TE Vwgh Erkenntnis 2017/10/24 Ra 2017/10/0015

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Veröffentlicht am 24.10.2017
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E03600500;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/03 Weinrecht;

Norm

32007R1234 GMO Agrarmärkte Anh11b Pkt5c;
32007R1234 GMO Agrarmärkte Art113d Abs1;
EURallg;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
WeinG 2009 §61 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revision des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in 1010 Wien, Stubenring 1, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 18. November 2016, Zl. E 008/02/2016.002/011, betreffend Übertretung des Weingesetzes 2009 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See; mitbeteiligte Partei: D H in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

I.

1 1. Mit Straferkenntnis vom 21. Juni 2016 legte die belangte Behörde dem Mitbeteiligten zur Last, er habe es als Geschäftsführer der W.-GmbH, welche unbeschränkt haftende Gesellschafterin der W.-GmbH & Co KG sei, zu verantworten, dass am 18. Juni 2015 in dem genannten Betrieb 160 Flaschen (zu 0,75 l) eines näher bestimmten Qualitätssektes mit einem Kohlensäureüberdruck von 2,4 bar bei 20 Grad C etikettiert zum Verkauf bereit gehalten und somit in Verkehr gesetzt worden seien. Dieser Sekt unterschreite den geltenden Kohlensäuremindestüberdruck von 3,5 bar bei 20 Grad C und sei daher als "nicht verkehrsfähig" (im Original unter Anführungszeichen) zu beurteilen.

2 Der Mitbeteiligte habe dadurch § 61 Abs. 4 des Bundesgesetzes über den Verkehr mit Wein und Obstwein - Weingesetz 2009 iVm Art. 113d Abs. 1 iVm Anhang XIb Pkt. 5c der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe von EUR 360 (Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden) verhängt wurde.

3 2. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 18. November 2016 behob das Landesverwaltungsgericht Burgenland aufgrund einer Beschwerde des Mitbeteiligten das Straferkenntnis der belangten Behörde und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 und 3 VStG ein.

4 Das Landesverwaltungsgericht stellte fest, dass der gegenständliche "Sekt" mit einem Kohlensäureüberdruck von 2,4 bar bei 20 Grad C zum Verkauf bereit gehalten worden sei. Durch jahrelanges Lagern unter Naturkorkverschluss sei der für die Einstufung als Qualitätsschaumwein "erforderliche (und ursprünglich aufgewiesene) Kohlensäureüberdruck" verloren gegangen. Produkte wie das vorliegende zeichneten sich durch eine "tiefgründige Aromenentwicklung und geringere Perlage" aus und seien bei richtiger Lagerung jedenfalls genießbar.

5 In rechtlicher Hinsicht führte das Landesverwaltungsgericht aus, die belangte Behörde habe dem Mitbeteiligten das In-Verkehr-Bringen eines verkehrsunfähigen Erzeugnisses vorgeworfen. Von einem solchen könne iSd § 18 Weingesetz 2009 aber keine Rede sein. Es bestehe vielmehr ein Markt für diese von Weinliebhabern geschätzten und bewusst jahrelang zurückgehaltenen Raritäten. Ein unter Strafe stehendes Verbot des In-Verkehr-Bringens solcher Erzeugnisse sei "auch vom Unionsrecht nicht intendiert".

6 "Lediglich die Bezeichnung als Qualitätsschaumwein" könnte "beim Verbraucher zur Irreführung Anlass geben". Dass der Mitbeteiligte den Sekt bloß unrichtig bezeichnet habe, sei ihm aber im gesamten Verfahren nicht vorgeworfen worden. Der Tatvorwurf dürfe nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keinen Zweifel daran bestehen lassen, weswegen der Täter bestraft worden sei. Richtigerweise wäre dem Mitbeteiligten vorzuwerfen gewesen, "es unterlassen zu haben", den Sekt entsprechend gekennzeichnet zu haben, um die Irreführung hintanzuhalten. Da dies nicht geschehen sei, sei der Tatvorwurf auch unter diesem Aspekt mangelhaft. Das angefochtene Straferkenntnis sei daher aufgrund des unzutreffenden Spruchs aufzuheben und das Verfahren wegen eingetretener Verfolgungsverjährung einzustellen.

7 Die Revision gegen diese Entscheidung ließ das Verwaltungsgericht nicht zu und begründete dies mit den verba legalia des Art. 133 Abs. 4 B-VG sowie einer klargestellten Rechtslage.

8 3. Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, die das Verwaltungsgericht samt den Verfahrensakten vorgelegt hat.

