Entscheidungsdatum
11.09.2017Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §74 Abs1Text
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Landesrechtspflegerin Ott über die Beschwerde des Herrn T. M., vertreten durch RA, vom 03.08.2017, gegen die Vollstreckungsverfügung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Buchhaltungsabteilung 35, vom 30.06.2017, Zahlungsreferenz 271644610099, Kundennummer ... (zugrundeliegend das rechtskräftige Verwaltungsstrafverfahren zur Zahl MBA .. - S 27595/16),
I./
IM NAMEN DER REPUBLIK
zu Recht e r k a n n t:
Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die angefochtene Vollstreckungsverfügung bestätigt.
II./ den
BESCHLUSS
gefasst:
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG wird der Antrag vom 03.08.2017 auf Kostenersatz nach § 35 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.
ad. I./
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang und maßgeblicher Sachverhalt:
Mit (nicht verfahrensgegenständlichem) Straferkenntnis vom 18.10.2016, Zl. MBA .. – S 27595/16 wurden über den Beschwerdeführer wegen zwei Übertretungen nach § 33 Abs. 1 in Verbindung mit § 111 Abs. 1 Z 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) gemäß § 111 Abs. 2 erster Strafsatz leg. cit. in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG zwei Geldstrafe in der Höhe von je EUR 730,- (je 2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe im NEF) verhängt. Zudem wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von EUR 146,- auferlegt und ausgesprochen, dass die B. LTD & Co KG für die über den Beschwerdeführer verhängten Geldstrafen von insgesamt EUR 1460,- samt Verfahrenskosten in Höhe von EUR 146,- sowie für sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand hafte.
Die Zustellung des voran genannten Straferkenntnisses war durch den Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, mit Rückscheinbrief RSb an die Abgabestelle des Beschwerdeführers in Wien, V.-gasse, sowie an die haftungspflichtige „B. LTD & Co KG“ in Wien, N.-Straße angeordnet worden. Die an den Beschwerdeführer gerichtete RSb-Sendung wurde nach einem erfolglosen Zustellversuch am 20.10.2016 an der Abgabestelle des Beschwerdeführers in Wien, V.-gasse, bei der zuständigen Postgeschäftsstelle am 21.10.2016 hinterlegt und letztlich – mangels Behebung - an das Magistratische Bezirksamt für den ... Bezirk retourniert. Die für die „B. LTD & Co KG“ bestimmte Ausfertigung des Straferkenntnisses vom 18.10.20166 wurde laut Zustellnachweis RSb am 21.10.2016 durch einen „Arbeitgeber/Arbeitnehmer“ übernommen.
Mit der nunmehr angefochtenen Vollstreckungsverfügung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Buchhaltungsabteilung 35, vom 30.06.2017, Zahlungsreferenz 271644610099, Kundennummer ..., wurde die Zwangsvollstreckung zur Einbringung des Gesamtbetrages in der Höhe von EUR 1.606,- gemäß § 3 und § 10 VVG verfügt.
Die angefochtene Vollstreckungsverfügung enthält folgende Zusatzinformationen:
„Vollstreckungsverfügung Verwaltungsstrafen für:
M. T., geb: 1977
Die rechtskräftige Strafe zu GZ MBA .. – S 27595/16 vom 18.10.2016
wegen Verletzung folgender Rechtsvorschrift(en):
Übertretung(en) gem. ASVG, § 111, Abs.-
am 08.01.2016
wurde bis heute nicht bezahlt.
Zahlungsgrund Betrag
in EUR
____________________________________________________________
Geldstrafe 1.460,00
Kosten 146,00
zu zahlender Gesamtbetrag 1.606,00“
Der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer führt in seinem gegen die spruchgegenständliche Vollstreckungsverfügung vom 30.06.2017, eingebrachten Rechtsmittel wie folgt aus:
„
I. VOLLMACHTSBEKANNTGABE
In umseitiger Verwaltungssache gibt der Einschreiter bekannt, dass er Rechtsanwalt … mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt und diesem Vollmacht erteilt hat.
Der Einschreiter ersucht, sämtliche Zustellungen zu Handen des bevollmächtigten Rechtsanwaltes vorzunehmen.
II.
