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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §52Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 8. August 2016, Zl. LVwG 30.28-1613/2016-7, betreffend Übertretungen des Forstgesetzes 1975 (mitbeteiligte Partei: J H in H, vertreten durch Sudi Siarlidis Huber Ehß Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Plüddemanngasse 87), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 18. Mai 2016 wurde der Mitbeteiligte - unter anderem - schuldig erkannt, auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG O, wie bei einer Begehung am 28. Mai 2015 um 16 Uhr festgestellt worden sei, Waldboden für andere Zwecke als für solche der Waldkultur verwendet zu haben, wobei die Rodungsfläche ein Ausmaß von rd. 11.000 m2 betrage und die „Waldflächeninanspruchnahme“ durch eine „Paintballanlage“ und diverse Hindernisse erfolgt sei. Der Mitbeteiligte habe dadurch § 174 Abs. 1 lit. a Z 6 iVm § 17 Abs. 1 Forstgesetz 1975 (ForstG) verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe von € 365,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit zwei Tage Ersatzfreiheitstrafe) verhängt werde.
2 Weiters wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, auf dem genannten Grundstück, wie bei einer Begehung am 28. Mai 2015 um 16 Uhr festgestellt worden sei, durch eine „Paintballanlage“ Trittschäden am Waldboden, die Entfernung jeglichen Unterwuchses sowie das Ausgraben von Wurzelstöcken vorgenommen zu haben, sodass eine Waldverwüstung vorliege, weil durch Handlungen oder Unterlassungen die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt oder gänzlich vernichtet werde, obwohl diese Waldverwüstung verboten sei. Der Mitbeteiligte habe dadurch § 174 Abs. 1 lit. a Z 3 iVm § 16 Abs. 1 ForstG verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe von € 365,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit zwei Tage Ersatzfreiheitstrafe) verhängt werde.
3 Mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 8. August 2016 wurde der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde stattgegeben und das Verwaltungsstrafverfahren bezüglich beider Vorwürfe eingestellt. Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 25a VwGG die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
4 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - aus, die Verwendung einer Waldfläche für „Lasergames und Paintball-Aktivitäten“ unter Aufstellung von alten Fahrzeugen und Hindernissen sowie die Absperrung von Teilbereichen dieser Fläche mit Netzen bedeute die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur. Zum Tatzeitpunkt sei diese Verwendung des Waldbodens nicht gemäß § 17 ForstG bewilligt gewesen, weshalb das Rodungsverbot des § 17 Abs. 1 ForstG nicht befolgt worden sei. Für die bewilligungslose Verwendung eines Waldgrundstücks sei im Fall der unerlaubten Rodung der Eigentümer verantwortlich, eine Überwälzung dieser Verantwortung durch vertragliche Vereinbarung sei nicht möglich. Das Verbot des § 17 Abs. 1 ForstG umfasse das Gebot an den Waldeigentümer, soweit möglich und zumutbar jeden mit dem Rodungsverbot unvereinbaren Eingriff zu verhindern. Der Waldeigentümer verstoße gegen das Verbot, wenn er schuldhaft die Verwendung seines Waldbodens zu anderen Zwecken als solchen der Waldkultur durch dritte Personen abzuwehren unterlasse. Der Eigentümer habe im Revisionsfall der Verwendung (von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur) zugestimmt. Der Mitbeteiligte sei „nicht Eigentümer des Waldgrundstücks“ und „demnach nicht für die vorgenommene Rodung verantwortlich“. Das gegen den Mitbeteiligten geführte Verwaltungsstrafverfahren sei daher einzustellen.
