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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §21 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fössl, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat V) vom 24. Oktober 1995, Zl 16-95/3099/09, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1989 bis 1991 (mitbeteiligte Partei: R in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Mitbeteiligte hatte im Jahr 1989 Miteigentum an einer unbebauten Liegenschaft erworben, um dort mit den übrigen Miteigentümern ein Wohnhaus zu errichten und Wohnungseigentum zu begründen. Ebenfalls im Jahr 1989 hatte der Mitbeteiligte als Treugeber mit einer Liegenschaftsverwaltungsgesellschaft einen Treuhand- und Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen, in welchem sich die Treuhänderin verpflichtet hatte, im Zusammenhang mit der Errichtung von zwei Wohnungen für den Mitbeteiligten Leistungen zu erbringen. Im Jahr 1990 wurde das Treuhand- und Geschäftsbesorgungsverhältnis auf zwei Pkw-Abstellplätze auf derselben Liegenschaft ausgedehnt.
Nach Fertigstellung des Wohnhauses im Jahr 1991 begann der Mitbeteiligte im Dezember 1991 mit der Vermietung einer Eigentumswohnung sowie der beiden Pkw-Abstellplätze an jeweils verschiedene Bestandnehmer. Die zweite Eigentumswohnung wurde ab 1992 vermietet.
In den Jahren 1989 bis 1991 wurden ausschließlich Überschüsse der im Wesentlichen aus Finanzierungsaufwendungen bestehenden Werbungskosten über die Einnahmen erzielt. In seinen Einkommensteuererklärungen für diese Jahre wies der Mitbeteiligte dementsprechend jeweils negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus.
Für die Jahre 1989 und 1990 wurde der Mitbeteiligte zur Umsatzsteuer und Einkommensteuer erklärungsgemäß veranlagt.
Anlässlich der Veranlagung des Mitbeteiligten zur Umsatzsteuer und Einkommensteuer 1991 legte der Mitbeteiligte über Aufforderung des Finanzamtes im Juni 1993 eine Prognoserechnung vor, wonach unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Mitbeteiligte ein ursprünglich (auf 20 Jahre) aufgenommenes Darlehen bis spätestens Ende 1995 zurückbezahlt haben werde - im Mai 1993 sei bereits eine erste Rückzahlung von S 200.000,-- erfolgt -, im "11. Jahr ein Totalüberschuss" prognostiziert wurde.
Anlässlich einer im Jahr 1994 beim Mitbeteiligten durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung wurde eine weitere Prognoserechnung vorgelegt, als deren Ergebnis sich ein Totalüberschuss ausgehend von 1991 im 13. Jahr ergab. Die Prüferin vertrat die Ansicht, dass bei Beantwortung der Frage, innerhalb welchen Zeitraumes ein Totalüberschuss zu erwarten sei, auch die beiden Jahre 1989 und 1990 einzubeziehen seien und gelangte so unter Zugrundelegung der zweiten Prognoserechnung zur Ansicht, dass sich ein Totalüberschuss erst im 15. Jahr ergeben werde. Da jedoch bei Wohnungseigentum "nach geltendem Recht bereits innerhalb von 12 Jahren ein Totalüberschuss erzielt werden" müsse, seien die diesbezüglichen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht als Einkunftsquelle, sondern als Liebhaberei zu beurteilen. Dementsprechend seien die erklärten Werbungskostenüberschüsse und die geltend gemachten Vorsteuern nicht als abzugsfähig anzuerkennen. Die im Jahr 1991 erklärten Erträge seien aus der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage auszuscheiden.
Das Finanzamt folgte der Ansicht der Prüferin und erließ (zum Teil nach Wiederaufnahme der Verfahren) für die Jahre 1989 bis 1991 entsprechende Umsatz- und Einkommensteuerbescheide.