Über den ausgewiesenen Rechtsvertreter erhebt der Einschreiter gegen die Vollstreckungsverfügung vom 30.06.2017 (Zahlungsreferenz 271644610099), zugestellt am 13.07.2017 – welche auf Strafe zu GZ: MBA .. – S 27595/16 Bezug nimmt - , ninnen offener Frist nachstehende
BESCHWERDE
an das Verwaltungsgericht und begründet diese wie folgt:
Als Gründe für die Beschwerde werden Rechtswidrigkeit infolge Verletzung der Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.
1. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung der Verfahrensvorschriften
Die bezughabende Strafe zu GZ: MBA.. – S 27595/16 der angefochtenen Vollstreckungsverfügung wurde dem Einschreiter niemals schriftlich zugestellt. Dem Einschreiter ist nicht bekannt, wofür die genannte Strafe verhängt wurde.
Der Einschreiter wohnte vom 20.08.2015 bis 10.11.2016 in V.-gasse, Wien. Seit 10.11.2016 wohnt der Einschreiter in S.-gasse, Wien.
Womöglich wurde die schriftliche Verfügung über die Strafe an eine andere (alte) Adresse zugestellt. Möglicherweise wurde die Strafe an die Adresse der B. LTD & Co KG, in N.-Straße, Wien zugestellt (oder sonst wo hin). Diese Adressen stellen aber keine wirksame Abgabestelle des Einschreiters dar, sodass keine rechtswirksame Zustellung der Strafe zu GZ: MBA .. – S 27595/16 an den Einschreiter erfolgte.
Dem Einschreiter wurde dadurch sein rechtliches Gehör im Verfahren entzogen. Das gegenständliche Verfahren ist daher nichtig.
Beweis: Meldezettel (Beilage ./1)
Parteieneinvernahme
2. Zur Rechtswidrigkeit des Inhalts
Der Einschreiter arbeitete im Zeitraum April 2014 bis Jänner 2016 als Bauarbeiter bei der zwischenzeitig insolventen Gesellschaft B. LTD & Co KG.
Faktisch übte er keine Geschäftsführerfunktionen aus, zumal die Gesellschaft einen faktischen Geschäftsführer, Herrn R. D., geb. 1962, B.-Straße, Wien hatte. Der Einschreiter hatte auch kein „Pouvoir“ irgendwas für die B. LTD & Co KG zu entscheiden. Stattdessen unterlag er einer Weisungsbefugnis des Herrn R. D..
Der Einschreiter hatte während seiner Tätigkeit als Bauarbeiter für die B. LTD & Co KG den an sich vereinbarten vollständigen Lohn (€ 1.900,00) lediglich 2x erhalten; stattdessen hat er üblicherweise monatlich lediglich einen Betrag von € 200,00 bis € 500,00 erhalten.
Der Einschreiter war überdies Kommanditist der B. LTD & Co KG mit einer Einlage von € 100,00. Aus dieser Stellung als Kommanditist bezog der Einschreiter allerdings keine Einkünfte.
Aufgrund seiner Stellung als Kommanditist wurde gegen den Einschreiter im Zusammenhang mit diversen Finanzordnungswidrigkeiten ermittelt. Im Zuge dieses Ermittlungsverfahrens stellte sich allerdings zwischenzeitig heraus, dass die dem Einschreiter zur Last gelegte Tat von ihm nicht begangen wurde.
Gerade im Gegenteil: Der Einschreiter wurde selbst Opfer einer Straftat.
Übedies ist die verhängte Strafe unter Berücksichtigung der Schuld des Täters unverhältnismäßig hoch. Für die Verhängung derart hoher Strafe sprechen allerdings keine spezial- bzw. generalpräventiven Gründe.
Die angefochtene Vollstreckungsverfügung ist auch der Höhe nach rechtswidrig.
