TE Bvwg Beschluss 2017/11/16 W222 1313691-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.11.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.11.2017

Norm

AsylG 2005 §56
AVG §18 Abs3
AVG §18 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §17

Spruch

W222 1313691-2/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. Nepal, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx und Dr. Lennart Binder LL.M., Rechtsanwalt in 1030 Wien, gegen die als "Bescheid" bezeichnete Erledigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.09.2015, Zl. 390360904/140002351/BMI-BFA, beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer stellte am 20.10.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.07.2007, Zl. XXXX , sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nepal gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen wurde. Unter einem wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nepal ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.11.2010 mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 21.07.2011, Zl. C17 313.691-0/2008/10E, gemäß §§ 3, 8 und 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Am 24.09.2014 stellte der Beschwerdeführer persönlich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den gegenständlichen "Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen" unter Verwendung des Formularvordruckes für Aufenthaltstitel gemäß § 56 AsylG 2005.

Mit Schreiben des BFA vom 20.10.2014 wurde der Beschwerdeführer zur Urkundenvorlage aufgefordert und ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt; gleichzeitig wurde ihm Parteiengehör gemäß § 37 AVG gewährt. Daraufhin brachte die damalige Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers per Schreiben vom 22.10.2014 und vom 03.11.2014 Beweismittel in Vorlage.

In einem weiteren Schreiben des BFA vom 24.11.2014 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, Nachweise betreffend einen gesicherten Lebensunterhalt für den Fall der künftigen Niederlassung und betreffend einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz vorzulegen. Mit Schreiben vom 28.11.2014 wurden seitens der rechtsfreundlichen Vertretung sodann weitere Dokumente in Kopie übermittelt.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 16.04.2015 vor dem BFA gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er arbeite als Zeitungszusteller auf selbstständiger Basis, sei geschieden und habe ein Kind, für das er nicht sorgepflichtig sei. Seine Schwester halte sich in Österreich auf, während seine Eltern in Nepal leben würden. Er sei Mitglied im Verein zur Gesundheitsförderung und Integration.

Nachdem per Schreiben vom 24.04.2015 und vom 13.07.2015 weitere Unterlagen in Vorlage gebracht worden waren und eine weitere niederschriftliche Einvernahme am 02.09.2015 stattgefunden hatte, wies das BFA mit einer als "Bescheid" bezeichneten Erledigung vom 07.09.2015 den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 iVm § 60 Abs. 2 Z 1 und 3 und Abs. 3 Z 2 AsylG 2005 idgF ab.

Begründend hielt die belangte Behörde fest, dass die Niederlassung des Beschwerdeführers "hoch wahrscheinlich" zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen würde, weshalb die Erteilungsvoraussetzung gemäß § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG nicht erfüllt sei. Zudem habe er nicht nachgewiesen, dass er über einen Rechtsanspruch gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 AsylG auf eine Unterkunft verfüge, und sein Aufenthalt widerstreite öffentlichen Interessen gemäß § 60 Abs. 3 Z 2 AsylG, weil er während seines Asylverfahrens, nämlich seit dem Jahr 2008 im Besitz eines gültigen nepalesischen Reisepasses gewesen sei, jedoch wissentlich falsche Angaben im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme am 28.10.2011 gemacht habe, um seine Abschiebung zu verhindern. Da der Beschwerdeführer seit Erlassung der Ausweisung das österreichische Bundesgebiet nicht verlassen habe, besitze diese nach wie vor Gültigkeit und eine neuerliche Erlassung einer Rückkehrentscheidung habe gemäß § 59 Abs. 5 FPG unterbleiben können.

Die im Verwaltungsakt einliegende, vom angeführten genehmigungsberechtigten Organwalter des BFA zu unterfertigende Erledigung weist keine Unterschrift auf, ebenso wenig eine Amtssignatur.

Gegen diesen "Bescheid" wurde rechtzeitig Beschwerde erhoben.

Am 04.10.2017 wurde seitens der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers ein Fristsetzungsantrag gestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die als "Bescheid" bezeichnete Erledigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.09.2015 betreffend den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG 2005 weist keine Unterschrift und auch keine Amtssignatur auf.

2. Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsakts.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss.

Zu A)

Die Verwaltungsgerichte erkennen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 bis 4 B-VG über Beschwerden gegen Bescheide, ferner auch über Beschwerden gegen die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde und gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4 B-VG.

Ob eine Erledigung einem der Rechtsakttypen des Art. 130 B-VG entspricht (z.B. Bescheidqualität besitzt) und folglich mit Beschwerde gemäß Art. 130 B-VG angefochten werden kann, ist eine Frage der Zuständigkeit (vergleiche in diesem Sinn die - auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht insoweit übertragbare - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Berufungsbehörde "für einen meritorischen Abspruch über eine Beschwerde gegen eine Erledigung, die keine Bescheidqualität hat, ... nicht zuständig [ist]" [VwGH 19.12.2012, 2011/06/0114]).

Aus dem Vorgesagten folgt, dass die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über eine Beschwerde nur gegeben ist, wenn das angefochtene Schriftstück als Bescheid im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG qualifiziert werden kann, zumal eine Einordnung dieses Schriftstücks in eine der anderen in Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG genannten Rechtsaktkategorien nicht in Betracht kommt.

Die Frage der eigenen Zuständigkeit hat das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. § 17 VwGVG iVm § 6 Abs. 1 AVG).

Daran ändert auch die Vorschrift des § 27 VwGVG nichts, wonach das

Verwaltungsgericht "soweit [es] nicht Rechtswidrigkeit wegen

Unzuständigkeit der Behörde findet, ... den angefochtenen Bescheid,

die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher

Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der

Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) ... zu überprüfen" hat (in diesem

Sinne auch Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 27 K 10). Diese Bestimmung setzt die Existenz eines anfechtbaren Rechtsakts tatbestandsmäßig voraus, und ihre Rechtsfolgen kommen somit nur zum Tragen, wenn ein solcher Rechtsakt vorliegt. Die Existenz eines solchen Rechtsakts (die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts) ist daher auf vorgelagerter Stufe und unabhängig vom Beschwerdevorbringen zu beurteilen. Eine andere Auslegung würde dem Gesetzgeber einen Wertungswiderspruch unterstellen, müsste sie doch davon ausgehen, dass § 27 VwGVG dem Verwaltungsgericht zwar die amtswegige Prüfung der Zuständigkeit der belangten Behörde erlaubt, die amtswegige Prüfung der eigenen Zuständigkeit jedoch untersagt.

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ist im Hinblick auf die Beschwerde des Beschwerdeführers nicht gegeben, weil das angefochtene Schriftstück nicht die Voraussetzungen erfüllt, die das Gesetz für das Zustandekommen eines Bescheides vorsieht:

Gemäß § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs muss unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat, die Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion inne hat oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein. Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (vgl. etwa VwGH 11.11.2014, Ra 2014/08/0018; VwGH 15.10.2014, Ra 2014/08/0009).

Die vom Beschwerdeführer bekämpfte Erledigung weist weder eine Unterschrift, noch eine Amtssignatur auf und stellt somit einen "Nichtbescheid" dar. Der angefochtenen Erledigung mangelt es daher an der Qualität eines Bescheides im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, weshalb keine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgericht begründet wurde und die Beschwerde zurückzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 2 konnte eine mündliche Verhandlung entfallen, weil die Beschwerde zurückzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Bescheiderlassung, Bescheidqualität, Nichtbescheid, Nichtigkeit,
Unterschrift, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W222.1313691.2.00

Zuletzt aktualisiert am

30.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten