TE Lvwg Erkenntnis 2016/3/2 VGW-241/044/RP25/12563/2015

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Veröffentlicht am 02.03.2016
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Entscheidungsdatum

02.03.2016

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
L83009 Wohnbauförderung Wien

Norm

VwGVG §11
AVG §68
WWFSG 1989 §21

Text

I M N A M E N D E R R E P U B L I K

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Landesrechtspfleger OAR Neustifter über die Beschwerde des Herrn M. F. vom 28.08.2015 gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 03.08.2015, Zl. WBH-44887/15,

zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG keine Folge gegeben, der angefochtene Bescheid jedoch gemäß § 27 VwGVG ersatzlos aufgehoben.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers vom 28.05.2015 auf Gewährung einer Wohnbeihilfe gemäß §§ 60-61a Wiener Wohnbauförderung und Wohnhaussanierungsgesetz 1989 (WWFSG 1989, LGBl. Nr. 18/89) und der dazu ergangenen Verordnung der Wiener Landesregierung, LGBl Nr. 32/89, beide in der geltenden Fassung, abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass gemäß § 2 Abs. 2 der obzitierten Verordnung keine Wohnbeihilfe gebühre, wenn das Haushaltseinkommen die Summe von 13 Einkommensstufen übersteige.

Wie das Ermittlungsverfahren ergeben habe, betrage das monatliche Haushaltseinkommen derzeit Euro 1.868,14 und übersteige somit die Summe der 13. Einkommensstufe, die gemäß § 2 Abs. 1 der zitierten Verordnung für zwei Personen Euro 1.704,15 betrage.

Der bisherige Verfahrensablauf stellt sich wie folgt dar:

Der Beschwerdeführer stellte am 28.5.2015 einen Antrag auf Wohnbeihilfe, zudem auch diverse Unterlagen teils vorgelegt, teils nachgereicht wurden. Hinweise auf vorliegende Behinderungen der beiden Bewohner der gegenständlichen Wohnung in Wien, M.-Gasse lagen nicht vor, als der Bescheid der Magistratsabteilung 50, MA 50-WBH 35264/15 vom 16.6.2015 erlassen wurde. Dieser Bescheid wurde laut Mitteilung der Magistratsabteilung 50 am 18.6.2015 expediert. Im Hinblick auf § 26 Abs. 2 ZustellG gilt daher die Zustellung mit 22.6.2015 als bewirkt. Gegen diesen Bescheid stand binnen vier Wochen ab Zustellung (somit bis 20.07.2015) die Möglichkeit der schriftlichen Beschwerde offen. Im Bescheid vom 16.06.2015 wurde in der richtigen und vollständigen Rechtsmittelbelehrung darauf hingewiesen.

Laut Vorlagebericht der Magistratsabteilung 50 vom 30.10.2015 habe sich die Kommunikation mit Herrn F. etwas schwierig dargestellt, deshalb sei nach seiner Vorsprache am 14.07.2015 ohne noch einmal einen Antrag abzuverlangen, das Einkommen neu errechnet (Vorlage von Behindertenausweisen) und abermals einen Abweisungsbescheid wegen Überschreitung der höchsten Einkommensstufe erlassen worden. Gegen diesen Bescheid vom 03.08.2015 richte sich die nunmehr vorliegende Beschwerde.

In der rechtzeitig erhobenen Beschwerde führt der Beschwerdeführer aus, dass bei der Ermittlung des Haushaltseinkommen offensichtlich die vorgelegten Nachweise zur Behinderung und zu den Alimentationszahlungen nicht berücksichtigt worden seien, sodass sich wieder genau das gleiche Haushaltseinkommen ergebe, wie im ursprünglichen Bescheid vor Einbringung dieser Nachweise. Es sei daher wieder mündlich zu erfahren gewesen noch sei dem Bescheid zu entnehmen, wie nunmehr die Ermittlung des Haushaltseinkommens erfolgt sei. Der Beschwerdeführer begehre daher die Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens.

Bemerkt wird, dass der Beschwerdeführer weder im Rahmen der Antragstellung

auf Gewährung von Wohnbeihilfe am 28.5.2015 noch im Zuge des behördlichen Verfahrens bei der Magistratsabteilung 50 alle gemäß § 26 Abs. 4 WWFSG (für geförderte Wohnungen) bzw. gemäß § 61a Abs. 1 WWFSG (für nicht geförderte Wohnungen) erforderlichen Unterlagen, die einem Antrag auf Wohnbeihilfe anzuschließen sind, vorgelegt hat. Selbst nach Erhebung der Beschwerde, nachdem der Beschwerdeführer von der Magistratsabteilung 50 mit Schreiben vom 28.09.2015, GZ: MA 50/WBH-44887/15, geladen bzw. aufgefordert wurde, erforderliche Unterlagen nachzureichen, kam der Beschwerdeführer dem nicht bzw. nicht vollständig nach.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung.

