TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/15 I404 2150255-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.11.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.11.2017

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §40
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I404 2150255-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Vorsitzende sowie und den Richter Dr. Mag. Stefan Mumelter sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch einen Funktionär der Arbeiterkammer Vorarlberg, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Vorarlberg, vom 25.01.2017 betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" im Behindertenpass nach nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm Abs. 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Mit formularmäßigem Vordruck, beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Vorarlberg (in der Folge: belangte Behörde), eingelangt am 14.12.2016, beantragte XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer) die Eintragung der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" im Behindertenpass.

2. In der Folge wurde von der belangten Behörde ein Gutachten von Dr. Philipp R, einem Arzt für Innere Medizin, vom 22.01.2017 eingeholt, in welchem folgende Funktionseinschränkungen festgestellt wurden:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden

1

Adeno Carcinom der Prostata mit Z.n. radikaler Prostatavesikulektomie 2015: anhaltende Belastungsinkontinenz

2

Depressive Störung leichten Grades, unter Medikation stabil

3

Z.n. Sigmaresektion bei zweimaliger Sigmadivertikulose

4

Arterielle Hypertonie - Monotherapie

1.

Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine Einschränkungen von Seiten des Bewegungsapparates. Die Kriterien für die Zuerkennung einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit im Rahmen einer anhaltenden schweren Darmerkrankung sind nicht erfüllt. Die Notwendigkeit des Gebrauchs von Windeln bzw. Inkontinenzvorlagen stellt keinen Grund für die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dar. Im Gespräch am 25.08.2016 hat der AST angegeben, er habe seinem Arbeitgeber angeboten, prinzipiell wieder als Kraftfahrer zu arbeiten, das Hauptproblem sei die Beladung der Fuhre gewesen, sodass in Summe aus meiner Sicht die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.

2. Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein

3. Am 25.01.2017 wurde dem Beschwerdeführer zuletzt ein - bis 31.01.2020 befristeter - Behindertenpass ausgestellt. Der Grad der Behinderung wurde mit 60 % festgesetzt.

4. Mit Bescheid vom 25.01.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass ab. Begründend wurde ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten eingeholt worden sei. Nach diesem Gutachten lägen die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vor.

5. Gegen diesen Bescheid hat der, durch einen Funktionär der Arbeiterkammer Vorarlberg vertretene, Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig eine Beschwerde erhoben. Begründend führte der Beschwerdeführer aus, dass im Vordergrund seiner Beschwerden eine erhebliche Inkontinenzproblematik stehe. Weiters bestehe ein Z.n. Darmoperation im Jahr 2010. Auf Grund dieser Einschränkung müsse der Beschwerdeführer im Bedarfsfall schnellstmöglich eine Toilette zur Stuhlentleerung aufsuchen können. Zur Überbrückung der Harninkontinenzproblematik verwende der Beschwerdeführer Urinalbeutel und Urinalkondom. Diese Hilfsmittel seien auf Grund der begrenzten Aufnahmekapazität nur eingeschränkt in der Öffentlichkeit verwendbar. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Reisezeiten mit Öffentlichen Verkehrsmitteln im Vergleich zur individuellen Reise erheblich verlängert seien. Diese verlängerten Zeiten seien bei den bestehenden Einschränkungen äußerst problematisch.

6. Mit Schreiben vom 16.03.2017 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

7. In der Folge erstellte Dr. Alexander V, ein Arzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Stoffwechsel, im Auftrag des Bundesverwaltungsgerichtes ein medizinisches Sachverständigengutachten vom 30.08.2017, in welchem er insbesondere wie folgt ausführte (Anonymisierungen durch das Bundesverwaltungsgericht):