Beweis: Firmenbuchauszug B. LTD & Co KG (Beilage ./2);
Beschuldigtenvernehmung (Beilage ./3);
Einstellungsbescheid (Beilage ./4);
Parteieneinvernahme
3. Antrag
Der Beschwerdeführer stellt sohin den
ANTRAG,
das Verwaltungsgericht möge in der Sache selbst entscheiden, der Beschwerde Folge geben,
1. die angefochtene Vollstreckungsverfügung sowie die bezughabende Strafe zu GZ: MBA .. – S 27595/16 ersatzlos aufheben und das Verfahren einstellen,
in eventu
2. im Verfahren über diese Beschwerde eine öffentlich mündliche Verhandlung durchführen und nach Verfahrensergänzung eine neuerliche Entscheidung in der Sache treffen,
in eventu
3. die angefochtene Vollstreckungsverfügung sowie die bezughabende Strafe zu GZ: MBA .. – S 27595/16 aufheben und die Sache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückverweisen.
und jedenfalls
4. den Rechtsträger der belangten Behörde gemäß § 35 VwGVG zum Kostenersatz verhalten, wobei an Kosten ein Schriftsatzaufwand gemäß anwendbaren Aufwandersatzverordnung samt allfälligen Kosten für Eingabegebühren geltend gemacht und Anträge auf Erstattung von Verhandlungsaufwand gemäß anwendbaren Aufwandersatzverordnung und Fahrtkosten sowie von Beteiligtengebühren nach § 26 VwGVG iVm den Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes vorbehalten werden.
T. M.“
Die Beschwerde wurde unter Anschluss des Bezug habenden Vollstreckungsaktes zur Zahl 10/2619210, 2716446 zur Entscheidung an das Verwaltungsgericht Wien am 08.08.2017 (einlangend) vorgelegt.
Beigeschafft wurde der Verwaltungsstrafakt zur Zahl MBA .. – S 27595/16.
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, soweit für gegenständliches Verfahren von Relevanz, Folgendes:
Mit (nicht verfahrensgegenständlichem) Straferkenntnis vom 18.10.2016, Zl. MBA .. - S 27595/16, verhängte das Magistratische Bezirksamt für den ... Bezirk über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt EUR 1460,- (insgesamt 4 Tage Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfall) wegen zweier Übertretungen nach § 33 Abs. 1 in Verbindung mit § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG. Zudem wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von EUR 146,- auferlegt und ausgesprochen, dass die B. LTD & Co KG für die über den Beschwerdeführer verhängten Geldstrafen von insgesamt EUR 1460,- samt Verfahrenskosten in Höhe von EUR 146,- sowie für sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand haftet.
Dieses Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer gemäß dem im Verwaltungsstrafakt einliegenden postamtlichen RSb-Abschnitt durch Hinterlegung am 21.10.2016 (Beginn der Abholfrist) zugestellt. Der Beschwerdeführer erhob weder Beschwerde noch zahlte er die Verwaltungsstrafe.
Am 07.02.2017 langte beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, folgender Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 01.02.2017 ein:
„Abgabenart: Verwaltungsstrafen
Abgabekontonummer: 10/2619210 u.a.
Gegen diese Strafverfügung
Ich erhebe gegen der Strafverfügung vom 20.12.2016 Einspruch bis es zum Urteilt kommt.
Begründung:
Ich war ein Opfer in einem Betrug.
Beilage:
Befinden sich im Anhang
T. M.“
Der Eingabe vom 01.02.2017 waren eine Kopie der Vernehmung des Beschwerdeführers als Beschuldigter der LPD Wien, Landeskriminalamt Wien, vom 19.01.2017, eine Kopie des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien, MA 6, Buchhaltungsabteilung 35, Abgabenart: Verwaltungsstrafen, Abgabenkontonummer: 10/2619210 u.a., vom 20.12.2016 über die Pfändung und Überweisung von Bezügen aus Dienst- und Arbeitseinkommen (Lohnpfändung) an die Firma F. GmbH als Drittschuldnerin, mit welchem die Drittschuldnerin aufgefordert wurde, die gepfändete Forderung betreffend den Beschwerdeführer in Höhe von (insgesamt) EUR 1893,36 an die MA 6 zu überweisen sowie eine Kopie des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien, MA 6, Buchhaltungsabteilung 35, Abgabenart: Verwaltungsstrafen, Abgabenkontonummer: 10/2619210 u.a. über Gebühren und Barauslagen (Spruchpunkt I) und Verfügungsverbot (Spruchpunkt II) vom 20.12.2016 samt Rückstandsausweis vom 20.12.2016, mit welchem dem Beschwerdeführer die im Zuge gegen ihn geführten Vollstreckungsmaßnahmen mit Beginn der Amtshandlung fällig gewordene Gebühren und Barauslagen gemäß § 26 Abgabeexekutionsordnung in Höhe von insgesamt 27,36 Euro vorgeschrieben und ein Verfügungsverbot ausgesprochen wurde, angefügt. Aus Spruchpunkt I des zuletzt genannten Bescheides der MA 6 ist neben dem Gesamtbetrag der vorgeschriebenen Pfändungsgebühr und Barauslagen und dessen Zusammensetzung zu entnehmen, dass der Gesamtbetrag (27,36 Euro) gleichzeitig mit der übrigen Schuld vollstreckt wird. Laut Rechtsmittelbelehrung des zuletzt genannten Bescheides der MA 6 (hinsichtlich Spruchpunkt I) kommt der Beschwerde gegen diesen Bescheid keine aufschiebende Wirkung zu.
