Entscheidungsdatum
01.08.2016Index
L83009 Wohnbauförderung WienNorm
WWFSG 1989 §2 Z1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Landesrechtspfleger OAR Neustifter über die Beschwerde des Herrn R. H. vom 27.06.2016 gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 10.06.2016, Zl. MA 50/WBH - 29960/16
zu Recht e r k a n n t:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Entscheidungsgründe
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der Magistratsabteilung 50 vom 27.06.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 27.05.2016 auf Gewährung einer Wohnbeihilfe abgewiesen.
In der Begründung wurde ausgeführt, dass gemäß § 60 Abs. 1 WWFSG 1989 der Mieterin bzw. dem Mieter einer nicht nach §§ 20 ff geförderten Wohnung auf Antrag mit Bescheid Wohnbeihilfe zu gewähren sei, sofern er diese Wohnung zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses verwendete. Da es sich im gegenständlichen Fall des Objekts in Wien, F.-gasse …/3, um ein Atelier handle, sei der Antrag abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Abweisungsbescheid hat der Beschwerdeführer frist- und formgerecht eine Beschwerde eingebracht, in der er im Wesentlichen Folgendes ausführt:
Beschwerde erhebe er, da - wie im Bescheid selbst zu lesen sei - Wohnbeihilfe zu gewähren sei, sofern die angegebene Wohnung ausschließlich zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses regelmäßig verwendet werde. Dies sei der Fall, daher sei der Bescheid rechtswidrig und sein Antrag zu Unrecht abgewiesen worden. Der Gesetzgeber liege den Wohnzweck als Kriterium fest und nicht die Bezeichnung im Mietvertrag.
Bereits im ersten Antrag vom 20.05.2016 habe er darauf hingewiesen, dass der Mietvertrages zwar Atelier als Mietgegenstand aufweise, das Objekt aber seit dem Einzug 1984 immer als Wohnung verwendet worden sei, auch wenn Teile der Wohnung während des Bestehens seiner Selbstständigkeit als Unternehmensberater auch als Büro verwendet worden sei. Diese Firma sei im Dezember 2015 geschlossen worden und seither - daher auch zur Zeit der Antragstellung auf Wohnbeihilfe - würden die Räume der Wohnung F.-gasse …/3a zu 100 % als Wohnung benutzt.
Ursprung der Bezeichnung Atelier sei die Übernahme zweier Wohnungen im Jahr 1984, und zwar F.-gasse …/3a und F.-gasse …/5, gewesen, wobei 3a als Büro/Atelier und 5 als Wohnung gedacht gewesen wären. Nach der durch Scheidung bedingten Abgabe des Mietvertrages seinerseits von Wohnung Top 5, sei der bestehende Mietvertrag aus Kostengründen nicht verändert worden, daher sei Top 3a nach wie vor im Vertrag als Atelier geführt, obwohl er dort immer schon gewohnt habe. Dieser Umstand war auch klar dargelegt durch die Bezeichnung Wohnzweck auf der Vorschreibung der Miete durch die Hausverwaltung. Die derzeitige Hausverwaltung habe jedoch erst seit 2 Jahren die Verwaltung des Objektes F.-gasse übernommen und sei daher mit der Historie nicht vertraut, habe daher auf Anfrage der MA 50 nur den Vertragstitel „Atelier“ bestätigt, ihm jedoch ein ordnungsgemäß ausgefülltes und gestempeltes Formular zum Antrag zur Verfügung gestellt. Er habe extra seine Telefonnummer und E-Mail-Adresse der Antragstellung angegeben, um Missverständnisse kurzfristig aufklären zu können.