9 Die belangte Behörde und der Mitbeteiligte haben jeweils eine Revisionsbeantwortung erstattetet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 1.1. Die im vorliegenden Fall in den Blick zu nehmenden Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Verkehr mit Wein und Obstwein - Weingesetz 2009, BGBl. I Nr. 111/2009 idF BGBl. I Nr. 189/2013, lauten:

"Verkehrsunfähige Erzeugnisse

§ 18. (1) Es dürfen nicht in Verkehr gebracht werden:

1. gesundheitsschädliche oder nicht sichere Erzeugnisse gemäß § 16 Abs. 1;

2.

Versuchsweine ohne Bewilligung gemäß § 15;

3.

verfälschte Erzeugnisse gemäß § 16 Abs. 2;

4.

nachgemachte Weine gemäß § 17 Abs. 2 oder 3;

5.

verdorbene Erzeugnisse gemäß § 6 Abs. 1.

(...)

Verwaltungsübertretungen

§ 61. (...)

(4) Wer einer Bestimmung der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007, der Verordnung (EG) Nr. 555/2008, der Verordnung (EG) Nr. 436/2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 479/2008 des Rates hinsichtlich der Weinbaukartei, der obligatorischen Meldungen und der Sammlung von Informationen zur Überwachung des Marktes, der Begleitdokumente für die Beförderung von Weinbauerzeugnissen und der Ein- und Ausgangsbücher im Weinbau, ABl. Nr. L 128 vom 27.05.2009 S. 15, der Verordnung (EG) Nr. 606/2009 oder der Verordnung (EG) Nr. 607/2009 zuwiderhandelt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung erfüllt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 7 270 EUR zu bestrafen.

(...)"

11 1.2. Die im vorliegenden Fall von der belangten Behörde und vom Verwaltungsgericht angewandten Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse lauten:

"Artikel 113d

Besondere Vorschriften für die Vermarktung von Wein

(1) Die Bezeichnung für eine in Anhang XIb aufgeführte Weinbauerzeugniskategorie darf in der Gemeinschaft nur für die Vermarktung von Erzeugnissen verwendet werden, die den entsprechenden Bedingungen desselben Anhangs genügen.

     (...)

     ANHANG XIb

     KATEGORIEN VON WEINBAUERZEUGNISSEN

     (...)

     5. Qualitätsschaumwein

     Qualitätsschaumwein ist das Erzeugnis,

a)        das durch erste oder zweite alkoholische Gärung von

- frischen Weintrauben,

- Traubenmost oder

- Wein gewonnen wurde;

b)        das beim Öffnen des Behältnisses durch Entweichen von

ausschließlich aus der Gärung stammendem Kohlendioxid

gekennzeichnet ist;

c)        das in geschlossenen Behältnissen bei 20 Grad C einen

auf gelöstes Kohlendioxid zurückzuführenden Überdruck von

mindestens 3,5 bar aufweist und

d)        bei dem die zu seiner Herstellung bestimmte Cuvee einen

Gesamtalkoholgehalt von mindestens 9 % vol hat."

12 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

13 Nach § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

14 3. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit im Kern vor, der angefochtene Beschluss lege das Weingesetz 2009 verfehlt aus; die Auffassung des Verwaltungsgerichtes würde dazu führen, dass sämtliche Verstöße gegen Weinrecht, die nicht zu einer absoluten Verkehrsunfähigkeit des Erzeugnisses führten, lediglich als "falsch bezeichnet" zu beanstanden wären. Es lägen keine Umstände vor, die im konkreten Fall die Strafbarkeit oder die Verfolgung ausschlössen.

15 4. Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet. 16 4.1. Dem Fall liegt zugrunde, dass der gegenständliche,

vom Mitbeteiligten zum Verkauf bereit gehaltene "Qualitätssekt" bei einer Kontrolle am 18. Juni 2015 einen Kohlensäureüberdruck von 2,4 bar bei 20 Grad C aufwies. Die belangte Behörde legte dem Mitbeteiligten deshalb mit Straferkenntnis vom 21. Juni 2016 eine Übertretung der Bestimmungen § 61 Abs. 4 Weingesetz 2009 iVm Art. 113d Abs. 1 iVm Anhang XIb Pkt. 5c der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 zur Last. Der "Sekt" entspreche nicht dem vorgeschriebenen Kohlensäuremindestüberdruck von 3,5 bar bei 20 Grad C und sei daher "nicht verkehrsfähig".