5 Anders verhalte es sich - so das Verwaltungsgericht weiter - mit dem Tatvorwurf der Waldverwüstung. Das Verbot der Waldverwüstung richte sich nach § 16 Abs. 1 ForstG gegen jedermann. Der Tatvorwurf der belangten Behörde sei mit Trittschäden am Waldboden durch eine „Paintballanlage“, der Entfernung jeglichen Bewuchses und dem Ausgraben von Wurzelstöcken im Flächenausmaß von 11.000 m2 umschrieben und auf die Schwächung und gänzliche Vernichtung der Produktionskraft des Waldbodens bezogen worden. Dem Tatvorwurf könne jedoch nicht entnommen werden, „mit welcher der aufgezählten Handlungen die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt oder gänzlich vernichtet“ werde. Sie beschrieben „weder einen Eintrag in noch eine Auflage auf Waldboden, die auf die Produktionskraft Auswirkungen haben könnte“. Auch das Abtragen von Waldboden werde dem Mitbeteiligten nicht vorgeworfen. Die vorgeworfenen Tathandlungen „könnten allenfalls in ihren Wirkungen darin gesehen werden, dass sie eine rechtzeitige Wiederbewaldung unmöglich“ machten, indem „Waldboden vertreten wird und durch die aufgestellten Objekte Waldvegetation nicht aufkommen kann“. Das Erfordernis einer Wiederbewaldung beziehe sich gemäß § 13 Abs. 1 ForstG auf Kahlflächen und Räumden. Dass solche Kahlflächen und Räumden vorlägen, habe sich im Laufe des Verfahrens nicht herausgestellt. Eine Waldverwüstung nach einer der in § 16 Abs. 2 ForstG dargestellten vier Alternativen habe durch dem Mitbeteiligten zurechenbare Handlungen oder Unterlassungen daher nicht stattgefunden. Das Verwaltungsstrafverfahren zum Vorwurf der Waldverwüstung sei daher ebenfalls einzustellen.
6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Amtsrevision der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung.
7 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die vorliegende Amtsrevision macht zur Zulässigkeit geltend, das Verwaltungsgericht weiche durch seine Ansicht, dass alleine der Waldeigentümer für unbefugte Rodungen verantwortlich sei, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Zudem habe es das Verwaltungsgericht - erkennbar in Bezug auf das von ihm verneinte Vorliegen einer Waldverwüstung - unterlassen, ein forsttechnisches Gutachten einzuholen.
9 Die Revision erweist sich als zulässig und begründet.
10 Das Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440/1975 in der Fassung BGBl. I Nr. 189/2013 (ForstG), lautet auszugsweise:
„Waldverwüstung
§ 16. (1) Jede Waldverwüstung ist verboten. Dieses Verbot richtet sich gegen jedermann.
(2) Eine Waldverwüstung liegt vor, wenn durch Handlungen oder Unterlassungen
a) die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt oder gänzlich vernichtet,
b) der Waldboden einer offenbaren Rutsch- oder Abtragungsgefahr ausgesetzt,
c) die rechtzeitige Wiederbewaldung unmöglich gemacht oder
d) der Bewuchs offenbar einer flächenhaften Gefährdung, insbesondere durch Wind, Schnee, wildlebende Tiere mit Ausnahme der jagdbaren, unsachgemäße Düngung, Immissionen aller Art, ausgenommen solche gemäß § 47, ausgesetzt wird oder Abfall (wie Müll, Gerümpel, Klärschlamm) abgelagert wird.
...
Rodung
§ 17. (1) Die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) ist verboten.
...
Strafbestimmungen
§ 174. (1) Wer
a) ...
3. das Waldverwüstungsverbot des § 16 Abs. 1 nicht befolgt;
...
6. das Rodungsverbot des § 17 Abs. 1 nicht befolgt;
...
begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung. Diese Übertretungen sind in den Fällen
1. der lit. a mit einer Geldstrafe bis zu 7 270 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen,
...
zu ahnden.“
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass sich das Rodungsverbot gemäß § 17 Abs. 1 ForstG ebenso wie die Strafdrohung des § 174 Abs. 1 lit. a Z 6 ForstG nicht nur gegen den Grundeigentümer, sondern gegen jedermann richtet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 3. Oktober 2008, Zl. 2006/10/0005, und vom 17. Dezember 1985, Zl. 85/07/0253; siehe auch das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2009, Zl. 2007/10/0185).