Gemäß § 26 Abs. 2 ZustellG gilt die Zustellung ohne Zustellnachweis als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen.

Der angefochtene Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 03.08.2015, Zl. WBH-44887/15, wurde am 07.08.2015 von der Kanzlei der Magistratsabteilung 50 expediert und somit der Post übergeben. Der dritte Werktag nach Übergabe an das Zustellorgan ist somit der 11.08.2015 und ist daher der 11.08.2015 auch der Tag der Zustellung. Die Rechtsmittelfrist (Frist zur Erhebung einer Beschwerde) läuft daher ab 11.08.2015 bis 08.09.2015. Die Beschwerde ist am 08.09.2015 - somit innerhalb der Frist - beim Magistrat der Stadt Wien eingelangt. Über die Rechtzeitigkeit der erhobenen Beschwerde besteht somit trotz unleserlichem Postaufgabestempel kein Zweifel. Der angefochtene Bescheid ist somit aufgrund der rechtzeitigen Beschwerde noch nicht rechtskräftig geworden.

Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde nach Z 1 die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt und nach Z 4 das Begehren zu enthalten.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Über den Antrag auf Gewährung von Wohnbeihilfe vom 28.5.2015 wurde bereits mit dem (früheren) Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 50, vom 16.6.2015, Zl. MA 50-WBH 35264/15, entschieden. Dieser Bescheid wurde laut Mitteilung der Magistratsabteilung 50 am 18.6.2015 expediert. Im Hinblick auf § 26 Abs. 2 ZustellG gilt daher die Zustellung mit 22.6.2015, das ist der dritte Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan, als bewirkt. Gegen diesen Bescheid wäre binnen vier Wochen ab Zustellung (somit bis 13.07.2015) eine schriftliche Beschwerde möglich gewesen. Im Bescheid vom 16.6.2015 wurde in der richtigen und vollständigen Rechtsmittelbelehrung auf die Möglichkeit, binnen vier Wochen Beschwerde zu erheben, auch hingewiesen.

Eine Beschwerde wurde jedoch innerhalb der offenen Rechtsmittelfrist nicht eingebracht. Vielmehr wurde nach einer Vorsprache des Beschwerdeführers bei der Magistratsabteilung 50 am 14.07.2015, somit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist, ohne noch einmal einen Antrag abzuverlangen, der nunmehr angefochtene neuerliche Bescheid vom 3.8.2015, Zl. WBH-44887/15, erlassen, dessen Spruch und Begründung exakt gleich lauten, wie der Spruch und die Begründung des unangefochten gebliebenen und somit rechtskräftigen Bescheides vom 16.6.2015, Zl. MA 50-WBH 35264/1. Beide Bescheide sprechen über ein und denselben Antrag vom 28.05.2015 ab.

Gemäß § 11 VwGVG sind, soweit in diesem (2.) und im vorangehenden (1.) Abschnitt nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren nach diesem (2.) Abschnitt jene Verfahrensvorschriften anzuwenden, die die Behörde in einem Verfahren anzuwenden hat, das der Beschwerde beim Verwaltungsgericht vorangeht.

(Anm.: Insoweit kommt also die Einschränkung im 3. Abschnitt, § 17 VwGVG, nicht zum Tragen!)

Gemäß § 68 Abs. 2 AVG können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, (u.a.) von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat aufgehoben oder abgeändert werden.

Niemandem ein Recht erwächst jedenfalls aus einem Bescheid, mit dem im Einparteienverfahren das Begehren der Partei ab- oder zurückgewiesen wird.

Ein Bescheid, mit dem ein anderer rechtskräftiger Bescheid abgeändert bzw. aufgehoben wird, stellt das Ergebnis von zwei begrifflich zu trennenden Entscheidungen dar: Die eine – verfahrensrechtliche - Entscheidung betrifft die (Zulässigkeit der) Beseitigung der rechtskräftigen Sachentscheidung, die andere Entscheidung betrifft die (Neuregelung) der Sache, d.h. die inhaltliche Gestaltung der zu erlassenden neuen Entscheidung; § 68 Abs. 2 AVG bietet Maßstab und Grundlage nur für die erstere Entscheidung. (Walter-Thienel, Manz-Verlag Wien 2004,Verwaltungsverfahren, 16. Aufl., S. 141, Anm. 6 und 9)

Dem Erkenntnis des VwGH vom 24.04.2015, 2011/17/0244, ist folgender Rechtssatz zu entnehmen:

Aus § 68 Abs.1 AVG ist das im Verwaltungsverfahren geltende Prinzip abzuleiten, dass über ein und dieselbe Verwaltungssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit dem Bescheid unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der res iudicata entgegen (vgl VwGH vom 9. Oktober 1998, 96/19/3364 uva).