17 4.2. Der angefochtene Beschluss geht davon aus, das Straferkenntnis der belangten Behörde werfe dem Mitbeteiligten zu Unrecht das In-Verkehr-Bringen eines verkehrsunfähigen Erzeugnisses gemäß § 18 Weingesetz 2009 vor. Das gegenständliche Erzeugnis habe zwar den für die Einstufung als "Qualitätsschaumwein" erforderlichen Kohlensäureüberdruck verloren, sei aber nicht verkehrsunfähig im weinrechtlichen Sinn. Ein Verbot des In-Verkehr-Bringens eines solchen Erzeugnisses sei auch "vom Unionsrecht nicht intendiert". Eine unrichtige Bezeichnung des Erzeugnisses als Qualitätsschaumwein sei dem Mitbeteiligten im Verwaltungsstrafverfahren aber nicht vorgeworfen worden.

18 4.3. Gemäß Art. 113d Abs. 1 iVm Anhang XIb Pkt. 5c der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 darf die Bezeichnung "Qualitätsschaumwein" nur für die Vermarktung eines Erzeugnisses verwendet werden, das u.a. in geschlossenen Behältnissen bei 20 Grad C einen auf gelöstes Kohlendioxid zurückzuführenden Überdruck von mindestens 3,5 bar aufweist. § 61 Abs. 4 Weingesetz 2009 stellt (u.a.) Zuwiderhandlungen dagegen unter Strafe. Durch diese Bestimmungen wird ein aktives Tun, nämlich die Verwendung einer in Anhang XIb der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 angeführten Bezeichnung (hier: "Qualitätsschaumwein") für die Vermarktung eines Erzeugnisses, das den Bedingungen dieses Anhangs nicht genügt (hier: Unterschreitung des vorgeschriebenen Kohlensäuremindestüberdruckes), unter Strafe gestellt. Eine Übertretung der genannten Bestimmungen stellt somit - entgegen der erkennbar vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung (vgl. oben Rz 6) - ein Begehungsdelikt dar (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. September 2011, Zl. 2009/07/0180, zu einer insoweit vergleichbaren Konstellation gemäß § 30 Abs. 1 Z 2 Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) iVm § 2 Abs. 1 Wr. IG-L-Maßnahmenkatalog 2005).

19 4.4. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG - unter Rechtsschutzüberlegungen - dann entsprochen, wenn dem Beschuldigten im Spruch des Straferkenntnisses die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass dieser in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 25. Februar 2003, Zl. 2001/10/0257, und vom 17. September 2009, Zl. 2008/07/0067, jeweils mwN).

20 4.5. Aus dem Spruch des Straferkenntnisses vom 21. Juni 2016 (welcher mit der Strafverfügung vom 7. Oktober 2015 wortident ist) geht hinreichend konkret hervor, dass die Bestrafung des Mitbeteiligten deshalb erfolgte, weil er 160 Flaschen eines näher bestimmten Sektes, dessen Kohlensäureüberdruck den vorgeschriebenen Kohlensäuremindestüberdruck unterschritt, als Qualitätssekt etikettiert zum Verkauf bereit gehalten hatte.

21 Zwar bezeichnete die belangte Behörde den gegenständlichen "Sekt" (auch) als "nicht verkehrsfähig", damit warf sie jedoch - wie sich aus der gesamten Tatumschreibung ergibt - dem Mitbeteiligten nicht das In-Verkehr-Bringen eines verkehrsunfähigen Erzeugnisses gemäß § 18 Weingesetz 2009 vor, sondern verdeutlichte erkennbar bloß, dass das gegenständliche Erzeugnis in der im Spruch beschriebenen Form (also etikettiert als "Qualitätssekt") nicht in Verkehr gebracht bzw. vermarktet werden dürfe. Damit steht im Einklang, dass § 18 Weingesetz 2009 von der belangten Behörde nicht als verletzte Norm angeführt wurde.

22 Die von der belangten Behörde gewählte Tatumschreibung reichte somit aus, um dem Mitbeteiligten eine Übertretung nach § 61 Abs. 4 Weingesetz 2009 iVm Art. 113d Abs. 1 iVm Anhang XIb Pkt. 5c der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 (seit dem In-Kraft-Treten der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013: deren Art. 78 Abs. 2 iVm Anhang VII Teil II Pkt. 5c) vorzuwerfen.

23 5. Da das Verwaltungsgericht nach dem Gesagten zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der dem Mitbeteiligten gemachte Tatvorwurf unzutreffend gewesen und deshalb Verfolgungsverjährung eingetreten sei, hat es den angefochtenen Beschluss mit Rechtwidrigkeit des Inhaltes belastet.

24 6. Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 24. Oktober 2017

Schlagworte

Besondere RechtsgebieteGemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017100015.L00

Im RIS seit

30.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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