12 Indem das Verwaltungsgericht die Auffassung vertreten hat, dass sich das Verbot des § 17 Abs. 1 ForstG ausschließlich an den Waldeigentümer richte und der Mitbeteiligte, der nicht Eigentümer des Waldgrundstückes sei, nicht für die vorgenommene Rodung verantwortlich gemacht werden könne, hat es somit die Rechtslage verkannt.
13 Das Verwaltungsgericht geht nach Ausweis der oben wiedergegebenen Begründung in Ansehung des Verstoßes gegen § 16 Abs. 1 ForstG davon aus, dass die dem Mitbeteiligten vorgeworfenen Handlungen (Trittschäden am Waldboden durch eine „Paintballanlage“, Entfernung jeglichen Bewuchses und Ausgraben von Wurzelstöcken) nicht erkennen ließen, „mit welcher der aufgezählten Handlungen die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt oder gänzlich vernichtet“ werde. Auswirkungen auf die Produktionskraft des Waldbodens könnten - so offenbar die Ansicht des Verwaltungsgerichtes - nur „ein Eintrag in den Waldboden“, eine „Auflage auf Waldboden“ bzw. „das Abtragen von Waldboden“ haben.
14 Worauf das Verwaltungsgericht diese Ansicht zu stützen können glaubt, ist allerdings nicht ersichtlich. Dem angefochtenen Beschluss sind keine auf sachverständiger Grundlage gewonnenen Feststellungen zu entnehmen, die eine derartige Beurteilung tragen könnten. Die belangte Behörde stützt ihre gegenteilige Auffassung im Straferkenntnis vom 18. Mai 2016 demgegenüber auf forstfachliche Stellungnahmen vom 19. November 2015 und 22. Februar 2016, die - unter anderem - Folgendes ausführen:
„Da der Boden nur eine sehr geringe Mächtigkeit hat, ist dieser Bereich des Bodens äußerst sensibel und empfindlich. Durch die intensive Nutzung (Gehen, Laufen, Fallen, Springen, ...) im zur Anzeige gebrachten Bereich wird der Waldboden sehr verdichtet. Dies führt zur Schwächung des Bewuchses. Wasser- und Nährstoffmangel führen bis zum Ausfall des Bewuchses. Durch die Bodenverdichtung kann das auftreffende Wasser die Feinstoffe in tiefere Schichten auswaschen, sodass dem Bewuchs noch weniger Nährstoffe zur Verfügung stehen. Damit besteht eine wesentliche Schwächung der Produktionskraft des Waldbodens. Die Auswirkungen können bis zur ‚Verkarstung‘ des Standortes und dem Totalausfall des Bewuchses führen.
...
Das ‚Bespielen‘ des seichtgründigen Waldbodens beeinträchtigt diesen, die Ausführungen wurden oben bereits dargestellt. Der ‚geringe Bodenbewuchs‘ ist ein Zeichen für die schwierige Wiederbewaldung des Standortes. Bodenverdichtung durch Betreten in einem Ausmaß, dass eine Naturverjüngung nicht aufkommen kann, erfüllt den Tatbestand der Waldverwüstung.“
15 Gegenteilige forstfachliche Aussagen sind den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen. Das Verwaltungsgericht hat damit verkannt, dass die Frage, ob eine Waldverwüstung vorliegt, vom Tatsächlichen her eine Fachfrage darstellt, die auf sachverständiger Grundlage zu beurteilen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. November 1987, Zl. 87/10/0130).
16 Der angefochtene Beschluss erweist sich demnach mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 24. Oktober 2017
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016100122.L00Im RIS seit
10.08.2021Zuletzt aktualisiert am
11.08.2021