Der Mitbeteiligte erhob gegen diese Bescheide Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die betreffende Vermietungstätigkeit des Mitbeteiligten als Einkunftsquelle anerkannt. Die belangte Behörde begründete diese Entscheidung damit, dass die Bewirtschaftung von zwei Eigentumswohnungen und zwei "Garagen" keine Eignung zur Nutzung im Rahmen der privaten Lebensführung aufweise. Die Betätigung sei daher unter § 1 Abs 1 Liebhabereiverordnung 1990 einzuordnen. Durch die erfolgte Kreditrückzahlung würden bereits ab 1994 Überschüsse der Einnahmen über die Werbungskosten erzielt. Da (nach dem Vorbringen des Mitbeteiligten in der mündlichen Berufungsverhandlung) auch ohne vorzeitige Kreditrückzahlung innerhalb von 20 bis 21 Jahren ein Gesamtüberschuss erzielt worden wäre und dies noch als üblicher Kalkulationszeitraum angesehen werden könne, komme dem Umstand einer etwaigen Änderung der Wirtschaftsführung keine Bedeutung zu. Für das Jahr 1989 sei die Liebhabereiverordnung zwar nicht anwendbar, unter Berücksichtigung der von der Judikatur entwickelten Grundsätze ergebe sich aber dadurch keine Änderung in der rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen vom Präsidenten der Finanzlandesdirektion gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde erwogen:
Der beschwerdeführende Präsident rügt insbesondere die Beurteilung der Betätigung des Mitbeteiligten als solche im Sinne des § 1 Abs 1 Liebhabereiverordnung 1990 und im Zusammenhang damit eine Verletzung von Verfahrensvorschriften insofern, als im Hinblick auf diese Beurteilung keine Überprüfung der Annahmen (Indexsteigerung, Reparaturkosten von S 5.000,-- jährlich), welche der im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung vorgelegten Prognoserechnung zu Grunde lagen und welche einen Totalüberschuss im 13. Jahr ab Beginn der Bestandverhältnisse ausgewiesen hatte, vorgenommen worden seien. Grundsätzlich sei jede vermietete Eigentumswohnung gesondert danach zu untersuchen, ob Liebhaberei anzuerkennen sei, sofern die Objekte an verschiedene Personen vermietet worden seien. Es wäre daher für jedes einzelne der Bestandobjekte eine Prognoserechnung zu erstellen gewesen. Der diesbezüglichen Aufforderung durch die Abgabenbehörde sei der Mitbeteiligte jedoch nicht nachgekommen. Hinsichtlich der zweifelhaften Annahmen und Unterlassungen seitens des Mitbeteiligten habe es die belangte Behörde verabsäumt, eine erschöpfende sachverhaltsmäßige Überprüfung und rechtliche Würdigung vorzunehmen. Der angefochtene Bescheid beziehe sich lediglich auf die erfolgte Kreditrückzahlung, durch welche bereits ab 1994 Überschüsse ausgewiesen worden wären und schließe daraus, dass die Absicht, einen Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen, vorliege, ohne dies näher zu begründen. Auf Grund der unvollständigen Überprüfung der entscheidungsrelevanten Tatsachen basiere die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung auf einem nicht hinlänglich bekannten Sachverhalt und sei damit unschlüssig. Weiters wies der Beschwerdeführer auf die Aussage des steuerlichen Vertreters in der mündlichen Berufungsverhandlung hin, wonach ohne vorzeitige Kreditrückzahlung durch den Mitbeteiligten erst in einem Zeitraum von 20 bis 21 Jahren ein Gesamtüberschuss zu erzielen gewesen wäre. Diesbezüglich habe es die belangte Behörde unterlassen, zu prüfen, ob in der vorzeitigen Kreditrückzahlung eine Änderung der Bewirtschaftungsart zu erblicken sei bzw ob sich eine eventuelle Bejahung dieser Rechtsfrage auf das Ergebnis des Vorliegens oder Nichtvorliegens von Liebhaberei ausgewirkt hätte.
In seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Juli 1996, 93/13/0171, hat der Gerichtshof ausgesprochen, seine Rechtsanschauung darüber, dass ein Zeitraum von 12 Jahren zur Erwirtschaftung eines Gesamtüberschusses bei einer Vermietungstätigkeit als nicht mehr absehbar angesehen werden könne, aus den dort angeführten Gründen nicht mehr aufrecht erhalten zu können. Unter einem absehbaren Zeitraum zur Möglichkeit der Erzielung eines wirtschaftlichen Gesamterfolges bei einer Vermietungstätigkeit muss eine Zeitspanne verstanden werden, die zum getätigten Mitteleinsatz bei Betrachtung der Umstände des konkreten Falles in einer nach der Verkehrsauffassung vernünftigen, üblichen Relation steht. Absehbar ist ein solcher Zeitraum, der insbesondere im Verhältnis zum eingesetzten Kapital und zur verkehrsüblichen Finanzierungsdauer für die Abdeckung des insgesamt getätigten Aufwandes bis zur Erzielung des wirtschaftlichen Gesamterfolges nach bestehender Übung in Kauf genommen wird. Maßstab ist hiebei die Übung jener Personen, bei denen das Streben nach der Erzielung von Einkünften beherrschend im Vordergrund steht und anderweitige Motive, etwa jene nach Kapitalanlage, späterer Befriedigung eines Wohnbedürfnisses oder Steuervermeidung für ihr Handeln nicht maßgebend sind.
In seinem Erkenntnis vom 24. Februar 2000, 97/15/0166, brachte der Gerichtshof zum Ausdruck, dass als absehbarer Zeitraum, innerhalb dessen ein der positiven Steuererhebung aus der betroffenen Einkunftsart zugänglicher wirtschaftlicher Gesamterfolg erwirtschaftet werden müsse, ein solcher von rund 20 Jahren anzunehmen sei, wobei dieser - auch für § 2 Abs 4 der Liebhabereiverordnung maßgebende - absehbare Zeitraum mit dem "üblichen Kalkulationszeitraum" des § 2 Abs 3 der Liebhabereiverordnung übereinstimme.
Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob die Betätigung des Beschwerdeführers zu Recht als solche im Sinn des § 1 Abs 1 Liebhabereiverordnung 1990 beurteilt wurde:
Der Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe es im Zusammenhang mit der Aussage des steuerlichen Vertreters in der mündlichen Berufungsverhandlung, wonach ohne vorzeitige Kreditrückzahlung durch den Mitbeteiligten in einem Zeitraum von 20 bis 21 Jahren ein Gesamtüberschuss zu erzielen gewesen wäre, verabsäumt, die Frage zu prüfen, ob in der vorzeitigen Kreditrückzahlung eine Änderung der Bewirtschaftungsart zu erblicken sei, ist verfehlt. Wenn der steuerliche Vertreter danach auf die Tauglichkeit verwies, ohne vorzeitige Kreditrückzahlung durch den Mitbeteiligten in einem Zeitraum von 20 bis 21 Jahren einen Gesamtüberschuss zu erzielen, so bedarf es der Beurteilung der aufgezeigten Frage nicht, weil diesfalls mangels einer Kreditrückzahlung jedenfalls keine Änderung der Bewirtschaftungsart erblickt werden kann. Im Übrigen ist jedoch im Beschwerdefall zur Frage der Änderung der Bewirtschaftungsart durch vorzeitige Kreditrückzahlung Folgendes zu bemerken: Wenn bereits innerhalb des zweiten Jahres der Aufnahme der Vermietungstätigkeit und vor jeder Ermittlungstätigkeit der Abgabenbehörde zur Frage, ob eine bestimmte Betätigung als Einkunftsquelle oder als Liebhaberei zu beurteilen ist, begonnen wurde, einen ursprünglich auf 20 Jahre aufgenommenen Kredit vorzeitig zurückzuzahlen, so spricht dies für die Richtigkeit der anlässlich der Vorlage der ersten Prognoserechnung angeführten Behauptung, es wäre von Anfang an eine vorzeitige Kreditrückzahlung beabsichtigt gewesen. Berücksichtigt man aber die danach beabsichtigte und in der Folge tatsächlich erfolgte Kreditrückzahlung, so kann im Beschwerdefall selbst unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer in Zweifel gezogenen Annahmen anlässlich der Aufstellung der zweiten Prognoserechnung nicht in Zweifel gezogen werden, dass hinsichtlich der vermieteten Objekte innerhalb des Zeitraumes, innerhalb dessen bei einer Vermietungstätigkeit ein Totalüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten erzielt werden muss, damit von einer Einkunftsquelle ausgegangen werden kann, ein solcher Totalüberschuss zu erwarten war.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Wien, am 19. Juli 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1996130021.X00Im RIS seit
22.02.2002Zuletzt aktualisiert am
27.10.2008