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem AST zumutbar. Bezüglich der Belastungsharninkontinenz ist die Benützung handelsüblicher Inkontinenzprodukte wie Urinalkondom, Urinalbeutel, Windel, ect. möglich. Bei damit fehlendem Auslangen wäre auch ein Dauerkatheder möglich. Mit den angeführten Möglichkeiten ist das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke als auch eine Bus- bzw. Zugfahrt möglich. Die zur Verfügung stehenden Produkte haben ein Fassungsvermögen von bis zu einem Liter, damit ähnlich einer Harnblase. Die Hersteller geben eine Wechselhäufigkeit von 2-3 mal täglich an. Zudem ist dem AG vom 29.11.2016 von der urologischen Uniklinik Innsbruck zu entnehmen, dass für März 2017 eine Sphinkterimplantations OP geplant wäre um die Belastungsinkontinenz deutlich zu verbessern. Entsprechende Befunde über die OP und den Verlauf liegen allerdings nicht vor. Im Anamnesegespräch vom Dezember 2016 hat der AST gegenüber dem untersuchenden Kollegen Dr. R erwähnt, dass das Fahren als Berufskraftfahrer gut möglich wäre, Probleme nur beim Be- und Entladen schwerer Lasten auftreten würden. Die Kriterien für die Zuerkennung einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit im Rahmen einer anhaltenden schweren Darmerkrankung sind nicht erfüllt. Auch hier stellt die Notwendigkeit des Gebrauchs von Windeln bzw. Inkontinenzeinlagen keinen Grund für die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dar. Der AST gab bereits im erwähnten Anamnesegespräch an, keine Diarrhoen und damit keine erhöhte Stuhlfrequenz zu haben, er müsse lediglich etwas schneller auf die Toilette als noch vor der OP 2010. Es besteht zudem beim Antragsteller keine Einschränkung bezüglich des Bewegungsapparates.

8. Mit Schreiben vom 02.10.2017 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde das Sachverständigengutachten vom 30.08.2017 und räumte beiden Parteien die Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Des Weiteren forderte das Bundesverwaltungsgericht beide Parteien auf, bekanntzugeben, ob die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt oder ob darauf verzichtet werde.

Von der ihnen eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme machten beide Parteien in der Folge keinen Gebrauch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

1.1. Der Beschwerdeführer ist am XXXX geboren und hat seinen Wohnsitz in Österreich. Dem Beschwerdeführer wurde zuletzt am 25.01.2017 ein – bis 31.10.2020 befristeter - Behindertenpass ausgestellt. Der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers wurde mit 60 % festgesetzt.

1.2 Folgende Funktionseinschränkungen liegen beim Beschwerdeführer vor: Adeno Carcinom der Prostata, anhaltende Belastungsinkontinenz bei körperlicher Betätigung, depressive Störung leichten Grades, Z.n. Sigmaresektion bei zweimaliger Sigmadivertikulitits, arterielle Hypertonie mit Monotherapie.

1.3. Der Beschwerdeführer leidet nicht an Diarrhoen und hat keine erhöhten Stuhlfrequenzen. Zudem bestehen liegen keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor. Er ist auch nicht hochgradig sehbehindert, blind oder taubblind. Es besteht auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder der körperlichen Belastbarkeit.

1.4. Hinsichtlich der Belastungsharninkontinenz ist die Benützung handelsüblicher Inkontinenzprodukte wie Urinalkondom, Urinalbeutel, Windel, ect. möglich.

1.5 Das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport im öffentlichen Verkehrsmittel sind dem Beschwerdeführer möglich. Des Weiteren kann er auch kurze Wegstrecken ohne Hilfsmittel und Unterbrechung zurücklegen.

2. Beweiswürdigung

2.1. Die Feststellungen zu Wohnort und Alter des Beschwerdeführers sowie zum Pass ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und sind unstrittig.

2.2. Die Feststellungen zu den funktionellen Einschränkungen des Beschwerdeführers basieren auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. Alexander V, einem Arzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Stoffwechsel, vom 30.08.2017 und stimmen mit dem Gutachten der belangten Behörde von Dr. Philipp R überein.

2.3. Weiters hat der Gutachter Dr. Alexander V aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers festgehalten, dass dieser nicht an Diarrhoen leidet und keine erhöhten Stuhlfrequenzen hat. Dies blieb vom Beschwerdeführer unbestritten. Dies gilt auch für die Feststellung, dass er keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten hat.

Ebenso ergibt sich aus dem Akt oder dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass der Beschwerdeführer nicht hochgradig sehbehindert, blind oder taubblind ist. Es besteht auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder der körperlichen Belastbarkeit.

2.4. Hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers, dass ihm insbesondere aufgrund der Inkontinenzproblematik die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei, ist anzuführen, dass dies vom Gutachter Dr. Alexander V nachvollziehbar widerlegt wird. So führt Dr. Alexander V diesbezüglich insbesondere aus, dass die Benützung handelsüblicher Inkontinenzprodukte wie Urinalkondom, Urinalbeutel, Windel, etc. möglich ist. Des Weiteren führt der Gutachter aus, dass bei damit fehlendem Auslangen auch ein Dauerkatheder möglich wäre sowie, dass mit den angeführten Möglichkeiten das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke und auch eine Bus- bzw. Zugfahrt möglich sind. Darüber hinaus weist Dr. Alexander V darauf hin, dass die zur Verfügung stehenden Produkte ein Fassungsvermögen von bis zu einem Liter und somit ein einer Harnblase ähnliches Fassungsvermögen haben.