Darüber hinaus habe er das Nachreichen des gestempelten Formulars der Hausverwaltung und der Bank persönlich vorgenommen und die Sachbearbeiterin der MA 50 nochmals über den Sachverhalt aufgeklärt und angeboten Fotos beizubringen oder eine persönliche Begehung zu machen, die eindeutig sicherstellen würden, dass besagtes Objekt eine Wohnung sei und zu keinerlei beruflicher Nutzung mehr geeignet sei. Als Bezieher von Notstandshilfe übe er derzeit auch keine berufliche Tätigkeit aus. Die Sachbearbeiterin habe den stellvertretenden Abteilungsleiter im Nebenzimmer zweimal kontaktiert, es seien aber alle Entscheidungshilfen und Bescheinigungsmittel des Beschwerdeführers abgewiesen und im keinerlei Möglichkeit gegeben worden, den Sachverhalt mit dem offenbar Entscheidungsbefugten umfassend und direkt zu klären.
Aus diesen Gründen ersuche der Beschwerdeführer das zuständige Verwaltungsgericht um Aufhebung des ablehnenden Bescheides und Erstellung einer neuen, antragstattgebenden Entscheidung.
Die belangte Behörde führte mit Schreiben vom 8.7.2016 im Rahmen ihres Vorlageberichtes zur Beschwerde aus, dass der Antrag abgewiesen worden sei, da laut Mietvertrag ein Atelier angemietet worden sei. Auf dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Meldezettel scheine die Meldung für Tür 3a und 5 auf. Der Mietvertrag sei für die Tür 3a über vermietete Geschäftsräume in Atelierform abgeschlossen. Von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung habe die belangte Behörde Abstand genommen.
Folgender Sachverhalt wurde festgestellt:
Im vorliegenden Fall ist es unbestritten, dass der Beschwerdeführer im antragsgegenständlichen Zeitraum ein Einkommen (Notstandshilfe) in der Höhe von täglich 32,45 Euro, entsprechend einem Monatseinkommen von 973,50 Euro, bezieht.
Der Hauptmietzins beträgt monatlich 325,77 Euro, die Betriebskosten 88,61 Euro, die Wasser- und Kanalgebühr 20,94 Euro, jeweils ohne 10% Umsatzsteuer, die somit 43,53 Euro beträgt.
Weiters geht aus den Beschwerdeausführungen hervor, dass die tatsächliche Nutzung des Bestandsobjektes durch den Beschwerdeführer ausschließlich zu Wohnzwecken erfolgt und eine gewerbliche Nutzung durch ihn nicht intendiert ist. Beweiswürdigend wird dies auch durch den Bezug einer Notstandshilfe vom AMS und durch die die Beendigung der vorigen selbständigen Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers untermauert. Somit sind lediglich im nicht verfahrensgegenständlichen Zeitraum bis 31.12.2015 Teile der Wohnung vom Beschwerdeführer als damaligem Unternehmensberater als Büro genutzt worden.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Gemäß § 60 Abs. 1 WWFSG 1989 ist, wenn der Mieter einer nicht nach §§ 20 ff geförderten Wohnung durch den Wohnungsaufwand unzumutbar belastet ist, diesem auf Antrag mit Bescheid Wohnbeihilfe zu gewähren, sofern der Mieter und die und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen ausschließlich diese Wohnung zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses regelmäßig verwenden. Die Nutzflächeneinschränkung im Sinne des § 2 Z. 1 leg. cit. ist nicht anzuwenden.
Gemäß § 2 Z. 1 WWFSG gilt als Wohnung iSd Gesetzes eine zur ganzjährigen Bewohnung geeignete, baulich in sich abgeschlossene, den Bauvorschriften entsprechend ausgestattete Wohnung, deren Nutzfläche, ausgenommen bei Wohngemeinschaften in behindertengerecht ausgestatteten Wohnungen, nicht mehr als 130 m2, bei mehr als fünf im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen nicht mehr als 150 m2 beträgt.
Gemäß § 2 Z. 2 WWFSG gelten als Geschäftsräume jedwede Art von Räumlichkeiten für Zwecke von Handels- und Gewerbebetrieben und für die Ausübung freier Berufe bzw. der sozialen Bedürfnisse der Wohnbevölkerung sowie für Einrichtungen der Stadt Wien.