Dem ebenfalls vom Beschwerdeführer mit Eingabe vom 01.02.2017 an das Magistratische Bezirksamt für den ... Bezirk in Kopie übermittelten Rückstandsausweis der MA 6, Buchhaltungsabteilung 35 vom 20.12.2016 ist Folgendes zu entnehmen:
„Verwaltungsstrafen
M. T.
Geburtsdatum: 1977
Wien, V.-gasse
Abg/Kto-Nr Protokoll- Bescheid- Rechtskraft Straf- Zwangs-
zahl datum: seit: betrag verfahrens-
gebühren
Straf-
Kosten
10/2619210 MBA ..- 04.08.16 24.05.16 260,00 0,00
S 31202/16 0,00
10/2716446 MBA ..- 18.10.16 03.12.16 1460,00 0,00
S 27595/16 146,00
Gesamt: 1866,00
Dieser Rückstand ist vollstreckbar.“
Aus dem Aktenvermerk des MBA .. vom 16.02.2017 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer am selben Tag in Begleitung einer Vertrauensperson Akteneinsicht genommen hat.
Der „Einspruch“ des Beschwerdeführers vom 01.02.2017 wurde sodann vom MBA .. an die Magistratsabteilung 6, BA 35, weitergeleitet, da von der Verwaltungsstrafbehörde angenommen wurde, dass sich die Eingabe vom 01.02.2017 auf den Bescheid über Gebühren und Barauslagen der MA 6 vom 20.12.2016 beziehe (der Beschwerdeführer habe im Zuge seiner Akteneinsicht am 16.02.2017 angegeben, dass sich der Einspruch auf eine Strafverfügung der LPD Wien beziehe).
Auf Ersuchen des Verwaltungsgerichtes Wien übermittelte die Magistratsabteilung 6, Buchhaltungsabteilung 35, am 07.09.2017 den Zustellnachweis des Bescheides vom 20.12.2016, Abgabenart: Verwaltungsstrafen, Abgabenkontonummer: 10/2619210 u.a., über Gebühren und Barauslagen samt Verfügungsverbot, wonach dieser laut Rückschein RSb am 27.01.2017 durch Hinterlegung an den Beschwerdeführer zugestellt wurde.
Rechtslage
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Nach § 50 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 27 VwGVG hat, soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§9 Abs. 3) zu überprüfen.
Die maßgeblichen Bestimmungen des VVG lauten wie Folgt:
„Eintreibung von Geldleistungen
§ 3. (1) Die Verpflichtung zu einer Geldleistung ist in der Weise zu vollstrecken, dass die Vollstreckungsbehörde durch das zuständige Gericht nach den für das gerichtliche Exekutionsverfahren geltenden Vorschriften die Eintreibung veranlasst. In diesem Fall schreitet die Vollstreckungsbehörde namens des Berechtigten als betreibenden Gläubigers ein. Die Vollstreckungsbehörde kann die Eintreibung unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über die Einbringung und Sicherung der öffentlichen Abgaben selbst vornehmen, wenn dies im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist.
(2) Der Vollstreckungstitel muss mit einer Bestätigung der Stelle, von der er ausgegangen ist, oder der Vollstreckungsbehörde versehen sein, dass er einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht mehr unterliegt (Vollstreckbarkeitsbestätigung). Einwendungen gegen den Anspruch im Sinne des § 35 der Exekutions-ordnung – EO, RGBl. Nr. 79/1896, sind bei der Stelle zu erheben, von der der Vollstreckungstitel ausgegangen ist.