Das medizinische Sachverständigengutachten von Dr. Alexander V wurde dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme übermittelt. Dieser hat in der Folge jedoch von der ihm eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.

Das Gutachten steht mit den allgemeinen Gesetzen der Logik in Einklang, ist schlüssig und vollständig und ihm wurde nicht (auf derselben fachlichen Ebene) entgegen getreten. Aus diesen Gründen legt der erkennende Senat dieses Gutachten unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zu Grunde.

Im Übrigen wäre es jedoch dem Beschwerdeführer frei gestanden, das im Auftrag der Behörde bzw. des Gerichtes erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften bzw. zu widerlegen zu versuchen. Dies ist im gegenständlichen Verfahren nicht erfolgt (vgl. VwGH vom 26.02.2008, Zl. 2005/11/0210).

2.5. Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Regelung des § 67d AVG (vgl. VwGH vom 24.4.2003, 2002/07/0076) wird die Durchführung der Verhandlung damit ins pflichtgemäße Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die Wendung "wenn es dies für erforderlich hält" schon iSd rechtsstaatlichen Prinzips nach objektiven Kriterien zu interpretieren sein wird (vgl. VwGH vom 20.12.2005, 2005/05/0017). In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Dem Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht entgegen getreten. Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden in dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten berücksichtigt. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Des Weiteren ist auf den Umstand hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer sowie die belangte Behörde ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen wurden, einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu stellen und haben beide Parteien dies in der Folge nicht getan. Auch aus diesem Grund konnte daher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

§§ 6 und 7 Abs. 1 BVwGG lauten wie folgt:

Einzelrichter

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Senate

§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen.

§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl 1990/283 in der geltenden Fassung, lauten wie folgt:

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.

Die §§ 1, 17, 28 Abs. 1 und 2 und 58 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG) lauten wie folgt:

§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.

(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt.

3.2. Zu Spruchpunkt A) – Abweisung der Beschwerde

3.2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten wie folgt:

ABSCHNITT VI

BEHINDERTENPASS

§ 40 (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

§ 42 (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(2) Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

§ 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 263/2016, lautet wie folgt:

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

– erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

– erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

– erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

– eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

– eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

3.2.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. ua. VwGH vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186, oder vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128).

Nach den Ausführungen des Gutachters Dr. Alexander V wirken sich die dauernden Gesundheitsschädigungen nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens aus. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke (300 bis 400 Meter) ist ohne Pause möglich. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht eingeschränkt.

Das Ermittlungsverfahren hat des Weiteren ergeben, dass beim Beschwerdeführer keine schwere anhaltende Erkrankungen des Immunsystems vorliegen und er weder blind noch hochgradig sehbehindert oder taubblind ist sowie keine erheblichen Einschränkungen der unteren Extremitäten vorliegen.

Zur Frage, ob beim Beschwerdeführer eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vorliegt, ist auszuführen, dass nach den Erläuterungen zur (gleichnamigen) Vorgänger-Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (BGBl. II Nr. 2013/495) zu § 1 Abs. 2 Z. 3 Folgendes ausgeführt ist:

Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend. Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Beim Beschwerdeführer liegt jedenfalls keine dieser ausdrücklich angeführten Einschränkungen vor. Auch wurde keine der sonst beim Beschwerdeführer festgestellten Leiden als "erheblich" oder "schwer" eingestuft, weshalb keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit besteht.

Weiters leidet der Beschwerdeführer nicht an Diarrhoen und hat keine erhöhten Stuhlfrequenzen. Bezüglich der belastungsbedingten Harninkontinenz ist die Benützung handelsüblicher Inkontinenzprodukte wie Urinalkondom, Urinalbeutel, Windel, ect. möglich.

Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" im Behindertenpass nicht vorliegen, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.

3.3. Zu Spruchpunkt B) – Unzulässigkeit der Revision

§ 25a Abs. 1 VwGG lautet wie folgt:

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eindeutige Rechtsvorschriften stützen. Darüber hinaus stellten sich im gegenständlichen Fall in erster Linie Fragen der Tatsachenfeststellung und der Beweiswürdigung.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:I404.2150255.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten