriger einer unteren und armen sozialen Schicht für Ihre Ausreise einen Kredit erhält und nicht nachvollziehbar, dass sich dieser damit eine derartige Existenzbefürchtung im Falle einer Nichtrückzahlung riskiert. Es ist alleine unter diesen Umständen unwahrscheinlich, dass Sie einer solch von Ihnen behaupteten niederen Kaste zugehören.
Selbst bei einer Gegenüberstellung Ihrer dürftigen und unwahrscheinlichen Angaben wurden die folgend angeführten unmissverständlichen und unzweideutigen Widersprüche festgestellt, wodurch jene diese Widersprüche betreffenden Angaben als unwahr zu erkennen sind.
Sie haben es nicht für wichtig empfunden, sofort bei der Antragstellung etwa Probleme wegen Ihrer Herkunft aus einer niedrigen Kaste zu erwähnen, sondern fundierten Ihren Asylantrag als Verwicklung in Konflikte zwischen der XXXXpartei, der Sie sich zugehörig fühlten und der gegnerischen XXXX . Dieser Umstand führt zur Erkenntnis, dass der von Ihnen zuletzt geschilderte Sachverhalt gar nicht vorliegt und es sich nur um ein Konstrukt handelt um Ihren Asylantrag zu rechtfertigen. Wären Sie diesen Drohungen tatsächlich ausgesetzt gewesen, so ist davon auszugehen, Sie in jedem Verfahrensschritt diese Umstände vorgebracht hätten.
Dazu kommt, dass Sie auch behaupteten, durch Instrumentalisierung der Polizei verfolgt worden zu sein, wohingegen Sie sich klar später widersprachen, indem Sie behaupteten, selbst polizeiliche Hilfe in Anspruch genommen und erhalten zu haben.
Im völligen Widerspruch zu den ermittelten Fakten dazu haben Sie dargestellt, dass Sie Angehöriger einer Unberührbaren Kaste sein. Der Familienname der Pal (gleichbedeutend: Beschützer) ist dem entgegen auf eine hochrangige XXXX -Kaste zurückzuführen. Ihre darauf aufgebauten Angaben entbehren somit jeglicher Grundlage.
Aber auch in Hinblick auf die Feststellungen zum Herkunftsstaat sind bei Wahrheitsunterstellung Ihre Behauptungen zu den Ausreisegründen und Ihren dortigen Schwierigkeiten unwahrscheinlich.
Die Feststellungen zu Ihrem Herkunftsland basieren auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BAA. Diese ist gemäß § 60 Abs. 2 AsylG 2005 zur Objektivität verpflichtet und unterliegt der Beobachtung eines Beirates. Es ist daher davon auszugehen, dass alle zitierten Unterlagen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammen, ausgewogen zusammengestellt wurden und somit keine Bedenken bestehen, sich darauf zu stützen.
Die Erkenntnisquellen wurden bei der Einvernahme mit Ihnen erörtert und die Schlussfolgerungen daraus auch vorgehalten. Sie stimmten auch diesen Erkenntnissen nach Vorhalt grundsätzlich zu und beschränkten Ihren Kommentar dazu lediglich auf allgemeine und unfundierte Gegenbehauptungen.
Aus den Berichten ergibt sich generell im Widerspruch zu Ihren Angaben, dass eine effektive Schutzgewährung durch staatliche Sicherheitsorgane möglich ist und dass Gewalttaten oder Übergriffen nachgegangen wird und dass ein effektiver Rechtsschutz gegen allfällige Untätigkeit der Polizei besteht.
In Zusammenschau ist deshalb festzustellen, dass Sie weder persönlich, noch die weiteren und wesentlichen Teile des Vorbringens glaubwürdig sind und Sie schon aus diesem Grund nicht überzeugen konnten, dass Sie einer Gefahr im Herkunftsstaat unterliegen. Außerdem ist das Zutreffen der von Ihnen geäußerten Umstände unwahrscheinlich."
Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes brachte der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde ein.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 19.10.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist indischer Staatsangehöriger und hat in seinem Heimatland die Grundschule besucht. Seine Ehefrau, seine zwei Töchter und sein Sohn leben in seinem Heimatdorf. Weiters leben drei Brüder und drei Schwestern des Beschwerdeführers in seinem Heimatland. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer die deutsche Sprache beherrscht, sich sozial engagiert oder hier Freunde gefunden hat. Er ist gesund und arbeitsfähig.
Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen verlassen hat.
Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird Folgendes festgestellt:
Politische Lage:
Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen der bevölkerungsreichste demokratische Staat der Welt (CIA Factbook 28.10.2015; vgl. AA 24.4.2015). Mit seinen vielen Sprachen ist Indien besonders vielfältig, was sich auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 28.10.2015). Indien hat seit dem 2.6.2014 29 Bundesstaaten und sieben Unionsstaaten (CIA Factbook 28.10.2015; vgl. AA 10.2015a). Es ist laut Verfassung eine säkulare, demokratische und föderale Republik. Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus. Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten und kann im Fall interner Probleme einen Bundesstaat für einen begrenzten Zeitraum unter direkte zentralstaatliche Verwaltung stellen (AA 10.2015a).
Indien hat nach der Unabhängigkeit von Großbritannien (1947) den Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative durchgesetzt. Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft, die mit vielfältigen Initiativen an der Gestaltung der Politik mitwirkt (AA 10.2015a). Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 10.2015a). Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 25.6.2015). Das Amt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse (AA 10.2015a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister, der seit 26.5.2014 Narendra Modi heißt (GIZ 11.2015).
Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 25.6.2015). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene. Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2015; vgl. AA 24.4.2015).
Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster. In Indien gibt es eine verfassungsmäßig garantierte, unabhängige Gerichtsbarkeit mit dreistufigem Instanzenzug (AA 24.4.2015).
In den letzten Jahrzehnten erlebte Indien einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung, der zur Bildung einer neuen Mittelschicht führte. Doch das uralte Kastensystem Indiens, eine marode Infrastruktur auf dem Land, die starke Umweltverschmutzung und religiöse Konflikte zwischen Hindus und Muslimen stellen das Land weiterhin vor große Probleme (FAZ 16.5.2014). Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 8.2015).
Wahlen 2014:
Die letzten landesweiten Wahlen fanden im April/Mai 2014 statt (AA 24.4.2015). Am 7.4.2014 begann die Wahl zur 16. Lok Sabha, dem indischen Unterhaus (GIZ 11.2015). 814 Millionen Wählerinnen und Wähler waren aufgerufen, an mehr als 930.000 Wahlurnen und 1,5 Millionen elektronischen Wahlmaschinen ihre Stimmen abzugeben (Eurasisches Magazin 24.5.2014), darunter etwa 120 Millionen Erstwähler (GIZ 11.2015).
Bei der Wahl standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber:
Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der BJP und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht. Mit besonderem Interesse wurde das Abschneiden der aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangenen Aam Aadmi Party (AAP) begleitet. Der AAP gelang es 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen zu erringen. Das Ergebnis 2014: Landesweit errang die AAP nur vier Sitze (GIZ 11.2015; vgl. FAZ 16.5.2014).
Seit dem 16.5.2014 steht der Wahlsieger offiziell fest: Narendra Modi von der Oppositionspartei Bharatiya Janata Party (BJP), die sich mit 282 von 543 Mandaten eine absolute Mehrheit sichern konnte. Hohe Verluste hingegen für die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh. Sonia Gandhi und Sohn Rahul rücken nun auf die Oppositionsbank (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2015). Neuer Regierungschef ist der bisherige Chief Minister des Bundesstaates Gujarat, Narendra Modi. Damit erhält auch die Angst vor einem Aufflammen des Kommunalismus neue Nahrung (GIZ 11.2015).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien
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Sicherheitslage
Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2015). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2015). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 24.4.2015).
Indien ist mit einer Reihe von Sicherheitsproblemen konfrontiert. Es gibt landesweit mehrere linksorientierte bewaffnete Gruppen (Maoisten). Nach einem Anstieg der Aktivitäten von aufständischen Gruppen in den Jahren 2003 bis 2010 nahmen diese Aktivitäten aufgrund von internen Machtkämpfen, einer eingeschränkten Unterstützung in den Stammesgemeinden und von effektiven Operationen gegen deren Führerschaft durch die Sicherheitskräfte ab. Im Jahr 2013 haben etwa 76 der mehr als 600 Bezirke Indiens irgendeine Art maoistischer Gewalt erfahren. Aufständische Gruppen aus Pakistan haben ihre Fähigkeit gezeigt, Angriffe (über das von Indien administrierte Kaschmir,) im Zentrum von Indien, durchzuführen. Erwähnenswert sind die Angriffe im Dezember 2001 auf das indische Parlament und die Angriffe in Mumbai im Juli 2006 und November 2008. Pakistanische Gruppen dürften bei den Angriffen im Jahr 2006 indischen Terrorzellen Unterstützung geboten haben. Die Angriffe im Jahr 2008 waren aus Pakistan geplant, unterstützt und geführt. Einheimische Rebellengruppen – sowohl hinduistische als auch islamistische – waren in eine Serie terroristischer Angriffe auf indische Schlüsselstädte verwickelt. Die Sicherheitslage in den Gegenden Kaschmir, Nordosten und speziell in Assam ist labil und es kommt immer wieder zu Aufständen. Ein weiteres Sicherheitsproblem ist die kommunale Gewalt zwischen der hinduistischen Mehrheit und der muslimischen Minderheit. Darüber hinaus ist das organisierte Verbrechen in den Hauptstädten ein Problem, allerdings nicht für ausländische Firmen. Es gibt Entführungen mit Lösegeldforderungen, aber diese sind auf die lokale Bevölkerung begrenzt. Die schlechte Straßensicherheit im Land ist ein signifikantes Problem. Die größte unmittelbare externe Sicherheitsbedrohung ist Pakistan, speziell in Bezug auf den langjährigen Kaschmirdisput (IHS- Jane's Sentinel Security 1.7.2014).
Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor, insbesondere sobald die innere Sicherheit als gefährdet angesehen wird. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, ist die Regierung in der Regel zu Verhandlungen über ihre Forderungen bereit. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 24.4.2015). Trotz zahlreicher und zum Teil dramatischer Erfolge durch Indiens Sicherheits- und Geheimdienstbehörden, die immer wieder unter starken Ressourcenproblem zu leiden haben, ist es in der Realität so, dass der Sicherheitsapparat weiterhin leicht angreifbar ist (South Asia Terrorism Portal 30.10.2015). Pakistan und Indien
Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan bleiben kompliziert. Phasen des Dialogs und Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung haben einander in den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit abgelöst (AA 10.2015c). Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 10.2015c). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 28.10.2015). Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern (AA 10.2015c).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 und für das Jahr 2015 (bis 25.10.2015) 608 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (South Asia Terrorism Portal 30.10.2015).
2013 kam es zu weiteren schweren Zwischenfällen an der "Line of Control". Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2015). Auch in jüngster Zeit gab es immer wieder Schusswechsel zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Grenzlinie zwischen beiden Teilen Kaschmirs und nach indischen Angaben auch vereitelte Eindringungsversuche von extremistischen Kämpfern auf indisches Territorium (AA 10.2015c).
Bei den beiderseitigen Versuchen, das bilaterale Verhältnis dauerhaft auf eine gemeinsame politische Grundlage zu stellen, konnte noch kein Durchbruch erzielt werden (AA 10.2015c). Bei seiner Amtseinführung lud Modi alle benachbarten Staatsoberhäupter – einschließlich Pakistans – ein, um sein Engagement, engere Beziehungen in der Region aufzubauen, anzuzeigen (HRW 29.1.2015).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien
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AA - Auswärtiges Amt (10.2015c): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html#doc346922bodyText3, Zugriff 9.11.2015
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BBC - British Broadcasting Corporation (28.10.2015): India profile – Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 9.11.2015
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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,
http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 9.11.2015
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2015): Indien,
http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 9.11.2015
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HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 – India, http://www.ecoi.net/local_link/295494/430526_de.html, Zugriff 9.11.2015
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IHS - Jane's Sentinel Security (1.7.2014): Jane's Sentinel Security Assessment - South Asia - executive summary, India
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South Asia Terrorism Portal (30.10.2015): India Assessment – 2014, http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/index.html, Zugriff 9.11.2015
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South Asia Terrorism Portal (30.10.2015): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2015,
http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 9.11.2015
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USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - India, http://www.ecoi.net/local_link/306292/443589_de.html, Zugriff 9.11.2015
Sicherheitsbehörden
Die Polizei handelt aufgrund von Polizeigesetzen der einzelnen Bundesstaaten (AA 24.4.2015). Die indische Polizei (Indian Police Service) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde. Sie fungiert vielmehr als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert. Die einzelnen Einheiten sind zwar dezentral organisiert, haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreichen nationalen Strafrechten und der oben beschrieben zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus (BICC 6.2015). Daneben bestehen zum Großteil dem Innenministerium unterstehende paramilitärische Einheiten (AA 24.4.2015).
Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt. Der Oberbefehl obliegt dem Präsidenten. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Armee zwar die "Beschützerin der Nation", aber nur i