(3) Natürliche Personen, juristische Personen des Privatrechts sowie der Bund, die Länder und die Gemeinden können die Eintreibung einer Geldleistung unmittelbar beim zuständigen Gericht beantragen. Andere juristische Personen des öffentlichen Rechts können dies nur, soweit ihnen zur Eintreibung einer Geldleistung die Einbringung im Verwaltungsweg (politische Exekution) gewährt ist.
Verfahren
§ 10. (1) Auf das Vollstreckungsverfahren sind, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, der I. Teil, hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung die §§ 58 Abs. 1 und 61 und der 2. und 3. Abschnitt des IV. Teiles des AVG sinngemäß anzuwenden.
(2) Die Beschwerde beim Verwaltungsgericht gegen die Vollstreckungsverfügung hat keine aufschiebende Wirkung.“
Nach § 2 Z 4 des Zustellgesetzes - ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 (in der Neunummerierung nach dem Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz 2007, BGBl. I Nr. 5/2008; ehemals Z 5 in der gleichlautenden Fassung des BGBl. I Nr. 10/2004), ist eine "Abgabestelle" im Sinne des ZustG definiert als "die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort."
Gemäß § 5 leg. cit. ist die Zustellung von der Behörde zu verfügen, deren Dokument zugestellt werden soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlich sonstigen Angaben zu machen.
§ 17 Zustellgesetz (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982, in der (rückwirkend) seit 1.1.2008 in Kraft stehenden Fassung (BGBl. I Nr. 5/2008), samt Überschrift lautet auszugsweise:
"Hinterlegung
§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in der selben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(2) Der Empfänger ist von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. […]
(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereit gehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte."
(4) …"
Rechtliche Beurteilung
Voraussetzung für eine Vollstreckung ist, dass überhaupt ein entsprechender Titelbescheid vorliegt, dass dieser gegenüber dem Verpflichteten wirksam geworden ist und dass der Verpflichtete seiner Verpflichtung innerhalb der festgesetzten Frist und bis zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens nicht nachgekommen ist (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 19.9.1996, Zl. 96/07/0081 und die dort zitierte Vorjudikatur).
Die Vollstreckbarkeit des Titelbescheides ist grundsätzlich eine Folge der Rechtskraft und tritt somit im Zweifel erst mit dieser gemeinsam ein (vgl. VwGH 28.4.1992, Zl. 92/08/0078).
Als Titelbescheid ist im gegenständlichen Verfahren das voran genannte Straferkenntnis vom 10.10.2016, Zl. MBA ..-S 27595/16 anzusehen.
Die Zustellung des verfahrensgegenständlichen Titelbescheides des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 18.10.2016, Zl. MBA ..-S 27595/16 ist, insbesondere aufgrund der am Zustellnachweis RSb (öffentliche Urkunde) vermerkten Daten, nach einem erfolglosen Zustellversuch vom 20.10.2016 an der (damaligen) Abgabestelle des Beschwerdeführers in Wien, V.-gasse mit 21.10.2016 (Hinterlegung) bewirkt worden.
Die durch § 17 Abs. 3 ZustellG normierte Zustellwirkung der Hinterlegung wird lediglich durch eine Abwesenheit von der Abgabestelle ausgeschlossen, die bewirkt, dass der Empfänger wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Die Möglichkeit der Kenntniserlangung genügt; auf die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es nicht an.
Eine Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt des Zustellvorganges wurde im gesamten Verfahren nicht behauptet und bietet auch die Aktenlage in diese Richtung keinerlei Hinweise.
Der Beschwerdeführer hat im gegebenen Verfahren weder behauptet, geschweige denn konkret dargelegt, dass er gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk vom 18.10.2016 fristgerecht ein Rechtsmittel erhoben hätte.
Vielmehr ist – wie bereits dargelegt - das Straferkenntnis vom 18.10.2016 mangels Einbringung eines fristgerechten Rechtsmittels in Rechtskraft erwachsen und obliegt dem erkennenden Verwaltungsgericht Wien lediglich die Prüfung, ob im gegebenen Fall eine unzulässige Vollstreckung vorliegt.
