TE Vwgh Erkenntnis 2000/7/26 95/14/0162

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Veröffentlicht am 26.07.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1972 §9 Abs2 impl;
EStG 1988 §24 Abs2;
EStG 1988 §24;
EStG 1988 §37;
EStG 1988 §4 Abs1;
EStG 1988 §9 Abs2;
EStG 1988 §9;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Urtz, über die Beschwerde des S V in W, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 27, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat III, vom 17. Oktober 1995, 14/30/1-BK/Hp-1995, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein emeritierter Rechtsanwalt, war zu 34 % an einer in Form einer GesBR geführten Rechtsanwaltskanzlei beteiligt. Mit 30. September 1992 schied er aus der GesBR aus, wobei er seinen Mitunternehmeranteil an die verbleibenden Mitgesellschafter veräußerte.

Auf Grund des Ausscheidens des Beschwerdeführers aus der GesBR löste das Finanzamt die in den Jahren 1989 bis 1991 nach § 9 EStG gebildeten steuerfreien Beträge (idF: Investitionsrücklagen) anteilig auf und rechnete sie ohne Zuschläge dem laufenden Gewinn des Beschwerdeführers hinzu.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist strittig, ob der anlässlich der Veräußerung des Mitunternehmeranteiles gewinnerhöhend aufgelöste Anteil an den Investitionsrücklagen als laufender Gewinn oder als iSd §§ 24 und 37 EStG 1988 begünstigter Veräußerungsgewinn zu besteuern (nachzuversteuern) ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach ständiger hg Rechtsprechung ist die gewinnerhöhende Auflösung von Investitionsrücklagen auch im Fall einer Betriebsveräußerung dem laufenden Gewinn und nicht dem Veräußerungsgewinn zuzurechnen (vgl für viele das hg Erkenntnis vom 29. Juli 1997, 93/14/0037, mwA). Bei entgeltlicher Abtretung eines Mitunternehmeranteiles sind die Investitionsrücklagen anteilig gewinnerhöhend aufzulösen (vgl das hg Erkenntnis vom 8. März 1994, 91/14/0173, mwA).

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich durch die nachstehenden Beschwerdeausführungen nicht veranlasst, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

Der Beschwerdeführer vertritt den Standpunkt, durch die Auflösung der Investitionsrücklagen komme es zu einer Kumulierung der Einkünfte aus den Vorjahren. Es liege somit ein qualifizierter Anstau von Einkünften vor, die zusammengeballt im Streitjahr zu besteuern seien. Die Steuerpflicht von Investitionsrücklagen im Fall der Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe ergebe sich aus der Tatsache, dass es sich hiebei um bisher nicht besteuerte Gewinne bzw bisher nicht besteuertes Eigenkapital handle. Werde die Veräußerung seines Mitunternehmeranteiles weggedacht, so bestünde kein Anlass zur Nachversteuerung der Investitionsrücklagen, so lange die Behaltefrist des § 9 Abs 2 EStG noch nicht abgelaufen wäre. Sei im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung diese Frist noch nicht abgelaufen, so sei die Betriebsveräußerung die Ursache für die Nachversteuerung, weswegen die Nachversteuerung der Investitionsrücklagen im Rahmen des Veräußerungsgewinnes vorzunehmen sei.

Dieses Vorbringen überzeugt nicht. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat, ist als gesetzlich vorgezeichnetes Ereignis, das die Beibehaltung von Investitionsrücklagen ausschließt und deren gewinnerhöhende Auflösung zur Folge hat, nicht die Betriebsveräußerung (Betriebsaufgabe), sondern die Unterlassung der bestimmungsgemäßen Verwendung von Investitionsrücklagen innerhalb der gesetzlichen Frist bis zur Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe anzusehen (vgl die hg Erkenntnisse vom 19. Februar 1985, 84/14/0089, Slg Nr 5962/F, und vom 4. Juni 1988, 88/14/0065, 0104).

Der Beschwerdeführer erblickt eine Ungleichbehandlung zwischen stillen Reserven und Investitionsrücklagen darin, dass die anlässlich der Betriebsveräußerung aufgedeckten stillen Reserven als begünstigter Veräußerungsgewinn erfasst würden, die aufgelösten Investitionsrücklagen jedoch nicht.

