Entscheidungsdatum
22.11.2017Norm
AsylG 2005 §3Spruch
I404 2176983-1/4E
Teilerkenntnis
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.10.2017, Zl. 1128140901-161196531, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides Folge gegeben und dieser gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG ersatzlos behoben.
Der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid kommt somit gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zu.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Staatsgebiet am 31.08.2016 einen Antrag auf Internationalen Schutz. In seiner Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 26.11.2014 gab er an, dass er die Staatsbürgerschaft von Nigeria habe, christlichen Glaubens sei und der Volksgruppe der Igbo angehöre. Seine Ehefrau sei verstorben, sein Sohn und seine Töchter wären im Imo State aufhältig. Zu seinem Fluchtgrund gefragt gab der Beschwerdeführer an, dass er in Nigeria Geschäftsmann gewesen sei und Kosmetikprodukte verkauft habe. Er habe Probleme mit der Boko-Haram. Am 10.4.2014 sei XXXX in sein Geschäft gekommen. Er sei ein Imam. Er habe ihm gesagt, dass er Nigeria helfen solle und all die Bomben aufhören sollten. Sie würden Schüler töten und Leute mit Vermögen enteignen.XXXX habe ihn gefragt, ob er gegen die Boko-Haram sei und er bejahte dies. Daraufhin sei dieser wütend geworden. Am 12.4.2014 seien sein Vater, sein Bruder und seine Schwester von Imo State nach XXXX gekommen, um ihn zu besuchen. Am 14.4.2014 hätten sie zurückfahren wollen, dabei hätten sie einen Autounfall gehabt und alle seien verstorben. Für diesen Unfall sei die Boko-Haram verantwortlich, weil diese einen Bombenanschlag gemacht hätte und dabei der Unfall entstanden sei. Seine Frau und er seien ins Spital gefahren, sie sei zwei Tage später verstorben. Er sei lange im Spital gewesen. Er habe einen Anruf erhalten, dass die Boko-Haram sein Geschäft in Brand gesetzt habe und sie ihn töten wollten.
2. Am 24.11.2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen seiner Befragung gab der Beschwerdeführer an, dass wegen einer Explosion in Nigeria sein Kopf verletzt sei. Seitdem vergesse er Sachen und aus seiner Nase sei Blut gekommen. Jetzt nehme er Medikamente und es komme auch kein Blut mehr.
3. Vom Beschwerdeführer wurde ein ambulanter Patientenbrief des AKH Wien vom 29.11.2016 vorgelegt. Darin sind folgende Diagnosen angeführt: 1. posttraumatische Belastungsstörung und 2. stumpfes Schädel-Hirn-Trauma mit Postkommotionellen Syndrom. Weiters wurde eine Behandlungsbestätigung der Privatuniversität Universitätsambulanz Siegmund Freud vom 14.11.2016 mit den Diagnosen: 1. posttraumatische Belastungsstörung und 2. gemischte Angst und depressive Störung vorgelegt.
4. Mit Bescheid vom 13.12.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 1 AsylG zurückgewiesen und gemäß § 61 Abs. 1 Z. 1 FPG die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers angeordnet. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig Beschwerde erhoben.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts das vom 27.4.2017, GZ. W240 2143 952/4E wurde der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
5. Im Rahmen einer weiteren niederschriftlichen Befragung vor der belangten Behörde am 27.9.2017 gab der Beschwerdeführer an, dass es ihm seit einem Monat viel besser gehe, weil er Medizin für seine Gedächtnisstörung nehme. Als er im August 2016 nach Österreich gekommen sei, hätte er noch große Probleme gehabt, sich an Dinge zu erinnern. Er habe während der kurzen Befragung bei der Polizei viele Fehler gemacht. Als er nach Österreich gekommen sei, habe er im Krankenhaus gute Medizin bekommen, nur wenn er erschrocken sei, habe er kurze Aussetzer gehabt und habe Blut gespuckt, weil er in Nigeria bei einem Bombenangriff dabei gewesen sei. Aber die Medizin hier habe sehr geholfen und seine Erinnerungen seien wieder zurückgekommen. Mittlerweile gehe es ihm wieder gut dank der Hilfe der Ärzte hier. Er nehme zur Zeit ein Medikament für seine Gedächtnisstörungen, den Namen könne er nicht nennen. Er nehme die Medikamente seit ca. einem Monat und es gehe ihm nun viel besser. Dieses Medikament sei mittlerweile aufgebraucht und nunmehr sei es nicht mehr notwendig. Ein Freund würde ihn in Österreich unterstützen, es sei die Person, bei der er lebe. Er müsse ihm nur sehr wenig Geld für die Unterkunft bezahlen. Außerdem verkaufe er Zeitungen.
Sein Großvater und sein Vater seien Tischler gewesen und auch er habe diesen Beruf erlernt. Er habe Möbel hergestellt und mit dem Ersparten sei er im Januar 2010 nach XXXX gezogen und habe dort sein Geschäft errichtet und Kosmetikartikel wie Hautcremen, Zahnpasta und ähnliches verkauft. Zu seinem Schwiegervater und seinen Kindern habe er seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr. Zu seinem Fluchtgrund befragt führte der Beschwerdeführer aus, dass am 10.4.2014 Herr XXXX XXXX in sein Geschäft gekommen sei, um etwas zu kaufen. Er sei ein Chef Iman. Er habe zu dem Iman gesagt, dass er während der Predigt in der Moschee sagen solle, dass Boko-Haram aufhören solle, Soldaten und andere Menschen zu töten. Aufgrund seiner Reaktion habe er dann aber gemerkt, dass dieser ein Sponsor der Boko-Haram sei. Er erinnere sich nun genauer, den letzten Kontakt zu seinem Schwiegervater habe er im April 2016, also noch nicht zwei Jahre her, gehabt. Herr XXXX habe zu ihm gesagt, dass wenn jemand etwas gegen die Autorität von Boko-Haram vorbringe, seine Jungs etwas gegen ihn machen würden. Dann sei er gegangen. Am 12.4.2012 seien sein Vater, sein Bruder und seine Schwester nach XXXX gekommen. Sie seien zu ihm nach Hause gekommen und hätten mit ihm und seiner Familie in den zwei Räumen gelebt. In den verbleibenden Räumen würden nur Haussa leben. Ihm gegenüber lebe Herr XXXX, dieser sei mit der einzigen Tochter des XXXX XXXX verheiratet. Am Abend habe er an ihrer Tür geklopft und sich nach den fremden Gesichtern erkundigt. Der Beschwerdeführer habe ihm seinen Vater und seine Geschwister vorgestellt. Er habe ihm gesagt, dass sie bereits am Montag sehr früh wieder nach Hause fahren würden. Am 14. April 2014 seien er und seine Frau mit den Geschwistern und seinem Vater zur Bushaltestelle XXXX gegangen. Sie seien sehr früh gestartet und seine Familie habe den Bus betreten. Sie hätten bis zum Wegfahren des Busses gewartet, um ihnen nach zu winken. Plötzlich habe es einen lauten Knall gemacht, er und seine Frau seien ins Krankenhaus gebracht worden, sein Vater und seine Geschwister seien in dem Bus gestorben. Der Namen des Krankenhauses sei Mantama. Nach zwei Tagen sei auch seine Frau verstorben. Im Juli 2014 habe er im Krankenhaus einen Anruf bekommen. Jemand habe ihn angerufen. Die Boko-Haram Leute hätten etwas in seinen Shop geschrieben. Am 15. Juli 2014 habe man ihm am Telefon mitgeteilt, dass die Boko-Haram in seinen Shop geschrieben habe, dass wo immer sie ihn sehen würden, sie in töten würden. Am 20. Juli 2014 habe er einen Telefonanruf in der Nacht bekommen, dass Boko-Haram seinen Shop gebombt habe. Am 20. August habe er zu seinem Arzt im Krankenhaus gesagt, dass er entlassen werden wolle, weil sein Leben in XXXX in Gefahr sei und er in den Imo State nach Hause möchte. Er sei daher entlassen worden. Er habe einen Bus nach XXXX genommen. Am 22. Oktober 2014 in der Früh habe ihn sein Vermieter angerufen. Dieser habe gesagt, dass XXXX zu ihm gekommen sei und nach seiner Heimatadresse und einem Bild von ihm gefragt habe. XXXX habe den Vermieter gedroht, wenn er sich weigern würde, dann werde ihm das gleiche passieren wie dem Beschwerdeführer. Aus Furcht habe der Vermieter daher die Wohnung des Beschwerdeführers geöffnet und ihm ein Foto vom Beschwerdeführer gegeben und auch seine Adresse in XXXX. Er habe nach dem Telefonanruf sofort das Dorf verlassen und sei nach Niger gefahren. Er habe einen Anruf von seinem Schwiegervater erhalten. Sein Schwiegervater habe ihm gesagt, dass das Haus seines Vaters in XXXX von der Boko-Haram zerstört worden sei. Nachbarn hätten ihm das erzählt. Hätte ich dem Vermieter nicht geglaubt, dann wäre er gestorben. Sein Schwiegervater und die Kinder seien bei der Explosion nicht verletzt worden, da diese in XXXX leben würden.