Bei dem verfahrensgegenständlichen Mietobjekt handelt es sich aufgrund des vorliegenden Mietvertrages um ein Atelier. Im verwendeten Mietvertragsformular (Vordruck) sind unter § 1 jene Zeilen, in denen es um die allfällige Vermietung einer Wohnung geht, gestrichen. Der Text des § 1 beginnt daher erst damit, dass Geschäftsräume, bestehend aus einem Atelier samt Nebenräumen, in Wien, F.-gasse Top 3a, vermietet werden.
Bei einem Mietvertrag handelt es sich um einen Konsensualvertrag, der durch die erklärte Willensübereinstimmung der Vertragsparteien zustande kommt (siehe Koziol/Welser, Bürgerliches Recht, Band I, S. 166 und Band II, S. 201, 12. Aufl., Manz Wien, 2001).
Aus dem Mietvertrag geht hervor, dass der Mietgegenstand nur zum Betrieb eines Ateliers verwendet werden darf. Eine Änderung des Verwendungszweckes bedarf gemäß § 1 Ziffer 2 des Mietvertrages der Schriftform. § 9 Ziffer 2 des Mietvertrages bestimmt überdies, dass Abänderungen dieses Vertrages nur schriftlich erfolgen können.
Damit wird ihm Mietvertrag selbst wiederholt und ganz eindeutig eine bestimmte Form, nämlich die Schriftlichkeit, ausdrücklich vereinbart, sodass abändernde Regelungen in anderer Form (zumindest noch) nicht gültig zustande kommen. Eine solche dispositive Vereinbarung zwischen den Parteien bewirkt, dass sonstige Formen des Zustandekommens einer Zweckänderung oder sonstigen Vertragsänderung nicht durch andere konsensuale Willenserklärungen der Parteien (z.B. mündlich, durch Zeichen, Stillschweigen oder schlüssige Handlungen) bewirkt werden. Vielmehr bewirken andere als in Schriftform zum Ausdruck gebrachte konsensuale Willenserklärungen - wenn überhaupt - im günstigsten Fall eine Vorvereinbarung, die auf einen schriftlichen – und erst damit inhaltlich bindenden – Abschluss einer Zweck- bzw. Vertragsänderung gerichtet ist.
Nach Teschl/Hüttner, Kurzkommenentar zum Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz, WWFSG 1989 (2002), Anm. 5) zu Z. 2, werden keine weiteren inhaltlichen Abgrenzungskriterien zur inhaltlichen Begriffsbestimmung zwischen Wohn- oder Geschäftsräumlichkeiten getroffen, sondern lediglich die Geschäftsräumlichkeiten selbst inhaltlich definiert.
Zur inhaltlichen Klärung, ob es sich bei einem als „Atelier“ bezeichneten Mietgegenstand um eine Geschäftsräumlichkeit oder eine Wohnung handelt, ist daher auf die zur Bundesgesetz vom 12. November 1981 über das Mietrecht (Mietrechtsgesetz - MRG) ergangene Judikatur zu verweisen.
Bereits die Entscheidung LGZ Wien 19.10.1983, GZ 41 R 608/83 (Mietslg. XXXV/43) stellt fest, dass es nicht entscheidend sei, ob ein vermietetes Objekt im Hinblick auf seine Widmung als Atelier ursprünglich als Geschäftsräumlichkeit anzusehen sei, da ausschließlich darauf abzustellen sei, zu welchem Zweck es dem Mieter überlassen worden sei. Da im vom LGZ Wien entschiedenen Fall die Überlassung zu Wohnzwecken erfolgt sei, sei das Objekt daher als Wohnung anzusehen gewesen.
Daraus folgt jedoch argumentum e contrario – also im Umkehrschluss - dass im konkret dem Verwaltungsgericht Wien vorliegenden Beschwerdefall, in dem die Überlassung im Sinne des konsensualen Rechtsgeschäftes Mietvertrag zum „Betrieb eines Ateliers“, also zu Geschäftszwecken, erfolgt ist, das Objekt als Geschäftsobjekt anzusehen ist.