Ein verfahrensrechtlicher Bescheid, mit dem der Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 50-WBH 35264/15, vom 16.6.2015 formell aufgehoben worden wäre, existiert nicht. Da es sich um einen Bescheid handelte, mit dem der Antrag auf Wohnbeihilfe abgewiesen wurde, ist aus dem Bescheid niemandem ein Recht erwachsen. Somit hätte die Behörde Gelegenheit gehabt, diesen mittels eines verfahrensrechtlichen Bescheides gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufzuheben. Die belangte Behörde hat jedoch ohne, dass der Beschwerdeführer einen neuen Antrag wegen geänderter Voraussetzungen gestellt hätte und ohne dass sie von § 68 Abs. 2 AVG Gebrauch gemacht hätte, noch einmal über den Antrag vom 28.5.2015 entschieden.

Da der Bescheid vom 16.6.2015 bereits in Rechtskraft erwachsen war, stand der Erlassung des weiteren Bescheides vom 03.08.2015 über denselben Antrag diese Rechtskraft entgegen. Damit aber bestand keine Zuständigkeit mehr, eine weitere Entscheidung in derselben Sache zu erlassen. Dies gilt umso mehr, als noch einmal ein gleichlautender Bescheid erlassen worden ist und somit im Ergebnis nicht nur keine Aufhebung, sondern auch keinerlei Abänderung vorliegt. Auch aus diesem Blickwinkel wurde den Vorgaben des § 68 Abs. 2 AVG nicht entsprochen, wo von Aufhebung oder Abänderung die Rede ist.

Bemerkt wird, dass auch in der materiellen Rechtsvorschrift (WWFSG 1989) keine Rechtsgrundlage dafür zu finden ist, einen abweisenden Bescheid abzuändern. Vielmehr sieht § 21 Abs. 3 lediglich die Änderung oder den Verlust des Anspruches bzw. § 21 Abs. 4 wird das Erlöschen des Anspruches unter gewissen Voraussetzungen vor. Das bedeutet aber, dass nur im Falle einer gewährten Wohnbeihilfe ein direkter Eingriff in bestehende Wohnbeihilfebezugsrechte durch Änderung-oder Einstellungsbescheid in Betracht kommt. Im Falle eines abgewiesenen Antrages auf Gewährung von Wohnbeihilfe kommt jedoch nur die Aufhebung des Abweisungsbescheides mittels eines verfahrensrechtlichen Bescheides (§ 68 Abs. 1 oder § 69 Abs. 2 AVG) oder die Einbringung eines neuen Antrages auf Wohnbeihilfe wegen geänderter Voraussetzungen in Betracht.

Mangels Zuständigkeit der belangten Behörde, den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 03.08.2015, Zl. WBH-44887/15, über die neuerliche Abweisung des Antrags auf Gewährung von Wohnbeihilfe vom 28.05.2015 zu erlassen, war der angefochtene Bescheid einerseits wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde infolge des Prozesshindernisses des Wiederholungsverbotes aufzuheben, andererseits konnte jedoch dem Begehren des Beschwerdeführers, ihm Wohnbeihilfe zuzuerkennen und damit eine neue Sachentscheidung zu treffen, keine Folge gegeben werden. Für eine inhaltliche Überprüfung, ob sein Antrag auf Wohnbeihilfe zu Recht abgewiesen wurde, hätte der Beschwerdeführer schon den Bescheid vom 16.6.2015 mit Beschwerde anfechten müssen, worüber er in dessen Rechtsmittelbelehrung auch richtig und vollständig informiert wurde. Da er dies verabsäumt hat, kann auch durch die unzuständigerweise und somit rechtswidrig erfolgt Erlassung eines neuen und gleichlautenden Bescheides die Rechtsmittelfrist für eine reformatorische Rechtmäßigkeitskontrolle, ob subjektive Rechte verletzt wurden, nicht neu in Gang gesetzt werden. Da jedoch die Beschwerde gegen diesen weiteren Bescheid rechtzeitig, formgerecht und somit zulässig erhoben wurde, konnte das Verwaltungsgericht Wien zwar mit Erkenntnis (und nicht bloß mit Beschluss entscheiden) und den angefochtenen Bescheid vom 03.08.2015 aufheben, jedoch – da auch das Verwaltungsgericht Wien an die Rechtskraft des ersterlassenen Bescheides vom 16.06.2016 gebunden ist – den Bescheid vom 03.08.2015 nicht auf seine Rechtsrichtigkeit in Bezug auf das geltend gemachte subjektive Recht auf Wohnbeihilfe inhaltlich prüfen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Verfahrensrecht; Wohnbeihilfe, Antrag, Wiederholungsverbot, ne bis in idem, entschiedene Sache, erledigte Sache, res judicata, Rechtskraft, Unanfechtbarkeit, Aufhebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2016:VGW.241.044.RP25.12563.2015

Zuletzt aktualisiert am

29.11.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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