Die Vollstreckung des Straferkenntnisses wäre etwa dann unzulässig, wenn die aufgetragene Verpflichtung bereits erfüllt worden wäre (siehe Erkenntnis des VwGH vom 14.12.2000, Zl. 99/07/0185).
Das Vorbringen des Beschwerdeführers bezieht sich vorwiegend auf das bereits rechtskräftig abgeschlossene Verwaltungsstrafverfahren zur Zahl MBA .. – S 27595/16. Hierzu ist zu bemerken, dass die Frage der Rechtsmäßigkeit des Titelbescheides im Vollstreckungsverfahren nicht mehr aufgegriffen werden kann (vgl. VwGH vom 20.1.1998, 97/11/0385 u.a.).
Im gegenständlichen Verfahren liegt ein rechtskräftiger Titelbescheid vor und wurde dieser gegenüber dem Verpflichteten rechtswirksam erlassen. Der Beschwerdeführer ist weiters seiner Verpflichtung zur Entrichtung des vorgeschriebenen Betrages (Verwaltungsstrafen in Höhe von insgesamt EUR 1460,- sowie Verfahrenskosten in Höhe von EUR 146,-) bis dato nicht nachgekommen. Ein Ansuchen des Beschwerdeführers um Zahlungserleichterung ist nicht aktenkundig, ebenso wenig wurde vom Beschwerdeführer bescheinigt dargelegt, dass sein eigener notwendiger Unterhalt oder der allfälliger Personen, für die er nach dem Gesetz zu sorgen hat, durch die zwangsweise Einbringung der Geldleistung gefährdet wird. Die Vollstreckung ist somit zulässig.
Der gegenständlichen Beschwerde war daher ein Erfolg zu versagen und wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Der EGMR hat in seiner Entscheidung vom 09.02.2006, Nr. 4533/02 (Freilinger u.a. gg Österreich) mwN, klargestellt, dass Annexverfahren, die keine Entscheidung in der Hauptsache enthalten, grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 MRK fallen. Das gilt auch für ein Vollstreckungsverfahren, das allein der Durchsetzung einer bereits im Titelverfahren getroffenen Entscheidung über ein civil right dient (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 16.03.2012, Zl. 2010/05/0090).
Im Hinblick auf die obigen Ausführungen hat das Verwaltungsgericht Wien von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung Abstand genommen.
ad. II./
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte mit Beschwerdeschriftsatz vom 03.08.2017 einen Antrag auf Kostenersatz gemäß § 35 VwGVG.
Hierzu wurde erwogen:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Maßnahmenbeschwerden).
Nach § 17 VwGVG sind - soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist - auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG und Art. 130 Abs. 2 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sinngemäß anzuwenden.
§ 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG samt Überschrift lautet:
"Anzuwendendes Recht
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörden in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.“
Gemäß § 17 VwGVG iVm § 74 Abs. 1 AVG hat jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenen Kosten selbst zu bestreiten.
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
Rechtlich folgt daraus:
Die gegenständliche Beschwerde (I./) richtet sich gegen die Vollstreckungsverfügung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Buchhaltungsabteilung 35, vom 30.06.2017, Zahlungsreferenz 271644610099, Kundennummer .... Gegenständlich handelt es sich somit um eine Beschwerde nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (sog. Bescheidbeschwerde).
Daher war für die Frage des Kostenersatzes im vorliegenden Fall § 17 VwGVG iVm § 74 Abs. 1 AVG maßgeblich.
§ 35 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes regelt hingegen die Kosten im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG (sog. Maßnahmebeschwerde).
Da es sich gegenständlich um eine Bescheidbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG handelt, ist § 35 VwGVG konsequenterweise nicht von Relevanz.
Da im vorliegenden Fall die Kostenbestimmung des § 17 VwGVG iVm § 74 Abs. 1 AVG zur Anwendung kommt, war der Antrag des Beschwerdeführers „auf Ersatz der ihm durch das Verfahren entstandenen Kosten“ nach § 35 VwGVG als unzulässig zurückzuweisen.
Schlagworte
Eintreibung von Geldleistungen; VollstreckungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.251.082.RP19.10998.2017Zuletzt aktualisiert am
29.11.2017