Diese Judikaturlinie wird in der Entscheidung OGH 11.02.1986, GZ 5 Ob 112/85 = HS 16.787 = JBl 1986 255 (mit Anm. Hanel) sowie RdW 1986, 142 (mit Anm. Iro) weitergeführt. In seiner Leitsatzentscheidung betonte der OGH, dass sich die Qualifizierung, ob ein Mietgegenstand als Wohnung oder als Geschäftsraum zu betrachten ist, nach der Parteienabsicht bei Abschluss des Mietvertrages oder einer späteren einvernehmlichen Zweckbestimmung richtet, nicht nach einer bauordnungsgemäßen Widmung als „Atelier“. So auch das LGZ Wien in seiner Entscheidung GZ 41 R 691/89 vom 18.3.1990 (MietSlg 42.408).
Im vorliegenden Fall ist aufgrund des Mietvertrages, der ausschließlich eine Nutzung als Atelier und somit als Geschäftsräumlichkeit festlegt, von einer eindeutigen Absicht der Vertragsparteien, das Bestandsobjekt ausdrücklich als Atelier und eben nicht zu Wohnzwecken zu nutzen, auszugehen. Eine Abänderung des Verwendungszweckes bzw. des Mietvertrages in der erforderlichen Schriftform liegt nicht vor und sind daher die in die Richtung einer Abänderung seitens des Beschwerdeführers vorgebrachten Argumente und vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend im Sinne einer schriftlichen Vertrags- bzw. Verwendungsänderung. Eine einseitige Anführung des Wortes „Wohnzweck“ in der Mietvorschreibung der Hausverwaltung erfüllt – abgesehen davon, dass darin nicht unreflektiert ein Anbot des Vermieters (allfällige andere Interpretationsmöglichkeiten iSd § 863 Abs. 1 ABGB sind durchaus denkbar, etwa eine Duldung der Nutzung für Wohnzwecke ohne Absicht der vertraglichen Zweckänderung) zur Zweck- bzw. Vertragsänderung erblickt werden kann – zumindest für sich allein betrachtet nicht die ausdrücklich dispositiv vereinbarte Schriftform, die alle anderen Formen des Zustandekommens einer Zweck- bzw. Vertragsänderung ausschließt.
Das verfahrensgegenständliche Bestandsobjekt ist folglich als Atelier und somit als Geschäftsraum iSd § 2 Z. 2 WWFSG 1989 und nicht als Wohnung zu klassifizieren und kommt somit die Gewährung von Wohnbeihilfe unter Zugrundelegung dieser Gegebenheit nicht in Betracht, auch wenn der Beschwerdeführer die Räume zum Wohnen – mit oder ohne faktischer Duldung der Hausverwaltung bzw. der Hausinhabung - verwendet.
Der Beschwerde war daher mangels Wohnwidmung des Bestandsobjektes iSd § 2 Z 1 WWFSG 1989 keine Folge zu geben und der angefochtene zu Recht ergangene Bescheid zu bestätigen.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 3, 1. Satz, hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Das Verwaltungsgericht erachtete im vorliegenden Fall, in dem eine öffentliche mündliche Verhandlung weder vom Beschwerdeführer noch von der belangten Behörde beantragt wurde, eine solche auch nicht für erforderlich. Da unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer das Bestandsobjekt mit der konsensual schriftlich festgelegten Zweckwidmung als Atelier tatsächlich zum Wohnen benützt, der Verwendungszweck jedoch nicht in der erforderlichen schriftlichen Form, die ebenfalls im Bestandsvertrag ausdrücklich zwischen den Bestandsvertragsparteien vereinbart wurde, geändert wurde, hätte selbst im Fall einer beantragten öffentlichen mündlichen Verhandlung die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lassen. Letztlich stellte sich bei klarem aktenmäßig von der belangten Behörde erhobenem Sachverhalt lediglich die reine Rechtsfrage, ob eine konsensuale Zweckänderung in der dafür im Rahmen des dispositiven Rechtes vereinbarten schriftlichen Form erfolgt ist.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte daher entfallen.
Schlagworte
Wohnbeihilfe; Wohnung, Geschäftsraum, Atelier, Zweck, WidmungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2016:VGW.241.044.RP25.8831.2016Zuletzt aktualisiert am
29.11.2017