6. Mit Bescheid vom16.10.2017, Zl. 1128140901-161196531, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), gewährte dem Beschwerdeführer keine Frist für seine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.) und erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.). Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer im Verfahren mangels Glaubwürdigkeit keine Anhaltspunkte in Bezug auf eine persönliche Verfolgung durch Mitglieder der Boko-Haram geltend machen konnte und dass nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer in Nigeria wegen Kritik an Boko-Haram verfolgt werde. In der Beweiswürdigung wurde diesbezüglich ausgeführt, dass aus den Länderberichten ersichtlich sei, dass die Kenntnis oder auch nur der Verdacht, dass jemand ein Sympathisant von Boko-Haram sein könnte, in Nigeria schon ausreiche, um diese Person den staatlichen Behörden zu melden. Es sei daher nicht glaubhaft und nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgung oder Bedrohung durch den Chef Imam überhaupt zugelassen hätte. Spätestens nach dem Bombenangriff hätte der Beschwerdeführer im Krankenhaus von der Zugehörigkeit des Chef Imam zu Boko-Haram berichtet. Auch dass der Schwiegersohn den Vermieter in solcher Weise einschüchtern könnte, sei aus selben Gründen nicht glaubhaft. Weiters sei aufgrund der Länderinformationen festzustellen, dass dem Beschwerdeführer bei Wahrheitsunterstellung eine innerstaatliche Fluchtalternative in Nigeria offen stehe.
Hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung führte die belangte Behörde aus, dass das Vorbringen offensichtlich nicht den Tatsachen entspreche, wie in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt sei.
7. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer glaubhaft dargelegt habe, dass er aufgrund individueller Gründe persönlich verfolgt werde und eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht bestünde. Der Beschwerdeführer habe aus Eigenem genaue Angaben zu seiner Biografie, seiner Familie und Herkunftsregion gemacht. Er habe, wenn auch vermutlich traumatisiert, ein nachvollziehbares Vorbringen erstattet. Seine Angaben würden mit der Berichtslage übereinstimmen. Die Verhältnisse, die der Beschwerdeführer geschildert habe, würden der Wahrheit entsprechen und seien örtlich, zeitlich, personell usw. verifizierbar.
8. Am 21.11.2017 wurde die Beschwerde samt Akt der Gerichtsabteilung I404 zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
1.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt.
1.2. § 18 Abs. 1 Z. 5 BFA-VG zufolge kann das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.
2. Zu Spruchpunkt A)
2.1. § 18 Abs. 1 Z. 5 BFA-VG entspricht inhaltlich § 6 Abs. 1 Z. 4 AsylG idF AsylG 1997 BGBl. I Nr. 101/2003; diese wiederum entspricht § 6 Z. 3 AsylG 1997 in der Stammfassung des AsylG 1997. Aufgrund der nur unmaßgeblich veränderten, im wesentlich aber nahezu wortidenten Formulierungen dieser Bestimmungen ist bei der Prüfung des Vorliegens dieses Tatbestands – somit als Prüfungsmaßstab für die Frage, ob ein Vorbringen offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht – jedenfalls die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Vorgängerbestimmungen heranzuziehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zu § 6 Z 3 AsylG 1997 in der Stammfassung ausgesprochen, dass bei einem von der Behörde als unglaubwürdig angenommenen Vorbringen noch keine Aussage darüber getroffen wird, ob es ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit erreicht, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG 1997 in der Stammfassung als erfüllt angesehen werden kann. Letzteres kann nur dann angenommen werden, wenn Umstände vorliegen, die besonders deutlich die Unrichtigkeit der erstatteten Angaben vor Augen führen. Es muss unmittelbar einsichtig ("eindeutig" bzw. "offensichtlich") sein, dass die abgegebene Schilderung tatsächlich wahrheitswidrig ist. Dieses Urteil muss sich aufdrängen, die dazu führenden Gesichtspunkte müssen klar auf der Hand liegen. Im Ergebnis setzt die im gegebenen Zusammenhang erforderliche qualifizierte Unglaubwürdigkeit somit voraus, dass es weder weitwendiger Überlegungen noch einer langen Argumentationskette bedarf, um zu erkennen, dass das Vorbringen eines Asylwerbers nicht den Tatsachen entspricht (VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0214; 31.01.2002, Zl. 2001/20/0381; 11.06.2002, Zl. 2001/01/0266; 06.05.2004, Zl. 2002/20/0361).