Die vom Beschwerdeführer beanstandete Ungleichbehandlung liegt nicht vor. Während § 24 EStG zur Milderung der kumulierten Erfassung angestauter stiller Reserven eine Reihe von Begünstigungen vorsieht (vgl Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, Tz 3 zu § 24), entspricht es dem Wesen einer Nachversteuerungsvorschrift, wie sie im § 9 Abs 2 EStG vorgesehen ist, jene Steuern, die durch die Inanspruchnahme einer Steuerbegünstigung ermäßigt wurden, bei (nachträglichem) Wegfall der hiefür normierten Voraussetzungen (ihrer Art nach) wiederum in entsprechendem Ausmaß zu erhöhen. Dieser Intention würde es schon widersprechen, für die Nachversteuerung einen begünstigten Steuersatz vorzusehen (vgl das hg Erkenntnis vom 11. März 1992, 92/13/0021).

Soweit der Beschwerdeführer auf die in § 9 Abs 4 EStG 1972 vorgesehen gewesene Sonderregelung für freiberuflich Tätige, die eine (teilweise) Ausnahme von der Nachversteuerung nicht bestimmungsgemäß verwendeter Investitionsrücklagen vorgesehen hatte, Bezug nimmt und hiezu ausführt, diese differenzierte Behandlung für freiberuflich Tätige durch den Gesetzgeber untersage nicht den Schluss, dass Investitionsrücklagen anlässlich einer Betriebsaufgabe durch freiberuflich Tätige dem Veräußerungsgewinn zuzurechnen seien, vielmehr sage der Gesetzgeber zu diesem Punkt überhaupt nichts, ist ihm zu erwidern, dass eben diese Sonderregelung im EStG 1988 nicht mehr enthalten ist. Für die vom Beschwerdeführer angestrebte Deutung, aufgelöste Investitionsrücklagen seien als Veräußerungsgewinn zu besteuern, ist der genannten Bestimmung jedenfalls nichts zu entnehmen.

Soweit der Beschwerdeführer im Hinblick auf § 9 Abs 4 EStG 1972 ausführt, es sei durchaus unbedenklich, wenn steuerlich eine differenzierte Betrachtung verschiedener Einkunftsarten erfolge, weswegen es rechtlich möglich sei, bei freiberuflich Tätigen die Auflösung von Investitionsrücklagen als begünstigten Veräußerungsgewinn zu besteuern, zeigt er damit keine Gründe auf, die es geboten erscheinen ließen, gerade für freiberuflich Tätige diese differenzierte Betrachtung heranzuziehen. In diesem Sinn wird nochmals auf die bereits zitierten hg Erkenntnisse 93/14/0037 und 88/14/0065, 0104 verwiesen, in denen es um die Nachversteuerung von Investitionsrücklagen freiberuflich Tätiger ging.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, die Nachversteuerung von gewinnerhöhend aufgelösten Investitionsrücklagen als laufender Gewinn stehe deren auch vorhandenem Ziel entgegen zu vermeiden, dass unüberlegte, betriebswirtschaftlich nicht sinnvolle Investitionen bloß deswegen durchgeführt würden, um Investitionsbegünstigungen (zB Investitionsfreibeträge) zu nutzen (vgl Doralt/Ruppe, Steuerrecht I3, 117), weil der Abgabepflichtige, der eine Veräußerung seines Betriebes plane, dazu verleitet werde, Investitionen nur deshalb durchzuführen, um Investitionsrücklagen aufzulösen. Die realisierten stillen Reserven, etwa aus nicht abgereiften Investitionsfreibeträgen, seien tarifbegünstigt. Solange die Behaltefrist nicht abgelaufen sei, hätten Investitionsfreibeträge die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Dennoch würden Investitionsfreibeträge bei einer Betriebsveräußerung dem Veräußerungsgewinn zugerechnet. Dies sei eine logisch nicht nachvollziehbare, inkonsequente Behandlung.

Mit diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, dass es sich bei Investitionsrücklagen um noch nicht besteuertes Eigenkapital handelt, woraus sich iVm den Vorschriften zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns iSd § 24 Abs 2 EStG schon die Qualifikation der aufgelösten Investitionsrücklagen als Teil des Veräußerungsgewinnes verbietet (vgl nochmals das bereits mehrfach zitierte hg Erkenntnis 88/14/0065, 0104). An dieser Beurteilung ändert auch der Hinweis auf den Zweck der Vermeidung unüberlegter, bloß wegen der Steuerersparnis durchgeführter Investitionen nichts.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Wien, am 26. Juli 2000

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1995140162.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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