Nur dann, wenn es unmittelbar einsichtig ist und sich das Urteil quasi aufdrängt, die Schilderungen des Asylwerbers, die für die Beurteilung seines Asylansuchens maßgeblich sind, seien tatsächlich wahrheitswidrig, erreicht das Vorbringen ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG 1997 erfüllt ist (VwGH 27.09.2001, Zl. 2001/20/0393). Bei der Anwendung des § 6 AsylG 1997 kann es typischerweise nur um die Klarstellung einfacher Fragen, aber nicht um diffizile Beweiswürdigungsprobleme gehen (VwGH 19.12.2001, Zl. 2001/20/0442).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu den entsprechenden Vorfassungen dieses Tatbestandes weiters ausgeführt, dass § 6 Z 3 AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 76/1997 (nunmehr § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG) lediglich dann anwendbar ist, wenn das gesamte Vorbringen zu einer Bedrohungssituation den Tatsachen offensichtlich nicht entspricht; seine Anwendbarkeit scheidet aus, wenn das Vorbringen auch nur in einem Punkt möglicherweise auf eine wahre Tatsache gestützt wird; auf Einzelaspekte gestützte Erwägungen erweisen sich somit für die Anwendung des Tatbestandes der offensichtlichen Tatsachenwidrigkeit des Vorbringens zur Bedrohungssituation als nicht tragfähig (vgl. dazu VwGH 21.08.2001, 2000/01/0214). Ein Antrag, dessen Prüfung die Beurteilung komplexer asylrechtlicher Zusammenhänge erfordert - wozu der Bestand einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu zählen ist -, ist nicht offensichtlich unbegründet (vgl. VwGH vom 07.09.2000, Zl. 99/01/0273).
2.2. In dem auf Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides bezogenen Abschnitt der rechtlichen Begründung fehlen Ausführungen darüber, weshalb das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Gänze offensichtlich nicht den Tatsachen entspreche. An dieser Stelle verweist die belangte Behörde auf die Beweiswürdigung.
In der Beweiswürdigung wird zwar vom Bundesamt zutreffend aufgezeigt, dass es unter Verweis auf die Länderberichte nicht nachvollziehbar sei, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgung oder Bedrohung durch den Chef Imam überhaupt zugelassen hätte und nicht von der Zugehörigkeit des Chef Imam zur Boko Haram berichtet hätte, weitere Ausführungen zur Glaubwürdigkeit, insbesondere Unplausibilitäten oder Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers werden jedoch nicht aufgezeigt. In der Folge verweist die Behörde dann auf die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative. Dadurch ist aber eben- wie oben bereits angeführt - nicht mehr von einem offensichtlich unbegründeten Vorbringen auszugehen.
Sollte sich das Vorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft herausstellen, so ist von einer schlichten und nicht von einer qualifizierten fehlenden Glaubhaftigkeit auszugehen.
Da im gegenständlichen Verfahren somit keine qualifizierte, sondern allenfalls eine schlichte Unglaubwürdigkeit des Asylwerbers vorliegt, ist der Anwendung des § 18 Abs. 1 Z. 5 BFA-VG der Boden entzogen; die "schlichte" Unglaubwürdigkeit ist im Zusammenhang mit § 18 Abs. 1 Z. 5 BFA-VG kein entscheidungswesentliches Element.
Es bestehen schließlich keine Anhaltspunkte, dass im gegenständlichen Fall einer der sonstigen Tatbestände des § 18 Abs. 1 BFA-VG heranzuziehen wäre.
2.4. Da somit die Voraussetzungen für die Anwendung des § 18 Abs. 1 Z. 5 BFA-VG nach Ansicht der erkennenden Richterin nicht vorgelegen sind, war Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides daher ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass der Beschwerde somit gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.
2.5. Gegenständlich war gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG ein Teilerkenntnis (vgl. auch § 59 Abs. 1 letzter Satz AVG) zu erlassen, da der Abspruch über die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung unverzüglich zu erfolgen hat. Der Spruch des Bescheides der belangten Behörde war auch insoweit trennbar, als sich die gegenständliche Entscheidung nur auf den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Bescheidspruch bezieht.
2.6. Über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I bis IV des angefochtenen Bescheides ergeht eine gesonderte Entscheidung.
Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, vorstehend im Einzelnen zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gewährung von internationalem Schutz ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das zur Entscheidung berufene Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgeht.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, ersatzloseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:I404.2176983.1.00Zuletzt aktualisiert am
30.11.2017